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Rüstungskonzern Rheinmetall: „Worldwide Player“

ISW München - Di, 14/05/2024 - 07:05

Rheinmetall boomt und will zum „Worldwide Player“ in der Rüstungsbranche werden.
Der Rüstungskonzern kündigt anlässlich  seiner diesjährigen Hauptversammlung an, er wolle zum „Worldwide Player“ in der Rüstungsindustrie aufsteigen. Konzernchef Papperger erklärt, ein „europäisches Systemhaus“ könne zu den drei größten US-Rüstungsriesen aufschließen.

Grundlage ist ein rasanter Anstieg der Produktion von Waffen und Munition, der durch den Ukraine-Krieg ausgelöst wurde und Umsatz sowie Profit der Düsseldorfer Waffenschmiede in die Höhe schnellen lässt.
Deren Rüstungssparte konnte ihren Umsatz im vergangenen Jahr auf 5,69 Milliarden Euro steigern und dabei einen Gewinn von 828 Millionen Euro erzielen – erheblich mehr als noch 2021 (491 Millionen Euro). Das Geschäft scheint mit einem Auftragsbestand, der bis Jahresende 60 Milliarden Euro erreichen könnte, auf Jahre gesichert. Die Aufträge gehen zum guten Teil auf das 100 Milliarden Euro schwere „Sondervermögen“ zurück, von dem Rheinmetall voraussichtlich rund ein Drittel erhält. Konzernchef Armin Papperger plädiert zudem dafür, „ein europäisches Systemhaus“ zu gründen, das einen Jahresumsatz von 30 bis 35 Milliarden Euro erzielen und damit zu US-Branchenriesen wie etwa Northrop Grumman oder Raytheon aufschließen könnte. Parallel nimmt die Bedeutung der Rüstungsbranche für Politik und Gesellschaft zu.

Munitionsproduktion verzehnfacht

Rheinmetall befindet sich seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs in einem fast beispiellosen Wachstumsprozess. Der Konzern hat etwa die Herstellung von Artilleriemunition, die im Jahr 2021 noch bei ungefähr 70.000 Schuss lag, drastisch gesteigert und will bis Ende 2024 eine Jahresproduktion von 700.000 Schuss erreichen. Auf lange Sicht sind sogar 1,1 Millionen Schuss pro Jahr geplant. Allein die Produktion von Panzermunition, die vor dem Krieg bei 20.000 bis 30.000 Schuss pro Jahr lag, könne auf 150.000 bis 200.000 Schuss aufgestockt werden, teilt Konzernchef Armin Papperger mit.[1] Möglich wird dies nicht zuletzt durch den Bau neuer Fabriken etwa in Unterlüß oder in Litauen; als litauischer Standort wurde zuletzt Radviliškis unweit Šiauliai genannt. Auch im ungarischen Várpalota südwestlich von Budapest errichtet Rheinmetall eine neue Munitionsfabrik; zudem hat das Unternehmen Ende 2022 den spanischen Munitionshersteller Expal übernommen.[2] Noch weitere neue Werke sind in Planung; so entsteht in Weeze am Niederrhein eine Fabrik, in der ab kommendem Jahr Rumpfteile für den US-Kampfjet F-35 hergestellt werden sollen. In den schon bestehenden Fabriken wird die Produktion zusätzlich nach Kräften hochgefahren.

Auftragsbestand verdoppelt

Die rapide in die Höhe schnellende Produktion schlägt sich unmittelbar in rasant steigenden Umsatzzahlen nieder. War der Umsatz von Rheinmetall von 2019 bis 2021 noch geschrumpft – von 6,26 auf 5,66 Milliarden Euro –, so lag er 2023 bereits bei 7,2 Milliarden Euro; dieses Jahr wird er laut Schätzung von Papperger annähernd zehn Milliarden Euro erreichen.[3] Für 2026 ist von einem Umsatz von 13 bis 14 Milliarden Euro die Rede, vielleicht auch mehr. Grundlage sind stets neu eingehende Aufträge, die den Auftragsbestand des Konzerns schnell wachsen lassen. Gegenwärtig ist von Aufträgen im Wert von mehr als 32 Milliarden Euro die Rede; allein Munitionsbestellungen belaufen sich Berichten zufolge auf einen Wert von gut 7,1 Milliarden Euro. In diesem Jahr könnten Papperger zufolge weitere Aufträge im Wert von bis zu 30 Milliarden Euro hinzukommen.[4] „Ich erwarte, dass wir Ende des Jahres etwa 60 Milliarden Euro Auftragsbestand haben“, teilte der Konzernchef kürzlich mit.[5] Dazu tragen nicht zuletzt die Bestellungen der Bundeswehr bei, die zum guten Teil aus dem sogenannten Sondervermögen von 100 Milliarden Euro finanziert werden. Papperger zufolge wird der Konzern zwischen 30 und 40 Milliarden davon kassieren [6], mehr als jedes andere Rüstungsunternehmen.

Auf Augenhöhe mit den Branchenriesen

Darauf aufbauend strebt Rheinmetall den raschen Aufstieg in die erste Liga der globalen Rüstungskonzerne an. Im Jahr 2022 hatte das Unternehmen auf der SIPRI-Rangliste der 100 größten Rüstungsfirmen weltweit mit einem Rüstungsumsatz von 4,55 Milliarden US-Dollar auf Platz 28 gelegen.[7] Bereits 2023 ist es dem Konzern nun aber gelungen, seinen Rüstungsumsatz – Rheinmetall besitzt auch eine kleinere, schnell an Bedeutung verlierende zivile Sparte – auf ein Volumen von 5,69 Milliarden Euro zu steigern. Damit ist das Unternehmen zwar noch meilenweit von den US-Branchenspitzen entfernt, die im Jahr 2022 Rüstungsumsätze von 32,3 Milliarden US-Dollar (Northrop Grumman), 39,6 Milliarden US-Dollar (Raytheon) oder gar 59,4 Milliarden US-Dollar (Lockheed Martin) erzielten. Ein Aufschließen zu den kontinentaleuropäischen Spitzenkonzernen Thales (Frankreich, 9,4 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz 2022) und Leonardo (Italien, 12,5 Milliarden US-Dollar Jahresumsatz 2022) scheint aber nicht mehr ausgeschlossen. Papperger schlug kürzlich vor, auf EU-Ebene einen Zusammenschluss vorzubereiten bzw. „ein europäisches Systemhaus zu gründen“. Mit einem Jahresumsatz in Höhe von 30 bis 35 Milliarden Euro könne es auf Augenhöhe mit den US-Marktführern operieren.[8]

Hoffnungsmarkt USA

Rheinmetall setzt in wachsendem Maß auch auf den US-amerikanischen Absatzmarkt – den größten Rüstungsmarkt der Welt. Da die Aufträge aus dem Berliner „Sondervermögen“ erst mit Verzögerung eintreffen und der Rheinmetall-Umsatz in Deutschland 2023 bei 1,72 Milliarden Euro stagnierte, verdankt der Konzern die Steigerung seines Umsatzes vor allem der Zunahme seines Umsatzes im übrigen Europa um rund 50 Prozent auf 3,40 Milliarden Euro.[9] Der Absatz in Asien, vor allem im Nahen und Mittleren Osten, ging dagegen zurück und lag nur noch ein wenig über 800 Millionen Euro. Der Absatz in den Vereinigten Staaten stieg von knapp 440 Millionen Euro im Jahr 2000 auf fast 600 Millionen Euro 2023 – und könnte dramatisch weiter wachsen. Rheinmetall ist es im vergangenen Jahr gelungen, bei der Bewerbung um die Herstellung eines Nachfolgemodells für den US-Schützenpanzer Bradley in die Endauswahl zu gelangen, wo er bloß noch mit dem US-Konzern General Dynamics konkurriert. Dabei ist inzwischen die Detailplanung angelaufen; anschließend muss die Düsseldorfer Waffenschmiede sieben bis elf Prototypen des Schützenpanzers bauen.[10] Die Entscheidung des Pentagon wird für Ende 2026 erwartet. Das Gesamtvolumen des Auftrags beläuft sich voraussichtlich auf 45 Milliarden US-Dollar.

Der Einfluss der Rüstungsindustrie

Mit dem rasanten Wachstum von Rheinmetall und weiteren deutschen Rüstungskonzernen nimmt die gesamtwirtschaftliche Bedeutung der deutschen Rüstungsindustrie in hohem Tempo zu. Laut Angaben des Informationsdiensts des Instituts der deutschen Wirtschaft (iwd) aus Köln beschäftigte die Branche im Jahr 2020 gut 55.500 Personen, und sie erwirtschaftete einen Umsatz von knapp 11,3 Milliarden Euro.[11] Dies waren damals ungefähr 0,33 Prozent des deutschen Bruttoinlandsprodukts (BIP). Allerdings kamen noch Hersteller von Dual Use-Waren sowie Unternehmen, die nichtmilitärische Produkte zur Weiterverarbeitung an Rüstungsfirmen lieferten, hinzu. Mit der Fertigung von Waffen und Munition wie auch von militärischen Kampffahrzeugen waren im Jahr 2020 insgesamt rund 23.000 Personen unmittelbar befasst. Wie stark die Zahl der Beschäftigten in der Rüstungsproduktion zuletzt zugenommen hat, zeigt das Beispiel Rheinmetall: Arbeiteten im Jahr 2013 noch rund 10.100 Personen in der Rüstungssparte des Unternehmens, so lag ihre Zahl im Jahr 2023 schon bei fast 15.600 – und das mit rasch steigender Tendenz.[12]
Diese Entwicklung ist nicht auf Rheinmetall beschränkt. Mit ihr nimmt auch der politische und soziale Einfluss der Rüstungsindustrie zu.

 

Quellen

[1] Björn Finke, Thomas Fromm: „Wir sind keine Kriegsgewinnler“. Süddeutsche Zeitung 11.05.2024.

[2] S. dazu „Wie die USA im Zweiten Weltkrieg“.

[3] Rheinmetall sieht sich auf dem Weg zum „Worldwide Player“. n-tv.de 03.05.2024.

[4] Roman Tyborski, Christoph Schlautmann: Rheinmetall ist auf dem Weg zum europäischen Rüstungsgiganten. handelsblatt.com 13.05.2024.

[5] Rheinmetall sieht sich auf dem Weg zum „Worldwide Player“. n-tv.de 03.05.2024.

[6] Björn Finke, Thomas Fromm: „Wir sind keine Kriegsgewinnler“. Süddeutsche Zeitung 11.05.2024.

[7] The SIPRI Top 100 Arms-Producing and Military Services Companies, 2022. Solna, December 2023. S. auch Vor dem Rüstungssturm.

[8] Rheinmetall sieht sich auf dem Weg zum „Worldwide Player“. n-tv.de 03.05.2024.

[9] Umsatz der Rheinmetall AG nach Regionen von 2013 bis 2023. de.statista.com 14.03.2024.

[10] Milliardenschwerer US-Panzerauftrag: Rheinmetall kommt in Endauswahl. handelsblatt.com 07.08.2023.

[11] Deutsche Rüstungsindustrie: Eine Branche im Umbruch. iwd.de 29.03.2022.

[12] Roman Tyborski, Christoph Schlautmann: Rheinmetall ist auf dem Weg zum europäischen Rüstungsgiganten. handelsblatt.com 13.05.2024.

 

Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung am 15. Mai

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Für ein Europa der nuklearen Abrüstung - Offene Briefe gegen die Eurobombe!

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Russland – und wie weiter? Unbedingt anhören!

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US-Geheimdienst zufolge hat Putin den Tod Navalnys nicht direkt angeordnet

acTVism - Fr, 10/05/2024 - 12:04

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Russland kündigt Atomübungen an, Israel beginnt Angriff auf Rafah & Studentenproteste

acTVism - Do, 09/05/2024 - 10:37

Russland kündigt Atomübungen an, Israel beginnt Angriff auf Rafah & Studentenproteste.

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Russia announces nuclear drills, Israel begins attack on Rafah & student protests

acTVism - Mi, 08/05/2024 - 11:46

Russia announces nuclear drills, Israel begins attack on Rafah & student protests.

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Leonardo Boff: Warum ist gesellschaftspolitisches Engagement heute so schwierig?

Lebenshaus-Newsletter - Mi, 08/05/2024 - 06:06
Wir erleben derzeit einen besorgniserregenden Rückzug der Basis und verschiedener sozialer Bewegungen, vor allem der politischen, aus dem Engagement für... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Das Phänomen China

acTVism - Di, 07/05/2024 - 13:59

Das Phänomen China.

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Gaza-Krieg: Keine Zuflucht, nirgends

Lebenshaus-Newsletter - Di, 07/05/2024 - 09:04
Die Offensive auf Rafah beginnt, eine Million Menschen sind bedroht. Wer kann das Töten noch aufhalten? Von Riad Othman.... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Deutschland und die EU fallen im Außenhandel mit dem Globalen Süden massiv gegenüber China zurück. Politischer Einfluss sinkt..

ISW München - Di, 07/05/2024 - 07:50

Das zentrale Ergebnis einer aktuellen Analyse aus dem Kölner Institut der Deutschen Wirtschaft (IW):
Deutschland und die EU verlieren in den Handelsbeziehungen der Länder des Globalen Südens deutlich an Gewicht und sollten deshalb über ihren politischen Einflussverlust „nicht überrascht sein“.



Der IW- Studie zufolge stagniert der Anteil der Bundesrepublik am Handel relativ wirtschaftsstarker Staaten Asiens, Afrikas und Lateinamerikas; der Anteil der EU geht sogar deutlich zurück, während der Anteil Chinas rasant gestiegen ist und denjenigen sowohl der EU als auch der USA inzwischen in den Schatten stellt. Das sei eine wichtige Ursache dafür, dass auch Deutschlands „geopolitisches Gewicht im Globalen Süden abnimmt“, erklärt das IW. Als Beispiel nennt das Institut Brasilien, das unter dem Präsidenten Luis Inacio Lula da Silva „beim Ukraine-Krieg und im Nahostkonflikt eine dem Westen konträre Haltung einnimmt“; das sei nicht zuletzt „der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas und Russlands für Brasilien geschuldet“. Das IW dringt auf entschlossene außenwirtschaftliche Maßnahmen der Bundesregierung zur Förderung des Handels mit dem Globalen Süden.

Europa fällt zurück

China hat in den vergangenen Jahren seinen Handel mit den bedeutendsten Ländern des Globalen Südens massiv ausgeweitet und ist zu deren wichtigstem Handelspartner noch vor den Vereinigten Staaten und der EU aufgestiegen. Dies geht aus einer aktuellen Untersuchung des Kölner Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) hervor.[1] Demnach hat die Volksrepublik ihren Handel mit 25 Ländern des Südens, die zum Teil erhebliches ökonomisches Gewicht besitzen, in den Jahren von 2019 bis 2023 um 47 Prozent steigern können. Damit hält sie jetzt 20 Prozent an deren Außenhandel; 2010 waren es noch knapp 12 Prozent. Die Vereinigten Staaten konnten ihren Anteil von 18 Prozent seit 2010 in etwa stabil halten, während die EU stark verlor und von 18 Prozent im Jahr 2010 auf 14 Prozent im Jahr 2023 zurückfiel. Die Bundesrepublik konnte ihren Anteil bei rund 4 Prozent annähernd halten. Russland wiederum ist es gelungen, seinen Anteil am Außenhandel der wichtigsten Länder des Südens von nur einem Prozent im Jahr 2021 auf 3 Prozent im Jahr 2023 zu steigern. Es ist dabei, Deutschland zu überholen, und kann als größter Gewinner der vergangenen beiden Jahre gelten.

Die Neue Seidenstraße

Dem IW zufolge lässt sich der Anstieg des chinesischen Anteils am Außenhandel des Globalen Südens nicht alleine durch das Wachstum von Chinas Wirtschaft im Allgemeinen und seines Außenhandels im Besonderen erklären.
Beijing habe gezielt den Handel entlang der Neuen Seidenstraße gefördert, konstatiert das Institut [2]; an dieser jedoch beteiligen sich die meisten Länder des Westens nicht, und diejenigen, die es, wie etwa Italien, doch taten, wurden genötigt, sich wieder von ihr loszusagen [3]. Die Neue Seidenstraße hat deshalb dazu beigetragen, Chinas Geschäft auf den Globalen Süden zu fokussieren.
Zudem hat die Volksrepublik zahlreiche Länder des Südens während der Covid-19-Pandemie mit allerlei medizinischem Bedarf und ganz besonders mit Impfstoffen unterstützt, was den Handel noch weiter belebt hat.
Letzteres traf in gewissem Maß auch auf Russland zu, das seit 2022 zudem durch die vom Westen verhängten Sanktionen faktisch gezwungen wurde, das Geschäft mit dem Globalen Süden auszuweiten; das ist ihm gelungen. Zugleich hat die EU es versäumt, eine Reihe großspurig angekündigter Vorhaben, etwa Freihandelsabkommen mit Indien oder mit dem südamerikanischen Mercosur, in die Tat umzusetzen; das hat ihren Rückfall beschleunigt.[4]

Größter Handelspartner

Die Feststellung, die das IW für die 25 wichtigsten Länder des Globalen Südens trifft, lässt sich auch regional bestätigen. So ist China, dessen Anteil am Außenhandel Lateinamerikas im Jahr 2000 noch unbedeutend war, zu dessen größtem Handelspartner aufgestiegen – mit Ausnahme Mexikos, dessen mit riesigem Abstand größter Handelspartner die USA sind, da die Belieferung US-amerikanischer Billiglohnfabriken nahe der Grenze (Maquiladoras) sowie der Rücktransport der weiterverarbeiteten Produkte in die Vereinigten Staaten gewaltige Handelsvolumina kreiert. Für das südostasiatische Bündnis ASEAN ist China ebenfalls der größte Handelspartner vor den USA sowie der EU.[5]
Für Afrika wiederum ist das Land größter Handelspartner auf bilateraler Ebene; nur wenn man die EU zusammenrechnet, liegen deren Mitgliedstaaten gemeinsam in Afrikas Außenhandel vor der Volksrepublik – noch.[6]
Auch bei den Direktinvestitionen im Globalen Süden holt China schnell auf und ist häufig der dynamischste aktuelle Investor; der Investitionsbestand US-amerikanischer oder europäischer Firmen ist allerdings wegen des jahrzehntelangen Vorlaufs meist noch größer als derjenige chinesischer Unternehmen. In Lateinamerika zum Beispiel hält China einen Anteil von 11,3 Prozent am gesamten Bestand ausländischer Investitionen.[7]

„Keine Überraschung“

Mit Blick auf den rasant steigenden Anteil Chinas am Außenhandel des Globalen Südens bei gleichzeitig stagnierendem deutschen und erheblich zurückgehendem EU-Anteil konstatiert das IW:
„Vor diesem Hintergrund sollte Deutschland nicht überrascht sein, dass sein geopolitisches Gewicht im Globalen Süden abnimmt.“[8] „Sichtbar“ werde dies etwa „in der ... Rhetorik des brasilianischen Staatspräsidenten Lula, der beim Ukraine-Krieg und im Nahostkonflikt eine dem Westen konträre Haltung einnimmt“, schreibt das IW weiter; dabei sei „klar“, dass dies nicht zuletzt „der wirtschaftlichen Bedeutung Chinas und Russlands für Brasilien geschuldet“ sei.
Die Entwicklung drohe sich fortzusetzen. So hätten etwa die chinesischen Exporte von Elektroautos in den Jahren 2022 und 2023 um 83 bzw. 41 Prozent zugenommen, die deutschen aber nur um 18 bzw. 39 Prozent.
Da chinesische Produzenten „bereits ein mehr als eineinhalb Mal so großes Exportvolumen“ wie deutsche Hersteller erzielten, „vergrößert sich die bestehende Lücke“ zwischen China und der Bundesrepublik. Ähnliches zeige sich etwa bei bedeutenden Chemikalien.
Damit wachse der Handelseinfluss der Volksrepublik weiter, während derjenige Deutschlands und der EU weiter schrumpfe.

Wirtschaft statt Phrasen

Als Gegenmittel empfiehlt das IW entschlossene außenwirtschaftliche Maßnahmen.
Kanzler Olaf Scholz betone zwar „den Fokus seiner Politik auf den Globalen Süden“ und proklamiere stets eine „Partnerschaft auf Augenhöhe“. Doch sei sein Erfolg allenfalls beschränkt: Wegen der „verschobenen ökonomischen Gewichte“ könnten „Länder wie Brasilien, Indien und Saudi-Arabien längst ihre eigenen Interessen verfolgen“.[9]
Um Abhilfe zu schaffen, sei „der zeitnahe Abschluss von Handelsabkommen“, so etwa mit dem Mercosur, „drängender denn je“, urteilt des IW. Auch dürfe „die wirtschaftliche Bedeutung von Entwicklungshilfe ... nicht vernachlässigt werden“.
In der Tat haben Kritiker immer wieder darauf hingewiesen, dass die Entwicklungshilfe der Bundesrepublik ganz speziell deutschen Investoren oder deutschen Exporteuren zugute kommt (german-foreign-policy.com berichtete [10]). Der damalige deutsche Entwicklungsminister Dirk Niebel bestätigte im März 2013, „mit jedem Euro Entwicklungszusammenarbeit“ flössen „durch Wirtschaftskontakte“ auf lange Sicht bestimmt „zwei Euro zurück zu uns“.[11]

 

[1], [2] Simon Gerards Iglesias: Handel mit Globalem Süden: Deutschland stagniert, China und Russland expandieren. IW-Kurzbericht Nr. 25. Köln, 03.05.2024.

[3] Chinas „Neue Seidenstraße“: Italien zieht sich zurück. wiwo.de 06.12.2023.

[4] S. dazu Keine Alternative und Vor dem Scheitern.

[5] Matt Ferchen, Cheng-Chwee Kuik: EU-ASEAN Trade, Investment, and Connectivity Cooperation. carnegieeurope.eu 04.07.2023.

[6] Karoline Eickhoff: Strategische Beziehungen mit Afrika: Konnektivität als Türöffner? megatrends-afrika.de 17.10.2023.

[7] Jörg Kronauer: „Eine Welt ohne Hegemon“. China, der Globale Süden und das Ende der westlichen Vorherrschaft. Hamburg 2024. S. 84.

[8], [9] Simon Gerards Iglesias: Handel mit Globalem Süden: Deutschland stagniert, China und Russland expandieren. IW-Kurzbericht Nr. 25. Köln, 03.05.2024.

[10] S. dazu Eigennützige Entwicklungshilfe.

[11] Niebel-Interview für „Bild/Bild online“. liberale.de 04.03.2013.

 

Prof. Jeffrey Sachs zu Studentenprotesten, Israel-Gaza & Ukraine

acTVism - Mo, 06/05/2024 - 14:49

Prof. Jeffrey Sachs zu Studentenprotesten, Israel-Gaza & Ukraine

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Connection e.V., DFG-VK, BSV und EAK fordern die Innenminister*innen auf: Kriegsdienstverweigerer*innen aus der Ukraine brauchen Schutz

Lebenshaus-Newsletter - Mo, 06/05/2024 - 11:39
Connection e.V., die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), der Bund für Soziale Verteidigung (BSV) und die Evangelische Arbeitsstelle für... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Inflation und Zinssätze: die Erfahrung der USA

ISW München - Mo, 06/05/2024 - 08:55

Wieder einmal befindet sich die US-Notenbank in einer Zwickmühle.  Senkt sie ihren Leitzins bald, um den Druck auf die Schuldendienstkosten für Verbraucher und Unternehmen zu mindern und vielleicht eine Stagflation zu vermeiden (d. h. geringes oder kein Wachstum bei gleichzeitig höherer Inflation), oder hält sie an ihrem derzeitigen Zinssatz für die Kreditaufnahme fest, um sicherzustellen, dass die Inflation in Richtung ihres Ziels von 2 % pro Jahr fällt?

Das ist die Frage, auf die Mainstream-Ökonomen und Investoren in Finanzanlagen eine Antwort haben wollen.  Aber das ist nicht die wirklich wichtige Frage.  Das derzeitige Dilemma der Fed zeigt, dass die "Geldpolitik" (d. h. die Anpassung der Zinssätze und der Geldmenge durch die Zentralbanken) nur geringe Auswirkungen auf die Kontrolle der Inflation bei den Preisen für Waren und Dienstleistungen hat, die Haushalte und Unternehmen zahlen müssen.

Zentralbanker und Mainstream-Ökonomen argumentieren weiterhin, dass die Geldpolitik einen Einfluss auf die Inflationsraten hat.  Die Beweise sprechen jedoch für das Gegenteil.  Die Geldpolitik steuert angeblich die "Gesamtnachfrage" in einer Volkswirtschaft, indem sie die Kreditaufnahme für Ausgaben (sei es für Konsum oder Investitionen) teurer oder billiger macht.  Die Erfahrung des jüngsten Inflationsanstiegs seit dem Ende der Pandemiekrise im Jahr 2020 ist jedoch eindeutig.  Die Inflation stieg aufgrund der geschwächten und blockierten Lieferketten und der langsamen Erholung der verarbeitenden Industrie an, nicht aufgrund einer "übermäßigen Nachfrage", die entweder durch eine staatliche Ausgabenwut oder "übermäßige" Lohnerhöhungen oder beides verursacht wurde.  Und die Inflation begann zu sinken, sobald die Energie- und Nahrungsmittelknappheit und die Preise nachließen, die Blockaden in den globalen Lieferketten abgebaut wurden und die Produktion wieder anlief.

Es sollte sich erübrigen,  noch einmal auf die bisherigen Beweise eingehen, dass die Inflation angebots- und nicht nachfragegesteuert war, denn sie sind überwältigend.  Dies bedeutete jedoch, dass die Geldpolitik der Zentralbanken wenig zur Verringerung der Inflation beitragen konnte.  Und hier liegt der Knackpunkt.  Die Inflationsraten beginnen wieder anzusteigen, insbesondere in den USA.  Die Kerninflation in den USA (ohne Lebensmittel- und Energiepreise) steigt im gleitenden 3-Millionen-Durchschnitt inzwischen auf über 4 % pro Jahr.


Und dafür gibt es zwei Gründe.  Erstens haben die Lebensmittel- und Energiepreise wieder zu steigen begonnen.  Die Ölpreise haben angezogen, da die Houthis die Schifffahrt im Roten Meer angreifen und Israel den Krieg im Gazastreifen auf den Iran ausweitet.

 

Und ein wichtiger Rohstoff für die Industrie, Kupfer, ist knapp und hat jetzt einen Rekordpreis.

 

 

Die US-Notenbank steckt in einer Zwickmühle, und Mainstream-Ökonomen sind gezwungen, die Wirksamkeit des Monetarismus zu überdenken, der besagt, dass die Inflation durch ein übermäßiges Geldmengenwachstum im Vergleich zur Produktion verursacht wird.  Die Zentralbanken haben das Geldmengenwachstum gedrosselt, angeblich um die Inflation zu verringern. Doch in der breiten Öffentlichkeit macht sich Unsicherheit breit.


Financial Times veröffentlichte kürzlich Woche einen Artikel mit der Überschrift: The limits of what high interest rates can now achieve" (Die Grenzen dessen, was hohe Zinssätze jetzt erreichen können) und kommentierte, dass "wir realistisch sein müssen, was die Geldpolitik tun kann und was nicht". Der Artikel räumt ein, dass "die Wirksamkeit der Geldpolitik auch von den strukturellen wirtschaftlichen Triebkräften abhängt, die sie umgeben. Schließlich wurde die Zeit der günstigen Inflation vor der Finanzkrise durch eine elastische Produktion und Energieversorgung begünstigt. Mit Blick auf die Zukunft ist die Verwendung von Zinssätzen mit unzuverlässigen Verzögerungen zur Beeinflussung der Nachfrage ein Rezept für Volatilität, da Angebotsschocks aufgrund von Regionalisierung, Geopolitik und einer weniger günstigen demografischen Entwicklung anhalten - es sei denn, es gibt kompensierende Produktivitätssteigerungen".
Der Artikel kommt zu dem Schluss, dass "die Steuer- und Angebotspolitik in der Preisstabilitätsdebatte stärker in den Vordergrund gerückt werden muss. Schließlich ist ein defekter Wasserhahn noch nutzloser, wenn die Rohrleitungen defekt sind".

Dennoch wird in dem Artikel weiterhin behauptet, dass die Geldpolitik der Fed und anderer Zentralbanken dazu beigetragen habe, die Inflation zu senken.  Der Artikel zitierte für diese Behauptung verschiedene Papiere der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich und der Bank of England.  Doch wenn man sich diese Quellen anschaut, zeigt sich wieder das Gegenteil.  Das zitierte BoE-Papier kommt zu dem Schluss, dass "die Inflation im Vereinigten Königreich im Jahr 2021 durch Knappheit und Energiepreisschocks und in den Jahren 2022 und 2023 auch durch Lebensmittelpreisschocks und einen angespannten Arbeitsmarkt erklärt wird. Die Inflationserwartungen sind besser verankert als vom Modell vorhergesagt. Die bedingten Projektionen deuten darauf hin, dass die Inflation im Vereinigten Königreich im Jahr 2023 aufgrund von disinflationären Energie- und Lebensmittelpreiseffekten stark zurückgehen wird, der Rückgang sich danach aber deutlich verlangsamen wird."  Mit "übermäßiger Nachfrage" hat das nicht viel zu tun

Selbst in der Heimat des Monetarismus, der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, ist die Behauptung, die Inflation sei auf ein übermäßiges Geldangebot oder gar eine übermäßige Nachfrage zurückzuführen, nicht sehr überzeugend.  Das BIZ-Papier konzentriert sich nicht auf die anfänglichen Ursachen des Inflationsschubes, sondern auf die Wahrscheinlichkeit, dass die Inflation "hartnäckig" bleibt und nicht viel zurückgeht, weil die Gefahr besteht, dass die Arbeitnehmer die "angespannten" Arbeitsmärkte nutzen, um die Löhne zu erhöhen.  Die BIZ macht sich mehr Sorgen über die Auswirkungen auf die Rentabilität der Unternehmen als über die Tatsache, dass die Löhne der Arbeitnehmer immer noch versuchen, mit dem Anstieg der Durchschnittspreise um mehr als 20 % seit dem Ende der Pandemie Schritt zu halten. "In angespannteren Märkten ist es wahrscheinlicher, dass sich die Verhandlungsmacht zugunsten der Arbeitnehmer verschiebt und die Überwälzung zwischen Löhnen und Preisen zunimmt.  Oh je.  Aber selbst die BIZ räumt ein, dass "ungünstige demografische Trends und pandemiebedingte Präferenzverschiebungen auf der Angebotsseite einen großen Anteil an der Erklärung dieser Dynamik haben können."

Das letzte gängige Argument für die Inflation sind die Inflationserwartungen.  Die Haushalte und sogar die Unternehmen erwarten nämlich eine Beschleunigung der Inflation, so dass die Haushalte mehr kaufen und die Unternehmen die Preise stärker anheben, was zu einer noch höheren Inflation führt.  Die Erwartungstheorie ist überhaupt keine Theorie.  Sie kann nur funktionieren, wenn die Inflation bereits steigt, und kann daher den anfänglichen Anstieg überhaupt nicht erklären.  Die Erwartungstheorie ist als Erklärung für die steigende Inflation entlarvt worden.  Jetzt, da die Inflation sinkt, sind die Beweise für diese "Theorie" weiterhin schwach.

Allianz Research hat den Rückgang der vierteljährlichen annualisierten Inflation in den USA um 9 Prozentpunkte seit dem zweiten Quartal 2022 mit Hilfe einer Regressionsanalyse aufgeschlüsselt. Dabei wurde festgestellt, dass 5,5 Prozentpunkte des Rückgangs auf Probleme in der Lieferkette zurückzuführen sind, die sich einfach auflösen. Das sind also etwa 60 % des Rückgangs.  AR geht jedoch davon aus, dass 2,7 Prozentpunkte des Rückgangs von 9 % "auf die Signale der Federal Reserve zurückzuführen sind, die dazu beigetragen haben, die Inflationserwartungen neu zu verankern."  Ich überlasse es Ihnen zu glauben, was Sie von der Idee des "Signals" halten.  Weitere 2,2 Prozentpunkte sind darauf zurückzuführen, dass die höheren Zinssätze die Nachfrage drücken, was notwendig war, um den inflationären Auswirkungen der unterstützenden Finanzpolitik und des Arbeitskräftemangels entgegenzuwirken.  Selbst wenn man diese Analyse akzeptiert, bedeutet dies, dass 60-80 % des Rückgangs der US-Inflation seit Mitte 2022 auf angebotsseitige Faktoren zurückzuführen sind.

Und damit sind wir bei der "Stickiness“ der Inflation angelangt.

Welche Komponenten des Inflationsindex sind trotz der Zinserhöhungen der Zentralbanken nicht gesunken?  Die Antwort lautet: die Wohnkosten und die Kfz-Versicherung, die stark angestiegen sind.  Wie der FT-Artikel einräumt: "Beide sind zum Teil ein Produkt der pandemischen Angebotsschocks - geringere Bautätigkeit und ein Mangel an Fahrzeugteilen -, die immer noch durch die Lieferkette sickern. Tatsächlich sind die jetzt teureren Kfz-Versicherungen ein Produkt des früheren Kostendrucks bei Fahrzeugen. Die Nachfrage ist nicht das zentrale Problem; hohe Tarife können nur wenig ausrichten.

Der FT-Artikel schließt mit den Worten: "So oder so, die Geldpolitik ist ein Auffanginstrument. Sie kann die Nachfrage nicht auf schnelle, lineare oder gezielte Weise steuern. Andere Maßnahmen müssen die Flaute auffangen. Schätzungen deuten darauf hin, dass Angebotsfaktoren - auf die die Zinssätze wenig Einfluss haben - inzwischen mehr zur US-Kerninflation beitragen als die Nachfrage."  Nun, während des gesamten Anstiegs und Rückgangs der Inflation war das Angebot die Haupttriebfeder.

Wie geht es jetzt weiter? 

Das Risiko besteht nun darin, dass sich die US-Wirtschaft verlangsamt und die Produktion stagniert, während die Inflation aufgrund eines neuen Anstiegs der Rohstoffpreise "sticky" bleibt. Die US-Wirtschaft ist im vergangenen Jahr real (d. h. nach Berücksichtigung der Inflation) mit einer Jahresrate von 3,4 % gewachsen.  Dies wurde von den Mainstream- und Finanzmedien mit Euphorie begrüßt. "Die US-Wirtschaft entwickelt sich sehr gut... Wir werden wirklich von der ganzen Welt beneidet", sagte ein EconForecaster, James Smith.  Doch dann, im ersten Quartal 2024, verlangsamte sich die jährliche Wachstumsrate des realen BIP auf 1,6 %, die langsamste Rate seit der ersten Hälfte des Jahres 2022.

 

Darüber hinaus sind die jüngsten Konjunkturumfragen, die so genannten PMIs (1), für die USA düster.  Jeder Wert unter 50 deutet auf eine Schrumpfung hin.  Im April lagen sowohl der PMI für das verarbeitende Gewerbe als auch der PMI für den Dienstleistungssektor in den USA zum ersten Mal zusammen unter 50.

 

Auch der Arbeitsmarkt wird immer schwächer.  Zwar liegt die offizielle US-Arbeitslosenquote immer noch unter 4 % (3,9 %), aber die Zahl der Neueinstellungen durch US-Unternehmen nimmt ab, insbesondere bei kleinen Firmen, wie die Umfrage der National Federation of Independent Businesses zu Einstellungsabsichten zeigt. Und die NFIB-Umfrage scheint ein guter Frühindikator für das Beschäftigungswachstum zu sein.

Und die Arbeitnehmer zögern jetzt eher, den Arbeitsplatz zu wechseln, sofern sie keinen neuen bekommen.

In den letzten zwei Jahren waren die meisten neuen Arbeitsplätze Teilzeitstellen.

Während die Vollzeitbeschäftigung (die immer besser bezahlt wird und bessere Bedingungen bietet) stagniert hat.

Die hohen Zinssätze, die von der Fed und anderen Zentralbanken festgesetzt werden, haben keinen Einfluss auf die Inflation. 
Stattdessen erhöhen sie die Schuldendienstkosten insbesondere für kleine Unternehmen, während sich das Wachstum der Unternehmenseinnahmen ebenfalls verlangsamt.  Die Rentabilität wird also unter Druck gesetzt, mit Ausnahme der "Magnificent Seven"-Großunternehmen.

Die "überschüssigen Ersparnisse", die die Haushalte während der Pandemie angesammelt haben, scheinen aufgebraucht zu sein.

Die Zuversicht der amerikanischen Haushalte, Geld auszugeben, ist auf den niedrigsten Stand seit fast zwei Jahren gefallen, da die Amerikaner die künftige Wirtschaftslage immer pessimistischer einschätzen.

Bereits im November letzten Jahres kommentierte der ehemalige Chef der New Yorker Fed, William Dudley: "Muss die Arbeitslosenquote auf 4,25 bis 4,5 Prozent steigen, damit die Fed ihr Ziel, die Inflation wieder auf 2 Prozent zu senken, erreicht? Wenn ja, dann ist eine harte Landung sehr wahrscheinlich". Claudia Sahm, eine weitere ehemalige Fed-Volkswirtin, hält es für einen sehr starken Indikator für eine Rezession in der Produktion, wenn die Arbeitslosenquote drei Monate lang um etwa 0,5 Prozentpunkte über dem Tiefpunkt liegt.  Derzeit liegt dieser Sahm-Indikator um 0,36 Prozentpunkte über dem niedrigsten Wert der letzten 12 Monate.  Der Schwellenwert für eine Rezession ist also noch nicht erreicht, aber er nähert sich an.

Ein Großteil des jüngsten Wachstums der US-Wirtschaft wurde durch eine starke Zunahme der Einwanderung erreicht.  Die US-Wirtschaft wird jedoch nur dann nicht stagnieren, wenn sich das Produktivitätswachstum beschleunigt. Außerdem wird die Inflation nur durch einen Anstieg der Produktion pro Arbeitnehmer und Stunde, d. h. durch eine Steigerung der Wertschöpfung, niedrig gehalten.  Bislang ist das Produktivitätswachstum in den USA in den 2020er Jahren relativ moderat geblieben.

Die Hoffnung besteht darin, dass die KI eine "Produktivitätsrevolution" auslösen wird, die die US-Wirtschaft auf den Weg zu einem rasanten Wachstum in den 2020er Jahren bringt, bei dem das reale BIP schneller wächst als im langfristigen Durchschnitt und die Inflation niedrig bleibt.  Im Moment sieht es aber eher nach dem Gegenteil aus.

 

Anmerkung

(1) PMI - Purchasing Managers' Index)  ist ein Wirtschaftsindikator, der sich aus monatlichen Berichten und Erhebungen von privaten Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes zusammensetzt.

             

Aktionswochen zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung, 15. Mai

Lebenshaus-Newsletter - So, 05/05/2024 - 13:40
Gemeinsam mit rund dreißig Organisationen aus Deutschland ruft Lebenshaus Schwäbische Alb e.V. zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung zu einer Aktionswoche... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Die Aushöhlung des Friedensgebotes der Verfassung

Lebenshaus-Newsletter - Sa, 04/05/2024 - 06:07
Im Mai 2024 wird bundesweit, insbesondere in Bonn und Berlin, der 75. Jahrestag der Verkündung des Grundgesetzes (23. Mai 1949)... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

ChatGPT halluziniert ...

Amazonas-Box/Frieden-etc. - Fr, 03/05/2024 - 22:55


Die DSGVO der EU verlangt von Unternehmen, dass Informationen über Personen korrekt sind. Betroffene müssen zudem vollen Zugang zu ebendiesen Informationen und zu ihrer Quelle erhalten. OpenAI scheint das egal zu sein: Das Unternehmen gibt offen zu, falsche Informationen auf ChatGPT nicht korrigieren zu können ...

noyb hat nun eine Beschwerde gegen OpenAI eingereicht.

Bravo - finde ich gut!

Erdüberlastung, Klimakatastrophe und das gute Leben für alle!

ISW München - Fr, 03/05/2024 - 16:53

Save our Standort – fordert die IG Metall von den Unternehmern.
Aber: Nichts bleibt, wie es ist.
Ohne einen kritischen Blick auf unsere Produktions- und Lebensweise, ohne linke, alternative Industriepolitik sind progressive Veränderungen nicht möglich.

 

Am 2. Mai 2024, war „Erdüberlastungstag“, mit dem Tag hat Deutschland sein jährliches Budget an nachhaltig nutzbaren Ressourcen und ökologisch verkraftbaren CO2-Emissionen aufgebraucht. Ab heute leben wir auf Kosten der Menschen im Globalen Süden und auf Kosten unserer Kinder. Und das so früh wie noch nie!

Ein Tag, an dem wir uns daran erinnern, dass unser hoher Rohstoffverbrauch konkrete Auswirkungen auf Menschen überall auf der Welt, die Umwelt und die Verschärfung der Klimakrise hat. Darin steckt eine besondere Ungerechtigkeit: Denn gerade die Menschen im Globalen Süden verbrauchen viel weniger Rohstoffe, verursachen weniger Emissionen und leiden schon jetzt stärker an den Folgen der Klimakrise und den furchtbaren Bedingungen, unter denen Rohstoffe abgebaut werden.

Besonders beim Abbau von Rohstoffen wie Kupfer oder Gold, die am Ende in unseren elektronischen Geräten landen, sind Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörungen allgegenwärtig. Verunreinigtes Trinkwasser, abgeholzte Wälder, Vertreibung von Anwohner*innen für neue Minen und katastrophale Arbeitsbedingungen im Bergbau gehören für Menschen in den Abbauregionen zum täglichen Leben. Doch auch in der Produktion der Geräte und sogar bei deren Entsorgung als Elektroschrott werden Menschenrechte verletzt und die Umwelt verschmutzt.

Das sagt der Redakteur der IG Metall

Gestern, am Erdüberlastungstag, schrieb ein Redakteur des Newsletters der IG Metall:

„Eigentlich kennt es jeder: SOS ist DAS Notsignal seit mehr als 100 Jahren. Es wird gesendet, wenn es um Leben und Tod geht. SOS Kugellagerstadt – dieses Notsignal wurde am 18. April in Unterfranken ausgesendet: 5.000 Metallerinnen und Metaller waren in Schweinfurt auf der Straße.“

Weiter schreibt der Redakteur:
„Sie wollen retten, was zu retten ist: Ihre Stadt und ihre Region, die an guter Industriearbeit hängen. Save our Standort – vom Main bis hoch in die Rhön, von Schweinfurt bis nach Bad Neustadt an der Saale; die Zulieferindustrie erstreckt sich über die gesamte Region. Der Wohlstand hängt von ihr massiv ab.“ Er beschreibt dann ähnliche Aktionen der Beschäftigten bei Bosch und bei Thyssen-Krupp.
Das Zeitalter der Umstellung in der Industrie sei jetzt bei uns spürbar angekommen. Schließlich garniert er den SOS-Ruf mit einer kleinen biografischen Geschichte:

„Während ich mir in den Semesterferien hier meine Studienkosten erarbeitet habe, haben meine Fußball-Kumpels Häuser gebaut, Familien gegründet, sind mehrmals im Jahr in den Urlaub gefahren. Das machen die heute immer noch so und wünschen sich das gleiche für ihre Kinder.“ Die Menschen, die in Schweinfurt, Stuttgart, Duisburg, Zwickau und Saarlouis, die bei ZF, Kugelfischer, Bosch, Thyssen-Krupp, Volkswagen und Ford arbeiten, haben ein Recht auf soziale Sicherheit, haben ein Recht darauf, ohne Angst zu leben. Aber anlässlich von Erderschöpfungstag und Klimakatastrophe bedeutet das, dass es nicht so weitergehen kann wie bisher. Angesichts der Profiterwartungen der großen Aktionäre bedeutet das, dass es nicht so weitergehen wird.
Appelle an die Unternehmen werden definitiv nicht helfen, „es rettet uns kein höh’res Wesen, kein Gott, kein Kaiser noch Tribun, uns aus dem Elend zu erlösen, können wir nur selber tun“.

Im Newsletter weist der Redakteur jedoch auf eine gemeinsame Erklärung der IG Metall und des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall zum „Sozialpartnersymposium 2024“ hin und darauf, dass das SOS sich an die Unternehmen richtet und deren Willen zu bleiben. „Die Sozialpartner haben eine gemeinsame, auch gesamtgesellschaftliche Verantwortung“, heißt es in der Erklärung. „Abschließend bekräftigen die Sozialpartner der M+E-Industrie 75 Jahre nach Verabschiedung des Grundgesetzes und Wiedereinführung der Tarifautonomie ihre gesellschaftliche Verantwortung und ihren gemeinsamen Beitrag für den Erfolg der Demokratie und der Sozialen Marktwirtschaft1.“ Keine Rede von der Spaltung unserer Gesellschaft in arm und reich, in Arbeiter*innen und Erwerbslose, in teils gut bezahlte Fachkräfte und mies entlohnte Verkäuferin, keine Rede vom Elend der Leiharbeiter*innen, der LKW-Fahrer aus Rumänien oder der Frauen aus Polen, Thailand oder Mexiko, die als Pflegerin für unser Wohlergehen sieben Tage die Woche schuftet.

Das SOS wird gesendet, wenn es um Leben und Tod geht. Aber es geht in Deutschland im Zusammenhang der Veränderungen in der industriellen Produktion nicht um Leben und Tod, sondern auch, wie der Redakteur schreibt, „mehrmals im Jahr in den Urlaub zu fahren“. Ein frommer und völlig unrealistischer Wunsch, dass alles bleiben soll, wie es gerade ist.

 

Das gute Leben für alle

Kein kritischer Blick auf das, was mit der Lebens- und Produktionsweise in unserem Land für ausgelagerte Kosten, für das Leben und Leid von Menschen im globalen Süden und für die Beschleunigung der Klimakatastrophe verbunden ist. Kein Gedanke an die unterschiedlichen, sich widersprechenden Interessen von abhängig Lohnarbeit leistenden Menschen einerseits und nur am Profit orientierten Unternehmen und Aktionären andererseits. Verschämt schreibt der Redakteur von „Umstellungen in der Industrie“. Tatsächlich geht es um Dekarbonisierung, um die Klimakatastrophe nicht weiter zu befeuern und das Pariser Klimaabkommen zu erfüllen – wirklich ein gigantisches Vorhaben. Damit ist die industrielle Produktionsweise, wie wir sie bisher kennen, unmöglich geworden. Die Erdüberlastung zu beenden und den Klimakollaps zu vermeiden führt zwingend zu weniger Profit. Da ist es sinnlos, an die Unternehmen und die Sozialpartnerschaft zu appellieren – den großen Aktionären geht es im Kapitalismus systembedingt nur um maximale Profite. Erforderlich ist eine andere Produktion und eine andere Produktionsweise: nachhaltige, langlebige und bedarfsgerechte Güter und Dienstleistungen in einer mitbestimmt und demokratisch organisierten Wirtschaft.

Wenn ein solcher Umbau der Wirtschaft gelingt, wird das Kapital andere Anlagemöglichkeiten suchen und eventuell in autoritär regierten und noch nicht hoch entwickelten Ländern auch finden. Ein solcher Umbau der Industrie bedeutet keine Deindustrialisierung unseres Landes, sondern eben weniger und eine andere Produktion – Windkraftanlagen, Wärmepumpen, bezahlbare Wohnungen und Schienenfahrzeuge statt Büropaläste, Shoppingmalls, Kohlekraftwerke und Millionen Autos. Das bedeutet wohl auch, nicht mehrmals im Jahr Fernreisen machen zu können – aber es wäre der Beginn von gutem Leben für alle. Es wäre der Beginn von weniger Stress durch zu viel Arbeit oder durch zu geringe Löhne, es wäre der Beginn von mehr Zeit für die Familie, für die Gemeinschaft, für Natur und Kultur, für die Beteiligung und für die Demokratie. „Und wünschen sich das gleiche für ihre Kinder“ – schreibt der Redakteur. Wenn ein solcher Umbau allerdings nicht gelingt, dann nimmt die Klimakatastrophe ihren Lauf – und in der Konsequenz wird es auf der Erde, auch in Deutschland und auch für unsere Kinder, sehr ungemütlich.

Es liegt im wohlverstandenen Interesse der Arbeiterinnen und Arbeiter, ihrer Familien, eigentlich aller Menschen und künftiger Generationen, zu retten, was wirklich zu retten ist: Ein ungeteilt gutes Leben für alle – ob jung oder alt, Frau oder Mann, schwarz oder weiß, im Norden wie im Süden.

1https://www.igmetall.de/download/20240412_Gemeinsame_Erklaerung_von_Gesamtmetall_und_IG_Metall_Sozialpartner_Symposiums_2024.pdf

 

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