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Ukraine: Friedensaktivist Yurii Sheliazhenko zu Hausarrest verurteilt
Ukraine’s Counteroffensive, NATO’s Slip-up & the Taurus Cruise Missile
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2023/08/19 zoom 15:00-17:00 CEST Africa Is Not Interested in Your New Cold War
Wie 4 Konzerne die Lebensmittelindustrie beherrschen
Wie 4 Konzerne die Lebensmittelindustrie beherrschen.
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Rechtsentwicklung: Nur eine "Schlechte-Laune-Partei"? - Den Höhenflug der AfD beenden
Die Politik der Ampel-Regierung vertieft Spaltung der Gesellschaft und gießt Wasser auf die Mühlen der AfD.
Viele Initiativen wollen AfD stoppen. Doch bisher mit wenig Erfolg.
Angesichts der Umfragewerte, nach denen die AfD zwischen 18 und 21 % im Bundesschnitt liegt und in Thüringen sogar die stärkste Partei sein soll, steigt die mediale Beachtung für diese Partei. [1] Einkalkuliert wurde der Medienauftritt von der AfD für ihren Parteitag, auf der an zwei Wochenenden die Kandidat*innen für das EU-Parlament gewählt werden, zu einer Zeit, in der fast alle parlamentarische Arbeit ruht. Einen Zusammenhang zwischen Parteitag und dem Trendbarometer der Umfrageinstitute gibt es nicht. Dass selbst kritische Berichterstattung in vielen Medien über die AfD und ihren Parteitag nicht zu einem Einbruch an Zustimmung bei Umfragen führt, mag überraschen. Es zeigt jedoch wie sehr das öffentliche Zur-Schau-tragen von rassistischen, homophoben, latent frauenfeindlichen und zukunftsfeindlich-unökologischer Politik relativiert wird. Diese Politik soll verstanden werden als "Alternative zur Politik der Regierungen in Bund, Ländern und Kommunen". Und schließlich, so die Aussage von vielleicht-Wähler*innen, ist die AfD ja nicht verboten, also eine demokratische Partei , die wählbar ist.
Die AfD kann nicht einfach schweigend rechts liegengelassen werden.
Eine Positionsbestimmung gegenüber dieser Partei ist wichtig.
Kanzler Olaf Scholz hat versucht seine Position und Haltung zur AfD im Sommerinterview der ARD am 2. Juli mit einer leicht schnoddrig hingeworfenen Aussage mitzuteilen: "Rechte populistische Schlechte-Laune-Parteien hat es immer gegeben, in vielen europäischen Ländern und auch in Deutschland." [2] Damit geht Scholz in Richtung einer Realitätsverweigerung. Die politische Bedeutung, die hinter den hohen Umfragewerten steht, und die Gefahr einer möglichen weiteren Rechtsentwicklung soll nicht genannt werden. Dabei zeigt der Blick in die Geschichte Deutschlands, dass eine faschistische, rassistische und menschenverachtende Politik nicht "zur schlechten Laune", sondern auch zum Tod führt.
Durch den Versuch des "Lächerlich-machen" der AfD, wird die von dieser Partei ausgehende Gewalt verharmlost. Der Kanzler Scholz scheint nicht begriffen zu haben, dass die AfD in den Parlamenten mit ihrer Politik die Hetze schürt, die in Schulen, Universitäten, in Betrieben, Institutionen fortgesetzt und danach auf den Straßen, in den Unterkünften für Geflüchtete, in den (Abschiebe-)Gefängnissen gezündelt und geschlagen wird, bis zum Mord.
Allerdings hatte dieser Kanzler, ein Meister der Erinnerungslücken, schon einmal falsch entschieden, um einer rechtspopulistischen Partei das Wahlergebnis zu vermiesen. Als Innensenator von Hamburg wollte Olaf Scholz 2001 dem Rechtsaußen Ronald Schill im Hamburger Wahlkampf Stimmen abspenstig zu machen. Der Rot-Grüne-Senat griff gegen einen mutmaßlichen Straßendealer zu einem Vorgehen, das von der Schill-Partei selbst hätte kommen können: Der Innensenator Scholz genehmigte erstmalig der Einsatz von Brechmittel, um den vermutlichen Dealer zu überführen. Achidi John wurde in Folge dieses Einsatzes getötet. Der Brechmitteleinsatz wurde fünf Jahre später vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte als Folter eingestuft.
Erwähnt werden muss auch: die SPD hatte die folgende Wahl 2001 in Hamburg verloren, die Schill-Partei erhielt 19,4% und Nachfolger von Olaf Scholz im Amt des Innensenators wurde Ronald Schill. Dem persönlichen Aufstieg des Olaf Scholz in politische Ämter hat der nun als Folter benannte Brechmitteleinsatzes leider nichts anhaben können.
Doch der Kanzler hat anscheinend weder eine Erinnerung an den genehmigten und todbringenden Brechmitteleinsatz, noch an den Wahlerfolg der rechten Schill-Partei.
Mit anderen Worten, Scholz hat vergessen, dass die Übernahme politischer Forderungen und Maßnahmen von Rechten und Rassist*innen nicht zwangsläufig dem eigenen Machterhalt hilft. Es hilft den rechten Parteien, wenn ihre Politik von anderen übernommen und als eigene Politik dargestellt wird. Der demokratische Konsens soll zumindest damit angedeutet werden. Gewählt wird dann jedoch meist das Original und nicht die Kopie.
In der Sommerpressekonferenz Mitte Juli 2023 erklärt Scholz seinen Blick auf die Entwicklung der AfD: "Ich bin ganz zuversichtlich, dass die AfD bei der nächsten Bundestagswahl nicht besser abschneiden wird als bei der letzten." (Zur Erinnerung: Im September 2021 waren es 10,3 % der Stimmen.) Als Begründung für diese Annahme nennt er den "starken Sozialstaat und die Zukunft ist auch nicht schlecht", und er sagt:"...dass man Politik machen muss, bei der die Bürgerinnen und Bürger für sich genügend Gründe haben, an eine gute Zukunft zu glauben."[3]
Diese von ihm genannte gute Zukunft, den starken Sozialstaat und die Politik beschreibt er nicht näher.
Die Politik der Regierung aus SPD, Die Grünen und FDP trägt dazu bei, dass die Spaltung der Gesellschaft in Arm und Reich weitergeht. Milliardenkredite und Unterstützung für Konzerne haben nicht mit der Pandemie geendet. Sie gehen in anderen Bereichen weiter. Das 100 Milliarden-Sonder"vermögen" zusätzlich zu dem jährlichen Rüstungsetat, die "Wirtschaftshilfen" für Energie- und Rüstungskonzerne lassen nicht "an eine gute Zukunft glauben", zumindest nicht für die Mehrheit der Menschen.
Die neuen Gesetze gegen Flucht und Asylrecht setzen die Arbeit des vorherigen Innenministers Seehofer (CSU) fort und Forderungen der AfD nach Asylzentren an den EU-Außengrenzen von 2017 um.
Der erneute Abbau des Rechts auf Asyl ruft gleich wieder alte Rassisten auf den Plan, die ihre menschenverachtende Gesinnung öffentlich machen.
Ex-Verkehrsminister Ramsauer (CSU) hat dem Magazin "Mittelstand Digital"[4] zu geplanten Änderungen des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes der Bundesregierung gesagt, dass die Geburtenrate zu niedrig sei, betonte aber: "Deng Xiaoping hat einmal gesagt: 'Wenn man die Fenster zu weit aufmacht, kommt auch viel Ungeziefer mit rein.'" Daher dürfe man nicht den Fehler machen, neben Fachkräften "auch x-beliebige Wirtschaftsflüchtlinge" ins Land zu holen. (Inzwischen wurde das Zitat entfernt.) Auch wenn Ramsauer inzwischen etwas zurückgerudert ist und das Zitat als "intern und nicht zur Veröffentlichung bestimmt" bezeichnet, ist er ein (weiteres) Beispiel dafür, dass die AfD nicht allein menschenfeindliche und rassistische Politik verbreitet.
Immer öfter lesen und hören wir Aussagen, mit denen wie selbstverständlich Obergrenzen für Geflüchtete, Abschottung und Pushbacks als "normal gültige" Muster für politisches Handeln genannt und gefordert wird.
Statt Humanismus, soziale Sicherheit und gleiche Rechte für alle Menschen die hier wohnen als politisches Ziel zu setzen, wird mit solchen Gesetzen von der Bundesregierung und der EU der Hetze und rassistischen Erklärungsmustern das Wort geredet. Das ist Wasser auf die Mühlen der AfD und ihrer Unterstützer*innen.
"Die Ereignisse von 1933 bis 1945 hätten spätestens 1928 bekämpft werden müssen. Später war es zu spät. Man darf nicht warten, bis der Freiheitskampf Landesverrat genannt wird. Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat.
Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr. Das ist der Schluss, den wir aus unseren Erfahrungen ziehen müssen, und es ist der Schluss meiner Rede. Drohende Diktaturen lassen sich nur bekämpfen, ehe sie die Macht übernommen haben.”
Erich Kästner, Über das Verbrennen von Büchern
Mit ihren programmatischen Aussagen verbreitet die AfD in den Parlamenten immer häufiger offen rassistische und rechte Ideologie. Da wird die Spaltung der Gesellschaft vorangetrieben, wenn Diskussionen um die Wohnungsfrage von der AfD zur Frage gegen Flucht und Asyl genutzt wird, um weitere Hetze zu verbreiten und Hass zu schüren.
Dabei zeigt sich immer deutlicher, was antifaschistische Bündnisse und Organisationen seit einigen Jahren beschreiben: Die AfD ist der verlängerte Arm für Rassist*innen und Faschist*innen vieler Schattierungen in die Parlamente.
Die sogenannten "Stiefelnazis" politisieren weiterhin in kleineren Organisationen, aber sie sorgen auch in ihrem Umfeld für die Stimmen der AfD. Ebenso aus dem Spektrum der früheren Pegida-Bewegung, von der "Heimat" (NPD nach ihrer Umbenennung) kommt die Wahlzustimmung, wenn diese nicht selbst antreten.
Trotz punktuell durchaus unterschiedlicher Forderungen und Auftreten, finden rassistische bis faschistische Positionen dann doch zusammen, wenn es um Stimmen bei Wahlen geht.
Gab es zur Zeit der Gründung der AfD noch die Meinung, dass diese Partei nicht offen gewalttätig agiert, muss heute festgestellt werden: Die AfD schürt nicht nur Gewalt durch Reden, Auftreten und Programmatik, aus der AfD heraus wird zu Hass und Hetze aufgerufen und Mitglieder der AfD setzen körperliche Gewalt gegen Andersdenkende ein.
Der Dachverband der Beratungsstellen für Betroffene rechter Gewalt (VBRG) stellte der taz gegenüber fest, dass sich Angriffe durch AfD-Politiker*innen inzwischen "besorgniserregend" häuften. Es wurden mehrere Beispielfälle genannt und gewarnt, dass keine andere Partei "ein derartig großes Potenzial an rechten Gewalttätern in den eigenen Reihen wie die AfD" hat.
"Der Paderborner AfD-Mann Mirko F. schlug 2021 die Linken-Bundestagskandidatin Martina Schu bei einer Gegenkundgebung zu einer AfD-Veranstaltung gegen den Kopf. Der sächsische AfD-Mann Daniel Zabel wurde 2022 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt, weil er als JVA-Bediensteter mit Kollegen im Jahr 2018 Häftlinge aus rassistischen Motiven misshandelt haben soll. Und in Freiburg hatte der frühere AfD-Stadtrat Dubravko Mandic einen Radfahrer mit einem Reizgas attackiert, der einschreiten wollte, als Mandic zwei Personen festhielt, denen er unterstellte, AfD-Plakate beschädigt zu haben."[5]
Dies sind nur wenige Beispiele, die jedoch die Bedrohung zeigen. Hinzu kommen die täglich stattfindenden Übergriffe von denen, die aufgestachelt von Reden auf Marktplätzen, in Veranstaltungen und über die Medien zum rassistischen Angriff übergehen.
Im Kieler Landgericht findet aktuell ein Prozess gegen einen Mann statt, der im Oktober 2020 in Henstedt-Ulzburg nach einer AfD-Veranstaltung mit seinem Auto in eine Gruppe von Teilnehmenden einer antifaschistischen Kundgebung gefahren ist. Vier Verletzte und Schwerverletzte hat Melvin S. zu verantworten, einer ist bis heute arbeitsunfähig.
Am 19.10.2020 hat Kofi Shakur im nd geschrieben: "Wenn ein Rechter vorsätzlich auf Linke zufährt, ist das kein Unfall, sondern ein Anschlag, wenn nicht gar ein Mordversuch." [6] Dem Täter wird von der Staatsanwaltschaft der versuchte Totschlag zur Last gelegt. Der Täter war zum Zeitpunkt der Tat Mitglied der AfD. Bisher sind 15 Verhandlungstage vorgesehen.
Kundgebungen gab es zum Prozessauftakt im Juli und folgen an den weiteren Tagen: "Auch zum Prozessauftakt kommen mehr als 100 Menschen, um bei einer Dauerkundgebung vor dem Gerichtsgebäude ihre Solidarität mit den von S. verletzten Antifaschist*innen auszudrücken. Und um eine zentrale Botschaft zu wiederholen: »Henstedt-Ulzburg war kein Unfall.« Was die Polizei zunächst nicht hatte wahrhaben wollen, sieht heute auch die Staatsanwaltschaft so." [7]
Aufmerksam machen und auf das Gewaltpotential hinweisen, das von der AfD ausgeht, wird immer wichtiger. Eindringlich muss deutlich werden, welche gesellschaftlichen Verhältnisse uns bei noch mehr AfD-Stimmen erwartet.
Dass der (offiziell aufgelöste) Höcke-Flügel in der AfD auf dem Wahlparteitag in Magdeburg zur EU-Wahl seiner vorgeschlagenen Kandidat*innen gegen wenig Widerstand durchsetzen konnte, zeigt die Stärke dieses extrem rechten Teils der AfD.
Aktiv werden gegen diese Partei und verhindern, dass sie mehr Zulauf bekommt, haben sich viele Initiativen im Land als Aufgabe gesetzt. Das Zusammenwirken verschiedenster politischer Kräfte gegen Nazis ist immer noch und heute wieder stärker notwendig.
Die AfD stoppen! Aber wie?
Mit der von Aufstehen gegen Rassismus gestarteten Kampagne "Höcke ist ein Nazi!" wird auch zur EU-Wahl politisch gegen die AfD gearbeitet und dabei in der Bevölkerung über die AfD aufgeklärt.
Viele Debatten gibt es aktuell, wie die AfD am wirkungsvollsten in die Schranken verwiesen werden kann. Dazu gibt es bereits viele Beispiele praktischer Aktivitäten und auch Erfolge mit der Verhinderung von Veranstaltungen, z.B. dadurch, dass dieser Partei keine Räume vermietet werden. Aber auch mit Demonstrationen wie der gegen den Parteitag in Magdeburg, mit mehr als 3.000 Teilnehmenden.
Und doch muss festgestellt werden, dass dies alles nicht ausreicht.
Möglichkeiten für weitere Aktionen und Vereinbarungen, um der AfD den öffentlichen Raum nicht nur auf der Straße und für Veranstaltungen zu nehmen, sondern auch das Auftreten in den Parlamenten zu erschweren, werden auch in den regionalen Bündnissen beraten.
Einen Debattenbeitrag gibt es aktuell im Antifaschistischen Magazin "der rechte rand". Hier ein Auszug aus dem Beitrag, mit dem eine Kampagne zum Verbot der AfD begründet wird:
"Die Diskussion über ein Verbot der »Alternative für Deutschland« (AfD) ist kaum eröffnet, da wird bereits von allen Seiten versucht, sie abzuwürgen: Die AfD sei für ein Verbot bereits zu groß. Die AfD sei bundesweit keineswegs verbotswürdig. Ein Verbotsverfahren würde ihr erst recht Zulauf geben. Das Verbot als repressiver Akt sei nicht das richtige Mittel, die AfD zu bekämpfen, stattdessen müsse diese »politisch« bekämpft werden."[8]
Welche Aktivitäten auch immer gestartet werden, es ist an der Zeit die Entwicklung der AfD zu stoppen und den Höhenflug zu beenden! Dies kann auch ein Beitrag sein, um darauf hinzuwirken, dass EU- und europaweit die weitere Rechtsentwicklung be- und verhindert wird.[9]
Anmerkungen
[1] https://de.statista.com/statistik/daten/studie/30321/umfrage/sonntagsfrage-zur-bundestagswahl-nach-einzelnen-instituten/
[2] https://www.tagesschau.de/inland/innenpolitik/sommerinterview-scholz-108.html
[3] https://www.zdf.de/nachrichten/politik/kanzler-scholz-sommer-pressekonferenz-100.html
[4] https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/peter-ramsauer-vergleicht-migranten-mit-ungeziefer-19070893.html
[5] https://taz.de/Angriffe-auf-Andersdenkende/!5930301
[6] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1143312.henstedt-ulzburg-auto-faehrt-in-eine-anti-afd-demo-staatsschutz-ermittelt.html?sstr=henstedt-ulzburg
[7] https://tatorthenstedtulzburg.noblogs.org/aufruf/
[8] https://www.nd-aktuell.de/artikel/1174449.afd-henstedt-ulzburg-prozess-staatsanwalt-sieht-angriff-auf-antifa.html
[9] https://www.der-rechte-rand.de/archive/9610/macht/
[10] https://kommunisten.de/rubriken/wahlen-in-europa/8849-wahlen-in-griechenland-spanien-und-der-tuerkei-ein-reaktionaerer-wind-weht-ueber-europa
Lebensmittel, Handel und Inflationstief in der US-Wirtschaft. Und wenn es gar keine Inflation gäbe?
Die jüngste Messung der US-Verbraucherpreisinflation für Juli zeigte einen Anstieg der Jahresrate auf 3,2 % gegenüber 3 % im Juni. Dies ist in erster Linie auf einen Vergleich (die so genannten Basiseffekte) mit einem Rückgang der Inflationsrate im vergangenen Juli gegenüber dem Höchststand im Juni zurückzuführen. Die Kerninflation, bei der die Preise für Lebensmittel und Energie nicht berücksichtigt werden, blieb mit 4,7 % im Jahresvergleich deutlich höher.
Verbraucherpreisindex
Veränderung gegenüber Vorjahr
Quelle: Arbeitsministerium, USA
Selbst wenn die Inflation weiter gegen Null sinken sollte, sind die Preise seit dem Ende der COVID-Pandemie in den meisten G7-Volkswirtschaften um 10 bis 15 % gestiegen, und diese Preisschere wird sich nicht schließen lassen und wahrscheinlich noch weiter steigen. Die Inflationsrate verlangsamt sich, aber die US-Verbraucherpreise sind 17 % höher als Anfang 2021.
US Verbraucherpreis-Index (Januar 2020 = 100)
Die Inflation bleibt in den USA und in den meisten G7-Volkswirtschaften hartnäckig, weshalb die Zentralbanken weiterhin von weiteren Erhöhungen ihrer "Leitzinsen" sprechen.
Erwartet wird jedoch, dass die nationalen Inflationsraten im weiteren Verlauf dieses Jahres langsam zurückgehen werden.
Es sind die Anleger an den Aktien- und Anleihemärkten, die Akteure im Finanzkapitalismus und die führenden Wirtschaftswissenschaftler, die sich im Allgemeinen zufrieden und zuversichtlich geben.
Das ist die Situation in China, wo die Verbraucherpreise im Juli im Vergleich zum Juli 2022 gesunken sind. Dies könnte jedoch nur vorübergehend sein. Lässt man die schwankungsanfälligen Lebensmittel- und Energiepreise außer Acht, so stieg die so genannte Kerninflation im Juli auf 0,8 %, den höchsten Stand seit Januar, gegenüber 0,4 % im Juni.
Die Deflation in China wurde von den China-Experten" als ein weiteres Zeichen dafür gewertet, dass China auf eine Schulden-Deflation zusteuert. Sie meinen, wenn sich die Erwartung fallender Preise verfestigt, könnte dies die "Nachfrage" weiter dämpfen, die Schuldenlast verschärfen und die Wirtschaft sogar in eine Schuldenfalle treiben, aus der man mit den von der chinesischen Politik traditionell eingesetzten Konjunkturmaßnahmen nur schwer wieder herauskommt. Dies entspricht der Argumentationslogik der Verfechter neoliberaler Theorie-Ansätze, deren Empfehlungen sich seit jeher in den Inflationsentwicklungen der G7-Märkte zeigen.
Es ist anzunehmen, dass die arbeitenden Menschen nicht der Meinung sind, dass keine Inflation oder sogar sinkende Preise etwas Schlechtes sind, zumal dies im Falle Chinas bedeutet, dass die Löhne weiter steigen - die Realeinkommen steigen und nicht sinken wie in den G7-Ländern.
Aber die kapitalistischen Unternehmen und Befürworter der kapitalistischen Produktionsweise mögen ein wenig Inflation, um die Profite zu stützen und den Spielraum für Preiserhöhungen gegebenenfalls zu nutzen.
Deflationäre Gefahr in China
Chinas Verbraucherpreise sind im Juli zum ersten Mal seit mehr als zwei Jahren im Jahresvergleich gesunken
Quelle: CEIC
Der gegenläufige Verlauf der Verbraucherinflation in China ist vor allem auf einen Rückgang der Lebensmittelpreise gegenüber dem Vorjahr zurückzuführen, als die Lebensmittelpreise aufgrund extremer Wetterbedingungen in die Höhe getrieben wurden. Die Preise für Schweinefleisch, ein Grundnahrungsmittel auf dem chinesischen Esstisch, fielen im Juli um 26 % gegenüber dem Vorjahr. Auch die Preise für Gemüse fielen im letzten Monat.
In den G7-Ländern ist dies nicht der Fall. Im Vereinigten Königreich (UK) stiegen die Lebensmittelpreise in 2023 von Januar bis Juni um 17,4 %, während die japanischen Preise um 8,9 % und die französischen vergleichsweise um 14,3 % stiegen. In allen Ländern steigen die Lebensmittelpreise viel schneller als die Preise für andere Waren und Dienstleistungen. In den USA waren die Lebensmittelpreise im Juni um 4,6 % höher als ein Jahr zuvor.
Der Schrecken mit der Nahrung
Quelle: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung
Weltweit sind die Lebensmittelpreise seit dem 50-Jahres-Hoch im März 2022 gesunken. Doch nun scheint der weltweite Lebensmittelpreisindex wieder anzusteigen: Im Juli stieg er gegenüber Juni um 1,3 % und damit zum zweiten Mal innerhalb von vier Monaten. Er liegt weiterhin 36 % höher als vor drei Jahren.
Welt-Lebensmittelpreis-Index
Der erneute Anstieg der Lebensmittelinflation ist zum Teil auf das Scheitern des Schwarzmeergetreideabkommens zwischen Russland und der Ukraine über den Export ihrer Ernten zurückzuführen. Im vergangenen Monat zog sich Russland aus dem Abkommen zurück und startete mit Angriffen auf die Lebensmittelexportinfrastruktur (Hafenanlagen von Odessa). Ursprünglich war die Inflation der Lebensmittelpreise schon vor dem russisch-ukrainischen Krieg das Ergebnis von Blockaden in der Versorgungskette; es scheint jetzt, dass diese Blockaden wieder auftreten könnten.
Erwähnenswert ist eine weitere Entwicklung:
Ungewöhnliche Wettermuster beeinträchtigen die Ernten einer Vielzahl von Getreidesorten, Obst und Gemüse auf der ganzen Welt.
Der Juli 2023 war der heißeste Monat aller bisher aufgezeichneten Julitage. Klimawissenschaftler betonen, daß die globale Erwärmung auf ein gefährliches Niveau ansteigt, und zwar viel schneller als bisher erwartet. "Ungünstige Wetterbedingungen können angesichts der sich entwickelnden Klimakrise die Lebensmittelpreise in die Höhe treiben", sagte die Präsidentin der Europäischen Zentralbank Christine Lagarde.
Die Auswirkungen der ungünstigen Witterungsbedingungen waren in Indien am deutlichsten zu spüren, wo heftige Regenfälle die Reisernte verringerten und die Lebensmittelpreise drastisch in die Höhe trieben. Im vergangenen Monat verhängte die indische Regierung ein Ausfuhrverbot für bestimmte Reissorten, vergleichbar mit jenen Beschränkungen für den Verkauf von Grundnahrungsmitteln nach Übersee, die von einer Reihe von Regierungen angekündigt wurden, als die Preise im vergangenen Jahr in die Höhe schnellten.
Ein zusätzliches Risiko für die Nahrungsmittelversorgung ist die starke natürliche Erwärmung im Pazifischen Ozean, die als El Niño bekannt ist und zu Veränderungen im Wettergeschehen und zu Ernteeinbußen bei einigen Kulturen führen kann. Das australische Bureau of Meteorology hat eine El-Niño-Warnung herausgegeben und erklärt, es bestehe eine 70 %-ige Chance, dass das Klimamuster noch in diesem Jahr auftrete. Frühere El-Niño-Perioden haben in der Regel, mit Ausnahmen, zu einem Anstieg der Getreidepreise geführt. Die EZB geht davon aus, dass ein Temperaturanstieg von einem Grad Celsius während eines El Niño in der Vergangenheit die Lebensmittelpreise ein Jahr später um mehr als 6 % erhöht hat.
Und dann sind da noch die Lebensmittelmonopole
Vier Unternehmen - die Archer-Daniels-Midland Company, Bunge, Cargill und Louis Dreyfus, zusammen bekannt als ABCD - kontrollieren schätzungsweise 70-90 % des weltweiten Getreidehandels.
Sie haben die Krise der Lebensmittelversorgung ausgenutzt und ihre Profitmargen erhöht.
In der Nahrungskette,- weiter oben angesiedelt - kontrollieren nur vier Konzerne - Bayer, Corteva, ChemChina und Limagrain - mehr als 50 % des weltweiten Saatguts. Von Saatgut und Düngemitteln bis hin zu Bier und Limonade – hat nur eine kleine Anzahl von Firmen einen mächtigen Einfluss auf die Lebensmittelindustrie und bestimmt, was angebaut wird, wie und wo es angebaut wird und zu welchem Preis es verkauft wird.
Nur 10 Unternehmen kontrollieren fast alle großen Lebensmittel- und Getränkemarken der Welt. Diese Unternehmen - Nestlé, PepsiCo, Coca-Cola, Unilever, Danone, General Mills, Kellogg's, Mars, Associated British Foods und Mondelez - beschäftigen jeweils Tausende von Mitarbeitern und erwirtschaften jedes Jahr Milliarden von Dollar.
Die Frage der Energie
Die Energienachfrage ist relativ "elastisch", da es immer mehr Alternativen zur Produktion fossiler Brennstoffe gibt und die Energienachfrage mit dem globalen Wachstum, der Industrieproduktion und dem Handel schwankt. Wenn sich also die Weltwirtschaft verlangsamt und die Industrie in eine Rezession gerät, wie es sich offenbar abzeichnet, kann die Energienachfrage zurückgehen. Bei Lebensmitteln ist das nicht der Fall. Milliarden von Menschen in den ärmsten Teilen der Welt sind auf "Ernährungssicherheit" angewiesen, da die Kosten für Lebensmittel den größten Teil ihres Einkommens aufzehren. Und ein Rückgang des Nahrungsmittelangebots wird die Preise viel stärker in die Höhe treiben als Energie.
In der Tat werden die Lebensmittelpreise einem Aufwärtstrend folgen: Die Inflation bei Lebensmitteln könnte sich von nun an beschleunigen. Das Angebot und der internationale Handel befinden sich in einer Flaute. Der IWF erwartet, dass sich das Wachstum des Welthandels von 5,2 % im letzten Jahr auf 2 % in diesem Jahr verlangsamen wird. Sowohl die Weltbank als auch die Welthandelsorganisation prognostizieren für dieses Jahr ein Handelswachstum von nur 1,7 %. Selbst bei einer teilweisen Erholung im Jahr 2024 dürfte das durchschnittliche jährliche Wachstum des Handels von 4,9 % in den zwei Jahrzehnten vor der Pandemie bei weitem nicht erreicht werden. "Insgesamt sind die Aussichten für den Welthandel in der zweiten Hälfte des Jahres 2023 pessimistisch", schrieb die UNCTAD in einem Bericht vom Juni. Die Organisation geht nun davon aus, dass der globale Warenhandel im zweiten Quartal um 0,4 % im Vergleich zum Vorquartal schrumpfen wird.
Dies ist ein wichtiger Indikator für das Ende der Globalisierung seit dem Ende der Großen Rezession von 2008-9 und der langen Depression der 2010er Jahre. Das Wachstum des Handels bietet keinen Ausweg mehr, wenn das Binnenwachstum schwach ist. In der Tat tritt die Welt in eine Phase der (De-)Globalisierung ein, angeführt von den USA, die mit ihrem "Chip-Krieg" noch mehr Maßnahmen gegen den chinesischen Handel und die chinesischen Investitionen verhängen. Die Biden-Regierung hat auch die meisten der von der Trump-Regierung eingeführten Zölle auf Waren aus China und anderen Ländern beibehalten.
Dies erklärt zum Teil den deutlichen Rückgang der chinesischen Exporte in den Rest der Welt, wie aus den jüngsten Daten hervorgeht. Die chinesischen Überseelieferungen sind im Juli um 14,5 % gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen, der stärkste Rückgang im Jahresvergleich seit Februar 2020. Westliche China-Experten sehen darin ein Zeichen für einen bevorstehenden Zusammenbruch oder eine Stagnation der chinesischen Wirtschaft. Aber, es ist eher ein Zeichen für die Abschwächung des Wirtschaftswachstums, der Investitionen und der Reallöhne in den G7-Ländern.
China und der Welthandel
In der Tat dominiert China weiterhin den Welthandel, da es immer stärker in andere Märkte als die USA vordringt. Chinas Gesamtanteil an den weltweiten Warenexporten lag 2022 bei 14,4 %, gegenüber 13 % im Jahr vor der Pandemie und 11 % im Jahr 2012, wie aus Daten der Welthandelsorganisation hervorgeht.
Ein wachsender Anteil der chinesischen Exporte geht in Regionen wie den Nahen Osten und Lateinamerika, was die zunehmenden Wirtschaftsbeziehungen dank chinesischer Investitionen und des Bedarfs nach natürlichen Ressourcen widerspiegelt. China exportiert auch mit Erfolg billige Elektroautos und Smartphones in Schwellenländer und verdrängt damit die viel teureren westlichen Alternativen. Das Land hat Japan im ersten Quartal 2023 als weltgrößten Exporteur von Fahrzeugen überholt.
Die Verlagerung der Exportziele spiegelt auch die sich verschlechternden Beziehungen zwischen China und dem von den USA geführten Westen wider, die den Handel erschweren. Aufgrund von Zöllen auf eine Reihe von Gütern entfielen in den zwölf Monaten bis Mai rund 15 % der US-Einfuhren auf China, gegenüber mehr als 20 %, bevor Donald Trump im Jahr 2018 eine Reihe chinesischer Waren mit Zöllen belegte.
Steigende Lebensmittelinflation, sinkendes Handelswachstum und eine weltweite Rezession im verarbeitenden Gewerbe sind kaum ein Rezept für eine optimistische "sanfte Landung" für die G7-Volkswirtschaften im nächsten Jahr.
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