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Christliche Religion und Soldatenberuf
„Näher denn je seit der Kubakrise“
von US-Nuklearwaffen.
Atomstützpunkte in Europa werden modernisiert.
Gefahr eines Atomkriegs gilt als „größer“ denn je seit der Kubakrise.
Die NATO hat ihr diesjähriges Atomkriegsmanöver Steadfast Noon gestartet und verschärft damit die ohnehin weiter steigenden Spannungen mit Russland. In die Übung, bei der der Einsatz von Atomwaffen trainiert wird und an der sich bis Ende nächster Woche ungefähr 2.000 Soldaten aus 13 Staaten beteiligen, ist auch die Bundeswehr involviert, unter anderem mit Tornados und Eurofightern.
Der Tornado ist für den Einsatz von Atombomben zertifiziert. Hauptübungsschauplätze bei Steadfast Noon sind Belgien sowie die Niederlande, wo US-Atombomben gelagert sind, aber auch der Luftraum über der Nordsee. Das dortige Manövergebiet sei nur 900 Kilometer von Russland entfernt, heißt es. Zwar gibt die NATO kein konkretes Manöverszenario bekannt. Doch hieß es im vergangenen Jahr bei Steadfast Noon 2023, man sei bestrebt, „auf realistische Weise zu üben“, und man habe daher die Fähigkeiten des Feindes, den man in der Übung atomar angreife, den Fähigkeiten der russischen Streitkräfte nachempfunden. In einem im Frühjahr publizierten Fachbuch heißt es, das Potenzial eines Atomkriegs sei zur Zeit „größer“ denn je seit der Kubakrise – auch, weil das „Bewusstsein für eine nukleare Bedrohung“ schwinde.
Steadfast Noon
Die NATO hat am Montag ihr diesjähriges Atomkriegsmanöver Steadfast Noon gestartet. An der zweiwöchigen Übung sind ungefähr 2.000 Soldaten aus 13 Staaten, darunter Deutschland, mit rund 60 Luftfahrzeugen beteiligt. Die deutsche Luftwaffe stellt laut Berichten Kampfjets der Modelle Tornado und Eurofighter sowie Transportflugzeuge A400M bereit.[1] Andere Streitkräfte entsenden zum Beispiel US-Kampfjets der Modelle F-16 und F-35 sowie Langstreckenbomber B-52 (Vereinigte Staaten) oder auch Gripen-Jets (Tschechien). Die NATO weist darauf hin, dass die Niederlande mit F-35-Jets teilnehmen, die in diesem Jahr offiziell für fähig erklärt wurden, Atomwaffen einzusetzen.[2] Die Hauptübungsgebiete sind die Niederlande und Belgien sowie Lufträume über der Nordsee, vor allem dänisches und britisches Hoheitsgebiet. Die Niederlande sowie Belgien wurden ausgewählt, weil dort – wie auch in Deutschland (Büchel), Italien und der Türkei – US-Atombomben eingelagert sind. Eingesetzt werden sollen sie im Ernstfall im Rahmen der sogenannten nuklearen Teilhabe; niederländische, belgische, deutsche, italienische oder türkische Kampfjets brächten sie dann an den Einsatzort. Beobachter weisen darauf hin, dass erstmals Finnland an Steadfast Noon teilnimmt, also nur rund eineinhalb Jahre nach seinem Beitritt zur NATO gleich für den Atomkrieg übt.
„Auf realistische Weise üben“
Die NATO behauptet wie üblich, die Übung richte sich nicht gegen einen bestimmten Staat. Anders als im vergangenen Jahr hat das Militärbündnis über das konkrete Kriegsszenario, das es erprobt, nicht informiert. Im Jahr 2023 hatte die NATO dies erstmals getan und bei einem Exklusivgespräch mit gut vernetzten Journalisten dreier Zeitungen einige Details zu Steadfast Noon 2023 bekanntgegeben.[3] Da man bemüht sei, „auf realistische Weise zu üben“, habe man – das ergab sich aus dem Gespräch – die Fähigkeiten des Feindes, gegen den im Manöver Atomwaffen eingesetzt werden sollten, den Fähigkeiten der russischen Streitkräfte nachempfunden. Die Übungseinsätze fänden, so hieß es, in einer „hoch umkämpften Umgebung“ statt; deshalb habe man, um sicherzustellen, dass das atomar bestückte Flugzeug „sein Ziel erreicht und wieder sicher zurückkommt“, ein äußerst „umfassendes Paket in der Luft und am Boden“ vorgesehen, etwa Begleitschutz mit Jagdflugzeugen oder mit Jets, die in der Lage seien, feindliche Radaranlagen zu erkennen und zu zerstören. Auch habe man eine Art „Stresstest“ eingebaut; es komme „zu simulierten Ausfällen“. Das erinnert daran, dass auch bei Atomangriffen eine Menge schiefgehen kann – mit womöglich verheerenden Konsequenzen für das eigene Land.
Mehr Geheimhaltung
Steadfast Noon findet, wie eine Analyse der Federation of American Scientists (FAS) festhält, in einer Zeit statt, in der mehrere Atomstützpunkte in Europa umfassend modernisiert werden – darunter Büchel (Deutschland), aber auch die beiden Stützpunkte, die nun im Zentrum der diesjährigen Atomkriegsübung stehen: Kleine Brogel (Belgien) und Volkel (Niederlande). Dort werden laut der FAS jeweils Anlagen errichtet, die eine schnellere Versorgung mit Ersatzteilen oder auch einen rascheren Transport der Bomben ermöglichen und zugleich alle Operationen auf den Basen noch besser gegen Einblicke von außen abschirmen als zuvor. Die FAS berichtet, im Lauf des vergangenen Jahres seien die Atomstützpunkte außerdem auf Google Earth unkenntlich gemacht worden – ein Element zunehmender Geheimhaltung, die mit dem dramatischen Anwachsen der politischen wie auch der militärischen Spannungen einhergeht.[4]
Mehr US-Bomben
Zudem richtet die FAS die Aufmerksamkeit darauf, dass Großbritannien an Steadfast Noon teilnimmt, während zugleich an der ehemaligen US-Atomwaffenbasis Lakenheath nordöstlich von Cambridge umfangreiche Arbeiten getätigt werden. In Lakenheath gab es in der Zeit des Kalten Kriegs einen bedeutenden US-Atomstützpunkt, an dem wohl 100 US-Atombomben lagerten. Die letzten davon waren im Jahr 2008 abgezogen worden. Jetzt sind die Vereinigten Staaten dabei, die dortigen Anlagen zu renovieren; laut Medienberichten wird darauf hingearbeitet, in Lakenheath wieder Kernwaffen zu stationieren.[5] Details sind noch nicht bekannt. Die FAS weist allerdings darauf hin, dass die Kapazitäten der Anlagen, die offenbar in Lakenheath renoviert und modernisiert werden, der Zahl der Bomben entspricht, die im türkischen İncirlik eingelagert sind.[6] Der Verbleib der dortigen Bomben ist aufgrund der politischen Entwicklung in der Türkei ungewiss. Der FAS zufolge käme Lakenheath als Ersatzstandort in Betracht.
Das Atomkriegspotenzial
Das NATO-Atomkriegsmanöver Steadfast Noon findet in einer Zeit rasant eskalierender Spannungen zwischen dem Westen und Russland statt. Dabei sind nicht nur die Notfalldrähte zwischen Washington und Moskau erheblich schlechter als im Kalten Krieg, was die Gefahr eines durch Missverständnisse ausgelösten Atomkriegs beträchtlich erhöht. Es habe auch ganz allgemein „das Bewusstsein für eine nukleare Bedrohung ... an Brisanz verloren“, urteilt die Journalistin Annie Jacobsen, die in einem im Frühjahr erschienen Buch vor der Gefahr eines Atomkriegs warnt.[7] Darüber hinaus sei aufgrund der größeren Anzahl von Atommächten, aber auch aufgrund der weiterentwickelten Technologie die Lage mehr oder weniger „unkontrollierbar“ geworden – „und das Potenzial eines Atomkriegs ist größer, als es je war seit der Kubakrise“, urteilt Jacobsen, damit US-Präsident Joe Biden zitierend.[8] Statt energisch Abrüstungsgespräche einzufordern – Jacobsen konstatiert: „Die Hoffnung ist die Diskussion“ –, verstärkt die NATO den nuklearen Druck und führt nun auch in diesem Herbst ihre Atomkriegsübung Steadfast Noon durch – dies mit aktiver Beteiligung der Bundeswehr.
[1] Dino Carrara: Exclusive: Nuclear Exercise Steadfast Noon participants revealed. key.aero 16.08.2024.
[2] NATO holds annual nuclear exercise: Steadfast Noon. nato.int 14.10.2024.
[3] S. dazu Das Atomkriegsszenario
[4] Hans Kristensen: NATO Tactical Nuclear Weapons Exercise and Base Upgrades. fas.org 14.10.2024.
[5] Marc Bennetts: Poland is ready to host nuclear weapons. thetimes.co.uk 23.04.2024.
[6] Hans Kristensen: NATO Tactical Nuclear Weapons Exercise and Base Upgrades. fas.org 14.10.2024.
[7] Annie Jacobsen: 72 Minuten bis zur Vernichtung. München 2024.
[8] Annika Keilen: „Im 21. Jahrhundert ist die Atombombe kurz davor, die Welt zu zerstören“. handelsblatt.com 12.04.2024.
Shell-Jugend-Studie 2024: Balance zwischen Sorgen und Zuversicht
Im Abstand von etwa vier Jahren erfolgt eine repräsentative Befragung mit über 2.400 jungen Menschen die seit der 14. Welle von Wissenschaftlern der U'niversität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Kantar Public (das ehemalige Forschungsinstitut Infratest) durchgeführt wird. Mit der aktuellen 19. Ausgabe der Shell Jugendstudie wird das Standardwerk der Jugendforschung in Deutschland fortgeschrieben.
Nicht zu übersehen ist die Intention der Studien-Reihe, das Vertrauen der Jugendlichen in staatliche Institutionen und den Medien zu erheben, um daraus gegfls. politische Maßnahmen ableiten zu können.
Zentrale Untersuchungsergebnisse
Aus den jüngsten Ergebnissen der 19. Untersuchungswelle ergibt sich, dass die Mehrheit der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren die Meinung vertreten, dass den erkannten Krisen und Sorgen entgegengewirkt werden muß. Ein großer Teil der
Jugendlichen sorgt sich um die langfristige Finanzierung des Alltags.
Dennoch bleibt zum Glück der jugendliche Optimismus und ein positives Zukunftsbild, trotz aller Krisen und Sorgen, bestehen.
Der Umgang der meisten jungen Menschen mit den vielfältigen Herausforderungen ist weiterhin bemerkenswert pragmatisch: Zentral für sie bleiben der soziale Nahbereich und die Orientierung an Leistungsnormen. Sie passen sich auf ihrer Suche nach einem gesicherten und eigenständigen Platz in der Gesellschaft den Gegebenheiten an und
wollen ihre Chancen ergreifen. Dabei nehmen sie Zukunftsfragen deutlich bewusster wahr und artikulieren ihre Ansprüche offensiver.[1]
Das Interesse an Politik ist im Vergleich zu früheren Studien deutlich gestiegen. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen bezeichnet sich als politisch interessiert. In der zurückliegenden Befragungswelle 2019 lag der vergleichbare Wert bei 39 %. Die Jugendlichen signalisieren heute eine gesteigerte Bereitschaft, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren.
Die politische Ausrichtung junger Menschen ist gemäß den Befragungsergebnissen von inzwischen 41% als tendenziell „leicht links“ einzuordnen. (2019: 38 Prozent) während sich von den jungen Männern inzwischen ein Viertel als rechts beziehungsweise eher rechts bezeichnet. [2]
Von den weiblichen befragten Jugendlichen liegt dieser Wert der rechtslastigen politischen Ausrichtung bei 11 Prozent. In Summe geben weitere 14% der Befragten an, politisch nicht positioniert zu sein.
Kritische Haltung gegenüber politischen Institutionen
Trotz des gestiegenen politischen Interesses bleibt eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Parteien und Parlamenten bestehen. Das Vertrauen in Parteien ist weiterhin unterdurchschnittlich, und 69% der Jugendlichen stimmen der Aussage zu, dass Politiker sich nicht um Belange junger Menschen kümmern. Dennoch läßt sich der 19. Befragungs-Welle entnehmen, dass Jugendliche mehrheitlich positiv auf die Möglichkeiten blicken, die ihnen Staat und Gesellschaft bieten, trotz vieler Krisen und Zukunftssorgen.[3]
So zeigt sich treffenderweise auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend höchst zufrieden mit dem Befragungsergebnis, keine allzu großen Irritationen bei den Jugendlichen gegenüber dem Staat und der praktizierten Gesellschaftspolitik zur Kenntnis nehmen zu müssen.[4]
Das ließe sich auch so interpretieren, dass die aktuelle Shell-Studie als ein renommierter Gradmesser für die Stimmung bei jungen Menschen für das zuständige Ministerium für Jugend keinen Anlaß dazu liefert, das gesellschaftskritische Potential bei den Jugendlichen nicht innerhalb der aktuellen Bildungs- und Arbeitsmarkt-Politik abwickeln zu können.
Ängste und Sorgen
Der folgenden Tabelle sind die Angaben zu Ängsten und Sorgen aus der aktuellen Befragung zu entnehmen, im Vergleich zu den Ergebnissen der Studie von 2019. Dabei sind insbesondere die Ängste bezüglich eines Krieges in Europa und der zunehmenden Armut hervorzuheben.[5]
Quelle: https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024
Stellungnahme zum Ukrainekrieg und Gaza-Krieg
Angst machen einer großen Mehrheit der Jugendlichen demnach die Kriegsgefahr (81 %) sowie die wirtschaftliche Lage und womöglich steigende Armut (67 %). Die Sorge, selbst arbeitslos zu werden, hat dagegen im Vergleich zu den Ergebnissen von 2019 abgenommen (2024: 35%, 2019: 29 %).
In der Einschätzung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland sehen zwei Drittel der Jugendlichen Russland als den Hauptschuldigen. Aber insgesamt belegt das Befragungsergebnis einen Rückgang bei der Zustimmung zur fortdauernden Militärhilfe für die Ukraine. Ein bemerkenswerter Unterschied ergibt sich dabei zwischen den Jugendlichen in Ost und West: 21 % der ostdeutschen Jugendlichen sind nicht dafür, dass Russland für seinen Angriff auf die Ukraine bestraft werden solle, während im Westen ein solches Ansinnen nur von 13 % abgelehnt wird. Einer andauernden militärischen Unterstützung der Ukraine stimmen im Osten 44 % der Jugendlichen zu, im Westen dagegen 52 %.
Ein weniger eindeutiges Bild zeigt sich bei der Bewertung des Krieges in Gaza.
Ein Drittel der Jugendlichen hält die deutsche Unterstützung für Israel nach dem Hamas-Überfall für richtig, ein ebenso großer Anteil lehnt sie hingegen ab. Die verbleibenden 30 % äußerten Keine Meinung zur Frage des Gaza-Krieges.[6]
Berufliche Aussichten und die Bedeutung des materiellen Nutzens
Mehr als vier Fünftel der Jugendlichen (84%) sind zuversichtlich, ihre beruflichen Wünsche verwirklichen zu können. Bei den Erwartungen an die Berufstätigkeit dominiert das
Bedürfnis nach Sicherheit. Für 91% der Jugendlichen ist ein sicherer Arbeitsplatz (sehr) wichtig.[7] Ein hohes Einkommen (83% zu 76% im Vergleich zu 2019) und gute Aufstiegsmöglichkeiten (80% zu 74%) nehmen an Bedeutung zu. Auch der Wunsch, beruflich von zu Hause aus arbeiten zu können, hat gegenüber 2019 zugenommen (69% zu 61%).[8]
Das Geschlecht hat laut der Studien-Ergebnisse bei nahezu allen Dimensionen die größte Erklärungskraft:
Männlichen Jugendlichen ist der materielle Nutzen in ihrem Beruf wichtiger als den weiblichen.
Jungen Frauen sind vor allem sozialer Nutzen und eine hohe Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben wichtig. Mit Blick auf die Erwartung einer persönlichen Erfüllung unterscheiden sich junge Frauen und Männer nicht.
Das heißt: Unabhängig vom Geschlecht streben die meisten Jugendlichen nach einem erfüllenden Berufsleben, das unter anderem in einer hohen Anerkennung durch andere gesehen wird.[9]
Aktualität von Themen
Generell beschreiben die Studien-Ergebnisse die Jugend- Generation, die trotz vielfältiger Herausforderungen und Sorgen aktiv und engagiert an der Gestaltung ihrer Zukunft mitwirken möchte und dabei ein hohes Maß an Pragmatismus und Optimismus an den Tag legt.
Soziale Gerechtigkeit und Antidiskriminierung
Junge Menschen setzen sich verstärkt für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein. Die Shell Jugendstudie 2024 zeigt, dass Jugendliche besonders für Gender-Gerechtigkeit sensibilisiert sind und sich demonstrativ offen für non-binäre Geschlechterdefinitionen zeigen.
Globale Solidarität
Junge Menschen engagieren sich verstärkt für globale Themen wie Frieden, Menschenrechte und internationale Zusammenarbeit. Die Vernetzung über soziale Medien fördert ein Bewusstsein für globale Herausforderungen. Diese neuen Themen weisen darauf hin, dass die Jugendlichen sich mit den globalen Herausforderungen befassen und sich für eine nachhaltige, gerechte und inklusive Zukunft einsetzen wollen.
Medialer Einfluss auf die Meinungsbildung Jugendlicher
Nicht zu übersehen ist allerdings, dass trotz der Zunahme der Nutzung digitaler Medien für Kommunikation, Unterhaltung und Informationsbeschaffung die klassischen Medien wie ARD und ZDF-Fernsehnachrichten (83 Prozent) und überregionale Tageszeitungen (80 %) die Meinungsbildung, wie auch in anderen Altersgruppen, stark beeinflussen. [10]
Insofern verwundert es nicht, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner Stellungnahme zu den Shell-Studien-Ergebnissen sich recht gelassen zeigt, ob der etablierten und funktionierenden Wege der Einflussnahme auf die Meinungsbildung Jugendlicher. Für weiterführende Ausführungen wäre auf einschlägige medienkritische Literatur zu verweisen, die an dieser Stelle kaum vollständig abbildbar wäre. [11], [12]
Kritische Anmerkungen
Die Shell-Jugend-Studie 2024 zeigt einerseits auf, dass die Sorgen und Ängste bei Jugendlichen deutlich zugenommen haben und die kritischen Äußerungen zur gesellschaftlichen Entwicklung und der aktuellen Politik in Deutschland ebenfalls angestiegen sind. Es ist unklar, inwieweit die Ergebnisse der aktuellen Studie mit denen früherer Jahre vergleichbar sind. Die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert, was die Interpretation von Trends eher erschwert.
Andererseits ist die Stimmung unter Jugendlichen, vielleicht auch ein Privileg für junge Menschen, durchaus optimistisch geprägt, weil dadurch auch Potentiale erkannt werden, die auf eine Beeinflussbarkeit hinweisen. Die durchaus kritisch zu bewertende politische Polarisierung entspricht dem Zeitgeist, der Rechtsentwicklung in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, was aber keine politische Sonderstellung bei Jugendlichen bedeuten muss. Die Studie wurde in einem von Krisen geprägten Zeitraum durchgeführt. Es ist zu hinterfragen, inwieweit aktuelle Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine, die Inflation oder die Klimakrise die Antworten der Jugendlichen beeinflusst haben und ob diese als langfristige Trends oder als kurzfristige Reaktionen zu interpretieren sind.
Quellen
[1] https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/19-shell-jugendstudie-veroeffentlicht
[5] Siehe hierzu aktuell: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5309-armut-global-und-ihre-messung
[7]Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd.
[10] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles
[11] https://media-bubble.de/wie-die-medien-unsere-wahrnehmung-praegen;
[12] https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/RKZ82/medienkritik-von-links
Netanjahus Traum vom "totalen Sieg"
Nord Stream „Rätsel“ gelöst? Pulitzer-Preis-gekrönter Journalist untersucht
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Für einen gerechten Frieden in Palästina | Israel
Für einen gerechten Frieden in Palästina | Israel
Schutz der Zivilbevölkerung
Stoppt Waffenexporte!
Ein breites Bündnis von über 30 Organisationen, darunter Amnesty International in Deutschland, medico international und IPPNW, ruft zu einer Kundgebung „Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel – Schutz der Zivilbevölkerung, Stoppt Waffenexporte!“ am 18. Oktober in Berlin auf.
Wir, eine kleine Gruppe internationaler Friedensaktivist:innen aus München, darunter jüdische und palästinensische Stimmen, rufen ebenfalls die lokalen Gruppen dieser 30 Organisationen sowie gleichgesinnte Netzwerke dazu auf, sich mit uns solidarisch zu zeigen und den Aufruf für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina zu unterstützen. Wir laden alle Menschen in München und Umgebung ein, die an die Gültigkeit der Menschenrechte für alle glauben.
Sendlinger Tor |München
18. Oktober | 18 Uhr
Das Ausmaß des zivilen Leids, das weiterhin andauert, ist ein Fleck auf unserem kollektiven Gewissen. Gaza ist nicht größer als München. Praktisch die gesamte Bevölkerung ist vertrieben. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden offiziell über 42.000 Menschen getötet. Viele weitere sind vermisst und vermutlich unter den Trümmern gestorben. Rund 100 Geiseln befinden sich weiterhin in Gaza. Tausende palästinensische Zivilist:innen sind ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Die Gewalt der Siedler hat straflos zugenommen. Das fortwährende Leid wird durch die Eskalation des Konflikts im Libanon mit zahlreichen zivilen Opfern überschattet.
Viele israelische Friedensaktivist:innen , von denen einige am 7. Oktober 2023 Angehörige verloren haben, arbeiten unermüdlich mit ihren palästinensischen Mitstreiter:innen zusammen, um ein Ende dieser Gewalt zu fordern. Sie haben die Menschen in Deutschland aufgefordert, Druck auf unsere Regierung auszuüben. Ihre Bitten werden jedoch von den Rufen nach Krieg übertönt.
In Berlin werden die Organisatoren der Kundgebung die deutsche Regierung dazu auffordern, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen sofortigen und umfassenden Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien herbeizuführen. Sie werden auch fordern, keine Waffen an Israel zu liefern, wenn das Risiko besteht, dass diese völkerrechtswidrig eingesetzt werden.
Wir in München schließen uns diesen Forderungen an. Wir rufen zu einem Waffenstillstand und einem Ende der humanitären Blockade auf. Wir laden die Münchner:innen ein, sich uns anzuschließen, sich zu engagieren.
Jetzt, mehr denn je, müssen wir an unseren Menschlichkeit festhalten – für Jüd:innen, Palästinenser:innen und die gesamte Menschheit.
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Vor Ort: Israels „Dahiya-Doktrin“ & Zerstörung von medizinischen Einrichtungen
Vor Ort: Israels „Dahiya-Doktrin“ & Zerstörung von medizinischen Einrichtungen
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Vom Königstiger bis zum Puma: Wie Kriegsrhetorik die deutsche Sprache militarisiert
Verbale Aufrüstung ist nicht neu, sondern Teil deutscher und internationaler Kriegsgeschichte.
Wir sollten Wörter nicht nur nachplappern, wir sollten über sie nachdenken.
„Der Krieg ist auch ein Kampf um Worte.“
Das sagte der Rhetorik-Professor Joachim Knape im Mai 2022, Monate nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Damals hatte die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht im „heute journal“ gemeint: „Der Feind hört mit!“ Eine Nazi-Parole aus dem Zweiten Weltkrieg (indirekt) bezogen auf Russlands Präsidenten Putin. „Da ist mir echt die Kinnlade runtergefallen“, meinte Knape im Tagesspiegel-Interview. Nazi-Sprache im Bundesverteidigungsministerium, das ginge nun wirklich nicht.
Heute wissen wir: Nicht nur der Ukrainekrieg militarisiert die deutsche Sprache. Die Tagesschau zeigt die Kriegsmanöver Israels in Gaza und nutzt allabendlich die Sprache der Kriegstreiber. Gleichzeitig diskutieren Talkshowgäste die Unterschiede zwischen den Panzertypen Gepard, Leopard und Puma. Das klingt wie ein Raubtier-Zoo, stammt aber (auch) aus der NS-Zeit. Damals thronte der Königstiger auf dem Schlachtfeld und sollte Nazi-Panzer populärer machen. Heute verdecken Panzernamen weiter ihren Daseinszweck, also Zerstörung, Gewalt und Tod.
Verbale Aufrüstung ist demnach nicht neu, sondern Teil deutscher und internationaler Kriegsgeschichte. Schon in den 1930ern schrieb beispielsweise Oskar Stillich, damals Dozent der Humboldt-Akademie, „Die Militarisierung der Sprache und des Volkes“. Stillich kritisierte die NSDAP und die völkische Bewegung. Er schrieb über die Umdeutung von Begriffen, über Hitlers Appelle an niedere Instinkte und über die religiöse Überhöhung völkischer Ideologie. Diese Kritik bezahlte der Pazifist mit Arbeits- und Publikationsverbot, Anfeindungen und Isolation. Er starb 1945 an den Folgen von Unterernährung.
Die Militarisierung der Sprache ist überall
Heute ist Stillich fast vergessen, auch dank westdeutscher Nachkriegspolitik. Er wurde Opfer jener „interessierten Kreise in Wissenschaft, Bürokratie und Gesellschaft [...], die selbst (Mit-)Schuld am Nationalsozialismus trugen“, schrieb ein Rezensent kürzlich. Das heißt, sein Werk wurde verschwiegen; seine Kritik bleibt aber aktuell. Denn Stillichs Erbe ähnelt dem, was der Rhetoriker Knape heute „Sprachwachheit“ nennt.
Das bedeutet, wir sollten Wörter nicht nur nachplappern, wir sollten über sie nachdenken.
Das gilt auch für unseren Alltag. Denn die Militarisierung der Sprache finden wir in vielen Situationen, beispielsweise, wenn die Wohnung aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen, wenn wir an allen Fronten kämpfen oder schweres Geschütz auffahren. „Ein Wortschatz wie ein Waffenschrank“ nannte es die Süddeutsche Zeitung im März 2022.
Dieser Waffenschrank wird uns in die Wiege gelegt, wir geben ihn an unsere Kinder weiter und verfestigen so Krieg und Gewalt in unserer Sprache.
Das Problem wird konkret, wenn uns militärische Rüstung – auch dank des Raubtier-Zoos – leichter über die Lippen kommt. 100 Milliarden Euro Extra-Militärausgaben? Kein Problem! Hießen die Panzer Todesmaschine oder Kindermörder, gerieten Talkshowgäste wohl eher ins Stocken.
Denn Namen sind Ideologiekeulen:
Sie verschleiern, normalisieren oder verherrlichen die Maschinerie des Krieges. Gleichzeitig verklausuliert der Militärjargon der Tagesschau menschliches Leid, und ihre Statistiken verbergen die politischen Interessen hinter dem Grauen.
Sprachwachheit ist deshalb politische Wachheit, und um die sollten wir uns alle bemühen.
Erstveröffentlichung, 15.10.2024: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/vom-koenigstiger-bis-zum-puma-im-zoo-des-krieges
X und Telegram zur Zensur und Spionage gezwungen?
X und Telegram zur Zensur und Spionage gezwungen?.
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Friedliche Demonstration in Nörvenich gegen Atomkriegs-Manöver der NATO
Israels Bombardierung von Beirut – Erste Eindrücke vor Ort
Israels Bombardierung von Beirut - Erste Eindrücke vor Ort.
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Friedensnobelpreis an Nihon Hidankyo
Drohnen im Deutschlandfunk
Armut weltweit und ihre Messung
Um die Fortschritte bei der Erreichung dieses Ziels nachvollziehen zu können, stützt sich die UNO auf Schätzungen der Weltbank des Anteils der Weltbevölkerung, der unter die sogenannte Internationale Armutsgrenze (International Poverty Line, IPL) fällt.
Die Beseitigung der Armut könnte nach den Vorgaben der Weltbank 100 Jahre dauern.
Im Jahr 1990 untersuchte eine Gruppe unabhängiger Forscher und die Weltbank die nationalen Armutsgrenzen einiger der ärmsten Länder der Welt und rechnete diese Grenzen mithilfe von Kaufkraftparitäts-Wechselkursen (KKP) in eine gemeinsame Währung um. Die Kaufkraftparitäten-Wechselkurse werden so konstruiert, dass sichergestellt ist, dass die Preise für die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen in allen Ländern gleich sind.
In all diesen Statistiken berücksichtigten die Forscher nicht nur das monetäre Einkommen der Menschen, sondern auch ihr nicht-monetäres Einkommen und die Eigenproduktion.
Ein IPL von 1,90 $ pro Tag wurde als Mittelwert der nationalen Armutsgrenzen von 15 armen Ländern in den 1990er Jahren abgeleitet, ausgedrückt in Kaufkraftparitäten von 2011. Die Auswahl dieser 15 armen Länder basierte auf den damals begrenzten Daten. Mit der Erhebung und Analyse neuer Daten aus anderen Ländern mit niedrigem Einkommen wurde die Referenzgruppe erweitert. Die IPL wird nun als Median der nationalen Armutsgrenzen von 28 der ärmsten Länder der Welt abgeleitet, ausgedrückt in KKP von 2017.
Im September 2022 wurde die Zahl der Armutsgrenze von 1,90 USD auf 2,15 US-Dollar pro Tag angehoben. Dies spiegelt eine Änderung der Einheiten wider, in denen die Weltbank ihre Armuts- und Ungleichheitsdaten ausdrückt – von internationalen Dollar zu Preisen von 2011 zu internationalen Dollar zu Preisen von 2017.
Das bedeutet, dass jeder, der von weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag lebt, als „extrem arm“ gilt.
Die Weltbank schätzt den Anteil der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, für 2019 – das letzte verfügbare Jahr – auf 8,4 %, was etwa 700 Millionen entspricht.
Diese globale Zahl gibt jedoch kein genaues Maß für Armut an. In jedem Land gibt es arme Menschen, Menschen, die in schlechten Wohnverhältnissen leben und Schwierigkeiten haben, sich grundlegende Güter und Dienstleistungen wie Heizung, Transport und gesunde Lebensmittel für sich und ihre Familien zu leisten. Die Definition von Armut ist also von Land zu Land unterschiedlich, aber in Ländern mit hohem Einkommen liegt die Armutsgrenze bei etwa30 US-Dollar pro Tag.Selbst in den reichsten Ländern der Welt lebt ein erheblicher Teil der Bevölkerung – zwischen jeder zehnten und jeder fünften Person – unterhalb dieser Armutsgrenze. Wenn wir diese Armutsgrenze von 30 US-Dollar pro Tag auf die Einkommensverteilung weltweit anwenden, zeigt sich, dass 85 % der Weltbevölkerung – von weniger als 30 US-Dollar pro Tag leben. Das sind 6,7 Milliarden Menschen.
Der Historiker Michail Moatsos hat einen neuen globalen Datensatz erstellt, der zwei Jahrhunderte zurückreicht. Seinen Untersuchungen zufolge lebten 1820 drei Viertel der Weltbevölkerung in extremer Armut. Das bedeutet, dass sie „sich nicht einmal einen winzigen Wohnraum, eine minimale Heizkapazität und Lebensmittel leisten konnten, die keine Mangelernährung verursachten.“
Seitdem ist sie jedoch stark zurückgegangen.
Und der Anteil der Weltbevölkerung, der in „extremer Armut“ im Sinne der Weltbank lebt, ist noch nie so schnellzurückgegangen wie in den letzten drei Jahrzehnten.
Der Rückgang in China verlief besonders schnell.
Ist die Armut weltweit also fast besiegt?
Das hängt davon ab, ob man die IPL der Weltbank akzeptiert. Der Inhalt der IPL ist gelinde gesagt zweifelhaft. Im Gegensatz zu vielen nationalen Grenzwerten basiert sie nicht auf einer direkten Bewertung der Kosten für Grundbedürfnisse. Es handelt sich um eine absolute Linie mit konstantem Wert. Mit dieser Maßnahme würde man annehmen, dass „extreme Armut“ für praktisch die gesamte Menschheit und die gesamte Geschichte die Norm war, bis im 19. Jahrhundert endlich Kolonialismus und Kapitalismus zur Rettung kamen.
Robert Allen hat diese Schlussfolgerung in Frage gestellt. Er zeigt, dass die von der Weltbank verwendeten BIP-Daten bei der Bewertung der Armut zu erheblichen Verzerrungen führen. Stattdessen konstruiert Allen anhand von Verbrauchsdaten eine Armutsgrenze für Grundbedürfnisse, die in etwa der 1,90-Dollar-Grenze der Weltbank entspricht, und berechnet den Anteil der Menschen unterhalb dieser Grenze für drei Schlüsselregionen: die USA, Großbritannien und Indien.
Die Ergebnisse zeigen, dass die hohen Raten extremer Armut in Asien tatsächlich ein modernes Phänomen sind – „eine Entwicklung der Kolonialzeit“, schreibt Allen: „Viele Faktoren mögen eine Rolle gespielt haben, aber Imperialismus und Globalisierung müssen eine führende Rolle gespielt haben.“
Allens Ergebnisse deuten darauf hin, dass die extreme Armut im Asien des 20. Jahrhunderts deutlich schlimmer war als im Feudalismus des 13. Jahrhunderts. Allen stellt in der Tat fest, dass die Grenze von 1,90 $ pro Tag unter dem Konsumniveau versklavter Menschen in den USA im 19. Jahrhundert liegt. Mit anderen Worten: Die Armutsgrenze, die die Weltbank verwendet und die der „Fortschritts“-Erzählung zugrunde liegt, liegt unter dem Niveau der Versklavung.
Die Schwelle der Weltbank für extreme Armut von 2,15 US-Dollar pro Tag ist lächerlich niedrig. Das US-Landwirtschaftsministerium hat errechnet, dass 5 US-Dollar pro Tag das absolute Minimum sind, um ausreichend Lebensmittel zu kaufen. Und dabei sind andere Überlebensbedürfnisse wie Unterkunft und Kleidung noch nicht berücksichtigt.
In Indien haben Kinder, die mit 2,15 US-Dollar pro Tag auskommen müssen, immer noch eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit, unterernährt zu sein. In Niger ist die Sterblichkeitsrate von Säuglingen, die mit 2,15 $ pro Tag auskommen müssen, dreimal höher als der weltweite Durchschnitt.
Weniger als 1 % der Bevölkerung Afrikas verfügt über ein Einkommen, das über dem westlichen Durchschnittseinkommen liegt.
Bedarf für eine normale Lebenserwartung
In einem Artikel aus dem Jahr 2006 verwendete Peter Edward von der Newcastle University eine Messgröße, die berechnet, dass Menschen etwa das 2,7- bis 3,9-fache der bestehenden Armutsgrenze der Weltbank benötigen, um eine normale Lebenserwartung von etwas mehr als 70 Jahren zu erreichen. In der Vergangenheit entsprach dies 5 US-Dollar pro Tag. Nach den neuen Berechnungen der Weltbank sind es etwa 7,40 US-Dollar pro Tag.
Daraus ergibt sich, dass heute etwa 4,2 Milliarden Menschen in Armut leben, was einem Anstieg von 1 Milliarde Menschen in den letzten 35 Jahren entspricht.
Das starke Wirtschaftswachstum, das seit 1990 800 Millionen Chinesen aus der extremen Armut befreit hat, trug wesentlich zum weltweiten Rückgang der Armut bei. Peter Edward fand heraus, dass 1993 1,139 Milliarden Menschen weniger als 1 Dollar pro Tag zur Verfügung hatten und diese Zahl im Jahr 2001 auf 1,093 Milliarden sank, was einem Rückgang von 85 Millionen entspricht. Aber in China sank die Zahl in diesem Zeitraum um 108 Millionen (in Indien gab es keine Veränderung), sodass der gesamte Rückgang der Armutszahlen (nicht der Prozentsatz) auf China zurückzuführen ist. Ohne China blieb die Gesamtzahl der Armen in den meisten Regionen unverändert, während sie in Afrika südlich der Sahara deutlich anstieg.
Und es gibt noch ein weiteres Maß für Armut, den Multidimensional Poverty Index, der 101 Entwicklungsländer abdeckt. Daraus ergibt sich eine Armutsquote von 23 % und nicht von 8 %. Zwischen 1990 und 2015 stieg die Zahl der Menschen, die in Subsahara-Afrika und im Nahen Osten unterhalb dieser Grenze leben, um etwa 140 Millionen. Der Lebensstandard der Ärmsten der Welt, die mit nur der Hälfte der strengen Grenze der Weltbank überleben, hat sich also in 30 Jahren nur geringfügig erhöht. Die Welt ist noch weit davon entfernt, die Armut zu beenden.
Schauen wir uns eine andere Möglichkeit an, die globale Armut zu messen. Vor zwei Jahrhunderten lebte die große Mehrheit der Menschen in Schweden in tiefer Armut. Jedes vierte Kind starb, und fast 90 % der Bevölkerung waren so arm, dass sie sich nicht einmal einen winzigen Wohnraum, eine minimale Heizkapazität und Lebensmittel leisten konnten, die nicht zu Mangelernährung führten. Heute liegt die Armutsgrenze in Schweden bei etwa 30 US-Dollar pro Tag (auf Basis von Kaufkraftparitäten). Das starke Wirtschaftswachstum im letzten Jahrhundert hat es ermöglicht, dass die Mehrheit der Schweden heute über dieser Armutsgrenze lebt.
Dies klingt nach einer guten Maßnahme für alle Menschen auf der Welt. Wenn wir uns auf die Schwelle von 30 Dollar pro Tag als Definition für globale „Armut“ stützen und die unterschiedlichen Preisniveaus in den einzelnen Ländern berücksichtigen, zeigen die neuesten Statistiken, dass 85 % der Weltbevölkerung unterhalb dieser Armutsgrenze leben. Das bedeutet 6,7 Milliarden Menschen.
Anstatt eine Milliarde Menschen aus der Armut zu befreien und einen globalen Rückgang von 35 % von 1990 auf 9 % im Jahr 2018 zu verzeichnen, lebten nach dem IPL der Weltbank für extreme Armut bei 5 US-Dollar pro Tag immer noch 40 % der Weltbevölkerung in Armut; bei 10 US-Dollar pro Tag waren es 62 % und bei 30 US-Dollar 85 %. In allen Ländern lebt ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Armut. Selbst in den reichsten Ländern der Welt lebt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung – zwischen jeder zehnten und jeder fünften Person – unterhalb dieser Armutsgrenze.
Kein Land, nicht einmal die reichsten Länder, hat die Armut beseitigt. Es gibt in diesem Sinne keine „entwickelten“ Länder.
Die Weltwirtschaft müsste sich mindestens verfünffachen, damit die globale Armut, gemessen an 30 US-Dollar pro Tag, erheblich zurückgeht.
In diesem Szenario würde die Ungleichheit zwischen allen Ländern der Welt vollständig verschwinden. Es sollte daher als Berechnung des minimal notwendigen Wachstums für ein Ende der Armut angesehen werden.
Höhere Wachstumsraten in armen Ländern könnten zu einer weltweiten Angleichung der Lebensstandards führen. Die Weltbank ist der Ansicht, dass die größte Hürde bei der Beendigung der „extremen Armut“ darin besteht, dass kein Ressourcentransfer von den reichen Ländern zu den armen stattfindet. Das bedeutet, dass die Armut (gemäß Definition) beendet werden könnte, wenn die Regierungen dies beschließen würden. Die Weltbank erklärt dies folgendermaßen:
„Angenommen, das reale BIP-Wachstum für die Entwicklungsländer insgesamt beträgt 5 Prozent pro Jahr. Wenn 10 Prozent dieses BIP-Wachstums den 21 Prozent der Bevölkerung der Entwicklungsländer zugutekämen, die extrem arm sind, und diese 10 Prozent so verteilt würden, dass das Einkommenswachstum jedes armen Menschen genau seiner Entfernung zur Armutsgrenze der Weltbank entspricht, würde die extreme Armut ein Ende haben.“
Es gibt jedoch kaum Anzeichen dafür, dass die neokolonialen Volkswirtschaften, die immer noch unter dem Stiefel des Imperialismus stehen, Hoffnung haben, die Einkommenslücke zum imperialistischen Block zu schließen.
Derzeit beläuft sich die internationale Entwicklungshilfe auf etwas mehr als 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ist nur fünfmal mehr als der Bonus, den sich die Mitarbeiter von Goldman Sachs in einem Krisenjahr selbst ausgezahlt haben, und mehr als fünfmal weniger als das jährliche Einkommen, das aus den armen Ländern in die reichen fließt.
Laut UNCTAD belaufen sich die Netto-Ressourcentransfers von Entwicklungs- in Industrieländer auf durchschnittlich 700 Milliarden US-Dollar pro Jahr, selbst wenn man die Auslandshilfe berücksichtigt.
Von einem Ressourcentransfer von den reichen in die ärmeren Länder zur Reduzierung der globalen Armut kann also keine Rede sein – das Gegenteil ist der Fall.
Der UN-Berichterstatter Philip Alston schloss seinen Bericht an die UN über die globale Armut mit dem Hinweis,
„ ……bei Zugrundelegung historischer Wachstumsraten und unter Ausschluss sämtlicher negativer Auswirkungen des Klimawandels (ein unmögliches Szenario) die Beseitigung der Armut nach den Vorgaben der Weltbank 100 Jahre und nach den Vorgaben von 5 $ pro Tag 200 Jahre dauern würde (Agenda 2230!).
Dies würde auch eine 15- bzw. 173-fache Steigerung des globalen BIP erfordern.“
Die Armen werden uns im Kapitalismus immer begleiten.
Zum Tod der Friedensarbeiterin Ingrid von Heiseler (1936-2024)
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