Meldungen (Feeds)
Shell-Jugend-Studie 2024: Balance zwischen Sorgen und Zuversicht
Im Abstand von etwa vier Jahren erfolgt eine repräsentative Befragung mit über 2.400 jungen Menschen die seit der 14. Welle von Wissenschaftlern der U'niversität Bielefeld in Zusammenarbeit mit der Kantar Public (das ehemalige Forschungsinstitut Infratest) durchgeführt wird. Mit der aktuellen 19. Ausgabe der Shell Jugendstudie wird das Standardwerk der Jugendforschung in Deutschland fortgeschrieben.
Nicht zu übersehen ist die Intention der Studien-Reihe, das Vertrauen der Jugendlichen in staatliche Institutionen und den Medien zu erheben, um daraus gegfls. politische Maßnahmen ableiten zu können.
Zentrale Untersuchungsergebnisse
Aus den jüngsten Ergebnissen der 19. Untersuchungswelle ergibt sich, dass die Mehrheit der befragten Jugendlichen zwischen 12 und 25 Jahren die Meinung vertreten, dass den erkannten Krisen und Sorgen entgegengewirkt werden muß. Ein großer Teil der
Jugendlichen sorgt sich um die langfristige Finanzierung des Alltags.
Dennoch bleibt zum Glück der jugendliche Optimismus und ein positives Zukunftsbild, trotz aller Krisen und Sorgen, bestehen.
Der Umgang der meisten jungen Menschen mit den vielfältigen Herausforderungen ist weiterhin bemerkenswert pragmatisch: Zentral für sie bleiben der soziale Nahbereich und die Orientierung an Leistungsnormen. Sie passen sich auf ihrer Suche nach einem gesicherten und eigenständigen Platz in der Gesellschaft den Gegebenheiten an und
wollen ihre Chancen ergreifen. Dabei nehmen sie Zukunftsfragen deutlich bewusster wahr und artikulieren ihre Ansprüche offensiver.[1]
Das Interesse an Politik ist im Vergleich zu früheren Studien deutlich gestiegen. Mehr als die Hälfte der jungen Menschen bezeichnet sich als politisch interessiert. In der zurückliegenden Befragungswelle 2019 lag der vergleichbare Wert bei 39 %. Die Jugendlichen signalisieren heute eine gesteigerte Bereitschaft, sich politisch und gesellschaftlich zu engagieren.
Die politische Ausrichtung junger Menschen ist gemäß den Befragungsergebnissen von inzwischen 41% als tendenziell „leicht links“ einzuordnen. (2019: 38 Prozent) während sich von den jungen Männern inzwischen ein Viertel als rechts beziehungsweise eher rechts bezeichnet. [2]
Von den weiblichen befragten Jugendlichen liegt dieser Wert der rechtslastigen politischen Ausrichtung bei 11 Prozent. In Summe geben weitere 14% der Befragten an, politisch nicht positioniert zu sein.
Kritische Haltung gegenüber politischen Institutionen
Trotz des gestiegenen politischen Interesses bleibt eine ausgeprägte Skepsis gegenüber Parteien und Parlamenten bestehen. Das Vertrauen in Parteien ist weiterhin unterdurchschnittlich, und 69% der Jugendlichen stimmen der Aussage zu, dass Politiker sich nicht um Belange junger Menschen kümmern. Dennoch läßt sich der 19. Befragungs-Welle entnehmen, dass Jugendliche mehrheitlich positiv auf die Möglichkeiten blicken, die ihnen Staat und Gesellschaft bieten, trotz vieler Krisen und Zukunftssorgen.[3]
So zeigt sich treffenderweise auch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend höchst zufrieden mit dem Befragungsergebnis, keine allzu großen Irritationen bei den Jugendlichen gegenüber dem Staat und der praktizierten Gesellschaftspolitik zur Kenntnis nehmen zu müssen.[4]
Das ließe sich auch so interpretieren, dass die aktuelle Shell-Studie als ein renommierter Gradmesser für die Stimmung bei jungen Menschen für das zuständige Ministerium für Jugend keinen Anlaß dazu liefert, das gesellschaftskritische Potential bei den Jugendlichen nicht innerhalb der aktuellen Bildungs- und Arbeitsmarkt-Politik abwickeln zu können.
Ängste und Sorgen
Der folgenden Tabelle sind die Angaben zu Ängsten und Sorgen aus der aktuellen Befragung zu entnehmen, im Vergleich zu den Ergebnissen der Studie von 2019. Dabei sind insbesondere die Ängste bezüglich eines Krieges in Europa und der zunehmenden Armut hervorzuheben.[5]
Quelle: https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024
Stellungnahme zum Ukrainekrieg und Gaza-Krieg
Angst machen einer großen Mehrheit der Jugendlichen demnach die Kriegsgefahr (81 %) sowie die wirtschaftliche Lage und womöglich steigende Armut (67 %). Die Sorge, selbst arbeitslos zu werden, hat dagegen im Vergleich zu den Ergebnissen von 2019 abgenommen (2024: 35%, 2019: 29 %).
In der Einschätzung des Krieges zwischen der Ukraine und Russland sehen zwei Drittel der Jugendlichen Russland als den Hauptschuldigen. Aber insgesamt belegt das Befragungsergebnis einen Rückgang bei der Zustimmung zur fortdauernden Militärhilfe für die Ukraine. Ein bemerkenswerter Unterschied ergibt sich dabei zwischen den Jugendlichen in Ost und West: 21 % der ostdeutschen Jugendlichen sind nicht dafür, dass Russland für seinen Angriff auf die Ukraine bestraft werden solle, während im Westen ein solches Ansinnen nur von 13 % abgelehnt wird. Einer andauernden militärischen Unterstützung der Ukraine stimmen im Osten 44 % der Jugendlichen zu, im Westen dagegen 52 %.
Ein weniger eindeutiges Bild zeigt sich bei der Bewertung des Krieges in Gaza.
Ein Drittel der Jugendlichen hält die deutsche Unterstützung für Israel nach dem Hamas-Überfall für richtig, ein ebenso großer Anteil lehnt sie hingegen ab. Die verbleibenden 30 % äußerten Keine Meinung zur Frage des Gaza-Krieges.[6]
Berufliche Aussichten und die Bedeutung des materiellen Nutzens
Mehr als vier Fünftel der Jugendlichen (84%) sind zuversichtlich, ihre beruflichen Wünsche verwirklichen zu können. Bei den Erwartungen an die Berufstätigkeit dominiert das
Bedürfnis nach Sicherheit. Für 91% der Jugendlichen ist ein sicherer Arbeitsplatz (sehr) wichtig.[7] Ein hohes Einkommen (83% zu 76% im Vergleich zu 2019) und gute Aufstiegsmöglichkeiten (80% zu 74%) nehmen an Bedeutung zu. Auch der Wunsch, beruflich von zu Hause aus arbeiten zu können, hat gegenüber 2019 zugenommen (69% zu 61%).[8]
Das Geschlecht hat laut der Studien-Ergebnisse bei nahezu allen Dimensionen die größte Erklärungskraft:
Männlichen Jugendlichen ist der materielle Nutzen in ihrem Beruf wichtiger als den weiblichen.
Jungen Frauen sind vor allem sozialer Nutzen und eine hohe Vereinbarkeit von Arbeit und Privatleben wichtig. Mit Blick auf die Erwartung einer persönlichen Erfüllung unterscheiden sich junge Frauen und Männer nicht.
Das heißt: Unabhängig vom Geschlecht streben die meisten Jugendlichen nach einem erfüllenden Berufsleben, das unter anderem in einer hohen Anerkennung durch andere gesehen wird.[9]
Aktualität von Themen
Generell beschreiben die Studien-Ergebnisse die Jugend- Generation, die trotz vielfältiger Herausforderungen und Sorgen aktiv und engagiert an der Gestaltung ihrer Zukunft mitwirken möchte und dabei ein hohes Maß an Pragmatismus und Optimismus an den Tag legt.
Soziale Gerechtigkeit und Antidiskriminierung
Junge Menschen setzen sich verstärkt für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung ein. Die Shell Jugendstudie 2024 zeigt, dass Jugendliche besonders für Gender-Gerechtigkeit sensibilisiert sind und sich demonstrativ offen für non-binäre Geschlechterdefinitionen zeigen.
Globale Solidarität
Junge Menschen engagieren sich verstärkt für globale Themen wie Frieden, Menschenrechte und internationale Zusammenarbeit. Die Vernetzung über soziale Medien fördert ein Bewusstsein für globale Herausforderungen. Diese neuen Themen weisen darauf hin, dass die Jugendlichen sich mit den globalen Herausforderungen befassen und sich für eine nachhaltige, gerechte und inklusive Zukunft einsetzen wollen.
Medialer Einfluss auf die Meinungsbildung Jugendlicher
Nicht zu übersehen ist allerdings, dass trotz der Zunahme der Nutzung digitaler Medien für Kommunikation, Unterhaltung und Informationsbeschaffung die klassischen Medien wie ARD und ZDF-Fernsehnachrichten (83 Prozent) und überregionale Tageszeitungen (80 %) die Meinungsbildung, wie auch in anderen Altersgruppen, stark beeinflussen. [10]
Insofern verwundert es nicht, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend in seiner Stellungnahme zu den Shell-Studien-Ergebnissen sich recht gelassen zeigt, ob der etablierten und funktionierenden Wege der Einflussnahme auf die Meinungsbildung Jugendlicher. Für weiterführende Ausführungen wäre auf einschlägige medienkritische Literatur zu verweisen, die an dieser Stelle kaum vollständig abbildbar wäre. [11], [12]
Kritische Anmerkungen
Die Shell-Jugend-Studie 2024 zeigt einerseits auf, dass die Sorgen und Ängste bei Jugendlichen deutlich zugenommen haben und die kritischen Äußerungen zur gesellschaftlichen Entwicklung und der aktuellen Politik in Deutschland ebenfalls angestiegen sind. Es ist unklar, inwieweit die Ergebnisse der aktuellen Studie mit denen früherer Jahre vergleichbar sind. Die gesellschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen haben sich in den letzten Jahren stark verändert, was die Interpretation von Trends eher erschwert.
Andererseits ist die Stimmung unter Jugendlichen, vielleicht auch ein Privileg für junge Menschen, durchaus optimistisch geprägt, weil dadurch auch Potentiale erkannt werden, die auf eine Beeinflussbarkeit hinweisen. Die durchaus kritisch zu bewertende politische Polarisierung entspricht dem Zeitgeist, der Rechtsentwicklung in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung, was aber keine politische Sonderstellung bei Jugendlichen bedeuten muss. Die Studie wurde in einem von Krisen geprägten Zeitraum durchgeführt. Es ist zu hinterfragen, inwieweit aktuelle Ereignisse wie der Krieg in der Ukraine, die Inflation oder die Klimakrise die Antworten der Jugendlichen beeinflusst haben und ob diese als langfristige Trends oder als kurzfristige Reaktionen zu interpretieren sind.
Quellen
[1] https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024
[2] Ebd.
[3] Ebd.
[4] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles/alle-meldungen/19-shell-jugendstudie-veroeffentlicht
[5] Siehe hierzu aktuell: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5309-armut-global-und-ihre-messung
[7]Ebd.
[8] Ebd.
[9] Ebd.
[10] https://www.bmfsfj.de/bmfsfj/aktuelles
[11] https://media-bubble.de/wie-die-medien-unsere-wahrnehmung-praegen;
[12] https://www.rosalux.de/veranstaltung/es_detail/RKZ82/medienkritik-von-links
Netanjahus Traum vom "totalen Sieg"
Nord Stream „Rätsel“ gelöst? Pulitzer-Preis-gekrönter Journalist untersucht
Nord Stream „Rätsel“ gelöst? Pulitzer-Preis-gekrönter Journalist untersucht
Der Beitrag Nord Stream „Rätsel“ gelöst? Pulitzer-Preis-gekrönter Journalist untersucht erschien zuerst auf acTVism.
Für einen gerechten Frieden in Palästina | Israel
Für einen gerechten Frieden in Palästina | Israel
Schutz der Zivilbevölkerung
Stoppt Waffenexporte!
Ein breites Bündnis von über 30 Organisationen, darunter Amnesty International in Deutschland, medico international und IPPNW, ruft zu einer Kundgebung „Für einen gerechten Frieden in Palästina und Israel – Schutz der Zivilbevölkerung, Stoppt Waffenexporte!“ am 18. Oktober in Berlin auf.
Wir, eine kleine Gruppe internationaler Friedensaktivist:innen aus München, darunter jüdische und palästinensische Stimmen, rufen ebenfalls die lokalen Gruppen dieser 30 Organisationen sowie gleichgesinnte Netzwerke dazu auf, sich mit uns solidarisch zu zeigen und den Aufruf für einen gerechten Frieden in Israel/Palästina zu unterstützen. Wir laden alle Menschen in München und Umgebung ein, die an die Gültigkeit der Menschenrechte für alle glauben.
Sendlinger Tor |München
18. Oktober | 18 Uhr
Das Ausmaß des zivilen Leids, das weiterhin andauert, ist ein Fleck auf unserem kollektiven Gewissen. Gaza ist nicht größer als München. Praktisch die gesamte Bevölkerung ist vertrieben. Seit dem 7. Oktober 2023 wurden offiziell über 42.000 Menschen getötet. Viele weitere sind vermisst und vermutlich unter den Trümmern gestorben. Rund 100 Geiseln befinden sich weiterhin in Gaza. Tausende palästinensische Zivilist:innen sind ohne Gerichtsverfahren inhaftiert. Die Gewalt der Siedler hat straflos zugenommen. Das fortwährende Leid wird durch die Eskalation des Konflikts im Libanon mit zahlreichen zivilen Opfern überschattet.
Viele israelische Friedensaktivist:innen , von denen einige am 7. Oktober 2023 Angehörige verloren haben, arbeiten unermüdlich mit ihren palästinensischen Mitstreiter:innen zusammen, um ein Ende dieser Gewalt zu fordern. Sie haben die Menschen in Deutschland aufgefordert, Druck auf unsere Regierung auszuüben. Ihre Bitten werden jedoch von den Rufen nach Krieg übertönt.
In Berlin werden die Organisatoren der Kundgebung die deutsche Regierung dazu auffordern, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um einen sofortigen und umfassenden Waffenstillstand zwischen den Konfliktparteien herbeizuführen. Sie werden auch fordern, keine Waffen an Israel zu liefern, wenn das Risiko besteht, dass diese völkerrechtswidrig eingesetzt werden.
Wir in München schließen uns diesen Forderungen an. Wir rufen zu einem Waffenstillstand und einem Ende der humanitären Blockade auf. Wir laden die Münchner:innen ein, sich uns anzuschließen, sich zu engagieren.
Jetzt, mehr denn je, müssen wir an unseren Menschlichkeit festhalten – für Jüd:innen, Palästinenser:innen und die gesamte Menschheit.
The post Für einen gerechten Frieden in Palästina | Israel first appeared on Aktionsbündnis gegen die NATO-Sicherheitskonferenz.
Vor Ort: Israels „Dahiya-Doktrin“ & Zerstörung von medizinischen Einrichtungen
Vor Ort: Israels „Dahiya-Doktrin“ & Zerstörung von medizinischen Einrichtungen
Der Beitrag Vor Ort: Israels „Dahiya-Doktrin“ & Zerstörung von medizinischen Einrichtungen erschien zuerst auf acTVism.
Vom Königstiger bis zum Puma: Wie Kriegsrhetorik die deutsche Sprache militarisiert
Verbale Aufrüstung ist nicht neu, sondern Teil deutscher und internationaler Kriegsgeschichte.
Wir sollten Wörter nicht nur nachplappern, wir sollten über sie nachdenken.
„Der Krieg ist auch ein Kampf um Worte.“
Das sagte der Rhetorik-Professor Joachim Knape im Mai 2022, Monate nach dem Angriff Russlands auf die Ukraine. Damals hatte die Bundesverteidigungsministerin Christine Lambrecht im „heute journal“ gemeint: „Der Feind hört mit!“ Eine Nazi-Parole aus dem Zweiten Weltkrieg (indirekt) bezogen auf Russlands Präsidenten Putin. „Da ist mir echt die Kinnlade runtergefallen“, meinte Knape im Tagesspiegel-Interview. Nazi-Sprache im Bundesverteidigungsministerium, das ginge nun wirklich nicht.
Heute wissen wir: Nicht nur der Ukrainekrieg militarisiert die deutsche Sprache. Die Tagesschau zeigt die Kriegsmanöver Israels in Gaza und nutzt allabendlich die Sprache der Kriegstreiber. Gleichzeitig diskutieren Talkshowgäste die Unterschiede zwischen den Panzertypen Gepard, Leopard und Puma. Das klingt wie ein Raubtier-Zoo, stammt aber (auch) aus der NS-Zeit. Damals thronte der Königstiger auf dem Schlachtfeld und sollte Nazi-Panzer populärer machen. Heute verdecken Panzernamen weiter ihren Daseinszweck, also Zerstörung, Gewalt und Tod.
Verbale Aufrüstung ist demnach nicht neu, sondern Teil deutscher und internationaler Kriegsgeschichte. Schon in den 1930ern schrieb beispielsweise Oskar Stillich, damals Dozent der Humboldt-Akademie, „Die Militarisierung der Sprache und des Volkes“. Stillich kritisierte die NSDAP und die völkische Bewegung. Er schrieb über die Umdeutung von Begriffen, über Hitlers Appelle an niedere Instinkte und über die religiöse Überhöhung völkischer Ideologie. Diese Kritik bezahlte der Pazifist mit Arbeits- und Publikationsverbot, Anfeindungen und Isolation. Er starb 1945 an den Folgen von Unterernährung.
Die Militarisierung der Sprache ist überall
Heute ist Stillich fast vergessen, auch dank westdeutscher Nachkriegspolitik. Er wurde Opfer jener „interessierten Kreise in Wissenschaft, Bürokratie und Gesellschaft [...], die selbst (Mit-)Schuld am Nationalsozialismus trugen“, schrieb ein Rezensent kürzlich. Das heißt, sein Werk wurde verschwiegen; seine Kritik bleibt aber aktuell. Denn Stillichs Erbe ähnelt dem, was der Rhetoriker Knape heute „Sprachwachheit“ nennt.
Das bedeutet, wir sollten Wörter nicht nur nachplappern, wir sollten über sie nachdenken.
Das gilt auch für unseren Alltag. Denn die Militarisierung der Sprache finden wir in vielen Situationen, beispielsweise, wenn die Wohnung aussieht, als hätte eine Bombe eingeschlagen, wenn wir an allen Fronten kämpfen oder schweres Geschütz auffahren. „Ein Wortschatz wie ein Waffenschrank“ nannte es die Süddeutsche Zeitung im März 2022.
Dieser Waffenschrank wird uns in die Wiege gelegt, wir geben ihn an unsere Kinder weiter und verfestigen so Krieg und Gewalt in unserer Sprache.
Das Problem wird konkret, wenn uns militärische Rüstung – auch dank des Raubtier-Zoos – leichter über die Lippen kommt. 100 Milliarden Euro Extra-Militärausgaben? Kein Problem! Hießen die Panzer Todesmaschine oder Kindermörder, gerieten Talkshowgäste wohl eher ins Stocken.
Denn Namen sind Ideologiekeulen:
Sie verschleiern, normalisieren oder verherrlichen die Maschinerie des Krieges. Gleichzeitig verklausuliert der Militärjargon der Tagesschau menschliches Leid, und ihre Statistiken verbergen die politischen Interessen hinter dem Grauen.
Sprachwachheit ist deshalb politische Wachheit, und um die sollten wir uns alle bemühen.
Erstveröffentlichung, 15.10.2024: https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/vom-koenigstiger-bis-zum-puma-im-zoo-des-krieges
X und Telegram zur Zensur und Spionage gezwungen?
X und Telegram zur Zensur und Spionage gezwungen?.
Der Beitrag X und Telegram zur Zensur und Spionage gezwungen? erschien zuerst auf acTVism.
Friedliche Demonstration in Nörvenich gegen Atomkriegs-Manöver der NATO
Israels Bombardierung von Beirut – Erste Eindrücke vor Ort
Israels Bombardierung von Beirut - Erste Eindrücke vor Ort.
Der Beitrag Israels Bombardierung von Beirut – Erste Eindrücke vor Ort erschien zuerst auf acTVism.
Friedensnobelpreis an Nihon Hidankyo
Drohnen im Deutschlandfunk
Armut weltweit und ihre Messung
Um die Fortschritte bei der Erreichung dieses Ziels nachvollziehen zu können, stützt sich die UNO auf Schätzungen der Weltbank des Anteils der Weltbevölkerung, der unter die sogenannte Internationale Armutsgrenze (International Poverty Line, IPL) fällt.
Die Beseitigung der Armut könnte nach den Vorgaben der Weltbank 100 Jahre dauern.
Im Jahr 1990 untersuchte eine Gruppe unabhängiger Forscher und die Weltbank die nationalen Armutsgrenzen einiger der ärmsten Länder der Welt und rechnete diese Grenzen mithilfe von Kaufkraftparitäts-Wechselkursen (KKP) in eine gemeinsame Währung um. Die Kaufkraftparitäten-Wechselkurse werden so konstruiert, dass sichergestellt ist, dass die Preise für die gleiche Menge an Waren und Dienstleistungen in allen Ländern gleich sind.
In all diesen Statistiken berücksichtigten die Forscher nicht nur das monetäre Einkommen der Menschen, sondern auch ihr nicht-monetäres Einkommen und die Eigenproduktion.
Ein IPL von 1,90 $ pro Tag wurde als Mittelwert der nationalen Armutsgrenzen von 15 armen Ländern in den 1990er Jahren abgeleitet, ausgedrückt in Kaufkraftparitäten von 2011. Die Auswahl dieser 15 armen Länder basierte auf den damals begrenzten Daten. Mit der Erhebung und Analyse neuer Daten aus anderen Ländern mit niedrigem Einkommen wurde die Referenzgruppe erweitert. Die IPL wird nun als Median der nationalen Armutsgrenzen von 28 der ärmsten Länder der Welt abgeleitet, ausgedrückt in KKP von 2017.
Im September 2022 wurde die Zahl der Armutsgrenze von 1,90 USD auf 2,15 US-Dollar pro Tag angehoben. Dies spiegelt eine Änderung der Einheiten wider, in denen die Weltbank ihre Armuts- und Ungleichheitsdaten ausdrückt – von internationalen Dollar zu Preisen von 2011 zu internationalen Dollar zu Preisen von 2017.
Das bedeutet, dass jeder, der von weniger als 2,15 US-Dollar pro Tag lebt, als „extrem arm“ gilt.
Die Weltbank schätzt den Anteil der Menschen, die weltweit in extremer Armut leben, für 2019 – das letzte verfügbare Jahr – auf 8,4 %, was etwa 700 Millionen entspricht.
Diese globale Zahl gibt jedoch kein genaues Maß für Armut an. In jedem Land gibt es arme Menschen, Menschen, die in schlechten Wohnverhältnissen leben und Schwierigkeiten haben, sich grundlegende Güter und Dienstleistungen wie Heizung, Transport und gesunde Lebensmittel für sich und ihre Familien zu leisten. Die Definition von Armut ist also von Land zu Land unterschiedlich, aber in Ländern mit hohem Einkommen liegt die Armutsgrenze bei etwa30 US-Dollar pro Tag.Selbst in den reichsten Ländern der Welt lebt ein erheblicher Teil der Bevölkerung – zwischen jeder zehnten und jeder fünften Person – unterhalb dieser Armutsgrenze. Wenn wir diese Armutsgrenze von 30 US-Dollar pro Tag auf die Einkommensverteilung weltweit anwenden, zeigt sich, dass 85 % der Weltbevölkerung – von weniger als 30 US-Dollar pro Tag leben. Das sind 6,7 Milliarden Menschen.
Der Historiker Michail Moatsos hat einen neuen globalen Datensatz erstellt, der zwei Jahrhunderte zurückreicht. Seinen Untersuchungen zufolge lebten 1820 drei Viertel der Weltbevölkerung in extremer Armut. Das bedeutet, dass sie „sich nicht einmal einen winzigen Wohnraum, eine minimale Heizkapazität und Lebensmittel leisten konnten, die keine Mangelernährung verursachten.“
Seitdem ist sie jedoch stark zurückgegangen.
Und der Anteil der Weltbevölkerung, der in „extremer Armut“ im Sinne der Weltbank lebt, ist noch nie so schnellzurückgegangen wie in den letzten drei Jahrzehnten.
Der Rückgang in China verlief besonders schnell.
Ist die Armut weltweit also fast besiegt?
Das hängt davon ab, ob man die IPL der Weltbank akzeptiert. Der Inhalt der IPL ist gelinde gesagt zweifelhaft. Im Gegensatz zu vielen nationalen Grenzwerten basiert sie nicht auf einer direkten Bewertung der Kosten für Grundbedürfnisse. Es handelt sich um eine absolute Linie mit konstantem Wert. Mit dieser Maßnahme würde man annehmen, dass „extreme Armut“ für praktisch die gesamte Menschheit und die gesamte Geschichte die Norm war, bis im 19. Jahrhundert endlich Kolonialismus und Kapitalismus zur Rettung kamen.
Robert Allen hat diese Schlussfolgerung in Frage gestellt. Er zeigt, dass die von der Weltbank verwendeten BIP-Daten bei der Bewertung der Armut zu erheblichen Verzerrungen führen. Stattdessen konstruiert Allen anhand von Verbrauchsdaten eine Armutsgrenze für Grundbedürfnisse, die in etwa der 1,90-Dollar-Grenze der Weltbank entspricht, und berechnet den Anteil der Menschen unterhalb dieser Grenze für drei Schlüsselregionen: die USA, Großbritannien und Indien.
Die Ergebnisse zeigen, dass die hohen Raten extremer Armut in Asien tatsächlich ein modernes Phänomen sind – „eine Entwicklung der Kolonialzeit“, schreibt Allen: „Viele Faktoren mögen eine Rolle gespielt haben, aber Imperialismus und Globalisierung müssen eine führende Rolle gespielt haben.“
Allens Ergebnisse deuten darauf hin, dass die extreme Armut im Asien des 20. Jahrhunderts deutlich schlimmer war als im Feudalismus des 13. Jahrhunderts. Allen stellt in der Tat fest, dass die Grenze von 1,90 $ pro Tag unter dem Konsumniveau versklavter Menschen in den USA im 19. Jahrhundert liegt. Mit anderen Worten: Die Armutsgrenze, die die Weltbank verwendet und die der „Fortschritts“-Erzählung zugrunde liegt, liegt unter dem Niveau der Versklavung.
Die Schwelle der Weltbank für extreme Armut von 2,15 US-Dollar pro Tag ist lächerlich niedrig. Das US-Landwirtschaftsministerium hat errechnet, dass 5 US-Dollar pro Tag das absolute Minimum sind, um ausreichend Lebensmittel zu kaufen. Und dabei sind andere Überlebensbedürfnisse wie Unterkunft und Kleidung noch nicht berücksichtigt.
In Indien haben Kinder, die mit 2,15 US-Dollar pro Tag auskommen müssen, immer noch eine 60-prozentige Wahrscheinlichkeit, unterernährt zu sein. In Niger ist die Sterblichkeitsrate von Säuglingen, die mit 2,15 $ pro Tag auskommen müssen, dreimal höher als der weltweite Durchschnitt.
Weniger als 1 % der Bevölkerung Afrikas verfügt über ein Einkommen, das über dem westlichen Durchschnittseinkommen liegt.
Bedarf für eine normale Lebenserwartung
In einem Artikel aus dem Jahr 2006 verwendete Peter Edward von der Newcastle University eine Messgröße, die berechnet, dass Menschen etwa das 2,7- bis 3,9-fache der bestehenden Armutsgrenze der Weltbank benötigen, um eine normale Lebenserwartung von etwas mehr als 70 Jahren zu erreichen. In der Vergangenheit entsprach dies 5 US-Dollar pro Tag. Nach den neuen Berechnungen der Weltbank sind es etwa 7,40 US-Dollar pro Tag.
Daraus ergibt sich, dass heute etwa 4,2 Milliarden Menschen in Armut leben, was einem Anstieg von 1 Milliarde Menschen in den letzten 35 Jahren entspricht.
Das starke Wirtschaftswachstum, das seit 1990 800 Millionen Chinesen aus der extremen Armut befreit hat, trug wesentlich zum weltweiten Rückgang der Armut bei. Peter Edward fand heraus, dass 1993 1,139 Milliarden Menschen weniger als 1 Dollar pro Tag zur Verfügung hatten und diese Zahl im Jahr 2001 auf 1,093 Milliarden sank, was einem Rückgang von 85 Millionen entspricht. Aber in China sank die Zahl in diesem Zeitraum um 108 Millionen (in Indien gab es keine Veränderung), sodass der gesamte Rückgang der Armutszahlen (nicht der Prozentsatz) auf China zurückzuführen ist. Ohne China blieb die Gesamtzahl der Armen in den meisten Regionen unverändert, während sie in Afrika südlich der Sahara deutlich anstieg.
Und es gibt noch ein weiteres Maß für Armut, den Multidimensional Poverty Index, der 101 Entwicklungsländer abdeckt. Daraus ergibt sich eine Armutsquote von 23 % und nicht von 8 %. Zwischen 1990 und 2015 stieg die Zahl der Menschen, die in Subsahara-Afrika und im Nahen Osten unterhalb dieser Grenze leben, um etwa 140 Millionen. Der Lebensstandard der Ärmsten der Welt, die mit nur der Hälfte der strengen Grenze der Weltbank überleben, hat sich also in 30 Jahren nur geringfügig erhöht. Die Welt ist noch weit davon entfernt, die Armut zu beenden.
Schauen wir uns eine andere Möglichkeit an, die globale Armut zu messen. Vor zwei Jahrhunderten lebte die große Mehrheit der Menschen in Schweden in tiefer Armut. Jedes vierte Kind starb, und fast 90 % der Bevölkerung waren so arm, dass sie sich nicht einmal einen winzigen Wohnraum, eine minimale Heizkapazität und Lebensmittel leisten konnten, die nicht zu Mangelernährung führten. Heute liegt die Armutsgrenze in Schweden bei etwa 30 US-Dollar pro Tag (auf Basis von Kaufkraftparitäten). Das starke Wirtschaftswachstum im letzten Jahrhundert hat es ermöglicht, dass die Mehrheit der Schweden heute über dieser Armutsgrenze lebt.
Dies klingt nach einer guten Maßnahme für alle Menschen auf der Welt. Wenn wir uns auf die Schwelle von 30 Dollar pro Tag als Definition für globale „Armut“ stützen und die unterschiedlichen Preisniveaus in den einzelnen Ländern berücksichtigen, zeigen die neuesten Statistiken, dass 85 % der Weltbevölkerung unterhalb dieser Armutsgrenze leben. Das bedeutet 6,7 Milliarden Menschen.
Anstatt eine Milliarde Menschen aus der Armut zu befreien und einen globalen Rückgang von 35 % von 1990 auf 9 % im Jahr 2018 zu verzeichnen, lebten nach dem IPL der Weltbank für extreme Armut bei 5 US-Dollar pro Tag immer noch 40 % der Weltbevölkerung in Armut; bei 10 US-Dollar pro Tag waren es 62 % und bei 30 US-Dollar 85 %. In allen Ländern lebt ein erheblicher Teil der Bevölkerung in Armut. Selbst in den reichsten Ländern der Welt lebt ein beträchtlicher Teil der Bevölkerung – zwischen jeder zehnten und jeder fünften Person – unterhalb dieser Armutsgrenze.
Kein Land, nicht einmal die reichsten Länder, hat die Armut beseitigt. Es gibt in diesem Sinne keine „entwickelten“ Länder.
Die Weltwirtschaft müsste sich mindestens verfünffachen, damit die globale Armut, gemessen an 30 US-Dollar pro Tag, erheblich zurückgeht.
In diesem Szenario würde die Ungleichheit zwischen allen Ländern der Welt vollständig verschwinden. Es sollte daher als Berechnung des minimal notwendigen Wachstums für ein Ende der Armut angesehen werden.
Höhere Wachstumsraten in armen Ländern könnten zu einer weltweiten Angleichung der Lebensstandards führen. Die Weltbank ist der Ansicht, dass die größte Hürde bei der Beendigung der „extremen Armut“ darin besteht, dass kein Ressourcentransfer von den reichen Ländern zu den armen stattfindet. Das bedeutet, dass die Armut (gemäß Definition) beendet werden könnte, wenn die Regierungen dies beschließen würden. Die Weltbank erklärt dies folgendermaßen:
„Angenommen, das reale BIP-Wachstum für die Entwicklungsländer insgesamt beträgt 5 Prozent pro Jahr. Wenn 10 Prozent dieses BIP-Wachstums den 21 Prozent der Bevölkerung der Entwicklungsländer zugutekämen, die extrem arm sind, und diese 10 Prozent so verteilt würden, dass das Einkommenswachstum jedes armen Menschen genau seiner Entfernung zur Armutsgrenze der Weltbank entspricht, würde die extreme Armut ein Ende haben.“
Es gibt jedoch kaum Anzeichen dafür, dass die neokolonialen Volkswirtschaften, die immer noch unter dem Stiefel des Imperialismus stehen, Hoffnung haben, die Einkommenslücke zum imperialistischen Block zu schließen.
Derzeit beläuft sich die internationale Entwicklungshilfe auf etwas mehr als 100 Milliarden US-Dollar pro Jahr. Das ist nur fünfmal mehr als der Bonus, den sich die Mitarbeiter von Goldman Sachs in einem Krisenjahr selbst ausgezahlt haben, und mehr als fünfmal weniger als das jährliche Einkommen, das aus den armen Ländern in die reichen fließt.
Laut UNCTAD belaufen sich die Netto-Ressourcentransfers von Entwicklungs- in Industrieländer auf durchschnittlich 700 Milliarden US-Dollar pro Jahr, selbst wenn man die Auslandshilfe berücksichtigt.
Von einem Ressourcentransfer von den reichen in die ärmeren Länder zur Reduzierung der globalen Armut kann also keine Rede sein – das Gegenteil ist der Fall.
Der UN-Berichterstatter Philip Alston schloss seinen Bericht an die UN über die globale Armut mit dem Hinweis,
„ ……bei Zugrundelegung historischer Wachstumsraten und unter Ausschluss sämtlicher negativer Auswirkungen des Klimawandels (ein unmögliches Szenario) die Beseitigung der Armut nach den Vorgaben der Weltbank 100 Jahre und nach den Vorgaben von 5 $ pro Tag 200 Jahre dauern würde (Agenda 2230!).
Dies würde auch eine 15- bzw. 173-fache Steigerung des globalen BIP erfordern.“
Die Armen werden uns im Kapitalismus immer begleiten.
Zum Tod der Friedensarbeiterin Ingrid von Heiseler (1936-2024)
Prof. Mearsheimer – Der drohende Israel-Iran-Krieg & die Niederlagen der Ukraine
Prof. Mearsheimer – Der drohende Israel-Iran-Krieg & die Niederlagen der Ukraine.
Der Beitrag Prof. Mearsheimer – Der drohende Israel-Iran-Krieg & die Niederlagen der Ukraine erschien zuerst auf acTVism.
Israel/Iran: Es droht ein völkerrechtswidriger Angriff mit deutscher und US-amerikanischer Unterstützung
Leonardo Boff: Das Risiko eines Atomkriegs und eines weißen Himmels
Julian Assange äußert sich zum ersten Mal seit seiner Freilassung
Julian Assange äußert sich zum ersten Mal seit seiner Freilassung.
Der Beitrag Julian Assange äußert sich zum ersten Mal seit seiner Freilassung erschien zuerst auf acTVism.
Israels Ideologie des Völkermords muss konfrontiert und gestoppt werden
Israels Ideologie des Völkermords muss konfrontiert und gestoppt werden.
Der Beitrag Israels Ideologie des Völkermords muss konfrontiert und gestoppt werden erschien zuerst auf acTVism.
Zug um Zug – der Handelsstreit zwischen EU und China eskaliert
Französische Produkte im Wert von 1,7 Mrd. Euro werden mit zusätzlichen Einfuhrzöllen belegt.
Zoll-Erhebungen auf europäische Automobile sind als ein weiterer Schritt zu erwarten.
Nach dem Beschluss der EU zur Verhängung von Strafzöllen auf die Einfuhr von Elektroautos aus China[1] reagiert die Volksrepublik mit ersten Gegenmaßnahmen. Ab Freitag müssen Importeure europäischen Branntweins beim chinesischen Zoll eine Kaution von voraussichtlich 30 Prozent „Sicherheitsgebühren“ für Importe nach China hinterlegen.
Die chinesischen Behörden sind offenbar zu der Ansicht gelangt, bei der Herstellung von Brandy in der EU werde Preisdumping betrieben.[2] Der Schritt trifft nahezu ausschließlich Frankreich, das im vergangenen Jahr Cognac im Wert von 1,7 Milliarden Euro in die Volksrepublik exportierte.[3] Die Antidumping-Zölle betreffen in wenigen Tagen die Hersteller der Marke Martell mit Aufschlägen von 30,6 Prozent, 38 1, Prozent für Rémy Martin und 39 Prozent für Hennessy.
Vertreter der Handelskammer der Europäischen Union zeigten sich von der Ankündigung der Anti-dumping-Maßnahme enttäuscht und forderte die Europäische Kommission auf, ihre Bemühungen zu verdoppeln, um dringend eine Verhandlungslösung mit ihren chinesischen Partnern zu finden.[4]
China führte im vergangenen Jahr Milchprodukte im Wert von rund 211,5 Millionen Euro vor allem aus Frankreich ein, während die Einfuhr von Schweinefleisch für 1,5 Mrd. Euro überwiegend aus Spanien kam, den Niederlanden (620 Millionen Euro), Dänemark (608 Millionen Euro) und Frankreich (363 Millionen Euro).
China hat ergänzend zu den verhängten Gegenmaßnahmen auch eine Anti-Dumping-Untersuchung eingeleitet, die sich auf Milchprodukte und Schweinefleisch aus der EU richtet. Von einem solchen Schritt hatte China zu Beginn des Jahres noch abgesehen, obwohl die Handelspraxis europäischer Unternehmen die Handelsbeziehung zu China schon deutlich belastete.
„Dahinter steht ohne Zweifel die Doktrin der amerikanischen Neocons*, die mit allen Mitteln verhindern wollen, dass China auch nur an der amerikanischen Hegemonie kratzt. Aber die Angst vor der chinesischen Gefahr würde ohne die vermutete ökonomische Bedrohung nicht glaubwürdig sein.“ [8]
Nach Auffassung von Flassbeck ist das Dogma der Freihandelsdoktrin, nach dem sich die Entwicklungsländer auf die Herstellung arbeitsintensiver Produkte beschränken sollen, durch nichts zu rechtfertigen. Es werde als Rechtfertigung von Protektionismus missbraucht und führe auf diese Weise dazu, dass die Schwellenländer schnell und erfolgreich aufholen. Der Ökonom Heiner Flassbeck führt dazu weiter aus, dass es bisher westliche Unternehmen waren, die von den riesigen absoluten Vorteilen des Handels mit China profitierten. So seien durch Direktinvestitionen seit der Öffnung Chinas über viele Jahre gewaltige Effekte ausgelöst worden zugunsten europäischer Unternehmen. Er führt aus, dass der chinesische Handel bisher zum großen Teil von westlichen Unternehmen betrieben wurde, die ihren Standort in China hatten. Vor zehn Jahren waren noch 60-70 % der gesamten Exporte Chinas nicht die Exporte originär chinesischer Unternehmen, sondern Exporte ausgelagerter westlicher Unternehmen.[9]
„Nun, da auch originär chinesische Unternehmen mit der Hilfe modernster Technologie und immer noch relativ günstiger Löhne (weil die durchschnittliche gesamtwirtschaftliche Produktivität in China immer noch relativ niedrig ist) selbst diese absoluten Vorteile nutzen, treten die westliche Laienspieler auf den Plan und behaupten, es könnten ja nur staatliche Subventionen sein, die die chinesischen Produkte so günstig machten.
So lange westliche Unternehmen die absoluten Vorteile Chinas nutzten, um in der Welt zu Niedrigstpreisen zu verkaufen (oder übermäßig hohe Gewinne zu machen) war alles in Ordnung, nun, da die Unternehmen aus dem Schwellenland das Gleiche tut, muss man mit an den Haaren herbeigezogenen Argumenten dagegenhalten.
Absurder kann Politik nicht mehr sein. [10]
Der Anteil deutscher Marken am Automobilmarkt in China lag im Jahr 2020 noch bei 26,5 Prozent, während der Anteil im Jahr 2020 auf 20,7 Prozent zurückgegangen ist.
Vor allem aber bricht der Gewinn ein; VW verdiente in seinen Joint Ventures im Jahr 2018 noch 4,6 Mrd. Euro, während sich der Gewinn im Jahr 2023 auf 2,6 Mrd. Euro belief und im ersten Halbjahr 2024 sogar nur bei 0,8 Milliarden Euro lag.
Bei Mercedes-Benz brach der Gewinn im ersten Halbjahr um 15 Prozent auf 645 Millionen Euro ein. Lediglich BMW konnte die rasch sinkenden Verbrenner-Stückzahlen durch ein Plus bei Elektroautos um 20 Prozent ausgleichen.[11]
Die EU-Entscheidung kommentieren deutsche Autokonzerne mit den Worten, dass es ein fatales Signal für die europäische Autoindustrie sei. [12] Der VW-Chef verlangt, die Suche nach einer Verhandlungslösung fortzusetzen.
Die Zeichen stehen auf Einstieg in einen Handelskrieg, der am Ende vor allem die Verbraucher der handelstreibenden Länder belasten wird.
Quellen:
[1] https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5306-eu-und-der-gewollte-handels-protektionismus-zollerhebung-auf-chinas-e-fahrzeuge
[2] China verhängt Anti-Dumping-Maßnahmen auf EU-Brandy. handelsblatt.com 08.10.2024.
[3] Philip Blenkinsop: EU presses ahead with Chinese EV tariffs after divided vote. reuters.com 04.10.2024.
[4] https://www.scmp.com/economy/global-economy/article/3281557/china-hits-out-eu-brandy-threat-signals-car-probe-days-after-ev-tariff-vote
[5] https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9711
[6] A.a.O. https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5306-eu-und-der-gewollte-handels-protektionismus-zollerhebung-auf-chinas-e-fahrzeuge
[7] A.a. O. https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9711
[8] https://www.relevante-oekonomik.com/2024/10/07/china-und-die-leyen-spieler/
*) Als Neocons werden die Vertreter des Neokonservatismus bezeichnet, eine politische Bewegung, die in den 1960er Jahren in den Vereinigten Staaten entstand und die amerikanische Außenpolitik insbesondere in den letzten Jahrzehnten maßgeblich beeinflusst hat.
[9] A.a. O. https://www.relevante-oekonomik.com/2024/10/07/china-und-die-leyen-spieler/
[10] Ebd.
[11] A.a. O. https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/9711
[12] VW-Chef fordert Investitionen statt China-Zölle. handelsblatt.com 07.10.2024.
Digitalisierung, künstliche Intelligenz und der Aufstieg digitaler Währungen (IV)
Dem Ruf nach einem elektronischen Zahlungssystem, das auf kryptografischen Beweisen statt auf Vertrauen basiert und ermöglichte, direkt Geschäfte miteinander zu tätigen, folgte die Entwicklung von Bitcoin.
Die wichtigste technologische Innovation hinter Kryptowährungen ist die Blockchain, die alle Transaktionen für jede einzelne Währungseinheit enthält. Sie unterscheidet sich von bestehenden (physischen oder digitalen) Hauptbüchern dadurch, dass sie elektronisch und dezentralisiert ist, d. h. es gibt keine zentrale Behörde, die die Gültigkeit von Transaktionen überprüft. Auf der Grundlage eines kryptographischen Nachweises wird eine Überprüfung verwendet, wobei verschiedene Mitglieder des Netzwerks für eine kurze Zeit „Blöcke“ von Transaktionen überprüfen.
Der Anreiz dafür ist eine Vergütung in Form der neu „geprägten“ Kryptowährung für das erste Mitglied, das die Verifizierung vornimmt. Nur wenige Menschen verstehen die technischen Feinheiten einer Kryptowährung.
Eine einfache Definition:
„ Kryptowährung ist eine digitale Währung, die in einem offenen und dezentralen elektronischen Zahlungssystem gespeichert ist“[5]
Bitcoins und ähnliche Kryptowährungen sind schnell zu einem Spekulationsobjekt geworden, während die ursprüngliche Idee darin bestand, ein sicheres Zahlungssystem im Internet bereitzustellen. Der Anstieg der Nachfrage wird im Wesentlichen dadurch bestimmt, dass Bitcoins ein Vehikel für Steuerhinterziehung und andere kriminelle Aktivitäten sind, da Schwarzmarkt- und andere illegale Transaktionen nicht auf Kreditkartenabrechnungen erscheinen und das Geld, mit dem Bitcoins gekauft wurden, anonym ist.
Aus diesem Grund sind sie für Spekulationen geeignet. Und aus diesem Grund tendiert die langfristige Preisbewegung nach oben und die kurzfristige Bewegung setzt sich aus wilden Preisschwankungen und Booms und Pleiten zusammen. Die Preise von Bitcoin und anderen Kryptowährungen werden durch spekulative Investitionen ohne unmittelbare Ursache und Wirkung in der Real- oder Finanzwirtschaft bestimmt. Laut einer Studie der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) über Investoren werden „Kryptowährungen nicht als Alternative zu Fiat-Währungen oder regulierten Finanzierungen gesucht, sondern sind stattdessen ein digitales Spekulationsobjekt in der Nische“.[7]
Spekulation ist dem Kapitalismus inhärent, nimmt aber wie andere Finanzaktivitäten in Zeiten wirtschaftlicher Malaise und Krisen zu, d. h. wenn die Rentabilität in den produktiven Sektoren sinkt und das Kapital in unproduktive und finanzielle Sektoren abwandert, in denen die Profitrate höher ist.
Der Erfolg und die Expansion von Bitcoins sind gesellschaftlich bedingt, sie sind zur Wahrnehmung des Bedürfnisses des Kapitals geworden, noch ein weiteres finanzielles Ventil für sinkende Rentabilität zu finden.
Quelle: tradingeconomics.com
Ist Bitcoin eine neue Form von Geld?
Der Treiber hinter dem Bitcoin und anderen konkurrierenden Kryptowährungen war das Internet und das Wachstum des internetbasierten Handels und der Transaktionen.
Das Internet hat einen Bedarf an kostengünstigen, anonymen und schnell überprüfbaren Transaktionen für den Online-Tauschhandel geschaffen, und als Folge davon sind schnelle Abwicklungsmethoden für den Austausch entstanden.
Auch Bitcoin stellt wie Geld einen Wert dar, d. h. es hat Kaufkraft. Aber bedeutet das, dass es Geld ist? Die Hauptfunktion von Geld besteht darin, einen Wert darzustellen. Die Darstellung eines Wertes ist zwar notwendig, reicht aber nicht aus, um Geld zu sein.
Insofern sie als Zahlungsmittel fungieren, können Bitcoins mit Geld verglichen werden. Als Wertaufbewahrungsmittel und Rechnungseinheit sind sie jedoch aufgrund ihres spekulativen Charakters weit davon entfernt, diese beiden charakteristischen Merkmale vollständig zu erfüllen. Derzeit funktioniert es nur in äußerst begrenztem Umfang als Geld. Bitcoins sind aufgrund der sehr hohen Preisschwankungen und der Tatsache, dass Regierungen ihren Preis nicht garantieren, kein sehr guter Wertspeicher. Aus den gleichen Gründen sind sie keine zuverlässige Rechnungseinheit.
Der spekulative Charakter von Kryptowährungen beeinträchtigt nicht nur ihre Funktion als Wertaufbewahrungsmittel, sondern auch ihre Funktion als Recheneinheit. Damit Verträge das tun, wozu sie gedacht sind – nämlich Aspekte der Zukunft festzuschreiben –, müssen die Parteien ein gewisses Vertrauen in die zukünftige Bedeutung der in sie eingeschriebenen Zahlen haben.
Die Preise für Kryptowährungen sind, abgesehen von wilden kurzfristigen Schwankungen, in die Höhe geschossen. Dies ist zum einen auf das begrenzte Angebot und zum anderen auf die steigende Nachfrage als spekulatives Finanzvermögen zurückzuführen. Da Anleger jedoch dazu neigen, sie zu halten, anstatt sie auszugeben, ist ihre Funktion als Tauschmittel stark eingeschränkt. Die Volatilität kann durch Finanzinstrumente wie Terminkontrakte reduziert werden. Im Jahr 2018 führte die Chicago Mercantile Exchange (CME), die größte Terminbörse der Welt, die Bitcoin-Terminkontrakte ein[8]
Dennoch können Kryptowährungen auf den Weltmärkten nicht zu Geld werden.
Eine internationale Währung muss mindestens vier Grundbedingungen erfüllen:
- Sie muss einen langfristig stabilen Wert haben;
- es muss ein ausreichendes Volumen vorhanden sein, um den Bedarf des internationalen Handels mit Waren, Dienstleistungen und Finanzanlagen zu decken,
- die Transaktionskosten müssen niedrig sein, mit geringen Unterschieden zwischen Geld- und Briefkursen und hoher Liquidität und
- es muss einen stabilen Emittenten geben, der die Währung garantiert.
Auf dieser Grundlage wählen die Marktteilnehmer aus, welche Währung im Welthandel am besten geeignet ist, und es ist keine supranationale Behörde erforderlich. Diese Bedingungen gelten sowohl für Waren- als auch für Papiergeld. Für Papiergeld muss es einen Emittenten geben, da die Währung eine Verpflichtung gegenüber dem Inhaber impliziert.
Bitcoin erfüllt jedoch keine dieser vier Bedingungen.
Erstens weist es eine größere Volatilität auf als jede andere vorherrschende Währung in der Geschichte. Preisänderungen von mehreren zehn Prozent innerhalb weniger Tage sind an der Tagesordnung. Zweitens gibt es einen vorgegebenen Höchstbetrag, der geschaffen werden kann. Wenn sie den Bedarf eines wachsenden internationalen Handels decken soll, muss der relative Wert der Währung steigen, was sie noch instabiler macht. Drittens sind die Transaktionskosten hoch; Transaktionen dauern lange und das System kann nur eine begrenzte Anzahl pro Zeitraum verarbeiten.
Aus diesen Gründen können Kryptowährungen derzeit nur als eine embryonale Form von Geld betrachtet werden. Es ist noch ein langer Weg, bis sie die gleiche Reichweite wie nationale Währungen haben werden. Kurzfristig sind die Hindernisse fast unüberwindbar. Bitcoin ist auf Menschen mit Internetverbindung beschränkt. Das bedeutet, dass Milliarden von Menschen von diesem Prozess ausgeschlossen sind, obwohl das mobile Banking in den Dörfern und Städten der „Schwellenländer“ zugenommen hat.
Bisher ist es fast unmöglich, mit Bitcoin viel zu kaufen. Weltweit werden etwa drei Bitcoin-Transaktionen pro Sekunde durchgeführt, im Vergleich zu 9.000 Visa-Kreditkarten-transaktionen pro Sekunde.[9]
Und die Einrichtung einer „Wallet“ für Bitcoin-Transaktionen im Internet ist immer noch ein schwieriges Unterfangen. Spezialisierte Agenturen könnten jedoch ihre Dienste anbieten (und tun dies bereits). Letztendlich müssen Anleger möglicherweise keine Bankgebühren, sondern die Gebühren der Vermittler zahlen, wodurch einer der vermeintlichen Vorteile für Anleger zunichte gemacht wird. Außerdem können Bitcoin- und andere Krypto-Transaktionen nur 200 Millionen pro Jahr erreichen, was nur ausreicht, damit jeder Mensch auf der Erde in seinem ganzen Leben zwei Transaktionen durchführen kann.
Außerdem erfordert das Bitcoin-Mining spezielle Ausrüstung sowie erhebliche Stromkosten, sodass Miner ihre Technologie- und Energieinvestitionen ausbalancieren müssen. Das bedeutet, dass Bitcoin zunehmend nur dann als alternativer Ersatz für die Weltwährung funktionieren könnte, wenn das Mining zu einem großen Geschäft wird.
Und das bedeutet, dass es früher oder später große Unternehmen geben wird, die in den Händen kapitalistischer Unternehmen sind und die möglicherweise in der Lage sein werden, den Bitcoin-Markt zu kontrollieren.[10]
Außerdem würde Bitcoin, wenn es als praktikables Zahlungsmittel für die Zahlung von Steuern an die Regierung dienen sollte, eine Art Preisverhältnis zur bestehenden Fiat-Geldmenge erfordern. Die Regierungen werden also weiterhin bestehen bleiben. Tatsächlich hat China im Jahr 2021 das Krypto-Mining vollständig verboten.
Außerdem ist der Energieverbrauch enorm.[11] Das Bitcoin-Mining verbraucht bereits mehr Energie für die Computerleistung als Irland pro Jahr verbraucht. Die Temperaturen in der Nähe von Rechenzentren sind in die Höhe geschossen. Vielleicht könnte diese Wärme ökologisch genutzt werden, aber die Unrentabilität eines solchen Energierecyclings könnte die Expansion von Bitcoin durchaus „blockieren“.
Aufgrund dieser enormen Ressourcenverschwendung ist die einzige vernünftige Option, Bitcoins ganz zu verbieten.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass es große Nachteile hätte, wenn die Wirtschaft auf Kryptowährungen statt (oder zusammen mit) nicht konvertierbarem Papiergeld basieren würde.
Der Staat würde eines seiner grundlegenden Instrumente zur Krisenbekämpfung, die Geldpolitik, verlieren, und die zunehmende Instabilität, die Kryptowährungen innewohnt, würde sich proportional zu ihrem Anstieg auf den realen und den Finanzsektor auswirken. Da sie durch nichts gedeckt sind und aus den oben genannten Gründen, sind Bitcoins nicht als Geld (oder Geldersatz) geeignet.
Angeblich haben Kryptowährungen nun ihr Image, mit Betrügern, Schwindlern und wilder Spekulation in Verbindung gebracht zu werden, abgelegt und gehören nun zum „seriösen Teil“ der Finanzwelt. Der jüngste Fall Friedman hat gezeigt, dass dies ein Witz ist – zusammen mit einer Reihe anderer solcher "Friedmans" im letzten JAhrzehnt des Aufstiegs von Kryptowährungen. [14] Sam Bankman-Fried leitete einen äußerst erfolgreichen FTX-Bitcoin-Hedgefonds, der angeblich Millionen für seine Kunden erwirtschaftete. Aber Friedman wurde schließlich entlarvt und wegen Diebstahls von 8 Milliarden Dollar von seinen FTX-Kunden verurteilt. Es wurde festgestellt, dass er Kundengelder in Milliardenhöhe in den Schwester-Hedgefonds von FTX, Alameda Research, umgeleitet hatte, um diesen liquide zu halten und sich mit dem Geld seiner Kunden zu bereichern. Friedman führte ein gutes Leben und gab mehr als 200 Millionen Dollar für Immobilien auf den Bahamas und für spekulative Investitionen aus.[15] "Sam Bankman-Fried hat einen der größten Finanzbetrugsfälle in der amerikanischen Geschichte begangen – ein milliardenschweres , das ihn zum König der Kryptowährungen machen sollte – aber auch wenn die Krypto-Währungsbranche neu ist und Akteure wie Sam Bankman-Fried neu sind, ist diese Art von Korruption so alt wie die Zeit selbst“, sagte der US-Staatsanwalt Damian Williams aus Manhattan nach der Verurteilung. “In diesem Fall ging es immer um Lügen, Betrug und Diebstahl, und dafür haben wir keine Geduld.“
All dies beweist, dass Bitcoin und andere Kryptowährungen nicht näher an der allgemeinen Akzeptanz als Geld sind als zu dem Zeitpunkt, als sie erstmals auf den Markt kamen. Sie bleiben Teil der spekulativen digitalen Finanzwirtschaft.
Sie werden keine Fiat-Währungen ersetzen, bei denen die Versorgung von Zentralbanken und Regierungen als Hauptumtauschmittel kontrolliert wird. *) Spekulation ist dem Kapitalismus inhärent, nimmt aber wie andere Finanzaktivitäten in Zeiten wirtschaftlicher Malaise und Krisen zu, d.h. wenn die Rentabilität in den produktiven Sektoren sinkt und das Kapital in unproduktive und finanzielle Sektoren abwandert, in denen die Profitrate höher ist. Dies ist der Grund für die Entstehung und den Aufstieg des Krypto-Marktes. Der aktuelle Einbruch dieses Marktes zeigt, was passiert, wenn Investoren aufgrund einer drohenden Verlangsamung oder gar Rezession in der „realen“ Wirtschaft mit sinkenden Gewinnen rechnen.[16]
Aber das Kapital ignoriert die Blockchain-Technologie nicht. Wie jede andere Innovation versucht es vielmehr, sie unter seine Kontrolle zu bringen. Trotz der oben genannten Nachteile können gegenseitige verteilte Ledger (MDLs) in der Blockchain-Technologie eine elektronische öffentliche Transaktionsaufzeichnung von Integrität ohne zentralen Eigentümer bereitstellen. Die Möglichkeit, über eine global verfügbare, überprüfbare und nicht manipulierbare Datenquelle zu verfügen, bietet jedem, der vertrauenswürdige Drittanbieterdienste bereitstellen möchte, d. h. den meisten Finanzdienstleistungs-unternehmen, die Möglichkeit, dies kostengünstig und zuverlässig zu tun. Tatsächlich ist dies der Weg, den große Banken und andere Finanzinstitute einschlagen. Sie sind daran interessiert, die Blockchain-Technologie zu entwickeln, um Kosten zu sparen und Internet-Transaktionen zu kontrollieren.
Da die Verwendung von Bargeld zunehmend eingeschränkt wird, sind wir bereits auf eine Handvoll großer Banken angewiesen, um unser Geld zu verwalten und Zahlungen zu tätigen, während Visa und Mastercard den Kartenmarkt fast vollständig dominieren. 98 Prozent der im Vereinigten Königreich ausgestellten Debitkarten sind inzwischen Visa-Karten.
Im Prinzip sollte jede digitale Währung die Bezahlung von Waren und Dienstleistungen einfacher und billiger machen, sodass die Menschen nicht mehr mit großen Mengen an Bargeld herumlaufen müssen (z. B. wenn sie mit dem Koffer in ein anderes Land fliegen). Und mit Bargeld kann man nicht online bezahlen. Dies ist einer der Gründe, warum die physische Währung als effizientes Zahlungsmittel im digitalen Zeitalter an Attraktivität verliert.
Die zunehmende Verbreitung von Online-Shopping und digitalen Zahlungen ging in den letzten anderthalb Jahrzehnten mit einem stetigen Rückgang der Bargeldnutzung einher.
Im Großen und Ganzen hat die Digitalisierung der Wirtschaftstätigkeit tiefgreifende Auswirkungen darauf, wie Menschen für Dinge bezahlen.
Die folgenden Graphiken zeigen zum einen die stetig ansteigenden online Käufe seit 2018 bis 2021 und ein Vergleich der abnehmenden Bargeldtransaktionen in den Niedertlanden im Vergleich zu Deutschland.
Die meisten Menschen sehen keinen Unterschied zwischen Bargeld und digitalen Zahlungen, abgesehen von der offensichtlichen Tatsache, dass beim Bezahlen mit Bargeld physisches Geld ausgetauscht wird, bei digitalen Transaktionen jedoch nicht. Es gibt aber auch einen subtileren Unterschied.
Bargeld ist öffentliches Geld – es ist eine Verbindlichkeit der Zentralbank und somit vollkommen sicher,
Digitales Geld stammt im Gegensatz dazu dem privaten Sektor, meist in Form von Bankeinlagen. Obwohl es sich um eine Verbindlichkeit eines privaten Unternehmens handelt, kann von Banken ausgegebenes Geld dank Finanzregulierung und Einlagensicherung immer zum Nennwert in Bargeld umgetauscht werden. Deshalb halten die Menschen es für sicher und nützlich als Zahlungsmittel.
Die rückläufige Verwendung von Bargeld und das Potenzial für eine wachsende Rolle neuer Geldformen außerhalb des regulierten Bankensektors haben zu Forderungen nach der Einführung einer digitalen Version von Bargeld geführt, die oft als digitale Zentralbankwährung (CBDC) bezeichnet wird. Es gibt mindestens drei Hauptargumente, die diese Forderungen stützen.
- Erstens spielen öffentliche Gelder eine besondere Rolle als Anker des Währungssystems. Die Menschen sind bereit, Zahlungen in privaten Geldern (Kreditkarten und Banküberweisungen) zu akzeptieren, weil sie wissen, dass diese leicht in absolut sichere öffentliche Gelder (Bargeld) umgetauscht werden können. Wenn Bargeld jedoch nicht mehr weit verbreitet ist, verliert das Versprechen der perfekten Konvertibilität an Bedeutung. In diesem Szenario würde eine digitale Version von Bargeld die Fortführung des derzeitigen Währungssystems sicherstellen.
- Zweitens trägt die Ausgabe von CBDC dazu bei, die Kontrolle der Zentralbank über die Währung zu bewahren[17]. Dank ihrer globalen Reichweite könnten digitale Plattformen zu großen Emittenten von privatem digitalem Geld werden. Wenn in einem extremen Szenario privates Geld öffentliches Geld als Währungseinheit in Verträgen und Transaktionen (die „Rechnungseinheit“) verdrängt, kann die Zentralbank keine wirksame Geldpolitik mehr betreiben oder die Finanzstabilität durch ihr Handeln als Kreditgeber der letzten Instanz (Lender of Last Resort) gewährleisten. Eine CBDC könnte ein solches Szenario verhindern, indem sie eine öffentliche Version des digitalen Geldes anbietet, um die Nachfrage zu decken.
- Drittens könnte eine CBDC dazu beitragen, die Privatsphäre zu schützen. Privatunternehmen versuchen in der Regel, von den personenbezogenen Daten zu profitieren, die sie sammeln können, wenn Menschen digitale Zahlungen tätigen, was von vornherein von deren Nutzung abhalten kann – ein ineffizientes Ergebnis. Eine CBDC könnte so konzipiert werden, dass sie den Nutzern mehr Kontrolle über ihre Daten gibt, z. B. darüber, ob sie personenbezogene Daten an Dritte weitergeben, um stärker personalisierte Dienstleistungen zu erhalten. Dies kann die Effizienz und das Wohlergehen in der digitalen Wirtschaft fördern.[18]
Die Debatte über digitale Währungen der Zentralbanken hat an Fahrt aufgenommen.
Laut einer aktuellen Umfrage der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) untersuchen fast alle befragten Zentralbanken aktiv das Potenzial für eine CBDC.[19] In gewisser Weise ist die Einführung von digitalem Bargeld eine natürliche Entwicklung, die mit vielen anderen Aspekten des Lebens in Einklang steht, die sich in die digitale Sphäre verlagern.[20]
Die möglichen Auswirkungen einer Gesellschaft ohne öffentliches Geld sind seit langem ein Diskussionsthema, das Bedenken hinsichtlich der Aufrechterhaltung seiner Schlüsselrolle im Zahlungsverkehr aufwirft. Im digitalen Zeitalter sind diese Diskussionen in Zentralbanken und der Wissenschaft wieder aufgekommen.
Das Eurosystem bereitet sich nun auf die mögliche Entwicklung eines digitalen Euros neben dem Bargeld vor, dessen Verwendung rückläufig ist.
Laut einer 2019 von der Bundesbank veröffentlichten Studie entfielen 2018 in China – der zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt – nur 20 % der Zahlungen auf Bargeld.
China war die erste große Volkswirtschaft, die eine Blockchain-basierte digitale Version ihrer Währung, den Cyber-Yuan, für Transaktionen einführte. Die schwedische Zentralbank, die Riksbank, gab bekannt, dass ihr aktuelles Pilotprojekt noch mindestens ein Jahr dauern wird, bis die e-krona einsatzbereit ist. Eine digitale Kryptowährung der USA würde riesige Mengen an internationalen Währungen einsammeln, die dann gewinnbringend investiert werden könnten. Die anderen Länder könnten, wenn sie stark genug sind, ihre eigenen Kryptowährungen einführen, um sowohl internationale Währungen (insbesondere starke) zu gewinnen als auch die finanzielle Vormachtstellung der USA einzuschränken. Dies scheint der Grund für den Schritt der chinesischen Regierung zu sein, eine „Digital Currency Electronic Payment (DC/EP)“ einzuführen, eine Zahlungsvereinbarung für digitale Renminbi (RMB), auch e-CNY (oder e-Yuan) genannt. Der e-CNY wird von der People's Bank of China (PBC) ausgegeben und von autorisierten Betreibern wie Geschäftsbanken, Zahlungsdienstleistern und anderen privatwirtschaftlichen Institutionen betrieben und umgetauscht.
Die USA sind zurückhaltender, da der Dollar im amerikanischen Finanzwesen die weltweit führende Währung ist. Der Vorsitzende der US-Notenbank, Jerome Powell, sagte, dass es keine Eile gebe, eine digitale Zentralbankwährung zu entwickeln. Nachdem er Kryptowährungen als „äußerst volatil und daher nicht wirklich nützliche Wertanlagen, die durch nichts abgesichert sind“ abgetan hatte, fuhr Powell fort: „Es handelt sich eher um einen spekulativen Vermögenswert, der im Wesentlichen ein Ersatz für Gold und nicht für den Dollar ist.“[21] Dennoch ist die Boston Fed eine Partnerschaft mit dem Massachusetts Institute of Technology eingegangen, um eine mehrjährige Studie zur Entwicklung einer digitalen Zentralbankwährung durchzuführen.[22]
Anstatt Investoren vor den räuberischen Krypto-Systemen zu schützen, haben Finanzaufsichtsbehörden und Vollstreckungsbehörden erst dann eingegriffen, als "es an der Zeit war, die Scherben aufzusammeln und die Trümmer der zerschalgenen Investitionen von Millionen MEnschen zu durchkämmen". [23]
Von Krypto-Unternehmen finanzierte Politiker haben dazu beigetragen, die Regulierung zu blockieren. Der US-Kongress hat einen Gesetzesentwurf nach dem anderen blockiert, da die Industrie darauf drängt, den aktuellen Zustand der laxen Regulierung mit Ausnahmeregelungen und Schlupflöchern festzuschreiben.
Einmal mehr hat die Regulierung Finanzspekulationen, Zusammenbrüche und Betrügereien nicht verhindern können. Regulierungsbehörden und Gesetzgeber haben es versäumt, Änderungen vorzunehmen, um die Öffentlichkeit proaktiv zu schützen, während sie Krypto-Firmen erlauben, Werbung zu machen und neue Kunden zu werben, die weitaus wahrscheinlicher als Opfer eines weiteren Zusammenbruchs enden werden, als dass sie die nächsten Krypto-Millionäre werden.
Wie viele Menschen müssen noch wie viel Geld verlieren, bevor wir aufhören, den Lügen einer Branche zu glauben, die das Vertrauen und die Hoffnung der Menschen auf finanzielle Wunder ausgenutzt hat, nur um sie dann bei einem Misserfolg nach dem anderen auf den Boden zu werfen?“
Karl Marx:
„Die beiden dem Kreditsystem immanenten Merkmale sind einerseits die Entwicklung des Anreizes zur kapitalistischen Produktion, von der Bereicherung durch Ausbeutung der Arbeit anderer bis hin zur reinsten und kolossalsten Form von Glücksspiel und Betrug.“[24]
Der Finanzsektor macht also genauso weiter wie bisher und betreibt Spekulationen, und die Regulierungsbehörden können und wollen ihn nicht stoppen.
Das Bankwesen sollte eine öffentliche Dienstleistung für Haushalte und kleine Unternehmen sein, um Einlagen entgegenzunehmen und Kredite zu vergeben – und nicht die Finanzierung eines riesigen Finanzkasinos, in dem Kriminelle und Betrüger unsere Lebensgrundlagen verspielen.[25]
Eine digitale Währung sollte in ihren Abläufen transparent sein und die Privatsphäre Ihrer Daten wahren.
Was wir wirklich brauchen, ist eine demokratische Kontrolle der Finanzinstitute und die Übernahme von Megatechnologieunternehmen wie Facebook, Google und Amazon. Regierungen sollten dann technologische Innovationen nutzen, um eine internationale digitale Währung zu entwickeln, die im öffentlichen Interesse kontrolliert und betrieben wird. Eine solche öffentliche digitale Währung würde jedoch eine gemeinsame Eigentümerschaft und Kontrolle von Finanzinstituten und digitalen Monopolen erfordern. In der Zwischenzeit wird der US-Dollar regieren.
In einer kapitalistischen Wirtschaft ist Geld die Repräsentation, ein Symbol für Wert. Es handelt sich also um eine gesellschaftlich bestimmte Darstellung der gesellschaftlichen Produktionsverhältnisse, des Privateigentums an den Produktionsmitteln (und damit um eine Darstellung der Ausbeutung). Als solches kann Geld keine sozialistischen Produktionsverhältnisse darstellen. Selbst wenn der Austausch auf der Grundlage von Bitcoins universell werden sollte, würden Bitcoins nur zum Kauf von kapitalistisch produzierten Waren und vom Kapital zum Kauf von Arbeitskraft verwendet werden.
Sie würden zu einer neuen Darstellung der Ausbeutung werden.
Quellen:
*) Anmerkung: Fiat-Geld ist ein gesetzliches Zahlungsmittel, das seinen Wert nicht durch physische Güter wie Gold oder Silber erhält, sondern durch das Vertrauen der Nutzer und die Wirtschaftspolitik der ausgebenden Regierung
[5] (Huberman et al., 2017).
[7] R. Auer und D. Tercero-Lucas, „Distrust or Speculation? The Socioeconomic Drivers of US Cryptocurrency Investments, BIS Working Paper 951, Juli 2021, www.bis.org/publ/work951.pdf
[8] CME Group (Anzeige der CME).
[9] https://towardsdatascience.com/the-blockchain-scalability-problem-the-race-for-visa-like-transaction-speed-5cce48f9d44
[10] https://cointelegraph.com/news/bitcoin-halving-btc-mining-centralization
[11] https://hbr.org/2021/05/how-much-energy-does-bitcoin-actually-consume
[12] https://www.coinspeaker.com/jpmorgan-tether-dominance-risks-crypto
[13] Group of Thirty, „Digital Currencies and Stablecoins Risks, Opportunities, and Challenges Ahead, Juli 2020
[14] https://nymag.com/intelligencer/article/barry-silbert-is-the-crypto-worlds-new-villain.html
[15] https://apnews.com/article/sam-bankman-fried-ftx-fraud-timeline-be13e3fc0e074e2edd50ba59d1f8960e
[16] https://thenextrecession.wordpress.com/2021/04/09/financial-fiction-part-two-the-new-ones-spacs-nfts-cryptocurrencies
[17] (Brunnermeier et al. 2019).
[18] (Ahnert et al. 2022b).
[19] (Kosse und Mattei 2022).
[20] (Panetta, 2021).
[21] https://www.federalreserve.gov/newsevents/speech/powell20240823a.htm
[22] https://www.bostonfed.org/publications/one-time-pubs/project-hamilton-phase-1-executive-summary
[23] https://www.theguardian.com/global/commentisfree/2024/mar/28/sam-bankman-fried-prison-crypto-regulation
[24] https://www.marxists.org/archive/marx/works/1894-c3/ch27.htm
[25] https://thenextrecession.wordpress.com/2010/09/15/banking-as-a-public-service
Zusätzlicher Literatur-Hinweis zur Serie der isw-Veröffentlichungen
Setzt China künftig die Standards für Künstliche Intelligenz? (I)
Wolfgang Müller: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5295-setzt-china-kuenftig-die-standards-fuer-kuenstliche-intelligenz
Digitalisierung – eine neue Phase in der Entwicklung der Produktivität (II)
Michael Roberts: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5304-digitalisierung-eine-neue-phase-in-der-entwicklung-der-produktivitaet-ii
Verändert das digitale Geschäftsmodell die Natur des Kapitalismus? (III)
Michael Roberts: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5305-veraendert-das-digitale-geschaeftsmodell-die-natur-des-kapitalismus-iii