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Was verraten Trumps Kandidaten für das Kabinett über die nächste Regierung?

acTVism - ven, 15/11/2024 - 10:50

Was verraten Trumps Kandidaten für das Kabinett über die nächste Regierung?

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Auf ultrarechtem Kurs

ISW München - ven, 15/11/2024 - 07:58

Die künftige US-Regierung schwenkt mit mehreren designierten Ministern auf einen ultrarechten, hart antichinesischen Kurs ein – in einer Zeit, in der Deutschland in wachsende Abhängigkeit von den USA geraten ist.



Die künftige Regierung der USA, des wichtigsten NATO-Verbündeten der Bundesrepublik, wird neben hart anti-chinesischen auch ultrarechte Minister umfassen. Marco Rubio, designierter Außenminister, behauptet, die Volksrepublik werde „alle Institutionen und alle Normen der Welt unterminieren“, um ihren machtpolitischen Ehrgeiz zu stillen. Pete Hegseth, designierter Verteidigungsminister, prahlt mit Tattoos, die Kreuzritterparolen wiedergeben und die in der äußersten Rechten verbreitet sind. Unter ihm könnte ein Gremium eingesetzt werden, das Säuberungen unter hochrangigen Offizieren vornimmt. Etwaige Widerstände im US-Senat gegen die Ernennung von Hegseth will Trump aushebeln und ihn, wie andere umstrittene Kandidaten auch, ohne die formal nötige Zustimmung ins Amt bringen. Während Washington hart nach rechts schwenkt, hat die Abhängigkeit der Bundesrepublik von den USA in den vergangenen Jahren zugenommen – insbesondere aufgrund der Politik Berlins im Ukraine-Krieg. Selbst wenn sie wollte, wäre die Bundesregierung kaum in der Lage, sich künftigem Druck aus den Vereinigten Staaten zu widersetzen, zumal Deutschland ökonomisch sowie politisch in einer schweren Krise steckt.

Hart anti-chinesisch

Marco Rubio, der seit 2011 dem Senat angehört, gilt dort seit je als einer der maßgeblichen Scharfmacher gegen die Volksrepublik China. So trieb er beispielsweise die Verabschiedung von US-Gesetzen voran, die unter dem Vorwand, Maßnahmen der chinesischen Behörden in Hongkong oder Xinjiang bestrafen zu wollen, bereits während der ersten Amtszeit von US-Präsident Donald Trump Sanktionen gegen chinesische Politiker und Unternehmen einführten. Rubio war einer der ersten Aktivisten der Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), eines globalen Netzwerks von Parlamentsabgeordneten aus zur Zeit ungefähr 40 Parlamenten, das antichinesische Gesetzesvorhaben auf sämtlichen Kontinenten koordiniert (german-foreign-policy.com berichtete [1]). Der designierte US-Außenminister unterstellt Beijing unter anderem, „alle Institutionen und alle Normen der Welt unterminieren“ zu wollen, um seinen machtpolitischen Ehrgeiz zu stillen.[2] Rubio werde stärker als alle seine Amtsvorgänger gewillt sein, „chinabezogene Angelegenheiten anzugehen“, sagt etwa der Präsident der Jamestown Foundation, Peter Mattis, voraus.[3] Wegen seiner aggressiv gegen die Volksrepublik gerichteten Politik hat Beijing im Jahr 2020 Sanktionen gegen ihn verhängt, darunter ein Einreiseverbot.[4]

Kreuzritter-Parolen

Pete Hegseth, designierter US-Verteidigungsminister, ist ein Quereinsteiger, der bislang über keinerlei politische Erfahrung verfügt. Als Angehöriger der Minnesota National Guard war er in Afghanistan und im Irak im Einsatz; zudem betätigte er sich als Wachmann im US-Lager Guantanamo Bay, das als Symbol für gravierende Menschenrechtsverletzungen wie etwa Folter gilt.[5] Nach Abschluss seiner Militärkarriere arbeitete Hegseth als Moderator bei dem Rechtsaußensender Fox News. In einer Buchpublikation („Der Krieg gegen die Krieger“) hat er sich dafür ausgesprochen, in den Streitkräften „politisch korrekten Nonsens und soziale Gerechtigkeit“ zu beenden; zum Beispiel will er Frauen aus Kampfeinheiten ausschließen.[6] Unter seiner Führung im Ministerium könnte, so wird es in Trumps unmittelbarem Umfeld diskutiert, ein Gremium eingesetzt werden, das Säuberungen unter ranghohen Offizieren vornimmt.[7] Hegseth selbst prahlt mit Tattoos, die nicht nur Waffen, sondern auch Symbole und Parolen („Deus Vult“) der Kreuzritter wiedergeben. Der „Kreuzritter-Schlachtruf“ „Deus Vult“ werde, so heißt es, „von teils rechtsextremen Trump-Unterstützern genutzt“. Hegseth behauptet dazu: „Israel, das Christentum und mein Glaube sind Dinge, die mir sehr am Herzen liegen.“[8]

Ohne jede Kontrolle

Rubio kann voraussichtlich mit einer umstandslosen Bestätigung durch den Senat rechnen, die in den Vereinigten Staaten erforderlich ist. Im Senat haben die Republikaner seit der Wahl mit 53 von 100 Senatoren eine klare Mehrheit. Gegen Hegseths Bestätigung allerdings gibt es Berichten zufolge sogar unter republikanischen Senatoren Widerspruch. Um ihn auszuhebeln, verlangt Trump, der Mehrheitsführer im Senat müsse bereit sein, ein Vorgehen zuzulassen, bei dem der Präsident während einer Sitzungspause des Senats Personalien ohne dessen Zustimmung durchwinken kann. John Thune, Senator aus South Dakota, der inzwischen zum Mehrheitsführer gewählt worden ist, hat Trump vorab zugesagt, diese Forderung zu erfüllen. Damit können sogar Ministerposten für bis zu zwei Jahre ohne die eigentlich erforderliche Zustimmung der Parlamentskammer ernannt werden.[9] Es entfällt also faktisch jede Kontrollmöglichkeit.

Abhängig von den USA

Der rabiate Rechtskurs und die antichinesische Zuspitzung der US-Politik vollziehen sich in einer Zeit, in der sich die Abhängigkeit der Bundesrepublik von den Vereinigten Staaten stark ausgeweitet hat. Der Ukraine-Krieg hat die Bedeutung der NATO, in der die USA klar den Ton angeben, für Deutschland und Europa erheblich erhöht. Das Bestreben, möglichst schnell aufzurüsten, führt dazu, dass Berlin wieder mehr US-Rüstungsgüter kauft; ein Beispiel ist die Beschaffung von US-Kampfjets des Modells F-35, die beschlossen wurde, weil das deutsch-französische Luftkampfsystem FCAS (Future Combat Air System) frühestens in 20 Jahren einsatzbereit ist.[10] Der Versuch, gänzlich aus dem Bezug russischen Erdgases auszusteigen, hat die Abhängigkeit von US-Flüssiggas (Liquefied Natural Gas, LNG) spürbar intensiviert; der Anteil der US-Lieferungen an der LNG-Einfuhr der EU und Großbritanniens zusammen näherte sich im vergangenen Jahr laut Statistiken der US-amerikanischen Energy Information Administration (eia) 50 Prozent.[11] EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat bereits angeboten, den Anteil von US-LNG – und damit auch die Abhängigkeit der EU von der Trump-Administration – weiter zu erhöhen.[12] Indem Berlin und Brüssel nun auch noch den Konflikt mit China eskalieren, bringen sie sich in eine noch stärkere Abhängigkeit von den Vereinigten Staaten.

In einer Phase der Schwäche

Zur vergleichsweise leichten Beute für Washington werden Deutschland und die EU dabei auch, weil sie zur Zeit in einer Phase eklatanter Schwäche stecken. Die deutsche Wirtschaft, die 2023 um 0,3 Prozent schrumpfte, wird 2024 laut Prognose des Sachverständigenrats zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung erneut zurückgehen – wohl um 0,1 Prozent.[13] Seine Vorhersage für das nächste Jahr hat der Sachverständigenrat soeben von einem Plus von 0,9 Prozent auf ein Plus von 0,4 Prozent gesenkt. Die EU wiederum, die 2023 ein Wachstum von gerade einmal 0,4 Prozent erreichte, steigerte ihre Wirtschaftsleistung im ersten und im zweiten Quartal 2024 jeweils um magere 0,3 Prozent. Im Innern ist sie zerstrittener denn je; das drückt sich gegenwärtig unter anderem darin aus, dass es der EU-Kommissionspräsidentin offenbar nicht gelingt, die neue Kommission wie geplant Anfang Dezember ins Amt zu bringen.[14] Deutschland wiederum, die Zentralmacht der EU, steckt seinerseits in einer schweren politischem Krise; die Regierungskoalition ist zerbrochen, jetzt stehen Neuwahlen bevor. Zusätzlich muss die Bundesrepublik damit rechnen, wegen neuer Strafzölle der Trump-Administration gravierende Schäden zu erleiden – german-foreign-policy.com berichtete [15]. Die Chancen, erfolgreich Widerstand zu leisten, wären – selbst wenn die Bundesregierung dazu bereit wäre – aufgrund der steigenden Abhängigkeit gering.

 

[1] S. dazu  Der grüne Kalte Krieg

und Drahtzieher gegen China

[2], [3] Micah McCartney: Marco Rubio: Five Times He Spoke Out on China. newsweek.com 12.11.2024.

[4] China sanctions 11 US politicians, heads of organizations. apnews.com 10.08.2020.

[5] Julian Borger: Pentagon stunned after Trump picks Pete Hegseth for defence secretary. theguardian.com 13.11.2024.

[6] Sofia Dreisbach: Ohne politische Erfahrung. Frankfurter Allgemeine Zeitung 14.11.2024.

[7] Vivian Salama, Nancy A. Youssef, Lara Seligman: Trump Draft Executive Order Would Create Board to Purge Generals

[8] René Garzke: Waffen, Krieg, Kreuzritter: Die Protz-Tattoos von Trumps Armee-Chef. bild.de 14.11.2024.

[9] Sofia Dreisbach: Aggressiv vorwärts. Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.11.2024.

[10] S. dazu Streit um das Luftkampfsystem

[11] The United States remained the largest liquefied natural gas supplier to Europe in 2023. eia.gov 29.02.2024.

[12] Jamie Smyth, Myles McCormick, Shotaro Tani: LNG exports could provide crucial bargaining chip in US-EU trade talks. ft.com 12.11.2024.

[13] Wirtschaftsweise halbieren Wachstumsprognose. tagesschau.de 13.11.2024.

[14] Josef Kelnberger: Ursula von der Leyen im Wartestand. sueddeutsche.de 14.11.2024.

[15] S. dazu Die transatlantische Rivalitaet

 

Israelischer Verteidigungsminister Gallant von Netanjahu entlassen

acTVism - jeu, 14/11/2024 - 09:47

Israelischer Verteidigungsminister Gallant von Netanjahu entlassen

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Warum zwingen Israel und die USA die Kubaner zu leiden?

acTVism - jeu, 14/11/2024 - 09:04

Warum zwingen Israel und die USA die Kubaner zu leiden?

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"100 Unternehmen sind für 71 Prozent der Emissionen seit 1988 verantwortlich"

ISW München - mer, 13/11/2024 - 12:03

"Wenn wir die ökologische Krise verstehen wollen, müssen wir die Arbeitswelt verstehen."







Die zitierte Ausgangsthese ist, passend zur Weltklimakonferenz COP29, den Ausführungen von Simon Schaupp aus "Stoffwechselpolitik. Arbeit, Natur und Zukunft des Planeten" entnommen. *)

Am 11. November d. J.  begann die UN-Weltklimakonferenz in Baku (Aserbaidschan) und die über 30.000 Teilnehmenden sehen sich zum Start mit einer Reihe von Hiobsbotschaften konfrontiert: Das aktuelle Jahr wird dem EU-Klimawandeldienst Copernicus zufolge so gut wie sicher das erste Jahr seit Aufzeichnungsbeginn werden, in dem es im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad wärmer als im vorindustriellen Mittel war. Auf der Weltklimakonferenz 2015 in Paris hatten die Staaten weltweit vereinbart, die Erderwärmung auf unter 2 Grad zu begrenzen, möglichst aber auf 1,5 Grad.

Der jährliche Klimagipfel der Vereinten Nationen hat in Aserbaidschan begonnen. Zentrales Thema wird die Finanzierung der Kosten für Klimaschutz sein, aber auch für Schäden durch Extremwetter im Globalen Süden, nachdem ein Jahr voller Wetterkatastrophen die Entwicklungsländer in ihren Forderungen nach mehr Mitteln bestärkt hat. Ein von den Vereinten Nationen unterstützter Bericht besagt, dass Schwellenländer, mit Ausnahme von China, bis 2030 Investitionen von weit über 2 Billionen US-Dollar pro Jahr benötigen, wenn die Welt die globale Erwärmung stoppen will.

In seiner Eröffnungsrede sagte der UN-Klimachef Simon Stiell, dass die Staats- und Regierungschefs der Welt zeigen müssen, dass die globale Zusammenarbeit "nicht am Ende ist".

"Hier in Baku müssen wir uns auf ein neues globales Klimafinanzierungsziel einigen. Wenn mindestens zwei Drittel der Nationen der Welt es sich nicht leisten können, ihre Emissionen schnell zu senken, dann zahlt jede Nation einen hohen Preis", warnte er.
Stiell forderte außerdem ein "ehrgeiziges" neues Ziel für die Bereitstellung von Klimafinanzierung für die ärmeren Nationen der Welt und sagte: "Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, dass Klimafinanzierung Wohltätigkeit ist."

Doch wichtige Spitzenpolitiker:innen aus Europa, den USA und der Welt nehmen diesmal gar nicht teil.

Neben Bundeskanzler Olaf Scholz, Präsident Macron und der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen, fehlen auch andere wichtige Vertreter:innen. Joe Biden reist nach dem Wahlsieg Trumps nicht zur Klimakonferenz. Ursula von der Leyen nimmt wegen der Übergangsphase der EU-Kommission und ihrer Vorbereitung auf die zweite Amtszeit nicht teil. Emmanuel Macron bleibt dem Gipfel aufgrund der angespannten Beziehungen zu Aserbaidschan fern, das den Gipfel ausrichtet. Die Beziehungen zwischen Frankreich und Aserbaidschan sind angespannt, seit Paris im vergangenen Jahr die militärischen Angriffe Aserbaidschans gegen armenische Separatisten in der abtrünnigen Region Karabach verurteilte. Beim kanadischen Premierminister Justin Trudeau wurden keine offiziellen Gründe für seine Abwesenheit bekanntgegeben.

Neben Spitzenpolitiker:innen aus Europa und den USA, fehlen u.a. Narendra Modi, Premierminister in Indien sowie Brasiliens Präsident da Silva. Im vergangenen Jahr bei der Weltklimakonferenz in Dubai hatten sie alle noch teilgenommen.

Keine gute Ausgangslage für die wichtige Konferenz, obwohl zentrale Beschlüsse gefasst werden müssten.

Ursache ist nach Angaben der Weltmeteorologieorganisation (WMO), dass die Konzentration klimaschädlicher Treibhausgase in der Erdatmosphäre einen neuen Rekordstand erreicht hat.
Allein in den vergangenen zwei Jahrzehnten nahm die CO₂-Konzentration um mehr als zehn Prozent zu. Die fortschreitende Erderwärmung geht laut WMO zu 64 Prozent auf den Ausstoß von Kohlendioxid zurück; aber auch Methan und Stickstoffoxid sind bedeutende Treibhausgase. [1]

Die Folgen sind immer mehr spürbar: Taifune und Hurricane wie jetzt um die Philippinen und um Kuba/USA herum bilden sich in immer kürzeren Zeitspannen in den subtropischen Meeren. Und auch die Menschen in Spanien mussten vor wenigen Wochen hautnah am eigenen Leib erleben, was Klimawandel bedeutet: Sturmtief "Boris" verursachte die stärksten Niederschläge, die jemals in Mitteleuropa gemessen wurden; es folgten die durch anhaltende Regenfälle verursachten Überschwemmungen in der Gegend von Málaga bis Valencia mit etwa 250 Toten.

Um 43 Prozent müssten die Treibhausgasemissionen bis 2030 zurückgehen, wenn die globale Erwärmung auf ein gerade noch vertretbares Maß beschränkt werden soll, hat der IPCC, der Weltklimarat, vorgerechnet. Doch die von den Regierungen versprochenen Maßnahmen werden bis 2030 bestenfalls zu einer Reduktion um 2,6 Prozent führen, so die ernüchternde UN-Analyse.

Viele Konferenzen und Publikationen – wenig greifbare Erfolge

Dabei mangelt es nicht an internationalen Klima- und Naturschutzkonferenzen: Vor der 29. UN- Weltklimakonferenz in Baku, fand Anfang November in Cali (Kolumbien) die Weltnaturkonferenz mit rund 23.000 Teilnehmer:innen (und wenigen greifbaren Ergebnissen) statt. Ende November wird in Busan (Südkorea) über ein globales Plastikabkommen konferiert und Anfang Dezember wird Saudi-Arabien Gastgeber der UN-Wüstenkonferenz sein.



 

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Es wir also viel verhandelt und konferiert, um den Klimawandel, den Rückgang der biologischen Vielfalt und die Umweltverschmutzung einzudämmen. Daneben gibt es eine unübersehbare Fülle an Veröffentlichungen und Büchern, die faktenbasiert Ursachen und Auswege aus der Klimakatastrophe aufzeigen.

Insgesamt verfestigt sich der Eindruck, dass sich die Debatten um das Thema Klimawandel in einer Sackgasse befinden – trotz jahrelanger "Fridays-For-Future"-Aktivitäten und Aktionen der "Letzten Generation".
Das belegen z. B. auch Zahlen der aktuellen Shell-Jugendstudie. Danach ist die Sorge vor Umweltverschmutzung im Vergleich zu 2019 von 71 Prozent auf 64 Prozent zurückgegangen und rangiert hinter Ängsten vor einem Krieg in Europa (81 Prozent) und Angst vor Armut (67 Prozent).[2]

 

Redaktionelle Anmerkung zu einer folgenden Buchbesprechung:
Simon Schaupp.  Stoffwechselpolitik.  Arbeit, Natur und Zukunft des Planeten

Üblicherweise nimmt die isw-Redaktion keine Buchbesprechungen vor.
In Anbetracht des sich abzeichnenden Klimawandels und der Dringlichkeit des internationalen Handelns halten wir es für angebracht, die Ausführungen von Günther Stamer zu dem Werk zu veröffentlichen.


Trotz der ernüchternden Vorbemerkung  ist ein Buch empfehlen, dessen Autor die Hoffnung noch nicht aufgegeben hat, dass der Planet Erde eine Zukunft hat.

Der Untertitel unter dem etwas sperrigen Headliner "Stoffwechselpolitik" lautet "Arbeit, Natur und Zukunft des Planeten." Dass dabei "Arbeit" als erster Begriff genannt wird, ist durchaus programmatisch. Zwar haben schon zahllose Autor:innen festgestellt, dass in dem kapitalistischen Wachstumsimperativ und der damit einhergehenden immer umfassenderen Ausbeutung der Natur, die strukturelle Ursache der ökologischen Krise liegt. Der Fokus war in den meisten Fällen dabei auf den Konsumtionsbereich gerichtet; Stichwort: "Imperiale Lebensweise".

Der Soziologe Simon Schaupp möchte mit seinem Buch in gewisser Weise einen Perspektivwechsel initiieren. Schaupp, der "Oberassistent" am Lehrstuhl für Sozialstrukturanalyse an der Universität Basel ist, hat sich bisher vor allem kritisch mit Arbeitsverhältnissen beschäftigt. Dem bleibt er auch in seinem aktuellen Buch treu. Mit Karl Marx, für den Arbeit der "gesellschaftliche Stoffwechsel mit der Natur" war, setzt Schaupp Arbeit und Natur ins Verhältnis miteinander und nimmt so eine wichtige Verschiebung in der Betrachtung der ökologischen Krise vor.

So rutscht bei ihm der Konsum, der sonst meist vorrangig die Klima-Debatte dominiert, weitgehend aus dem Blick. Wie wichtig diese Verschiebung seiner Meinung nach ist, zeigt er gleich zu Beginn des Buchs: Der Großteil des Treibhausgas Ausstoßes stammt nämlich von Unternehmen, nicht Privathaushalten: "100 Unternehmen sind für 71 Prozent der Emissionen seit 1988 verantwortlich." Da liegt also das Problem.

"Wer die ökologische Krise verstehen will, muss die Arbeitswelt verstehen"

"Wenn Arbeit der Ort des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur ist, dann bedeutet eine sozialökologische Transformation notwendigerweise eine Transformation der Arbeitswelt."

Die Ausgangsthese seines Buches lautet: Wenn wir die ökologische Krise verstehen wollen, müssen wir die Arbeitswelt verstehen. Soll die Erderwärmung zumindest verlangsamt werden, setzt dies für Schaupp eine Transformation der Arbeitswelt voraus. "Wenn Arbeit der Ort des gesellschaftlichen Stoffwechsels mit der Natur ist, dann bedeutet eine sozialökologische Transformation notwendigerweise eine Transformation der Arbeitswelt."

Der Autor arbeitet an historischen Beispielen der kapitalistischen Produktion die Wechselwirkung von Natur- und Arbeitsverhältnissen theoretisch ambitioniert (mit Marx) und empirisch reichhaltig unterfüttert, heraus. Er spricht von einem "Stoffwechsel" zwischen Natur und Gesellschaft, die in einer widersprüchlichen Einheit und Getrenntheit zueinander stehen. Das Trennende verschärft sich in der kapitalistischen Produktionsweise immer weiter. Das liegt daran, "dass im Zuge der Kapitalakkumulation ökologische Kreisläufe durch Akkumulationsprozesse ersetzt werden. Marx veranschaulicht dies am Beispiel der kapitalistischen Landwirtschaft, die Agrarprodukte kontinuierlich vom Land in die Stadt transferiert. In der Folge stehen die Abfälle nicht mehr vor Ort als Dünger zur Verfügung, sondern sie belasten in den Städten in Form von Müll die Umwelt. Auf diese Weise entsteht ein immer breiter werdender 'Riss' im Stoffwechsel mit der Natur."

Die Trennung zwischen Produktion und Reproduktion ist eine der zentralen Konfliktlinien in der Debatte um die ökologische Krise, bei der die Rolle der "Produktivkräfte" im Mittelpunkt steht. Mit Marx versteht er darunter neben den Produktionsmitteln und der Gesamtheit des menschlichen Arbeitspotenzials auch das gesellschaftliche Wissen sowie Formen der Arbeitskooperationen (MEW 4, Seite 130).

"Deshalb entwickle ich in diesem Buch das vermittelnde Konzept der Re/produktivkräfte, bei dem Produktion und Reproduktion zusammengedacht werden."

Dieses Konzept der Re/produktivkräfte demonstriert der Autor dann im folgenden an ausgewählten Feldern der kapitalistischen Expansionsdynamik, die sich in einer immer weiter ausgreifenden und zunehmend intensiveren Nutzbarmachung von Arbeit und Natur darstellt.

Dabei betont der Autor die Relevanz von Wissen um Naturprozesse in Arbeitskonflikten und - kämpfen sehr plastisch: Angefangen von den Sklav:innen-Aufständen in der Karibik über die Chicagoer Schlachtfabriken bis hin in die Gegenwart der Kämpfe der Automobil- und Bauarbeiter:innen.

An den Wiegen des industriellen Kapitalismus

Am umfangreichsten und gerät ihm dabei im 2. Kapitel die Beschreibung der Wurzeln des industriellen Kapitalismus. Überraschend ist dabei, dass der Autor dies nicht am Beispiel Englands aufarbeitet sondern an dem Schimmelmann-Imperium. Dieses umfasste Ende des 18./Anfang des 19 Jahrhunderts ausgedehnte Ländereien Rum-, Gewehr- und Baumwollmanufakturen in Schleswig-Holstein und Dänemark. An der westafrikanischen Goldküste waren sie als Großaktionäre am Sklavenhandel beteiligt und verschifften dort "ihre Afrikaner:innen" insbesondere auf ihre Plantagen auf den Jungferninseln in der Karibik. Die dort angebaute Baumwolle und der Zucker gingen dann an ihre nordeuropäischem Fabriken.

"In diesem Sinne ist die kapitalistische Weltwirtschaft schon immer eine Art Puzzle gewesen, eine Aneinanderreihung von Zonen, die miteinander auf verschiedenen Ebenen verbunden sind."

Ausführlich und anschaulich beschreibt der Autor in diesem 50seitigen Kapitel das Schimmelmannsche Geschäftsmodell von Handel, Sklavenarbeit und "freier Lohnarbeit" ehe es von dem fossilen Zeitalter mit ihren großen Fabriken (Webereien) und Bergwerken abgelöst wurde.

Die Geburtsstunde der modernen Arbeitswelt des fossilen Zeitalters markieren nach Schaupp die Schlachthöfe von Chicago, wo in Gestalt von Eisenbahn und Fließband qualitativ neue technische und ökonomische Entwicklungen zusammenfließenden. Die Industrialisierung zieht hier ihre Kostenvorteile vor allem aus Skaleneffekten, d.h. aus der Abhängigkeit der Produktionsmenge pro Zeitspanne von der Menge der eingesetzten Produktionsfaktoren. Sobald sich totes Fleisch in den Schlachthöfen anhäufte stieg mit der Gefahr der Verwesung und damit drohende ökonomische Verluste. Die Fleischindustrie stand somit stärker als andere Branchen unter dem Druck, die Produktionsgeschwindigkeit zu erhöhen. Zentrales Instrument der Beschleunigung war dabei das Fließband.

Autofabriken und der "fossile Klassenkompromiss"

Von Mitte der 50er bis Mitte der70er Jahre vollzog sich eine weitere grundlegende Veränderung in der materiellen Produktion – das Erdöl löste die Kohle als "Treibstoff" der Wirtschaft endgültig ab. Hatte Westeuropa seinen Bedarf in der Energieversorgung bisher noch zu 75 Prozent aus Kohle und 23 Prozent aus Öl gedeckt, entfielen 1972 nur noch 23 Prozent auf Kohle, während der Anteil des Öls auf 60 Prozent angestiegen war.

Während sich der Preis der Kohle im Gleichschritt mit der allgemeinen Konjunktur entwickelt hatte, war Öl derart billig, dass Energieverschwendung gang und gäbe wurde.

"Erst dadurch wurde jenes exponentielle Wirtschaftswachstum möglich, das wir heute mit einem funktionierenden Kapitalismus identifizieren. Auf dieser Basis konnten zudem die Konflikte in der Arbeitswelt entschärft werden, waren die Unternehmer doch in der Lage, hohen Profit zu erwirtschaften und gleichzeitig relativ hohe Löhne zu zahlen. Der auf Massenkonsum ausgerichtete fossile Klassenkompromiss materialisierte sich im Automobil."

Der Autor prophezeit, dass dieser Klassenkompromiss angesichts der staatlichen Maßnahmen, die den Klimawandel eindämmen sollen und typischerweise vor allem die lohnabhängige Klasse und die Bauern finanziell trifft, zunehmend erodiert (die französischen Gelbwesten sind hier ein spektakuläres Beispiel).

Er weist nach, dass die modernen Arbeitskämpfe immer mehr mit der ökologischen Krise zusammen gedacht werden müssen. Ein zarter Ansatz, den Schaupp erwähnt, sind die gemeinsamen Streiks der ÖPNV Beschäftigten mit der Klimabewegung "Fridays for Future", die aktuell gemeinsam sowohl für verbesserte Arbeitsbedingungen als auch den Ausbau des Nahverkehrs auf die Straße gehen.

Gegen eine "Expansion in die Nutzlosigkeit"

"Die Relevanz einer proletarischen Umweltpolitik resultiert daraus, dass es die Arbeitenden sind, die den gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur vollziehen. Das heißt einerseits, dass sie als Erste von ökologischen Risiken betroffen sind. Andererseits ergibt sich aus der zentralen Stellung der Arbeitenden auch ein besonderer Machthebel. Denn wenn sie den Betrieb einstellen, kommt der gesellschaftliche Stoffwechsel sofort zum Erliegen."

Dabei weist er darauf hin, dass in Deutschland 64 Prozent der gesamten gesellschaftlichen Arbeitszeit auf sogenannte "Care-Tätigkeiten" entfallen wie Erziehung und Pflege. Davon wiederum werden allerdings nur 12 Prozent in Form von Erwerbsarbeit und die restlichen 88 Prozent unentgeltlich in den Haushalten geleistet.

Bei der kapitalistischen Nutzbarmachung handelt es sich um eine "Vernutzung": Die Natur und die Arbeitskörper werden ausgeplündert. Besonders dramatische Folgen in Bezug auf die Umwelt hat dies im Fall fossiler Energieträger, die verbrannt werden, um "die Wirtschaft" anzutreiben – was zu einer Steigerung der CO2-Emissionen führt. Neben der Chemie- und Automobilindustrie ist insbesondere auch die Baubranche eine der zentralen Verursacherinnen der ökologischen Krise. Als Beispiel führt der Autor die Schweizer Holcim AG an, den zweitgrößten Zementhersteller der Welt, der 2.300 Fabriken in 70 Ländern betreibt und zu den weltweit größten CO2-Verursachern gehört.

"Das Problem ist: Die vorherrschende Umweltpolitik setzt auf die Einschränkung des Konsums. Sogenannte Austeritätspolitiken zielen auf höhere Preise, was dazu führt, dass sich nur noch Reiche umweltschädliches Verhalten leisten können. Ärmere Leute bezahlen hingegen die Kosten der Krise. Aber tatsächlich gibt es objektive Grenzen der Naturbelastung. Deshalb brauchen wir eine politische Vision, die diese Grenzen anerkennt.

Wie könnte diese aussehen?

Arbeitszeitverkürzung scheint mir eine zentrale Forderung zu sein, weil sie die zweifellos notwendige Reduktion des Gesamtproduktionsvolumens mit Umverteilung und sozialer Gerechtigkeit vereinbar macht. Es geht darum, weniger Lebenszeit zu verkaufen, weniger Bullshit-Jobs zu machen, stattdessen mehr ökologisch verträgliche Tätigkeiten auszuüben."[3]

Gedanken nach Lesen des Buches

Projekte wie der "Green Deal", die den Kapitalismus ökologisch modernisieren sollen, führen in eine Sackgasse und verschärfen die soziale Ungleichheit, weil sie die Transformationskosten auf die lohnabhängig Beschäftigten und von Armut betroffenen Menschen abwälzen.

Da ökonomisches Wachstum notwendigerweise einen höheren Ressourcenverbrauch und damit eine Zerstörung der Umwelt erfordert, die nach Marx zu "einem Riss" im gesellschaftlichen Stoffwechsel mit der Natur führt, stellt sich also die Frage wie Umgehen mit "Wachstum". Wenn in Schaupps Buch das Wort "Degrowth" auch nicht vorkommt, laufen seine Schlussfolgerungen letztlich aber in Richtung einer "Nullwachstums-Strategie" ohne dass er eine grundsätzliche gesellschaftliche Perspektive formuliert. Das unterscheidet ihn z. B. von Kohei Saito, der einem nebulösen "Degrowth-Kommunismus" das Wort redet.[4]

Schaupp und Saito führen insbesondere den "späten Marx" für ihre Argumentation ins Feld. 1868 exzerpierte Marx mehrere Bücher von Carl Fraas. Dessen umwelthistorische Studien zu den antiken Klassengesellschaften Mesopotamiens, Ägyptens und Griechenlands waren von der These geleitet, dass diese Zivilisationen aufgrund von ökologischen Krisen kollabierten, insbesondere durch Raubbau an den Böden und die flächendeckende Rodung von Wäldern. Darüber hinaus wies er darauf hin, dass gesellschaftliche Landnutzungsänderungen zu lokalem Klimawandel führten, der sich wiederum durch Ernteausfälle und in sozialen Unruhen niedergeschlagen habe.

Wie eine neue postkapitalistische Gesellschaft aussehen, geschweige denn wie der Weg dahin aussehen könnte, ist eine große Lehrstelle in allen Kapitalismus-kritischen Klima-Veröffentlichungen. Das ist bei Saito so und Schaupp verzichtet gleich ganz darauf.

Etwa zur gleichen Zeit, als Marx sich mit den umwelthistorischen Studien beschäftigte, schrieb auch seine "Kritik des Gothaer Programms" (1875)[5]. Darin skizziert er den Übergang in eine kommunistische Gesellschaft als langwierigen, in zwei qualitativ verschiedene Phasen gegliederten Prozess und betont dabei die notwendige Unvollkommenheit der ersten Phase, "wie sie eben aus der kapitalistischen Gesellschaft hervorgeht, also in jeder Beziehung, ökonomisch, sittlich, geistig, noch behaftet ist mit den Muttermalen der alten Gesellschaft, aus deren Schoß sie herkommt. Da die neue Gesellschaft "aus der kapitalistischen Gesellschaft nach langen Geburtswehen hervorgegangen" sein wird, ist auch das Problem der Produktivkräfte als ein langwieriger Prozess der Umformung zu erwarten.

Seit diesen vor 150 Jahren Geschriebenem ist allerdings das Zeitfenster erheblich kleiner geworden, um das Überleben des Planeten und ihrer Bewohner:innen zu sichern. Viel Zeit bleibt uns nicht mehr. Viele Augen richten sich gegenwärtig auf China mit der Hoffnung, dass man sich dort auf den Weg macht, die Produktivkräfte nachhaltig in den Dienst der Menschen und der Natur zu stellen.

 

 

Anmerkungen

*) Siehe die redaktionelle Anmerkung zur Buchbesprechung 

 

[1] https://wmo.int/media/news/greenhouse-gas-concentrations-surge-again-new-record

[2] https://www.shell.de/about-us/initiatives/shell-youth-study-2024/information

[3] Simon Schaupp im Interview mit Guido Speckmann, AK 16.4.24

[4} Der Degrowth-Kommunismus rettet die Welt, meint der japanische marxistische Philosoph Kohei Saito.
www.kommunisten.de: "Der Degrowth-Kommunismus rettet die Welt, meint der japanische marxistische Philosoph Kohei Saito"

[5] MEW 19, Seite 13-32

 


Zur Buchbesprechung

Simon Schaupp
Stoffwechselpolitik. Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten.
Suhrkamp, Berlin 2024,
419 Seiten, 24 Euro

 

Victoria Nulands Krieg gegen den pakistanischen Politiker Imran Khan

acTVism - mer, 13/11/2024 - 08:58

Victoria Nulands Krieg gegen den pakistanischen Politiker Imran Khan

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Ein bisschen Populismus und Faschismus retten nicht die Demokratie

ISW München - mar, 12/11/2024 - 16:19

Donald Trump verstehe das Volk besser, daher habe er gewonnen, sagen einige.
Was kann also die deutsche Politik daraus lernen?


 

 

Deutschland feiert 35 Jahre Mauerfall, und die Welt steht kopf.
In Europa ist Krieg, die Ampelregierung ist am Ende und Donald Trump wird (wieder) Präsident der USA. Ein verurteilter Straftäter, Populist und Faschist als politischer Führer der größten westlichen Demokratie. Wer hätte 1989 davon zu träumen gewagt? 

Mit Trumps Amtsantritt wird sich vieles ändern – die Kriege in der Ukraine und in Gaza, die Stabilität Europas und unser aller ökologische Zukunft.
Analysten in Deutschland suchen jetzt nach Antworten auf die Frage, wie es so weit kommen konnte.
 Die einen meinen, Trump verstehe die Amerikaner besser.
Die anderen sagen, er zeige den politischen Eliten Amerikas, wie das Volk wirklich ticke.
Wir alle, so ein Fazit, könnten von Trump einiges lernen.

Hier sind drei Gründe, warum das nicht stimmt: 

Erstens wählten nicht „die Amerikaner“ Trump, sondern rund 74 Millionen Menschen.
Das sind viele, aber rund 70 Millionen wählten die Gegenkandidatin Kamala Harris.
In einem Land mit rund 335 Millionen Einwohnern wählten viele auch gar nicht – beispielsweise die Einwohner von Puerto Rico oder Guam. Diese sogenannten Territorien gehören zu den USA, aber ihre Bürger haben kein Wahlrecht. Auch rund vier Millionen ehemalige Straftäter wählten nicht.
Denn obwohl ein vorbestrafter US-Präsident kein Problem ist, dürfen Vorbestrafte in vielen Bundesstaaten nicht wählen, vor allem Afroamerikaner sind betroffen.
Das heißt, nicht alle Amerikaner haben eine Stimme. 

Zweitens versteht Trump die Amerikaner nicht besser als andere; er schafft nur bessere Informationsblasen. In diesen Blasen wird jede Kritik an Trump zu politisch motivierten Fake News. Selbst seine Verbrechen – wie die Verschleierung von Schweigegeld – werden zu Akten der Revolution. Während viele Medien also kritisch über Trumps Straftaten berichten, feiern ihn rechtskonservative Medien als „Freiheitskämpfer“ und „Rebell“.
Für erzkonservative Megakirchen ist er der Retter der freien Welt.

Solche Informationsblasen sind Kern politischer Kommunikation in den USA und ein wichtiger Teil von Trumps Erfolg. 

Kommt dann, drittens, noch Inflation, wachsende Armut und das Gefühl politischer Alternativlosigkeit hinzu, profitiert Trump.
Seine Stärke ist weniger die eigene als das Versagen seiner Gegner.
Ähnliches gilt wohl auch für die AfD. 

„Wir werden gegen die Medien vorgehen.“ 

Jetzt ist die Frage, was die Zukunft bringt. Seit Jahren schürt Trump Hass gegen alle, die ihn kritisieren, beispielsweise Journalisten. Er nennt sie „Feinde des Volkes“, bezichtigt sie der Lüge. Laut der britischen Zeitung Guardian erklärte Kash Patel, ein möglicher Trump-Kandidat für das Amt des FBI-Direktors: „Wir werden gegen die Medien vorgehen.“ Das Konzept „Projekt 2025“ für Trumps zweite Amtszeit sieht zum Beispiel die leichtere Beschlagnahmung von E-Mails und Telefonaufzeichnungen von Journalisten vor. Im Klartext heißt das: Bye, bye Pressefreiheit! Auch in Deutschland werden wir die Folgen spüren. 

Nein, wir können von Donald Trump nicht lernen, sein Erfolg gibt ihm nicht recht.
Denn ein bisschen Populismus und Faschismus retten nicht die Demokratie.

 Im Gegenteil, wir brauchen kritisch kühle Köpfe, vor allem im Journalismus. Nur sie können Informationsblasen platzen lassen, auch die unserer Politiker. Sonst geht die Welt vor die Hunde und wir sehen im Liveticker dabei zu.

 

Erstveröffentlichung: Berliner Zeitung

Vabanques Kalkül

IMI Tübingen - mar, 12/11/2024 - 12:16
Es gibt nur eine nukleare Schwelle – die erste scharfe Detonation eines Atomsprengkopfes. Was dann folgt, ist kein gemächlicher Aufstieg auf der ‚Eskalationsleiter‘, wie ihn sich der […] amerikanische Stratege Herman Kahn Anfang der 1960er Jahre ausgemalt hat, sondern ein (…)

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Chips: US-Sanktionen haben Chinas Aufholjagd beschleunigt

ISW München - mar, 12/11/2024 - 12:10

 „Wenn man eine Industrie an China verlieren will, muss man China nur den Zugang zu dieser Industrie verwehren.“


 

 

 

Warum die Zukunft der Halbleiterindustrie weiter in Asien und in China liegt

Unter Kritikern der US-Sanktionspolitik gegen China kursiert der o.g. sarkastische Satz, dass China dann erfolgreich agieren wird, wenn man ihm den Zugang zu diesen Industrien verwehrt.
Im Fall der Halbleiterindustrie scheint sich dieses Muster zu wiederholen.
Noch vor 10 Jahren galt der westliche und insbesondere der US-Vorsprung bei Halbleitern als uneinholbar.
 Dieser technologische Vorsprung ist inzwischen drastisch geschrumpft.

 

Bislang haben die Technologie-Sanktionen, die die US-Regierung schon seit der ersten Trump-Präsidentschaft gegen China und einzelne chinesische Firmen verhängt hat, nicht gewirkt. Nach fast 6 Jahren US-Sanktionen hat China durch vervielfachten Einsatz von Ressourcen große Fortschritte gemacht.
In vielen Zukunftstechnologien und auch in der Halbleiterindustrie, wo China weit zurück lag, ist das Land von westlichen und speziell von US-Inputs zunehmend unabhängig und autark.

Natürlich waren und sind die US-Sanktionen auch ein Treiber für erfolgreiche Umgehungsstrategien von westlichen Konzernen, Zwischenhändlern und chinesischen Abnehmern.
Denn China ist nicht irgendein Kunde, sondern der weltgrößte Absatzmarkt für Halbleiter, Vorprodukte etc. und für Maschinen zur Chipproduktion.
Diesen Riesenmarkt gibt kein kapitalistisches Unternehmen nur wegen politischer Bauchschmerzen freiwillig auf. Aber vor allem hat China in der Halbleiterindustrie technologische Durchbrüche erzielt, wie Berichte aus den einschlägigen deutschsprachigen und angelsächsischen Technologiemedien belegen.

 

Auch China kann ultrafeine Chips produzieren

 

Im Zentrum von Chinas technologischer Aufholjagd steht der Konzern Huawei. Seit Beginn der US-Exportkontrollen 2018, die das lukrative Smartphone-Geschäft von Huawei zerstört haben, hat das Unternehmen mehr als je zuvor in Forschung und Entwicklung investiert, im Jahr 2021 über 22% vom Umsatz.
 Nach Angaben der EU ist Huawei heute das innovativste chinesische Unternehmen. Kurzfristige Profite zählen dabei weniger als die langfristige Profitabilität und die Unterstützung auch durch die chinesischen Regierungsebenen.

 

In einer Untersuchung für die US-Regierung kommen Spezialisten aus der Halbleiterindustrie zum Ergebnis, dass um Huawei inzwischen ein Zentrum der Chipentwicklung und -produktion in China entstanden ist:

“Das Ausmaß und die Geschwindigkeit sind enorm: wir schätzen, dass das Produktionsnetzwerk von Huawei im Jahr 2024 7,3 Mrd. Dollar für ausländische Anlagen zur Chipproduktion ausgeben wird, der viertgrößte Einkäufer in der Welt. Wenn man noch (die Auftragsfertiger) SMIC und CXMT einbezieht, die beide eng mit Huawei zusammenarbeiten, sind das die zweitgrößten Käufer von Anlagen in der Welt, direkt hinter TSMC und weit vor amerikanischen Firmen.
Über die Hälfte dieser Anlagen kommt gegenwärtig von US-Firmen.”
 
(im Netz unter: https://semianalysis.com/2024/10/28/fab-whack-a-mole-chinese-companies

In diesem Jahr hat Huawei zusammen mit dem Shanghaier Chip-Auftragsfertiger SMIC ein neuartiges Lithografie-Verfahren zur Produktion von ultrafeinen 5- und 3-Nanometer-Chips patentiert. Bislang konnte China solche ultrafeinen Chips nicht produzieren. Nur das taiwanesische Unternehmen TSMC und Samsung aus Südkorea sind da weiter. Sie fertigen inzwischen sogar 2nm-Chips.

 

Die Maschinenbau-Technologien für die Produktion von Halbleitern sind hoch komplex: Im Zentrum stehen lithographische Verfahren, mit denen winzigste Leiterbahnen auf die Oberfläche einer Waferscheibe geätzt werden. Aus der Waferscheibe im Format einer Pizza werden später die Chips ausgeschnitten. Je winziger die Leiterbahnen auf einem Chip - gemessen in Nanometern (1 Nanometer = ein millionstel Millimeter) - sind, desto mehr Halbleiter können auf einen Chip integriert werden. Umso geringer ist auch die Leistungsaufnahme, der Energieverbrauch. Auch SiCarrier, ein chinesischer Hersteller von Maschinen für die Chipproduktion und ebenfalls Partner von Huawei, hat 2024 ein neues Lithografie-Verfahren patentieren lassen.

 

Westliche Experten hatten nicht damit gerechnet, dass mit Belichtungsmaschinen einer älteren Technologie (DUV), die bislang nicht unter die US-Sanktionen fällt, Halbleiter mit 5nm- oder 3nm-Leiterbahnen produziert werden können. Denn "state-of-art" sind sogenannte EUV-Maschinen des Monopolisten ASML aus den Niederlanden mit Optiken von Zeiss und mit Lasern von Trumpf zum Stückpreis von weit über 150 Mio Euro.

Aber aufgrund der US-Sanktionen, den sich die EU angeschlossen hat, dürfen diese Anlagen nicht nach China geliefert werden.

 

Für Huawei und die Partnerfirmen ist dieser technologische Durchbruch, mit älteren Generationen von Maschinen und Anlagen trotzdem ultrafeine Chips zu produzieren, entscheidend - trotz der damit verbundenen höheren Stückkosten.
In der chinesischen Halbleiterindustrie wird geschätzt, dass SMIC vergleichbare Prozessoren um 40 bis 50% teurer produziert als der Markt- und Technologieführer TSMC aus Taiwan. Aber Huawei kann auf diesen Anlagen seine ultraschnellen Kirin-Prozessoren für Smartphones, Tablets etc. ebenso produzieren lassen wie die Ascend-Prozessoren für KI-Server.
Der schnellste KI-Prozessor von Huawei, der Ascend 920, wird künftig auch von SMIC in 5nm-Technologie produziert.

 

Damit reduziert sich der Entwicklungsrückstand zwischen KI-Chips aus China und den sehr gesuchten KI-Prozessoren vom Marktführer Nvidia, einem auf Grafik- und KI-Chips spezialisierten US-Konzern.
Die von Huawei entwickelten und von SMIC produzierten Ascend-Chips gelten auch unter westlichen Chip Experten als vielversprechende Alternativen zu den KI-Prozessoren von Nvidia. Sie mussten konstatieren, dass Chinas Halbleiterindustrie trotz US-Exportkontrollen weiter aufholt. Die Überraschung war groß, als Huawei im August 2024 sein Mate 60 Pro-Smartphone mit einem 7nm-Prozessor und KI-Fähigkeiten vorstellte.
Spätestens seitdem sieht Apple in China, seinem weltgrößtenAbsatzmarkt, nur noch die Rücklichter der chinesischen Konkurrenz.

 

 

Chinesischer Erfolg beim Chipdesign

 

Der chinesische Smartphone- und Elektronikhersteller Xiaomi, der inzwischen in seinen Läden in China auch ein eigenes Elektroauto vertreibt, hat einen wichtigen Schritt in der Halbleiterindustrie gemacht: Xiaomi hat einen eigenen 3nm-Chip entwickelt (Telepolis  Wirtschaft, 23/10/2024 https://www.telepolis.de/features/Halbleiter-Xiaomi-gelingt-Durchbruch-mit-eigenem-3nm-Chip-9991576.html).

Er soll bereits im ersten Halbjahr 2025 in die Massenproduktion gehen. Die Nachricht wurde sogar im chinesischen Staatsfernsehen bekannt gegeben. Es ist der erste 3-nm-Chip, der von einem chinesischen Unternehmen entwickelt wurde. Bei der Entwicklung des Chips soll Xiaomi mit dem taiwanischen Unternehmen MediaTek zusammengearbeitet haben. MediaTek kontrolliert mit dem US-Konzern Qualcomm bislang den Weltmarkt für Smartphone-Prozessoren.

 

Die Ankündigung von Xiaomi ist ein Meilenstein, weil nicht nur die Produktion, sondern auch das Design, die Entwicklung von Chips äußerst komplex ist. Dabei geht es um das Zusammenspiel von bis zu Milliarden Transistoren auf einem einzigen Chip. Diese Beziehungen müssen dargestellt und getestet werden, bevor das Chip-Design in die Fertigung geht. Das geht nicht mehr an einem oder auch hunderten Zeichenbrettern. Ohne die entsprechende Software ist das unmöglich. Der Gründer und CEO von Xiaomi, Lei Jun, erwähnte einmal, Chip-Design sei ein riskantes Spiel: Große Investitionen können manchmal keinen Ertrag bringen. 2017 brachte Xiaomi einen ersten Smartphone-Chip auf den Markt. Der hatte aber Überhitzungsprobleme. Ein weiterer Versuch mit einem neuen Chip scheiterte dann 2020.

 

Trotz der hohen Entwicklungskosten setzen nicht nur der chinesische Xiaomi-Konzern, sondern auch Apple, Google oder Amazon inzwischen auf selbst entwickelte Prozessoren für Smartphones, Tablets oder auch für die eigenen Rechenzentren. Es geht dabei um Verbesserungen bei der Chipleistung, der Energieeffizienz und der Transistordichte. Durch die Optimierung und Abstimmung von Hardware - also den eigenen Chips statt Chips von der Stange - und Software funktionieren die Smartphones besser, so die Philosophie. Eigene Chipsätze eröffnen zudem Möglichkeiten für innovative Funktionen in zukünftigen Smartphones.

Außerdem sind die Smartphone-Hersteller weniger von Lieferengpässen oder Preiserhöhungen der Lieferanten abhängig. Der Chef von Xiaomi erklärte, die Entwicklung eigener Chips sei entscheidend, da die Prozessoren von Qualcomm immer teurer würden. So kostet ein einziger winziger Grafikchip des US-Konzerns Nvidia, der für KI-Anwendungen eingesetzt wird, derzeit 50.000 $.

Der Xiaomi-Chip wird künftig von dem taiwanesischen Auftragsfertiger TSMC produziert.
 In den USA gibt es deshalb schon Spekulationen über mögliche Sanktionen gegen Xiaomi aufgrund dieses technologischen Durchbruchs in der Chipentwicklung.

 

 

Auch bei Software für Chip-Design holt China auf

Seit August 2022 haben die USA chinesischen Unternehmen den Zugang zu amerikanischer Software für den Chipdesign (ECAD Electronic Computer Aided Design) untersagt. Diese Software wird für den Entwurf komplexer integrierter Schaltkreise, also Halbleiter, verwendet. Bereits seit 2019 darf diese Software nicht mehr an Huawei lizensiert werden.

 

 

Aktuell wird der Markt von einem Oligopol der drei Firmen Cadence, Synopsys und Siemens EDA (vormals Mentor Graphics) dominiert. Alle drei Firmen haben ihren Hauptsitz in den USA und haben zusammen knapp 70 Prozent Marktanteil. Natürlich setzen die USA ihre Dominanz auf diesem technologischen Spezialgebiet gezielt ein, um die chinesische Chip-Design-Industrie zu behindern. Das erklärte unverblümt der frühere Pentagon-Mitarbeiter Gregory Allen vom Center for Strategic and International Studies CSIS (Asia Times, Oktober 2022). Dennoch bekam der Xiaomi-Konzern offensichtlich Zugang zu dieser Software. Wie sich Xiaomi Zugang zu US-amerikanischer EDA-Software verschafft hat, ist noch unklar.

 

Mikrochips für Computer werden schon lange nicht mehr von Hand entworfen. In den Anfängen der Halbleiterindustrie hatten Prozessoren wie der Intel 4004 nur wenige Tausend Transistoren. Einzelne Mitarbeiter waren nicht nur in der Lage, den kompletten Aufbau zu verstehen, sondern sie konnten auch Prototypen, etwa einer ALU (Arithmetic Logic Unit), in größerem Maßstab aufbauen und manuell testen, um Fehler zu beheben.

 

Das ist heute unmöglich, denn moderne Prozessoren haben Hunderte Milliarden Transistoren. Kein Mensch ist mehr in der Lage, den Aufbau vollständig manuell zu planen. Dafür wird EDA-Software verwendet. Erst so wird es möglich, moderne Chips zu entwerfen und den Entwurf zu testen und  auf Machbarkeit zu prüfen. Die Alternative, einen einzelnen Chip als Prototyp zu fertigen, um dann bei im Prototyp gefundenen Fehlern einen ganz neuen Chip zu fertigen, wäre extrem teuer.

 

Die Eintrittsschranken in diesen extrem spezialisierten Markt für das Chipdesign sind extrem hoch: Chinesische (und andere) Neueinsteiger müssen die Komplexität der Software beherrschen. Sie müssen das sehr lukrative Oligopol der drei Marktführer herausfordern und brauchen zudem Entwickler, die schon in die Software der Marktführer eingearbeitet sind. Schließlich muss die vollkommen neue Software für das Chipdesign auch in der Fertigung funktionieren, also reibungslose Prozesse für die kontinuierliche Chipproduktion, deren Anlagen Milliarden kosten, garantieren.

 

China hat deshalb die Entwicklung eigener Software für das Chipdesign im aktuellen Fünfjahresplan priorisiert. Die Regierung investiert in Firmen auf diesem Gebiet. Am weitesten ist wohl die Firma Huada Empyrean mit 6 Prozent Marktanteil im eigenen Land. Deren Software ist aber noch weit davon entfernt, den kompletten Entwicklungsablauf für einen neuen Chip abbilden zu können. (Martin Böckmann, 24. August 2022, in: Golem.de)

 

Chinesische Firmen für Chipdesign-Software werden häufig von ehemaligen Mitarbeitern von Cadence oder Synopsys geleitet. Durch das Bündeln ihrer Erfahrungen bei den Marktführern können solche Startups die Entwicklung in China deutlich vorantreiben. Dem Land kommt dabei zugute, dass über ein Viertel aller Ingenieure im amerikanischen Silicon Valley aus China stammen und/oder einen chinesischen Pass haben.
Die rassistisch kontaminierte Anti-China-Hetze in den USA hat inzwischen zu einem Brain Drain zurück nach China geführt, wie das japanische Wirtschaftsmagazin Nikkei Asia
 https://asia.nikkei.com/Business/Japan-seeks-to-stop-tech-brain-drain

 konstatierte. Es dürfte nur eine Frage der Zeit sein, bis China auch das Oligopol bei der Chipdesign-Software geknackt hat.

 

 

KI-Chips aus China: teilweise (schon) gleichwertig

 

 

 Die meisten im Westen bekannten sogenannten Sprachmodelle der künstlichen Intelligenz oder KI sind trainiert auf ultraschnellen Grafikprozessoren, etwa von Nvidia. So lernte das neueste Sprachmodell der Zuckerberg-Konzerns Meta namens Llama 3 auf 16.000 H100 Chips von Nvidia. Bis zum Jahresende will der Meta-Konzern weitere 600.000 dieser Chips vorhalten.  Doch chinesische KI-Firmen können mit dieser opulenten Hardwareausstattung der US-Konzerne noch nicht nicht mithalten. Sie haben stattdessen das Beste aus ihren begrenzten Ressourcen gemacht - einerseits durch Optimierung der Software und der Trainingsprozesse für die KI-Modelle, andererseits durch konzentrierten Einsatz der in China verfügbaren Chips.

 

Das Ergebnis sind leistungsfähige KI-Modelle, die bei Programmieraufgaben oder bei Sprachaufgaben in Englisch oder Chinesisch mit den Open-Source-Modellen wie etwa Chat GPT mithalten können (Economist, 21.09 24).
So setzt das Startup DeepSeek aus Hangzhou gerade mal 10.000 Nvidia Prozessoren älterer Generationen ein - wenig im Vergleich zu US- oder europäischen Mitbewerbern. Das Sprachmodell besteht aus einer Anzahl verschiedener Netze, die jeweils für spezielle Aufgaben trainiert sind. Außerdem werden die Eingabedaten komprimiert. Obwohl DeepSeek mit über 200 Milliarden (!) Parametern arbeitet, nutzt es für eine bestimmte Aufgabe nur maximal ein Zehntel dieser Parameter. Das spart Zeit, Rechenleistung und Energie. Ein anderes kleines Sprachmodell, an der Pekinger Tsinghua-Universität entwickelt, kann sogar auf Smartphones eingesetzt werden.

 

Aus Sicht eines Experten von SenseTime, ein chinesischer Konzern, in dessen KI-Rechenzentrum in Shanghai KI-Chips von den wichtigsten chinesischen Lieferanten wie Huawei und Biren arbeiten, gibt es zwar nach wie vor Leistungsunterschiede zwischen KI-Chips aus China und denen von Nvidia.
Die US-Chips seien leistungsfähiger für das Training von KI-Modellen. Das ist der Prozess, die KI-Software mit riesigen Datenmengen für den speziellen Einsatzbereich - etwa Steuerprüfung – anzulernen. Aber beim praktischen Einsatz scheinen  die Unterschiede nicht groß zu sein. So bringt ein KI-Prozessor von Huawei namens Ascend 910C eine signifikante Leistungsverbesserung.
Nicht nur Huawei, sondern auch SenseTime und Biren stehen auf der Sanktionsliste des US-Handelsministeriums.

 

Huawei hat sich mit seinen Chips und mit der passenden Software als Chinas #1-Lieferant für KI-Lösungen positioniert, u.a. für den Finanzsektor und für die Telekommunikation.
Dennoch liegt  bei den KI-Chips  auch in China immer noch Nvidia vorne mit einem Marktanteil von 90%. Nach dem US-Exportverbot für die schnellsten KI-Chips von Nvidia hatte Nvidia extra einen Chip mit gedrosselter Leistung für den chinesischen Markt herausgebracht.

 

 

Dominiert China bei “reiferen” Chips?

Allianz für Auto-Chips

Während sich die Schlagzeilen meist auf die ultrafeinen Chips und KI konzentrieren und auf den Versuch der USA, China davon komplett abzuschneiden, machen aber sogenannte reifere Chips mit Leiterbahnen über 12nm Durchmesser sowie Leistungshalbleiter, Sensoren und Analogchips etc. die Masse des weltweiten Geschäfts im Umfang von über 600 Mrd Dollar aus.


Weil China das Weltzentrum der Elektronikindustrie, des Maschinenbaus und künftig wohl auch der Automobilindustrie ist, wurden schon vor 10 Jahren die meisten Halbleiter in Stückzahlen in China verbaut. Das von Ölimporten abhängige China hat viele Jahre wertmäßig mehr für Importe von Halbleitern als von Öl und Gas ausgegeben. Doch China hat massiv in die Chipindustrie investiert. Die Massenproduktion von billigen Chips bringt chinesischen Konzernen auch das Geld, um die kostspieligen Experimente mit der Produktion von ultrafeinen Chips zu finanzieren.
US-Experten warnen jetzt davor, dass die Welt künftig von “reiferen“ Halbleitern aus China abhängig ist, an denen ganze Industrien hängen, aber auch unser Alltagsleben.

Das gilt auch für Autos und für Anwendungen in Elektrofahrzeugen. China importiert heute immer noch rund 90 Prozent seiner Automobilchips. Produzenten sind etwa Infineon, NXP, Bosch oder japanische Unternehmen. Nach Ansicht des chinesischen Automobilverbands (CAAM) ist die Lokalisierung der Chip-Lieferkette entscheidend für die Entwicklung der chinesischen Automobilbranche. Dabei spielen technische Normen eine entscheidende Rolle.

Eine wesentliche Hürde für den Markteintritt chinesischer Anbieter von Automobilchips ist das fehlende Vertrauen in die Sicherheit und Zuverlässigkeit ihrer Chips. Da Automobilchips rauen Umweltbedingungen ausgesetzt sind, müssen sie wesentlich höhere Standards erfüllen als kommerzielle Chips. Um die Zusammenarbeit entlang der gesamten Wertschöpfungskette der Automobilchips zu fördern und Vertrauen zwischen Chip-Anbietern und Autoherstellern zu schaffen, hat das Ministerium für Industrie und Informationstechnologien die „China Automotive Industry Innovation Alliance“ gegründet. Das Bündnis soll Chinas Automobilindustrie unabhängig machen und Substitutionen im eigenen Land fördern.

 

Mitglieder der Allianz sind chinesische Autohersteller wie SAIC, BYD, FAW, Anbieter von Automobilelektronik und -software, Chip-Unternehmen und staatliche Forschungseinrichtungen. Während das Bündnis nach eigenen Angaben allen Branchenteilnehmern offen steht, besteht der technische Ausschuss ausschließlich aus chinesischen Unternehmen. (China.Table # 925 / 25. September 2024). Es besteht die Gefahr, dass auch diese bisherige Domäne vor allem der europäischen Chipindustrie verloren geht.

 

 

Warum die Zukunft der Halbleiterindustrie weiter in Ostasien liegt

 

Nach allen Prognosen wird die Zukunft der Chipindustrie weiter in Ostasien liegen.
Daran ändert der mit Steuermilliarden finanzierte Aufbau von Kapazitäten zur Chipfertigung in den USA und Europa vermutlich nichts.
Entsprechend äußert sich der Chef des niederländischen Maschinenbauers ASML, der die ganze Welt mit den teuersten Maschinen für die Chipindustrie beliefert (Nikkei Asia,9.10.24). Nach seinen Aussagen und nach allen verfügbaren Statistiken wachsen die Kapazitäten der Chipindustrie in Ostasien weiter schneller als im Rest der Welt.
Noch viele Jahre werde Ostasien das Weltzentrum der Chipproduktion bleiben.

 

Die Umsätze des Maschinenbauers ASML zeigen, wohin die Reise geht: 2023 machte der Konzern über 80% seines Umsatzes in Asien. Spitzenreiter war Taiwan, gefolgt von China, Korea und Japan. In den USA machte ASML 12% des Umsatzes, in Europa lediglich  vier Prozent.

 

Nach Statistiken des US-Branchenverbandes SEMI hat China im ersten Halbjahr 2024 sogar mehr Anlagen für die Chipindustrie eingekauft als Taiwan, Südkorea und die USA zusammen. Die Investitionen in die Chipindustrie sind ein  Barometer für die Entwicklung der künftigen Kapazitäten. Gleichzeitig hat China sicher vorausschauend eingekauft, in Erwartung weiterer US-Sanktionen.

 

Mit großer Wahrscheinlichkeit wird es die Aufspaltung der Lieferketten in der Halbleiterindustrie, der technologisch fortgeschrittensten modernen Industrie, in eine US-basierte Lieferkette mit westlichen Anhängseln und in eine um China basierte Chipindustrie mit entsprechenden Clustern aber nicht geben.
Ostasien mit China bleibt Zentrum der weltweiten Chipproduktion und vermehrt auch des Chipdesigns und vielleicht künftig auch des Anlagenbaus. Alle Zahlen über jetzige und künftige Investitionen in dem Sektor deuten darauf hin.

 

Taiwan investiert

Eine Ergänzung: Die USA und der Westen machen zwar viel Getöse um einen künftigen Krieg um die Insel Taiwan, dem Weltzentrum der Chipindustrie.
Deswegen müsse man sich – wegen der Unterbrechung der Lieferketten – unabhängiger von Ostasien und speziell Taiwan machen. Die Politik der taiwanesischen Regierung und die Investitionen von TSMC, UMC, Globalfoundries, Foxconn etc. sprechen aber eine andere Sprache.
Nicht in den USA oder in Dresden wird aus Sorge um einen militärischen Konflikt vorrangig investiert, sondern gerade auf der Insel Taiwan.
Das ist nach der Logik des taiwanesischen Kapitals und der politischen Eliten der Insel der beste Schutz vor einem Krieg.
Die Investitionen von TSMC in Arizona oder in Dresden sind dagegen Peanuts.

 

Schließlich ist in der weltweiten Arbeitsteilung die industrielle Produktion immer mehr in Asien und speziell in China konzentriert. Diese Industrien sind  jetzt und künftig vermutlich noch mehr der Hauptabnehmer der Chipindustrie. Es gibt deshalb wenig Grund, dass sich ausgerechnet die Halbleiterindustrie zusammen mit ihren komplexen Wertschöpfungsketten in den USA ansiedelt - abgesehen von einzelnen Clustern für Chipdesign etc. an der Ost- bzw. Westküste.

 

 

 

 

 

 

Medien fassungslos über Trumps Sieg

acTVism - mar, 12/11/2024 - 11:52

Medien fassungslos über Trumps Sieg.

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Trumps überragender Sieg ERKLÄRT

acTVism - mar, 12/11/2024 - 09:15

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Lebenshaus-Newsletter - mar, 12/11/2024 - 05:55
Wir haben Euch im Jahr 2024 auf der Lebenshaus-Website wieder intensiv informiert. Im Schnitt wurde im vergangenen Jahr täglich... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

„‘Zeitenwende‘ in Bildung und Hochschulen“

IMI Tübingen - lun, 11/11/2024 - 11:35
Unter dem Titel „‘Zeitenwende‘ in Bildung und Hochschulen“ wird am kommenden Wochenende (16./17.11) der 28. Kongress der Informationsstelle Militarisierung e.V. (IMI) im Tübinger Schlatterhaus stattfinden. „Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine stehen die Begriffe ‚Zeitenwende‘ und ‚Kriegstüchtigkeit‘ für eine (…)

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Israelischer Politiker Dr. Cassif über Israels Kurs in Richtung Faschismus

acTVism - lun, 11/11/2024 - 10:30

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Israel verbietet UNRWA

Lebenshaus-Newsletter - dim, 10/11/2024 - 10:58
Die Knesset hat UNRWA, die wichtigste Hilfsorganisation für die Palästinenser, verboten. Das Verbot hat katastrophale Folgen für die Palästinenser, die... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Ästhetik und Propaganda der Militarisierung

Lebenshaus-Newsletter - sam, 09/11/2024 - 21:40
Mit emotionalen Rührstücken oder mithilfe neuer Werkzeuge der Künstlichen Intelligenz: Die Angriffe der Militaristen auf das Denken der Bürger werden... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Jewish Israeli politician Dr. Cassif speaks out on Israel’s path towards Fascism

acTVism - ven, 08/11/2024 - 15:57

Jewish Israeli politician Dr. Cassif speaks out on Israel's path towards Fascism

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Mittelstreckenwaffen in Deutschland - Online-Vortrag von Jürgen Wagner (IMI e.V.)

Lebenshaus-Newsletter - ven, 08/11/2024 - 10:25
Am 10. Juli wurde in einer gemeinsamen Erklärung die Stationierung von US-Mittelstreckensystemen in Deutschland ab 2026 angekündigt. Es handelt sich... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Die transatlantische Rivalität

ISW München - ven, 08/11/2024 - 06:04

Nach Trumps Wahlsieg drohen der deutschen Wirtschaft gravierende Einbrüche aufgrund der angedrohten US-Strafzölle: bis zu 180 Milliarden Euro binnen vier Jahren.
Trump folgt einer veränderten Interessenlage der US-Industrie.

 

Mit der bevorstehenden zweiten US-Präsidentschaft von Donald Trump zeichnen sich gravierende ökonomische Machtkämpfe zwischen den Vereinigten Staaten und der EU bzw. Deutschland ab. Laut Berechnungen des unternehmernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln würden die Strafzölle, die der designierte US-Präsident Donald Trump im Wahlkampf angekündigt hat, allein die deutsche Wirtschaft im Vierjahreszeitraum von 2025 bis 2028 bis zu 180 Milliarden Euro kosten. Die deutsche Industrie würde dabei mittelfristig schwer geschädigt. So seien für die Jahre 2027 und 2028 Einbrüche der deutschen Wirtschaftsleistung um jeweils rund 1,5 Prozent zu erwarten, während die US-Konkurrenz sich deutlich schneller vom Schock einer Strafzollschlacht erholen würde.

Die EU hat bereits Gegenzölle gegen US-Strafzölle in Aussicht gestellt. Die Trump’sche Strafzollpolitik, das zeigt eine ausführliche Studie, folgt Verschiebungen in der US-Industrie: War diese lange in der Lage, offene Weltmärkte zu dominieren, so sind mittlerweile immer mehr US-Unternehmen internationaler Konkurrenz unterlegen. Ihren Interessen entspricht die Trump’sche Abschottungspolitik.

Glimpflich davongekommen

Mit Blick auf das deutsche US-Geschäft hatten Ökonomen gerade erst Entwarnung gegeben. So berichtete das unternehmensnahe Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) aus Köln, der Biden’sche Inflation Reduction Act (IRA), der mit dreistelligen Milliardenbeträgen die Industrien der Energiewende fördert, habe bisher nicht zu der befürchteten Abwanderung von Unternehmen aus Deutschland in die Vereinigten Staaten geführt.
Zumindest kurzfristig habe die deutsche Industrie sogar profitieren können: Der Export von Maschinen sowie von elektrischer Ausrüstung, von klassischen Vorprodukten beim Bau auch klimafreundlicher Fabriken also, aus der Bundesrepublik in die Vereinigten Staaten sei im vergangenen Jahr um zehn Prozent gestiegen. Dank einer eigens eingeführten Ausnahme für geleaste Fahrzeuge sei auch kein Nachteil für deutsche Kfz-Exporte in die USA zu beklagen.[1]
Denkbar sei es freilich, heißt es weiter beim IW, dass Donald Trump diese Ausnahmeregelung aufhebe, was zu Nachteilen für deutsche Autohersteller führen werde. Mit einem Ausstieg aus dem IRA durch die künftige Trump-Administration rechnen US-Beobachter nicht; sogar Konzerne der US-Erdöl- und Erdgasbranche setzen sich für die Beibehaltung des Programms ein, da sie von ihm erheblich profitieren.[2]

Trumps Strafzolldrohung

Führt der designierte US-Präsident Donald Trump allerdings wirklich die im Wahlkampf angedrohten Strafzölle ein, dann ist mit hohen Einbußen insbesondere auch für die deutsche Industrie zu rechnen. Das IW hat in einer unlängst publizierten Studie Schadensprognosen, die es allein für die Bundesrepublik im Sommer noch auf gut „123 bis 146 Milliarden Euro“ bezifferte [3], auf 127 bis 180 Milliarden Euro nach oben korrigiert [4]. Mit Einbußen in Höhe von 127 Milliarden Euro im Vierjahreszeitraum 2025 bis 2028 ist demnach zu rechnen, sollte Trump auf sämtliche US-Einfuhren Strafzölle von 10 Prozent und auf Importe aus der Volksrepublik China Strafzölle in Höhe von 60 Prozent erheben. Eingepreist ist in die Berechnungen, dass die EU Gegenzölle in gleicher Höhe verhängt.

Sollte freilich zusätzlich der transatlantische Handelskonflikt eskalieren und die Strafzölle beider Seiten auf 20 Prozent nach oben treiben, könnten die Schäden 180 Milliarden Euro erreichen, schreibt das IW.
Zwar müssten auch die USA je nach Szenario Einbußen von 686 bzw. 874 Milliarden US-Dollar für 2025 bis 2028 in Kauf nehmen. Allerdings werde sich die US-Wirtschaft spätestens 2028 wieder einigermaßen konsolidieren können.

„Für Deutschland eine Katastrophe“

Die EU und insbesondere Deutschland aber würden laut dem IW vor allem langfristig hart getroffen. Demnach ist für die EU von einem Anstieg des Wirtschaftseinbruchs von 0,29 bis 0.42 Prozent im Jahr 2025 auf 0,91 bis 1,34 Prozent im Jahr 2027 zu rechnen. Für 2028 sagt das IW einen Rückgang um 0,89 respektive 1,33 Prozent voraus.
Die Bundesrepublik steht vor einem noch größeren Minus, das von 0,34/0,48 Prozent im Jahr 2025 auf 1,08/1,53 Prozent im Jahr 2027 steigt; 2028 verharrt die deutsche Wirtschaft demzufolge bei einem Rückgang um 0,99/1,45 Prozent.[5] Weil die Exporte strafzollbedingt deutlich schrumpften, sei von einem erheblichen Einbruch bei den privaten Investitionen auszugehen, urteilt das IW, das von einem Investitionsminus von 4 Prozent gegenüber dem ohne die Strafzölle zu erwartenden Basisszenario ausgeht. Stark getroffen werden könnten, da sie besonders große Warenmengen in die USA exportierten, „der Maschinenbau, die Pharmaindustrie und die ... Autoindustrie“, urteilt IW-Direktor Michael Hüther.[6]
Der Maschinenbau und die Kfz-Branche leiden schon jetzt unter mutmaßlich bleibenden Einbrüchen im China-Geschäft.[7] Entsprechend erklärt Hüther zu den befürchteten Einbrüchen in den USA: „Für das exportstarke Deutschland wäre das eine Katastrophe.“

Interessen der US-Industrie

Die Trump’sche Strafzollpolitik folgt dabei nicht Launen eines exzentrischen Präsidenten, sondern grundlegenden Interessen der US-Industrie. Dies belegt eine Untersuchung, die von Wissenschaftlern der Vrije Universiteit Amsterdam und der Freien Universität Berlin vorgelegt worden ist.[8] Demnach gründete die weltweite Durchsetzung offener Märkte, der sich die Vereinigten Staaten traditionell verschrieben hatten, primär darauf, dass die US-Wirtschaft stark genug war, sich international durchzusetzen und die Weltmärkte zu erobern. Dies prägte die Politik der jüngeren US-Administrationen bis hin zu derjenigen von Barack Obama. Die Politik der Trump-Administration hingegen wurde, wie die Untersuchung zeigt, vor allem von zwei Fraktionen getragen, für die offene Märkte entweder nachrangig oder sogar schädlich waren. Zum einen handelte es sich dabei um Immobilienunternehmen – also um die Branche, der Trump selbst entstammt –, zum anderen um Konzerne, denen es nicht mehr gelang, sich gegen die internationale Konkurrenz durchzusetzen – etwa Stahlkonzerne. Dabei waren die übermächtigen Konkurrenten, denen US-Unternehmen nicht mehr recht gewachsen waren, oft solche aus China. Die Strafzollpolitik richtete sich daher zunächst vor allem gegen die Volksrepublik.

Handelsüberschüsse im Visier

Da es nicht gelungen ist, die chinesische Konkurrenz niederzuringen, hat Trump angekündigt, die Maßnahmen gegen die Volksrepublik zu verschärfen. In der rasant eskalierenden globalen Rivalität nimmt er nun aber auch die Konkurrenz aus Deutschland und der EU aggressiv ins Visier. Tatsächlich hat die Bundesrepublik zuletzt aus dem Handel mit keinem Land so hohen Profit gezogen wie aus dem Handel mit den USA; im vergangenen Jahr standen Importen aus den Vereinigten Staaten in Höhe von 94,4 Milliarden Euro Exporte in das Land im Wert von 157,9 Milliarden Euro gegenüber. Der Handelsüberschuss erreichte damit 63,5 Milliarden Euro – fast ein Drittel des gesamten deutschen Handelsüberschusses, der sich 2023 auf 209,6 Milliarden Euro belief. Die hohen Erträge aus dem deutschen US-Geschäft trugen stark zur engen außenpolitischen Kooperation Berlins mit Washington bei.
Dass die zweite Trump-Administration sie in Frage zu stellen droht, lässt eine neue Absetzbewegung Deutschlands gegenüber den Vereinigten Staaten erahnen.
Die EU hat bereits mitgeteilt, sie werde auf neue US-Strafzölle mit Gegenzöllen reagieren und habe konkrete Vorbereitungen dafür getroffen.
Damit zeichnet sich eine Phase neuer transatlantischer Konflikte ab.

 

[1] Jürgen Matthes, Samina Sultan, Thomas Obst: US Inflation Reduction Act: Überschaubare Auswirkungen auf Deutschland. IW-Kurzbericht Nr. 83. Köln, 05.11.2024.

[2] Collin Eaton, Benoit Morenne: Big Oil Urges Trump Not to Gut Biden’s Climate Law. wsj.com 06.10.2024.

[3] Hubertus Bardt: Trump oder Harris oder ...? Worauf sich Europa einstellen muss. IW-Policy Paper 5/2024. Köln, 23.07.2024. S. auch -Deutsche Firmen unterstützen Trump

[4], [5] Thomas Obst, Samina Sultan, Jürgen Matthes: Was droht den transatlantischen Handelsbeziehungen unter Trump 2.0? Von Zollerhöhungen und Vergeltungsmaßnahmen. IW-Report 42/2024. Köln, 24.10.2024.

[6] Michael Hüther: US-Präsidentschaftswahl: „Für die deutsche Wirtschaft wäre ein Präsident Trump eine teure Katastrophe“. iwkoeln.de 04.11.2024.

[7] S. dazu Das Ende des deutschen Exportmodells

[8] Bastiaan van Apeldoorn, Naná de Graaf, Jaša Veselinović: Trump and the Remaking of American Grand Strategy. The Shift from Open Door Globalism to Economic Nationalism. Cham 2023.

 

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