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Setzt China künftig die Standards für Künstliche Intelligenz?

ISW München - mer, 11/09/2024 - 16:54

US-Halbleiter-Sanktionen haben Chinas Aufstieg bislang nicht gestoppt.
Seit der Trump-Regierung haben die USA China mit Wirtschaftssanktionen überzogen, in erster Linie im Halbleiterbereich.

 


Bislang haben die Sanktionen ihr Ziel nicht erreicht, Chinas Aufstieg zu stoppen.
Vor allem haben sie nicht verhindert, dass China bei einer Schlüsseltechnologie der Zukunft, der Künstlichen Intelligenz, weiter aufgeholt hat.
Schon 2018 spielten nach Einschätzung von McKinsey nur noch die USA und China eine wesentliche Rolle auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz.
Europa war längst abgeschlagen (FT, 2.5.18). Seitdem herrscht unter den Eliten in den USA die Paranoia, dass es mit der technologischen Vormachtstellung der USA demnächst vorbei ist. „Diese Technologien sind so umwälzend, dass das in den KI-Technologien führende Land nicht nur einen wirtschaftlichen oder technologischen Vorsprung hat, sondern auch bei der nationalen Sicherheit vorne ist“, zitierte die Financial Times einen Cyber-Experten aus dem US-Sicherheitsapparat. Künstliche Intelligenz verändert die Kriegsführung und hat das Potential zur Neuordnung der globalen Machtverteilung.

Bislang hatten die USA den meisten Experten zufolge einen Vorsprung, vor allem, weil sie die besten Algorithmen haben und über den Zugriff auf dedizierte Computer-Hardware, also Chips, verfügen, die die ultraschnelle Durchforstung riesiger Datenmengen ermöglichen. Die USA sind in der Grundlagenforschung stark. Aber China hat aufgeholt: Schon 2018 teilten sich der chinesische Konzern Alibaba und Microsoft die Siegerprämie bei einem Wettbewerb um das Leseverständnis von KI-Software und ebenso bei Wettbewerben um Gesichtserkennung.

Unter dem Begriff der Künstlichen Intelligenz als Teilgebiet der Informatik werden Technologien zusammengefasst, die es ermöglichen, kognitive Fähigkeiten der Menschen - nämlich aus Daten Informationen zu erfassen und zu sortieren - durch Hardware und Software zu imitieren. Diese Intelligenz kann auf programmierten Abläufen nach klaren Regeln basieren oder aber durch sogenanntes maschinelles Lernen erzeugt werden.

Durch die zunehmende Verfügbarkeit von großen Datenmengen und höher Rechenleistung wurden zuletzt vor allem im Bereich des maschinellen Lernens große Fortschritte gemacht. Dabei generiert ein Lernalgorithmus aus den Beispieldaten eine Funktion, die auch für neue Daten eine korrekte Ausgabe erzeugt.

Lernalgorithmen können Lösungen für Probleme lernen, die zu kompliziert sind, um sie mit Regeln zu beschreiben, zu denen es aber viele Daten gibt, die als Beispiele für die gewünschte Lösung dienen können.

Ein Lernalgorithmus bildet vorgegebene Beispieldaten auf ein mathematisches Modell ab. Dabei passt der Lernalgorithmus das Modell so an, dass es von den Beispieldaten auf neue Fälle verallgemeinern kann, der Algorithmus wird trainiert. Das so statistisch, durch Wiederholung trainierte Modell kann für neue Daten Vorhersagen treffen oder Empfehlungen und Entscheidungen erzeugen.

Die Software lernt, selbstständig die Struktur der Daten zu erkennen. So können Roboter selbst erlernen, wie sie bestimmte Objekte greifen müssen, um sie von A nach zu B transportieren. Sie bekommen nur gesagt, von wo und nach wo sie die Objekte transportieren sollen. Wie genau der Roboter greift, erlernt er durch das wiederholte Ausprobieren und durch Feedback aus erfolgreichen Versuchen.

Als generative KI werden Modelle des maschinellen Lernens bezeichnet, die auf der Basis von Eingabedaten in Form von Texten, Bildern, Videos oder Audioformaten neue Inhalte generieren. Eine Sonderform der generativen KI sind große Sprachmodelle (LLM, large language models), die aus unspezifischen Spracheingaben jeder Art (juristische Texte oder Gebrauchsanweisungen oder Kurzgeschichten …) neue Textdokumente generieren.

Bei der Künstlichen Intelligenz geht es u.a. um Anwendungen wie Muster- und Gesichtserkennung durch Computer, die automatisierte Beantwortung von Kundenanfragen oder das autonome Steuern von Autos, Drohnen oder Booten. Die KI-Technologien können aber genauso militärisch genutzt werden.

 

2030 will China bei KI an der Weltspitze sein

In Chinas staatlicher Wirtschaftsplanung für die nächsten Jahrzehnte hat die Künstliche Intelligenz (KI) eine Schlüsselstellung. Schon seit der Jahrtausendwende spielt die KI in allen Staatsplänen eine prominente Rolle. Auch bei der Dritten Plenartagung des ZK der KP, die in diesem Sommer stattfand und die sich auf die Wirtschaftspolitik konzentrierte, ging es um die Förderung der neuen Produktivkräfte und die Künstliche Intelligenz. Die chinesische Regierung sieht in KI und allgemein in den neuen Produktivkräften die Motoren für die weitere wirtschaftliche und soziale Entwicklung des Landes.

2030 will China bei der Künstlichen Intelligenz an der Weltspitze sein. 2017 war Chinas Sputnik-Moment, als die von Google erworbene DeepMind-Software im Go-Spiel, einem komplexen alten chinesischen Brettspiel, den weltweit führenden Go-Spieler Ke Jie besiegte. Das demonstrierte die Kapazität von KI und war ein Weckruf für die chinesische Führung.

Für den Autor Kai-Fu Lee, früher Chef von Google China und jetzt Venture-Kapitalist und Buchautor („AI Superpowers: China, Silicon Valley and the New World Order“, New York 2018) ist China erstmals seit der Industriellen Revolution an der Spitze einer enormen technologischen und wirtschaftlichen Umwälzung.

Nach seiner Analyse wird China das Wettrennen um KI gegen die USA deshalb gewinnen, weil China in vier entscheidenden Feldern, die über den Einsatz von KI entscheiden, vorne ist: Erstens bei den qualifizierten Arbeitskräften. Zweitens beim Einsatz von Kapital. Drittens bei der staatlichen Regulierung. Und schließlich viertens bei der Verfügbarkeit von Daten.

Lee behauptet nicht, dass China in der Grundlagenforschung, den grundlegenden Innovationen auf diesem Gebiet führend ist. Aber das mache nichts, weil die großen intellektuellen Durchbrüche schon längst passiert sind. Was Lee zufolge jetzt zählt, ist die Implementation, der praktische Einsatz von KI, nicht die Innovation.

 

China hat hochqualifizierte Arbeitskräfte

 Und dabei hat China besondere Vorteile: Nicht nur, dass die Arbeiten führender KI-Forscher leicht verfügbar sind, vor allem durch das Internet. Inzwischen kommen etwa 40% aller Forschungsarbeiten weltweit zum Thema KI aus China, nur etwa 10% aus den USA und 15% aus Europa. Eine der meistzitierten Forschungsarbeiten überhaupt, die demonstrierte, wie neuronale Netze zur Bildverarbeitung trainiert werden können, wurde von KI-Forschern aus China verfasst. Ein amerikanischer Experte urteilte, dass Chinas KI-Forschung Weltklasse ist und dass China einen signifikanten Vorsprung bei der Bilderkennung und in der Robotik hat (Economist, 15.6.24).

Zwar ziehen die USA, speziell das Silicon Valley, immer noch Top-Talent an. Ein chinesischer Entwickler schätzte, dass 2020 ca. die Hälfte aller KI-Entwickler im Silicon Valley Chinesen waren. Noch 2019 blieben nur 38% der chinesischen Universitätsabsolventen mit KI-Schwerpunkt in China, aber 2022 waren es schon fast 60%. Die alte Weltordnung in den Naturwissenschaften, dominiert von den USA, Japan und Europa, gehe dem Ende entgegen, diagnostiziert der Economist (15.6. 24). Dabei dominiert China in den angewandten Wissenschaften, besonders in den Ingenieurwissenschaften, während die USA und Europa bei der Grundlagenforschung noch vorne sind. Nach einer Erhebung der Stanford University entfielen 2022 über 60% aller KI-Patente auf chinesische Unternehmen und Organisationen und nur etwa 20% auf die USA (Nikkei Asia, 11.8.24).

 

China hat ein extrem wettbewerbsorientiertes Wirtschaftssystem, das KI fördert

Zweitens hat China laut Lee eine extrem wettbewerbsorientierte und unternehmerische Ökonomie nach dem Motto: Move fast and break things! Im erbitterten Konkurrenzkampf haben chinesische Unternehmen führende westliche Unternehmen in ihrem Heimatmarkt längst übertrumpft. Die Methode von ständigem „Versuch-und-Irrtum" des chinesischen Geschäftsmodells sei bestens geeignet, die Ergebnisse der KI in der Volkswirtschaft zu verbreiten.

Für westliche Ohren, die mit der KP Chinas und mit Staatsplanung immer wirtschaftliche Stagnation und verkrustete Strukturen assoziieren, mag die Beschreibung der chinesischen Volkswirtschaft als einer extrem wettbewerbsorientierten, dynamischen Ökonomie bizarr erscheinen. Doch z.B. der Erfolg und das Innovationstempo der vielen chinesischen Autobauer müsste doch inzwischen auch den eingefleischtesten Neoliberalen zum Grübeln bringen.

Auch die Entwicklung der chinesischen KI-Branche ist ein Beispiel dafür, wie die den Rahmen definierende Planung und die begleitende Co-Finanzierung auf allen staatlichen Ebenen zusammen mit hunderten privaten Start-ups ein Ökosystem im ganzen Land geschaffen haben, dass die weitere Entwicklung der KI-Technologien fördert und für den praktischen Einsatz in der chinesischen Volkswirtschaft sorgt. So stellen mit ultraschnellen Chips ausgestattete staatliche Rechenzentren den KI-Start-ups, die wegen der US-Sanktionen keine leistungsfähigen Rechner mehr bekommen, günstig Rechenzeit zur Verfügung. Und natürlich werden diese jungen Unternehmen bei öffentlichen Ausschreibungen und von Staatsunternehmen bevorzugt. Noch vor zwei Jahren – nach dem Markteintritt von ChatGPT und anderer Modelle von generativer KI im Westen - schien China den technologischen Wettlauf mit den USA zu verlieren. Inzwischen sind aber zahlreiche chinesische KI-Produkte von den chinesischen Internet-Giganten wie Baidu, Tencent oder Bytedance, aber auch von den zahllosen Start-ups auf dem Markt, die in ihrer Leistung den Produkten etwa der US-Konzerne vergleichbar sind (Wallstreet Journal, 23.8.24).

Für Kai-Fu Lee sind Chinas große Schwärme von KI-Unternehmen und den damit verbundenen Chip-Startups vielleicht ineffizient, aber insgesamt effektiv. Das zähle.

Für die Berliner Analysten von Sinolytics, einem auf China spezialisierten Forschungsinstitut, könnte die Arbeitswelt der Zukunft sogar in China entschieden werden (China.Table vom 21. August 2024). Denn in Chinas geschütztem Markt entstehen äußerst konkurrenzfähige Anwendungen, die früher oder später ihren Weg nach Europa finden.

 


“Während im Westen ChatGPT, Claude, Otter.ai, Gamma und andere Anwendungen das Arbeitsleben der verändern, treiben in China Akteure wie KimiChat von Moonshot AI, Ernie Bot von Baidu, Spark von iFLYTEK, Tongyi Qwen von Alibaba oder dem an der Tsinghua-Universität entstandenem Start-up Zhipu AI diesen Trend voran.

Generell unterscheiden sich die chinesischen GenAI-Anwendungen nicht wesentlich von vergleichbaren Angeboten US-amerikanischer oder europäischer Anbieter. Allerdings profitieren sie von gewissen Vorteilen: einer Fülle an Trainingsdaten und der Offenheit der chinesischen Nutzer gegenüber neuen Apps und digitalen Produkten. Hinzu kommen ein harter Wettbewerb unter den starken chinesischen Anbietern, ein großer Pool an KI-Fachkräften und eine beträchtliche politische Unterstützung. Zudem sind die Anbieter durch gesetzliche Einschränkungen vor internationaler Konkurrenz geschützt. All diese Vorteile könnten ein perfekter Nährboden für die nächste Welle chinesischer Technologieunternehmen sein, die sich auf dem Weltmarkt etablieren wollen. Chinas KI-Unternehmen sind hoch ambitioniert …”

Verfügbarkeit von Daten

Ob Bilderkennung, Spracherkennung oder die automatisierte Auswertung oder Erstellung von Dokumenten: die Leistungsfähigkeit der KI-Systeme basiert auf der Masse von Daten, die in diese Systeme eingeflossen sind.

Daten sind der Rohstoff für die KI-Technologien, und hier verfügt China über mehr Daten als alle anderen Volkswirtschaften - nicht nur wegen der Besonderheiten seines gesellschaftlichen Systems.

China hat mehr Internet-Nutzer als Europa und die USA zusammen. Chinas hochentwickelte Internet-Ökonomie generiert ein Vielfaches an Daten im Vergleich zu anderen Volkswirtschaften. Digitale Zahlungssysteme sind selbstverständlich. Ebenso der Kauf von Tickets per Spracheingabe. Zudem bringt die Bevölkerungsdichte eine riesige Nachfrage nach Auslieferungen und anderen Dienstleistungen.

Spezialisierte KI-Anwendungen basieren für ihr Training auf der Verfügbarkeit größter Datenmengen. So hat China als Fabrik der Welt wahrscheinlich bei Produktionsdaten und bei Robotik die Nase vorn. Ebenso bei der Auswertung von Gesundheitsdaten etwa zur Prognose von Risiken für Herzerkrankungen. In Chinas Krankenhäusern werden mit KI Tumore entdeckt. An den meisten Gerichten hat Spracherkennung die Gerichtsstenografen ersetzt. Ambulanzen und Lieferanten von dringend benötigten Medikamenten können die Anfahrtszeiten durch smarte Steuerung von Ampeln etc. halbieren. Smart-City-Dienste von KI helfen etwa beim Auffinden von vermissten Kindern und Alten.

Gesichtserkennungssysteme Made in China, die auf KI-Bilderkennungs-Software basieren, sind inzwischen weltweit verbreitet. Nach einer US-Studie werden sie inzwischen von 52 Ländern eingesetzt. 2018 kontrollierte China die Hälfte des weltweiten Marktes für Gesichtserkennungs-Software und der entsprechenden Hardware, Kameras etc. Die Exporte dieser Technologien aus China wuchsen um 13,5% im letzten Jahr. Ein großer Lieferant ist Huawei, daneben Hikvision, SenseTime, Dahua und ZTE. Natürlich wird China angeklagt, mit diesen Technologien Autoritarismus zu exportieren.

Aber es gibt auch Konkurrenz aus den USA (IBM, Palantir und Cisco), Israel und Japan (NEC), über die im westlichen Medien kaum berichtet wird.

Chinas Polizei hat die größte Bild-Datenbank mit über 1 Mrd. Gesichtern. China technischer Vorsprung liegt aber auch darin, dass viele Transaktionen wie das Einchecken im Hotel oder auch im Krankenhaus, die Zugbuchung und Bankgeschäfte inzwischen ganz per Gesichtserkennung laufen als „real-name identification“ oder die sonstige Identifikation zumindest ergänzen. Aber als die Pharmazeutische Hochschule Nanjing ein Hörsaal-Monitoring-System mit Gesichtserkennung einführen wollte, um die Anwesenheit der Studenten zu checken oder sie beim Quatschen oder Surfen zu ertappen, gab es einen Aufstand der Studenten.

Datenbanken mit Dokumenten in chinesischer Sprache für das Training von KI-Systemen sind nur begrenzt verfügbar. In einer Open-Source-Datenbank für  KI-Trainingszwecke namens Common Crawl sind weniger als 5% der Daten in chinesischer Sprache. Deswegen fördert die chinesische Regierung jetzt eigene Datenbanken. Ein Anbieter ist ein Ableger der Pekinger Volkszeitung (Renmin Ribao), der lokalen KI-Firmen jetzt Daten mit dem Label “mainstream values corpus” anbietet, also als Partei-konform zertifiziert.

 

Staatliche Regulierung und Definition von KI-Standards

Für die Regierung hat die praktische Förderung der Künstlichen Intelligenz und anderer Schlüsseltechnologien Priorität. Der Begriff Regierung meint dabei alle Ebenen des chinesischen Staatsapparates, von der Zentralregierung bis zur Administration einer kleinen Stadt. In einer Rede rief der damalige Ministerpräsident Li Keqiang schon 2014 zu „Mass entrepreneurship” und “Mass innovation“ auf, forderte also Massenbewegungen für Unternehmertum und Innovation.

Aber die chinesische Regierung will nicht nur die grundlegende Technologie entwickeln, sondern vor allem ihre praktische Anwendung fördern. Der 14. Fünfjahrplan für den Zeitraum von 2021 bis 2025 fordert ausdrücklich die Integration digitaler Technologien wie KI in die Gesellschaft. So breitet sich die generative KI längst in vielen Industrien und Dienstleistungen in China aus und wird z.B. zur Inspektion von Autoteilen oder auch zur Ausarbeitung von Studienplänen für Schulen zur Prüfungsvorbereitung genutzt (Nikkei Asia 11.8.24).

Für die Entwicklung der Künstlichen Intelligenz hat der chinesische Staatsrat eine nationale Strategie beschlossen. Für die Ziele geht China Risiken ein und baut auch eine komplementäre Infrastruktur. So haben alle großen chinesischen Internet-Firmen gemeinsame Forschungslabore mit der chinesischen Regierung.

Ein Schwerpunkt der chinesischen Regierung ist die Definition von Standards für Künstliche Intelligenz, die möglichst weltweit gültig sind und die damit auch die Verbreitung chinesischer KI-Produkte fördern. So nimmt nach Angaben der UN-Unterorganisation ITU, der International Telecommunication Union, Chinas Einfluss zu. Die Standards, deren Verabschiedung ca. 2 Jahre dauert, sind ein wichtiges Mittel der Wirtschafts- und Industriepolitik. So hat die deutsche Industrie historisch positive Erfahrungen und gute Geschäfte mit den DIN-Normen gemacht.

Lokale Experimente und Nomen, um später einmal landesweite Standards zu definieren, gelten für Chinas Versuche mit dem autonomen Fahren. Chinesische Software- und Autofirmen sind technologisch führend in der KI-Entwicklung für die Autoindustrie. Von den Lokalbehörden werden entsprechende Experimente unterstützt. Das ist ein wesentlicher Grund, warum die deutschen Auto-OEMs ihre Entwicklungszentren in China weiter ausbauen. Die Technologie für das autonome Fahren wird dort entwickelt, und die Standards werden dort gesetzt.

Bei den Standards für KI geht es auch um Gesetze und Vorschriften. Nach Daten der OECD gibt es weltweit inzwischen über 1.000 Gesetze und staatliche Vorschriften, die den Einsatz der KI regulieren sollen. In China sind inzwischen zahlreiche Gerichtsverfahren entschieden, bei denen es u.a..um den Schutz von Persönlichkeitsdaten und das Rechtes auf das eigene Bild in KI-Projekten ging. Die Befassung der chinesischen Justiz mit diesen Themen zeigt, wie weit KI inzwischen in das Alltagsleben in China eingedrungen ist. Das zeigt gleichzeitig, dass auch in China der Schutz der Persönlichkeitsdaten ein wesentliches Thema ist. Nach der Einschätzung westlicher Juristen haben die inzwischen erlassenen chinesischen Datenschutzgesetze durchaus "Biss”, auch wenn der Arbeitnehmer-Datenschutz dabei keine große Rolle spielt (Nikkei Asia 11.8.24).

 Definiert die KP den Wissenskanon, den die KI-Sprachmodelle lernen sollen? Alle KI-Modelle haben ein Bias, sind tendenziös. Viele Untersuchungen haben nachgewiesen, dass KI-Ergebnisse etwa nach Rasse, Geschlecht und sozialer Herkunft entzerrt sind. Die Sorge mancher Experten im Westen: Wie die chinesische KP erfolgreich das Internet in China per Firewall abgeschottet hat, so könne die KP auch die KI und insbesondere die KI-Sprachmodelle steuern, dass die Werte und Ziele der KP dabei nicht verletzt werden. So ein Kommentar im britischen Guardian (22.4.24).

Die meisten generativen KI-Sprachmodelle brauchen in China das Okay der Cyberspace Administration, des chinesischen Internet-Regulators, bevor sie auf den Markt kommen. Die chinesischen KI-Firmen müssen zwischen 20.000 und 70.000 Fragen vorbereiten, mit denen ihre Systeme, z. B. Suchmaschinen, getestet werden, ob sie zuverlässige Antworten produzieren. Für die Freigabe müssen sie zusätzlich außerdem Datensätze von bis zu 10.000 Fragen einreichen, auf die das jeweilige Sprachmodell keine Antwort gibt. Ein großer Teil dieser Fragen bezieht sich auf die politische Ideologie und auf Kritik an der KP.

Im Mai veröffentlichte Chinas Cyberspace-Administration Pläne für einen Chatbot, einen Textgenerator, der auf Basis von KI funktioniert und eine Unterhaltung simuliert, als würde man mit einem Menschen schreiben. Der geplante Jackpot soll u.a. auf der Basis der politischen Philosophie von Xi Jinping trainiert werden. Unternehmen und Behörden hätten damit einen Chatbot als Option zur Verfügung mit der Garantie, nicht die politischen roten Linien zu verletzen.

 

 Warum die immer neuen Chip-Sanktionen zu immer neuen KI-Innovationen führen

Chinesische KI-Firmen, die durch die US-Sanktionen von ultraschnellen Chips von Halbleiterfirmen wie Nvidia abgeschnitten sind, haben einen Weg gefunden, damit die nötigen Millionen Lernzyklen für die großen KI-Sprachmodelle dennoch erfolgreich gerechnet werden können: Sie entwickeln viel leistungsfähigen Programmcode, der auch auf Rechnern mit Chips älterer Generationen abläuft, berichtet das Wallstreet Journal (23.8.24).

Viele chinesische KI-Start-ups arbeiten für ihre KI-Sprachmodelle mit sehr effizientem Programmcode, um diese Einschränkungen zu umgehen. Andere entwickeln jetzt kleinere, spezialisierte Sprachmodelle oder nutzen auch Trainingsmethoden für die KI-Software, die weniger Rechenzyklen und damit weniger Energie und Zeit erfordern. Die Firma 01.AI, von dem oben genannten Buchautor Kai-Fu Lee gegründet und von den chinesischen Privatkonzernen Alibaba und Xiaomi unterstützt, arbeitet mit einem Trainingsformat, das den Zeit-  und Energieaufwand reduziert. Die Firma könne nicht auf viele GPUs (spezialisierte Chips für Grafikverarbeitung und KI) zugreifen. Das zwinge zur Entwicklung einer sehr effizienten KI-Infrastruktur, zitiert das Wallstreet Journal Kai-Fu Lee. Der Chef von Baidu, einer Internet-Plattform, zugleich spezialisiert auf autonomes Fahren, warnte auf einer Konferenz im Juli 2024 in Peking vor einer Verschwendung knapper Computer-Ressourcen für die Entwicklung großer KI-Sprachmodelle. Wichtiger seien KI-gestützte Apps, also kleine Programme, die praktischen Nutzen hätten.





Der chinesische Bytedance-Konzern, Chinas “App-Fabrik”, aus dem die weltweit verbreitete App TikTok stammt, hat in den letzten Monaten mehr als 20 auf KI basierende Apps veröffentlicht, darunter einen Englisch-Tutor und ein Programm zur Erstellung eigener Videos. Andere Apps generieren aus Texten Videos. Drei der zehn KI-Apps mit den meisten Downloads in diesem Jahr in den USA stammen von chinesischen Firmen.

Auf der Konferenz im Juli in Peking erklärte ein Manager von Huawei, es sei falsch zu glauben, China könne nicht bei der Künstlichen Intelligenz führend sein, nur weil es nicht die modernsten Chips habe. In Unternehmen, staatlichen Rechenzentren und Forschungseinrichtungen werde fast die Hälfte aller großen KI-Sprachmodelle auf Ascend-Chips von Huawei trainiert. Andere chinesische Technologiekonzerne wie Baidu, Alibaba und Tencent nutzen eigene, inhouse entwickelte Chips, um ihre KI-Modelle zu testen.

Es ist offensichtlich, dass die US-Chip-Sanktionen Chinas Vormarsch auf dem Gebiet der Schlüsseltechnologie künstliche Intelligenz nicht gestoppt haben.

 

 

 

 

„Rheinmetall-Theater“?

IMI Tübingen - mer, 11/09/2024 - 14:01
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Chinas Dominanz in den Lieferketten

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Abschied von den asymmetrischen Jahren

IMI Tübingen - mer, 11/09/2024 - 13:24
———————————————————- AUSDRUCK – Das IMI-MagazinAusgabe September 2024Schwerpunkt: Ungewisse ZukunftGesamte Ausgabe hier herunterladen ———————————————————- Strategien sind immer in die Zukunft gedacht. Sie planen eigenes Handeln in Abhängigkeit zum antizipierten Handeln möglicher „Wettbewerber“ oder Gegner.Im Mittelpunkt steht dabei nicht das tatsächliche Handeln, (…)

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AUSDRUCK (September 2024)

IMI Tübingen - mer, 11/09/2024 - 13:02
———————————————————- AUSDRUCK – Das IMI-Magazin Ausgabe September 2024 Schwerpunkt: Ungewisse Zukunft Gesamte Ausgabe hier herunterladen ———————————————————- INHALTSVERZEICHNIS Schwerpunkt: Ungewisse Zukunft— Editorial— Abschied von den asymmetrischen Jahren (Christoph Marischka)— Optionen gegen einen „Langen Krieg“ in der Ukraine (Jürgen Wagner)— Eine europäische (…)

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Ukraine-Krieg: Entwicklungspfade und Optionen gegen einen „Langen Krieg“

IMI Tübingen - mer, 11/09/2024 - 11:37
———————————————————- AUSDRUCK – Das IMI-Magazin Ausgabe September 2024 Schwerpunkt: Ungewisse Zukunft Gesamte Ausgabe hier herunterladen ———————————————————- „Wie soll das enden?“, mit diesen Worten beginnt die Studie „Avoiding a Long War. U.S. Policy and the Trajectory of the Russia-Ukraine Conflict“, der (…)

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9/11 Spezial: Der CIA-Chile-Putsch & die World Trade Center-Anschläge

acTVism - mer, 11/09/2024 - 09:38

9/11 Spezial: Der CIA-Chile-Putsch & die World Trade Center-Anschläge.

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Israelische Menschenrechtsgruppe B’Tselem enthüllt Israels Folter-Netzwerk

acTVism - mar, 10/09/2024 - 09:38

Israelische Menschenrechtsgruppe B'Tselem enthüllt Israels Folter-Netzwerk.

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NATO: Keine vertretbare Option

Lebenshaus-Newsletter - mar, 10/09/2024 - 05:37
Als sich die NATO vor einigen Wochen in Washington D.C. versammelte, haben wir einen Gegengipfel und eine Kundgebung abgehalten, eine... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Wirtschaftskooperation zwischen China und Afrika: FOCAC

ISW München - lun, 09/09/2024 - 17:30

Auf dem diesjährigen Wirtschaftsforum für chinesisch-afrikanische Zusammenarbeit, FOCAC, in der chinesischen Hauptstadt Beijing vereinbaren China und Afrika eine Fortsetzung und Vertiefung ihre Wirtschafts- und Handelspartnerschaft.




FOCAC steht für  "Forum on China–Africa Cooperation"
, das die Zusammenarbeit zwischen China und den Staaten Afrikas fördert. Seit seiner Gründung im Jahr 2000 hat sich das Forum  FOCAC auf die Verwirklichung von gemeinsamem Wohlstand und nachhaltiger Entwicklung für die Völker Chinas und Afrikas konzentriert. Der institutionelle Aufbau und die praktische Zusammenarbeit im Rahmen des Forums hat zu bemerkenswerten Ergebnissen geführt.  Es umfasst alle afrikanischen Länder, mit Ausnahme von Eswatini, das keine diplomatischen Beziehungen zu China unterhält.
Seit dem Bestehen von FOCACseit 2000 waren die vier größten Projekte, die durch chinesische Darlehen an afrikanische Staaten finanziert wurden, Verkehr mit 38,2 Milliarden US-Dollar, gefolgt von Energie/Energie mit 30,1 Milliarden US-Dollar, Bergbau/Öl mit 19,2 Milliarden US-Dollar und schließlich die Kommunikation mit 7,0 Milliarden US-Dollar.

China war in den letzten 15 Jahren der größte Handelspartner des afrikanischen Kontinents und eine wichtige Quelle für ausländische Investitionen.
Das Handelsvolumen erreichte im Jahr 2023 einen Rekordwert von 282 Milliarden Dollar, was einem Anstieg von 1,5 % gegenüber dem Vorjahr entspricht.[1]

Das FOCAC-Forum hat sich seit seiner Gründung im Jahr 2000 zu einer effizienten und einzigartigen Plattform für die Süd-Süd-Kooperation entwickelt. Das diesjährige Gipfeltreffen war das vierte Treffen auf Führungsebene unter Beteiligung von 53 Staats- und Regierungschefs afrikanischer Länder, an dem auch der Generalsekretär der Vereinten Nationen, Antonio Guterres teilnahm.
Im Mittelpunkt des Forums stand die Förderung der gegenseitigen Partnerschaft, die Stärkung der industriellen Integration und die Vertiefung der Zusammenarbeit in zukünftig wirtschaftlich relevanten Sektoren.[2]

Zukünftige Kooperation und finanzielle Unterstützung Afrikas in den nächsten drei Jahren

Die chinesische Regierung wird 360 Milliarden Yuan (50,7 Milliarden US-Dollar) an finanzieller Unterstützung für die Umsetzung der vereinbarten  Maßnahmen bereitstellen, wobei die Unterstützung von  29.508.465.000 US-Dollar in Form von Kreditlinien , 11.245.905.760 US-Dollar  an Hilfe in verschiedenen Formen und mindestens 9.840.167.540,00 US-Dollar an Investitionen in Afrika durch chinesische Unternehmen
als finanzielle Unterstützung für die Umsetzung verschiedener Modernisierungsinitiativen und weitere Förderungen der afrikanischen Entwicklung umfassen.
China  will dabei  etwa 1 Million Arbeitsplätze in Afrika schaffen, Kooperationsprojekte in den Bereichen saubere Energie und digitale Technologie initiieren und ein Programm zur Stärkung afrikanischer KMUs (kleine und mittlere Unternehmen) auflegen.[3]

Als eine  besondere Maßnahme zur Förderung der Süd-Süd-Kooperation ist die Entscheidung der chinesischen Regierung anzusehen, dass alle am wenigsten entwickelten Länder (LDC), die diplomatische Beziehungen zu China unterhalten, einschließlich der 33 afrikanischen Länder, von Handelszöllen befreit werden sollen., d. h. eine  unilaterale Nullzollbehandlung für 100 Prozent der Einfuhrgüter erhalten.
 Die Vereinten Nationen definieren  die "Least Developed Countries" (LDCs) oder die am wenigsten entwickelten Länder als „Länder mit niedrigem Einkommen, die mit schwerwiegenden strukturellen Hindernissen für eine nachhaltige Entwicklung konfrontiert sind“ Derzeit führen  die UN-Behörden  45 dieser Länder auf ihrer Liste. Die Hauptkriterien sind dabei ein niedriges Bruttonationaleinkommen, (pro Kopf unter 1.018 US-Dollar), ein geringes Humankapital und eine hohe wirtschaftliche Verwundbarkeit (Anfälligkeit für externe wirtschaftliche Schocks und Naturkatastrophen.)[4]

 Zum Status der Handelsbeziehungen China : Afrika

Der Handel zwischen Afrika und China stieg 2023 auf einen neuen Rekord von 282,1 Milliarden US-Dollar, ein Zuwachs von 100 Millionen US-Dollar oder 1,5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. [5]

Chinas Importe afrikanischer Waren erreichten in der ersten Hälfte dieses Jahres einen Wert von 60,1 Milliarden Dollar, was einem Anstieg von 14 Prozent im Vergleich zum Vorjahr entspricht, teilte das Handelsministerium mit. Die umfangreichen Einfuhren landwirtschaftlicher Erzeugnisse aus Afrika sind ein wichtiger Aspekt der chinesisch-afrikanischen Handelskooperation. Der Umfang der aus Afrika eingeführten landwirtschaftlichen Erzeugnisse ist in den letzten sieben Jahren kontinuierlich gestiegen, soll aber durch die erwähnten unilateralen Erleichterungen der Zollbestimmungen intensiviert werden.

Neue partnerschaftliche Modernisierungsmaßnahmen

In den nächsten drei Jahren sind im Rahmen der FOCAC Süd-Süd Kooperation mehrere neue Projekte und Kooperationsbereiche zwischen China und Afrika in Vorbereitung:
Erneuerbare Energien. Hier ist ein signifikanter  Schwenk hin zur Energieproduktion aus erneuerbaren Ressourcen in Afrika vorgesehen. Es geht um die Nutzung von Sonnen- und Windenergie, die auf dem afrikanischen Kontinent weithin verfügbar sind, ebensoum die Bereitstellung chinesischer Technologien für erneuerbare Energien und um die Erschließung Afrikas als wichtiger Absatzmarkt für "grüne" Technologien aus China.
Neue Industriezweige sollen ebenso wie die Integration von Liefer- und Produktionsketten in der Zusammenarbeit im Bereich neuer Energiefahrzeuge aufgebaut und gefördert werden. Gleichzeitig soll der Austausch zwischen chinesischen und afrikanischen Unternehmern über "Integration von Industrie- und Lieferketten" und "Entwicklung neuer Industrien" die weitere Zusammenarbeit fördern.
Digitale Innovation als ein sich abzeichnender neuer Sektor mit starken Asuwirkungen aüf die zukünftige Wirtschaftsentwicklung soll sich auch in der Kooperation zum partnerschaftlichen Vorteil stark gefördert werden.
Infrastrukturprojekte
bleiben als Voraussetzung für die Wirtschaftsentwicklung weiterhin wichtig, So soll der Bau und die Modernisierung von Straßen, Eisenbahnen, Brücken und Häfen zur Verbesserung des afrikanischen Verkehrsnetzes weiterhin besondere Förderung erfahren.[6]
Medienberichten zufolge hat China den Bau und die Verbesserung von über 10.000 Kilometern Eisenbahnstrecke, fast 100.000 Kilometern Straßen, fast 1.000 Brücken und fast 100 Häfen in Afrika unterstützt. Diese Infrastrukturprojekte haben die Konnektivität, die wirtschaftliche und soziale Entwicklung sowie die Industrialisierung und Modernisierung des gesamten Kontinents erheblich verbessert. [7]
Auch die Zusammenarbeit im Rahmen der Belt and Road Initiative (BRI) soll im Zuge neuer vorgestellter Kooperationspläne vertieft werden.
Finanzielle Zusammenarbeit. Hier  werden neue Ansätze für die finanzielle Zusammenarbeit diskutiert, nachdem das Volumen chinesischer Kredite für Projekte in Afrika in den letzten Jahren zurückgegangen ist.
Die neuen Projekte und Kooperationsbereiche zielen darauf ab, die China-Afrika-Beziehungen auf ein höheres Niveau zu heben und die Zusammenarbeit an die aktuellen globalen Herausforderungen und Möglichkeiten anzupassen.[8]

China zeigt sich nach Meinungen von Beobachtern der FOCAC 24 entschlossen, im Rahmen der partnerschaftlichen Modernisierungsmaßnahmen die Zusammenarbeit mit Afrika vor allem in den zuvor genannten  Bereichen wie der digitalen Wirtschaft, der künstlichen Intelligenz und der neuen Energie zu verstärken.
Afrikanische Beamte und Führungskräfte aus der Wirtschaft bringen zum Ausdruck, dass die praktischen Initiativen, die auf dem Gipfeltreffen des China-Afrika-Kooperationsforums 2024 vorgestellt wurden, vielversprechend seien, um die Modernisierungsbemühungen der afrikanischen Länder zu beschleunigen.

Als ein Beleg dafür sind Beleg  zwei ausgewählte Beispiele für die Süd-Süd Kooperation zu nennen:
Südafrika - Mit seiner riesigen Verbraucherbasis, seinem vielversprechenden Wachstumspotenzial und seiner Innovationskraft habe sich China zu einem Magneten für südafrikanische Unternehmen entwickelt, die ihre Präsenz ausbauen und von der wirtschaftlichen Dynamik des Landes profitieren wollen, sagte  David Karl Ferreira, CEO von Vitality China under Discovery Ltd - einem in Südafrika ansässigen Finanzdienstleister.

Xiaomi -Gründer und Vorsitzender des chinesischen Smartphone-Herstellers Xiaomi, Lei Jun sagte, dass Afrikas Wirtschaftswachstum über dem globalen Durchschnitt liege und die Errichtung der Freihandelszone des Kontinents die grenzüberschreitende Handels-kooperation und Marktintegration fördere.[9]

Chinas Investitionen in Afrika gehen demzufolge über die traditionelle Rohstoffgewinnung hinaus und erstrecken sich auch auf das verarbeitende Gewerbe, den erwähnten  Bau von Infrastrukturen, die digitale Wirtschaft und die Ausbildung von Arbeitskräften. Dieser diversifizierte Investitionsansatz hilft den afrikanischen Ländern nicht nur bei der Entwicklung ihrer Industriesysteme und der Steigerung des Produktwerts, sondern soll  auch ihre Wettbewerbsfähigkeit auf dem Weltmarkt verbessern.


Bewährte Kooperation zur landwirtschaftlichen Entwicklung

Afrika kämpft seit langem mit der großen Herausforderung der Nahrungsmittelknappheit. Die afrikanische Landwirtschaft war während des langen Prozesses der Globalisierung immer wieder von verschiedenen Störungen wie etwa den Kolonialismus belastet und insofern unterentwickelt. Einer der Hauptgründe für die Stagnation der landwirtschaftlichen Produktion sind veraltete Produktionstechnologien und traditionelle landwirtschaftliche Praktiken. In diesem Zusammenhang hat die chinesische Hybridreis-Technologie, die für ihre hohe Effizienz und beeindruckenden Erträge bekannt ist, zu einem revolutionären Wandel in der Wahrnehmung der Landwirtschaft auf dem gesamten Kontinent geführt.
Chinas Hybridreis wird inzwischen in mehr als 20 afrikanischen Ländern angebaut.
Die Anwendung von Chinas Hybridreis-Technologie wird von Ernährungs-Experten als eine der wichtigsten Errungenschaften der landwirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen China und Afrika angesehen, die die Selbstversorgung der afrikanischen Länder mit Getreide erheblich verbessert hat.
China hat 24 landwirtschaftliche Technologie-Demonstrationszentren auf dem gesamten Kontinent eingerichtet und fördert dort mehr als 300 fortschrittliche und praktische Technologien, darunter Maisanbau, Gemüseanbau und Maniokvermehrung. Diese Entwicklung hat zu einer beeindruckenden Steigerung der lokalen Ernteerträge geführt, die zwischen 30 und 60 Prozent im Vergleich zu früheren Werten liegen.[10]
Insgesamt hat die landwirtschaftliche Zusammenarbeit zwischen China und Afrika sowohl in technischer als auch in wirtschaftlicher Hinsicht zu bedeutenden Erfolgen geführt. Noch wichtiger ist, dass sie einen Wandel der gesellschaftlichen Perspektiven in ganz Afrika gefördert und damit die Modernisierung des Agrarsektors des Kontinents vorangetrieben hat. Dies soll auch im Zuge der Modernisierungsmaßnahmen weiter vorangetrieben werden.

Im Zuge der Fortsetzung der FOCAC-Kooperation soll des Weiteren eine gemeinsame Krankenhausallianz gegründet werden, im Rahmen dessen gemeinsame medizinische Zentren zu errichten sind.  Als ein erster Schritt werden  2000 medizinische MitarbeiterInnen in Afrika tätig werden und dazu beitragen, die vereinbarten Programme für Gesundheitseinrichtungen und Malariabehandlung umzusetzen.[11]

China wird Afrika 140.512.590 Mil. US-Dollar an militärischer Unterstützung zukommen lassen, 6.000 Militärangehörige und 1.000 Polizei- und Strafverfolgungsbeamte aus Afrika ausbilden und 500 junge afrikanische Militäroffiziere zu einem Besuch in China einladen, um die Partnerschaft für gemeinsame Sicherheit zu stärken.


Westliche Sichtweisen der Süd-Süd-Kooperation

Westliche Analysen, die sich mit den  wirtschaftspolitischen Maßnahmen  auf der Grundlage von FOCAC befassen,   betonen trotz ihrer  Vorbehalte gegenüber der chinesischen Politik die positiven Auswirkungen für die afrikanische Bevölkerung. [12]

„China verzahnt in Afrika bei der Entwicklungszusammenarbeit zahlreiche Instrumente der Außenpolitik wie Propaganda, Diplomatie, Handel, Investition, Entwicklungshilfe und Militärkooperation eng miteinander. Diese wirken sich zwar auch negativ auf bestimmte Bereiche des Alltags vieler Afrikanerinnen und Afrikaner aus, aber unterstützen zugleich das Wachstum, die Beschäftigungsverhältnisse und die Handlungsfreiheit der jeweiligen Regierungen und sogar der intergouvernementalen Institution der Afrikanischen Union. Somit verdrängt China die Afrikapolitik anderer Akteure wie der USA, Frankreich und der EU.“[13]

Der IWF kommt in seiner Bewertung der Handelsbeziehungen zwischen China und Afrika zu der Einschätzung, dass Chinas Engagement in Afrika zum Wirtschaftswachstum vieler afrikanischer Länder beigetragen hat. Die chinesischen Investitionen und der Handel haben neue Arbeitsplätze geschaffen und die Infrastruktur verbessert. Diversifizierung der Partner: Die Präsenz Chinas als Handelspartner hat den afrikanischen Ländern eine Alternative zu traditionellen westlichen Partnern geboten. Dies hat ihre Verhandlungsposition gestärkt und neue Möglichkeiten eröffnet. Entwicklungsmodell: China wird als Vorbild für schnelles wirtschaftliches Wachstum gesehen. Länder wie Äthiopien haben Aspekte des chinesischen Entwicklungsmodells übernommen, was zu Fortschritten in bestimmten Sektoren geführt hat.[14]

Auch betont der IWF die Wichtigkeit der Multilaterale Zusammenarbeit und ermutigt China sogar, sich stärker in globale Entwicklungsinitiativen einzubringen. Es ist davon auszugehen, dass der IWF Insgesamt sowohl Chancen als auch Herausforderungen in den chinesisch-afrikanischen Handelsbeziehungen sieht und plädiert nachvollziehbar für einen ausgewogenen Ansatz, der die Vorteile maximiert und die Risiken minimiert. [15]

Bereits in den 2010er Jahren kommt der wissenschaftliche Dienst des deutschen Bundestages zu der Erkenntnis, dass China trotz aller Bedenken der Konkurrenz zu deutschen und europäischen Projekten bei der Etablierung multilateraler Machtpole darauf bedacht sei, sich nicht durch Aktionen zu isolieren wie in der Vergangenheit. Auch halten sie eine Sichtweise, wonach China in Afrika als neokolonialistischer Rohstoff-Extrakteur auftrete, für verkürzt und verweisen auf den vielfältigen sozioökonomischen Aufschwung, den gerade die Technologie- und Infrastrukturabkommen der jüngsten Zeit den afrikanischen Staaten tatsächlich bringen könnten.[16] 

Der Plattform „China Global South Projekt“ ist zu entnehmen, dass China sich als eine Art moralischer und politischer Sprecher für den globalen Süden positioniere, wobei Afrika eine Schlüsselrolle einnehme und China bemüht sei, neue Absatzmärkte zu finden. [17]
Nur zum Verständnis, FOCAC wurde im Jahr 2000 begründet und inzwischen sind schon viele Projekte realisiert bzw. initiiert worden, so dass der Warenaustausch nicht erst in diesem Jahr in den Beziehungen eine Rolle spielt.

Chinas Beteiligung an Friedenssicherungsmaßnahmen und Konfliktlösungen auf dem Kontinent spiegelt dabei ein wachsendes Engagement für politische Stabilität in der Region wider. Gemäß dem Stockholm International Peace Research Institute (SIPRI) hat China signifikant zur UN-Friedenssicherung in Afrika beigetragen, mit über 2.500 chinesischen Soldaten in verschiedenen Missionen.[18]

Der am Wirtschaftsgipfel teilnehmende UN-Generalsekretär António Guterres betonte in seiner Rede in Beijing, dass u. a. auch China und Afrika gemeinsam in der Lage seien,
die dringend nötige »Revolution« hin zu erneuerbaren Energien sowie zu digitalen Technologien auf dem afrikanischen Kontinent zu steuern. Die China-Afrika- Zusammenarbeit sei »eine Säule« der Süd-Süd-Kooperation, die notwendig sei, um die UN-Entwicklungsziele zu erreichen. Beide Seiten hätten dabei die volle Unterstützung der Vereinten Nationen.[19]


Westliche Polemik „Schuldenfalle“

Beim letzten Treffen 2018, ebenfalls in Peking, sagte der chinesische Staatspräsident Xi den afrikanischen Ländern Finanzmittel in Höhe von 60 Mrd. USD zu, darunter 20 Mrd. USD in Form von Kreditlinien sowie 15 Mrd. USD in Form von Zuschüssen, zinslosen Darlehen und Darlehen zu Vorzugsbedingungen.  Die praktischen Ergebnisse der Zusammenarbeit zwischen China und Afrika liefern seit langem einen belegbaren Beweis, dass die systemkonkurrenz-getriebene Voreingenommenheit westlicher Länder gegenüber der bilateralen Süd-Süd-Kooperation von China und Afrika wenig zutreffend ist. Lange Zeit stand der Westen der Zusammenarbeit zwischen China und Afrika voreingenommen gegenüber, betrachtete Chinas Investitionen in Afrika durch die Brille des Kalten Krieges und verbreitete sogar bösartige Narrative wie „Neokolonialismus“ und „Schuldenfalle“. China würde afrikanischer Staaten in eine „Schuldenfalle“ locken bei der Bewilligung von Krediten.
Dazu ist anzumerken, dass zum Mythos der „Schuldenfalle Diplomatie“ der Politikwissenschaftler Ajit Singh von der Manitoba Universität, Kanada jahrzehntelang nachweist und auch belegt,  dass chinesische Kredite nicht die Hauptursache für die Verschuldungsproblematik sind.  Zudem läßt sich belegen, dass China kein räuberisches Verhalten gegenüber den Schuldnerländern an den Tag legt, indem es Schulden dazu nutzt, die Übernahme strategischer Vermögenswerte und natürlicher Ressourcen zu erleichtern oder die militärische Expansion zu fördern.[20]

 
Eine Schlussbemerkung

Es bleibt zu verfolgen, in welchem Maße und in welchem Zeitraum sich die Kooperation zwischen China und Afrika im Rahmen von FOCAC und der Initiative Belt and Road entwickelt. Die weitere Entwicklung hängt nicht zuletzt von dem sich verschärfenden Konflikt zwischen dem globalen Norden und dem globalen Süden ab, im Rahmen dessen auch die partnerschaftlichen Beziehungen von China und Afrika zu beobachten sind, ebenso wie die Bemühungen westlicher Länder und auch der EU, verloren gegangenes Vertrauen in Afrika wieder aufzubauen und mit China geopolitisch zu konkurrieren.

 

 



Quellenangaben

 

1https://www.helsinkitimes.fi/world-int/25580-focac-2024-xi-jinping-hosts-african-leaders-in-beijing-to-forge-new-modernisation-strategies.html

2 https://www.caixinglobal.com/2024-09-05/china-africa-summit-xi-pledges-50-billion-in-financial-aid-102233825.html;
https://www.kapitalkompakt.de/blog/china-afrika-gemeinschaft-globale-zusammenarbeit

3 https://www.caixinglobal.com/2024-09-05/china-africa-summit-xi-pledges-50-billion-in-financial-aid-102233825.html

4 https://dgvn.de/meldung/un-ldc5-konferenz-erneutes-bekenntnis-zur-globalen-solidaritaet-mit-den-aermsten-laendern ;

https://www.chinadailyhk.com/hk/article/592384#Xi:-Jointly-advance-modernization-with-Africa--2024-09-06

5 https://table.media/africa/news/china-afrika-handel-auf-rekordhoch

6 https://2024focacsummit.mfa.gov.cn/eng/

7 https://www.helsinkitimes.fi/world-int/25580-focac-2024-xi-jinping-hosts-african-leaders-in-beijing-to-forge-new-modernisation-strategies.html;

https://www.globaltimes.cn/page/202408/1318438.shtml?id=11

8 Jörg Kronauer: https://www.jungewelt.de/artikel/483195.focac

9 https://www.chinadailyhk.com/hk/article/592416#Connectivity-of-industrial-chains-to-be-enhanced

10
https://www.globaltimes.cn/page/202409/1319253.shtml

11 Jörg Kronauer: https://www.jungewelt.de/artikel/483195.focac

12 https://www.megatrends-afrika.de/publikation/mta-spotlight-37-focac-2024-welche-strategie-im-umgang-mit-china-in-afrika

13 https://www.bpb.de/themen/afrika/dossier-afrika/547454/auswirkungen-der-chinesischen-aussenpolitik-in-afrika

14 https://www.welthungerhilfe.de/welternaehrung/rubriken/entwicklungspolitik-agenda-2030/warum-china-fuer-afrika-ein-unverzichtbarer-partner-ist

15https://www.worldbank.org/content/dam/Worldbank/Event/Africa/Investing%20in%20Africa%20Forum/2015/investing-in-africa-forum-china-and-africa.pdf

16https://www.bundestag.de/resource/blob/414666/3a6fc4c82e9fb4a777beae16b624470c/wd-2-120-07-pdf-data.pdf

17 https://www.handelsblatt.com/politik/international/globaler-sueden-china-wirbt-im-geopolitischen-wettbewerb-um-afrika/100065419.html

18 https://www.gemeinsam-fuer-afrika.de/chinas-engagement-in-afrika-fluch-oder-segen-fuer-die-entwicklung-des-kontinents

19 Jörg Kronauer: https://www.jungewelt.de/artikel/483195.focac

20 Ajit Singh: Der Mythos der "Schuldenfalle Diplomatie" und die Realitäten der chinesischen Entwicklungsfinanzierung, https://www.tandfonline.com/doi/full

 

 

 

 

 

 

Neue Einzelheiten in Frankreichs Anklage gegen Telegram

acTVism - lun, 09/09/2024 - 10:03

Neue Einzelheiten in Frankreichs Anklage gegen Telegram.

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Selbstbewusste Belegschaft: Wir sind Volkswagen – ihr seid es nicht!

ISW München - sam, 07/09/2024 - 18:36

„Freiheit statt Tempolimit“ – tönte vor kurzer Zeit der oberste VW-Manager Blume. Die Wolfsburger Presse beschrieb das als „Balsam für die Werker-Seele“.
Was für ein Schmalz, was für ein ideologisches Geschwätz bei der Androhung von Massenentlassungen und einer ersten Werksschließung in Brüssel.

 

Unter der Überschrift „Festgefahren“ wurde in „arranca“1 im Juli diesen Jahres ein Aufsatz von mir veröffentlicht, in dem beschrieben ist, wie die Autoindustrie die Verkehrswende blockiert und mit ihrer hochpreisigen Luxusstrategie in eine strategische Sackgasse rast.

Die Anzahl der Beschäftigten in der Auto- und Zulieferindustrie sank in den letzten vier Jahren um ca. 50.000, mit Ford hat einer der großen Hersteller bereits eine Fabrik in Saarlouis geschlossen, die Inlandsproduktion sank fast um die Hälfte von 5,7 Mio. auf 3 Mio. Fahrzeuge, während die Profite auf sagenhafte 60 Milliarden Euro stiegen. Bei der jüngsten Betriebsversammlung im Wolfsburger Werk am 4. September sagte der Finanzchef von VW: „Es fehlen uns die Verkäufe von rund 500.000 Autos, die Verkäufe für rund zwei Werke. Und das hat nichts mit unserer Produktion zu tun oder schlechter Leistung des Vertriebs. Der Markt ist schlicht nicht mehr da.“ Überraschend ist das nicht, was jetzt bei VW passiert. Bisher wurden die Überkapazitäten in der Autoindustrie immer beim jeweils anderen Hersteller oder „in China“ verortet.
Erstmals werden jetzt bei VW innerhalb eines Konzerns Überkapazitäten eingestanden.

Natürlich müssen diese Überkapazitäten abgebaut werden – durch den Aufbau von Produktion für nachhaltige öffentliche Mobilität und durch Arbeitszeitverkürzung.

Ende Mai dieses Jahres haben wir bei einem Ratschlag der Rosa-Luxemburg-Stiftung dazu eine Erklärung verabschiedet: Verkehrswende jetzt – für Klimaschutz und gutes Leben. Ein Diskussionsangebot des Gesprächskreises Zukunft Auto Umwelt Mobilität der Rosa-Luxemburg-Stiftung.2

Arbeitszeitverkürzung gehört, wie die Vier-Tage-Woche 1994, selbstverständlich zu den Maßnahmen, die sofort umgesetzt werden können, um Überkapazitäten abzubauen und die bisher verweigerte Verkehrswende einzuleiten.

Im vom damaligen Bezirksleiter der IG Metall Jürgen Peters herausgegebenen kleinen, inzwischen vergriffenen Büchlein, wurde die Erfahrungen festgehalten: „Modellwechsel – Die IG Metall und die Viertagewoche bei VW“ (Steidl-Verlag Göttingen, Dezember 1998).

Nun also, passend zur Mobilmachung, zur Erzeugung der Kriegstüchtigkeit und zum super Rüstungsetat, die Kriegserklärung des Porsche-Piëch -Clans und seines Managements an die hunderttausend Arbeiterinnen und Arbeiter der Marke Volkswagen und an die 3.000 Malocher bei Audi in Brüssel. Es geht bei der Androhung von Massenentlassungen und Werksschließungen nicht um auszugleichende Verluste, sondern letztlich um eine Umgruppierung des Kapitals zu lasten derjenigen, die den sagenhaften Reichtum der Großaktionäre erst geschaffen haben.

Wenn mit Rüstung und Krieg mehr Geld verdient werden kann als mit zum Beispiel Autos, dann gruppiert sich das Kapital eben um.

Falls jemand über die Not in den Werken von Volkswagen diskutieren will:
137 Milliarden Euro Gewinnrücklagen und mehr als 16 Milliarden Euro Nettogewinn 2023 in der Bilanz des Konzerns. Davon ausgeschüttet wurden 4,5 Milliarden 2024, gut 1,5 Milliarden Euro direkt an den Porsche-Piëch-Clan.Die Gift-Küche des VW-Managements: Spalten, herrschen, Kosten senken.

Das Management von VW verbreitet das Märchen, es würden vier Milliarden Euro fehlen. Aber es geht nur darum, die Kosten schneller zu senken, die hohen Gewinnerwartungen schneller zu erfüllen. Die vier Milliarden Euro fehlen ihnen zu einer angepeilten Umsatzrendite von 6,5 Prozent3. Darum geht es. Auch die Marke VW hat in zurückliegenden Jahren Umsatzrenditen in Höhe von mehr als vier Prozent geliefert. Bei hundert Milliarden Euro Umsatz kommen da ein paar Milliarden leicht zusammen, das Ziel von 10 Milliarden rückt aber mit der Unterauslastung der Fabriken in unerreichbare Ferne. Der Finanzvorstand Arno Antlitz bringt keinerlei Belege, wenn er bei der Betriebsversammlung in Wolfsburg behauptet, für die Marke VW würde „seit geraumer Zeit“ mehr Geld ausgegeben als eingenommen. Nun also die Kriegserklärung gegenüber allen, die diesen Reichtum geschaffen haben, an die Arbeiter_innen, Ingenieur_innen und Kaufleute:

  • Der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung soll gekündigt werden. Damit sollen, erstmals seit 1994, betriebsbedingte Entlassungen möglich werden.
  • Das wäre Voraussetzung für den zweiten Punkt, nämlich die Androhung von Werksschließungen.
  • Markenchef Schäfer sagt, die Reduzierung der Personalkosten um 20 Prozent reichten nicht aus,
  • eben so wenig wie Abfindungen oder Altersteilzeit,
  • die Anzahl der Auszubildenden muss reduziert werden und
  • die höchsten Entgeltstufen, Tarif-Plus, sollen abgeschafft werden.

Es ist die Strategie des Managements, die Belegschaft gegeneinander auszuspielen: Alt gegen Jung, Büro gegen Fließband, Emden gegen Zwickau.

Konzernboss Oliver Blume wärmte die Story von der schwäbischen Hausfrau wieder auf und „verwies auf eine am Monatsende leere Familienkasse. Wenn dann der Fernseher kaputt geht, dann müssen Oma oder der reiche Onkel einspringen.“ Blume versucht es auf die sentimentale Tour: „Wir führen VW wieder dorthin, wo die Marke hingehört – das ist die Verantwortung von uns allen. Ich komme aus der Region, arbeite seit 30 Jahren im Konzern. Ihr könnt auf mich zählen und ich zähle auf Euch – Wir sind Volkswagen“.
 Aber tausende in der Halle skandieren selbstbewusst:
„Wir sind Volkswagen – aber ihr seid es nicht!“4

Massenentlassungen und Werksschließungen? Die Rückkehr des Klassenkampfes

Die Herren machen das selber, dass ihnen der arme Mann Feind wird (Thomas Müntzer). Die Ankündigung von Massenentlassungen und Werksschließungen hat zu einem vieltausendfachen Aufschrei von Emden über Osnabrück, Hannover und Dresden bis Zwickau und Chemnitz, von Wolfsburg über Braunschweig und Salzgitter bis Kassel geführt. Zehntausende Arbeiterinnen und Arbeiter nahmen in den letzten Tagen an den Betriebsversammlungen in allen Werken von Volkswagen teil.

Eine Kollegin aus der Wolfsburger Personalabteilung berichtet mir: „So voll hab ich die Halle selten gesehen. Extrem große Geschlossenheit der Belegschaft. Hab noch nie erlebt, dass eine Betriebsratsvorsitzende derart deutlich unterstützt wurde. Volle Rückendeckung für Daniela Cavallo. Hervorragende Rede von ihr. Hat ihre Person ins Wort gestellt, dass es mit ihr keine Standortschliessungen gibt.
Auch gute Rede von IG Metall Bezirksleiter Thorsten Gröger. Applaus und Pfeifkonzert jeweils minutenlang! Hab ich so noch nie erlebt. Blume und Schäfer eher unbeeindruckt. Nichts Konkretes vom Vorstand, nur die üblichen Sprechblasen.“ Und ein Kollege aus dem Karrosseriebau ergänzt: „Es gab viel Stoff für den Vorstand und ihrem Versagen …. viel Gegenwind von Betriebsrat und IG Metall und nur Pfiffe für den Vorstand …. so richtig geil waren die Reden von unserer Seite und es wurde deutlich Kampfbereitschaft signalisiert …. hoffentlich bleibt das auch so.“ Flavio Benites, der Geschäftsführer der Wolfsburger IG Metall sagt: „Der Vorstand von Volkswagen hat die Axt an die Wurzeln von Volkswagen gelegt. Damit werden sie nicht durchkommen. Die IG Metall steht mit zehntausenden Mitgliedern bereit, unseren Forderungen Nachdruck zu verleihen.“

Der IG Metall-Bezirksleiter Thorsten Gröger war in Wolfsburg auf der Betriebsversammlung. Er kritisiert im Anschluss scharf: „Der Vorstand hat einen unverantwortlichen Plan präsentiert, der die Grundfesten von Volkswagen erschüttert und Arbeitsplätze sowie Standorte massiv bedroht. Dieser Kurs ist nicht nur kurzsichtig, sondern hochgefährlich – er riskiert, das Herz von Volkswagen zu zerstören. Ein solcher Kahlschlag wäre inakzeptabel und wird auf entschlossenen Widerstand stoßen. Wir werden mit aller Kraft, notfalls im harten Konflikt, für den Erhalt aller Standorte sowie der Jobs unserer Kolleginnen und Kollegen kämpfen! Pläne, die das Unternehmen auf Kosten der Belegschaft macht und die Regionen in unserem Land massiv zersetzen, werden wir nicht tolerieren.“

Ein Montagearbeiter aus Emden erzählt von der Betriebsversammlung: „Der Manni (Manfred Wulff, Betriebsratsvorsitzender) versprüht die Hoffnung, dass es mit der Stückzahl wieder hoch gehen und die Fabrik ausgelastet sein wird. Keine Ahnung, wo dieser Optimismus herkommt. Der Markenchef Schäfer hat ganz klar gesagt, dass Geld eingespart werden muss und die Beschäftigungssicherung gekündigt werden soll. Das würde bedeuten, dass eine 3-monatige Schonzeit für die Beschäftigten besteht. Danach könnte betriebsbedingte gekündigt werden. Eine einzige Katastrophe. Im Management sind diejenigen, die den Laden mit Volldampf gegen die Wand fahren. Bei der Betriebsversammlung fingen sie ihre Reden mit ‚Liebe Kolleginnen und Kollegen‘ an. Aber ihr seid nicht meine und nicht unsere Kollegen.“

Eine Kollegin aus der Lackiererei in Zwickau berichtet: „Die Motivation zu kämpfen ist am Standort nach den Ereignissen vom Montag hoch. Schäfer ist heute vom gesamten Werk lautstark mit Trillerpfeifen und Buhrufen empfangen worden. Die Stimmung zur Betriebsversammlung war kochend und brennend. Momentan kann noch niemand die Lage einschätzen. Das wird erst in den nächsten 2-3 Monaten sich zeigen. Es gibt auch Vermutungen, das VW das gemacht hat, um noch mehr Subventionen vom Land und vom Bund zu kassieren. Die ersten Reaktionen gibt es ja schon. In Gänze aber eine Katastrophe für die Belegschaft, die mal wieder den doofen macht.“ Die IG Metall aus Zwickau berichtet: Minutenlange Pfeifkonzerte nach jedem 3. Satz von VW-Markenvorstand bei der Betriebsversammlung im Fahrzeugwerk Zwickau – die Stimmung unter den rund 3000 Kolleginnen und Kollegen in Halle 26 und weiteren tausenden Beschäftigten vor der Halle kocht!! Und BR-Vorsitzender Uwe Kunstmann fand sehr deutliche Worte: „Werke in Frage zu stellen, ist als ob man ganze Regionen dem Erdboden gleich macht! Aber nicht mit uns!“5

Der Kasselaner Betriebsratsvorsitzende Carsten Büchling erklärt in einem Interview mit der Frankfurter Rundschau: „Dass jetzt betriebsbedingte Kündigungen und Werksschließungen im Raum stehen, ist Wasser auf die Mühlen der AfD. Es gibt keine Alternative zum Verbrenner-Aus! Es war schon eine Katastrophe, dass im Rahmen der EU diese Transformation zum Teil wieder infrage gestellt worden ist. Die Technik der E-Fuels, die da immer wieder als Alternative in Aussicht gestellt wird, ist nicht massentauglich. Sie ist eine Lösung für Porschefahrer. Wenn wir mehr Einfluss hätten auf strategische Entscheidungen über die Produktion, dann könnten solche krisenhaften Zuspitzungen wie jetzt bei VW vermieden werden. Unser Ziel muss sein, dass die Beschäftigten über die Produktion entscheiden. Die Beschäftigten müssen zu Miteigentümern der Betriebe werden.“6

Ein Gesetz gegen Betriebsschließungen?

Zur Frage der Möglichkeit von Werksschließungen bei Volkswagen hilft ein Blick ins Gesetzbuch: Im VW-Gesetz heißt es u.a.: (§4.2) „Die Errichtung und die Verlegung von Produktionsstätten bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrats. Der Beschluss bedarf der Mehrheit von zwei Drittel der Mitglieder des Aufsichtsrats.“ Mit dem Anteil des Landes und den zwei Mitgliedern der Landesregierung sowie den 10 Vertreter*innen der Beschäftigten im Aufsichtsrat wäre die „Verlegung von Produktionsstätten“ zu verhindern – aber auch die Schließung? Es gibt da noch die Satzung der Volkswagen AG, in der es konkreter formuliert ist in § 9.1: „Der Vorstand bedarf der vorherigen Zustimmung des Aufsichtsrats zur Vornahme folgender Geschäfte: 1. Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen; 2. Errichtung und Verlegung von Produktionsstätten.“

Das herrschende Recht ist das Recht der Herrschenden und das VW-Gesetz ist seit Jahrzehnten unter Dauerfeuer der neoliberalen Ideologen7. So wie der Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung eine Revisionsklausel hat, so gelten Gesetze auch nur so lange, wie sie den Herrschenden nutzen, sind erstens veränderbar und zweitens tatsächlich von der wirtschaftlichen Konjunktur abhängig. Deshalb bedarf es des Widerstandes gegen Hochrüstung und Sozialabbau, deshalb bedarf es des Kampfes um Mitbestimmung auch über strategische Unternehmensentscheidungen. Lange ist klar, dass es in der Weltautomobilindustrie massenhaft Überkapazitäten gibt und dass es mit der Autoproduktion und dem individuellen motorisierten Verkehr so nicht weitergehen kann. Landauf und landab ist bekannt, dass VW mit seiner Luxusstrategie am Markt vorbei plant. Deshalb hat der Kasselaner Betriebsratsvorsitzende Recht: Geld ist genügend da, es darf nur nicht von den Managern in die falsche Produktion bzw. auf die Konten des Porsche-Piëch-Clans umgeleitet werden.
Unser Grundgesetz schreibt keineswegs die kapitalistische Marktwirtschaft als einzig geltende Wirtschaftsform fest. In Artikel 14 und 15 geht es um die Pflicht des privaten Eigentums, dem Allgemeinwohl zu dienen und dessen mögliche Enteignung zum Zwecke der Vergesellschaftung und Überführung in Gemeineigentum.
Wann, wenn nicht jetzt ist es Zeit, den Rahmen für eine demokratische Wirtschaftsplanung zu schaffen, um soziale und politische Katastrophen bei VW oder anderen Autoherstellern zu verhindern.
Dazu sollten demokratische regionale Transformationsräte geschaffen werden mit Beteiligung aller wesentlichen Akteure aus der Wirtschaft und der Politik, natürlich der Gewerkschaften, aber auch der Wissenschaft, den Umwelt-, Klima- und Verkehrsinitiativen. Ohne Klassenkampf ist das aber nicht zu machen, es helfen am Ende nur das Unternehmensrecht und das Arbeitsrecht, wenn es im Arbeitskampf durchgesetzt wird.

Zum Schluss etwas BWL: Der Porsche-Piech-Clan verfügt über gut 50% der Stimmrechte (Stammaktien) und 32% der Anteile (Aktien inkl. Vorzugsaktien) insgesamt, das macht in der Addition ca. 165 Millionen Aktien x 9 Euro pro Aktie = 1,5 Milliarden Euro Dividende für den Clan.

Bei den Gewinnrücklagen in Höhe von über 130 Milliarden Euro handelt es sich um Jahresüberschüsse, die nicht ausgeschüttet, sondern einbehalten wurden. Diese sind Bestandteil des Eigenkapitals, quasi ein finanzielle Reserveposten. Aus dem Volkswagen-Geschäftsbericht 2021: „Aus den Anderen Gewinnrücklagen wurde ein Betrag von 13,5 Mrd. € entnommen und in den Bilanzgewinn umgegliedert.“

 

1https://arranca.org/ausgaben/nichts-zu-verlieren/den-g%C3%BCrtel-anders-schnallen

2https://www.rosalux.de/news/id/50452/verkehrswende-jetzt-fuer-klimaschutz-und-gutes-leben

3file:///C:/Users/User/Downloads/PM_Markengruppe_Core_steigert_im_Jahr_2023_Ergebnis_und_Rendite_engere_Zusammenarbeit_zwischen_den_Volumenmarken_greift.pdf

4Wolfsburger Nachrichten, 5.9.2024

5https://igm-zwickau.de/aktuelles/meldung/vw-betriebsversammlung-letztens-waren-wir-noch-die-perle-des-unternehmens-heute-fuehlen-wir-uns-eher-wie-eine-auster-die-ausgesaugt-wird

6https://www.fr.de/wirtschaft/wasser-auf-die-muehlen-der-afd-93281901.html

7Hier das Urteil des EuGH nach Klage gegen das VW-Gesetz: https://curia.europa.eu/de/actu/communiques/cp07/aff/cp070074de.pdf

Durch geplante Stationierung neuer US-Mittelstreckenraketen entsteht brandgefährliche Situation

Lebenshaus-Newsletter - sam, 07/09/2024 - 12:54
Der am 10. Juli 2024 von Scholz und Biden gemeinsam verkündete Beschluss der US-Administration, ab 2026 US-Mittelstreckenraketen in Deutschland zu... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

EKD-Friedensbeauftragter zu Bausoldaten: Ein deutliches Friedenszeugnis

Lebenshaus-Newsletter - ven, 06/09/2024 - 18:05
Der Friedensbeauftragte des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Friedrich Kramer, hat den Dienst der Bausoldaten in der... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

IMI-KONGRESS 2024: „Zeitenwende“ in Bildung und Hochschulen

IMI Tübingen - ven, 06/09/2024 - 13:05
Fast unmittelbar nach dem russischen Einmarsch in die Ukraine verkündete der deutsche Bundeskanzler Scholz die „Zeitenwende“, seit dem versucht die Politik, die Gesellschaft „kriegstüchtig“ zu machen. Während im Parlament hierzu große Mehrheiten bestehen, das Sondervermögen samt Grundgesetzänderung ungehindert verabschiedet werden (…)

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Künstliche Intelligenz beim Militär

IMI Tübingen - ven, 06/09/2024 - 12:03
Das Münchner Freie Radio Lora hat ein Interview mit Christoph Marischka zur militärischen Nutzung von KI durchgeführt und auf dem gemeinsamen Portal freie-radios.net veröffentlicht. Der Beschreibungstext dort lautet: „Das Militär ist dankbarer Abnehmer und relevanter Treiber der KI-Technologie. Wissenschaftsgeschichtlich gar (…)

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Steht Israels Zusammenbruch bevor? Dr. Shir Hever

acTVism - ven, 06/09/2024 - 09:29

Steht Israels Zusammenbruch bevor? Dr. Shir Hever.

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Eine desolate Spaltung der Linken in Europa

ISW München - ven, 06/09/2024 - 09:00

In den letzten Augusttagen gab die Behörde für europäische Parteien und Stiftungen bekannt, dass sie die Unterlagen für einen neuen Registrierungsantrag erhalten hat.

 

 

Die neue Organisation wird den Namen "European Left Alliance for the People and the Planet" (Europäische Linksallianz für die Menschen und den Planeten) tragen.
Laut Satzung will die neue Organisation "die feministischen Parteien der grünen Linken vereinen, um ein anderes Europa der Zusammenarbeit, des sozialen Fortschritts und der Arbeiterrechte aufzubauen".

Wenn man sich die Zusammensetzung der neuen politischen Einheit ansieht, ist sie nicht leicht zu verstehen. Es gibt sieben Gründungsmitglieder: La France Insoumise, die in diesen Tagen im Mittelpunkt des französischen Geschehens steht und auch in Europa ein zentraler Knotenpunkt der Linken ist, Bloco de Esquerda (Linksblock, Portugal), Podemos (Spanien), Lewica Razem (Linke Gemeinsam, Polen), Enhedslisten De Rød-Grønne (rot-grüne Einheitsliste, Dänemark), Vänsterpartiet (Linkspartei, Schweden) und Vasemmistoliitto (Linksallianz, Finnland).

Der portugiesische Bloco de Esquerda, die dänischen Einheitslisten und die finnische Linksallianz waren bis vor kurzem Mitglied der Partei der Europäischen Linken (EL).
Die Vorgängerpartei von La France Insoumise, die Parti de Gauche, ist schon 2018 aus der EL ausgetreten. Podemos, die schwedische Linkspartei und die polnische Razem waren nie Mitglied der EL.

Die Gründung dieser neuen Partei geht nicht auf eine Spaltung in Bezug auf die Haltung zum Krieg zurück, zu der es unter den Gründungsparteien selbst noch große Differenzen gibt.
 In der Frage des Friedens – insbesondere zur Frage der Zustimmung zu Waffenlieferungen an die Ukraine bzw. der Politik der Solidarität mit Palästina - sind die Positionen der europäischen Linken recht unterschiedlich.

Nur in Italien (Rifondazione Comunista, Sinistra Italiana, Movimento 5 Stelle) und Spanien (PCE, Izquierda Unida, Sumar, Podemos) gibt es einen breiten Konsens über eine klare Position zum Krieg: keine Waffen an kriegführende Länder; Solidarität mit Palästina.

Ganz entgegengesetzt die Position der dänischen Einheitslisten in Bezug auf den Krieg um die Ukraine. Ihr Spitzenkandidat zur EU-Wahl, Per Clausen, forderte im Wahlkampf ein Waffenexportverbot der EU in Drittländer, weil alle Waffen aus der EU in die Ukraine geliefert werden müssten. ""Die gesamte europäische Waffenproduktion sollte in die Ukraine gehen. Der Verteidigungskampf der Ukraine ist wichtiger als die Profite der Waffenhersteller - und wichtiger als EU-Missionen in Ländern wie Mali, die weit von den Grenzen der EU entfernt sind. (...) Die EU muss der Ukraine die von uns versprochenen Waffen und Munition liefern. Und wir müssen es pünktlich und ohne Verzögerung liefern. Deshalb schlage ich einen Stopp des Munitionsexports vor, damit jede in Europa hergestellte Patrone, Granate und Rakete an die Ukrainer gehen kann." [1]

Mehr als die Positionen zum russisch-ukrainischen Krieg, zum Atlantizismus oder zum israelischen Krieg gegen Palästina, die in der Fraktion unterschiedlich sind und selbst innerhalb dieser Zusammensetzung vielfältig bleiben (von der radikalen Ablehnung des Krieges durch Podemos bis zu den Kiew-nahen Positionen der Nordischen Linken), werden diese Formationen von dem Wunsch angetrieben, bestimmte Muster der Partei der Europäischen Linken zu durchbrechen, denen die deutsche Linke und die Griechen von Syriza anhängen, die noch bis vor zwei Legislaturperioden die führenden Parteien der Fraktion waren.
Schon seit einiger Zeit schwelt ein Unbehagen in Bezug auf die EL, ihre effektive Repräsentativität für eine europäische Linke, die in ihren Arbeits- und Entscheidungsmethoden vielfältiger geworden ist.

Auch nationale Fragen spielen eine Rolle: Die französische Insoumise beispielsweise waren nicht erfreut darüber, dass die Spitzenkandidatin bei den letzten Wahlen nicht die scheidende Europaabgeordnete Manon Aubry war, die von der Kommunistischen Partei Frankreichs, einem Gründungsmitglied der Europäischen Linken, mit einem Veto belegt wurde. Der portugiesische Linksblock hatte grundsätzliche Vorbehalte gegen die Aufstellung eines Spitzenkandidaten der EL für die EU-Wahl. In Spanien bekämpfen sich Sumar und Podemos.[2]

Angesichts der Tatsache, dass häufig große Verwirrung zwischen der Europäischen Partei (jetzt Parteien) und der im Brüsseler Parlament tätigen Fraktion The Left (früher GUE/NGL) herrscht, ist klarzustellen, dass letztere keine Veränderungen erfahren wird und ein einheitlicher, breiter und pluraler Raum bleibt. Zwar hat die Aussicht auf diese Spaltung zwischen den Parteien zu Beginn der Legislaturperiode zu nicht einfachen Diskussionen über die Struktur, die Arbeitsmethoden und die internen Gleichgewichte geführt, ohne jedoch jemals diesen gemeinsamen Raum in Frage zu stellen, der vor fast einem halben Jahrhundert auf Initiative der kommunistischen Parteien entstanden ist und nach und nach auch durch ganz neue Formationen bereichert wurde.

Waren es lange die DIE LINKE aus Deutschland und die ab 2015 in Griechenland erfolgreiche Partei Syriza unter Alexis Tsipras, die eine größere Anzahl Abgeordnete in die linke Fraktion im EU-Parlament sandte, nehmen nun die französische La France Insoumise und die bei den EU-Wahlen sehr erfolgreichen nordischen Linken eine führende Rolle ein. Dazu kamen nach der Wahl im Juni jetzt auch noch Abgeordnete der italienischen "Alleanza Verdi e Sinistra" (AVS) – ein Bündnis der Linkspartei Sinistra Italiana und der Partei der Grünen – und die Abgeordneten der Fünf-Sterne-Bewegung. Der Versuche des Bündnis Sahra Wagenknecht in die Fraktion aufgenommen zu werden, wurde abgeschmettert. (Parteien in der Linksfraktion: https://left.eu/delegations

Zumindest im Moment, so berichten verschiedene Parteien vor Ort, ist die Existenz der Fraktion (eine Garantie für Interventionsmöglichkeiten und Beweglichkeit in Brüssel und Straßburg) nicht gefährdet. Tatsache ist jedoch, dass die treibende Kraft hinter der Fraktion, die Partei der Europäischen Linken, im Zentrum von Spannungen und Distanzierungen steht und demnächst noch eine zweite europäische Linkspartei hinzukommt.

"Es wäre sicherlich besser gewesen, diesen gemeinsamen Geist beizubehalten, auch wenn es tiefgreifende und notwendige Veränderungen gab", meint die italienische Kommunistin Luciana Castellina in einem Kommentar zur Gründung einen neuen europäischen Linkspartei.

Die Italienerin Eleonora Forenza von Rifondazione Comunista und Mitglied des Sekretariats der Partei der Europäischen Linken: "Wir werden weiterhin für die Einheit der gesamten radikalen Linken arbeiten, die sich auf die einheitliche Fraktion Die Linke im Europäischen Parlament bezieht. Die Fraktion war schon immer intern plural".

Anmerkungen

[1] https://enhedslisten.eu/nyheder/opinion/hele-den-europaeiske-vaabenproduktion-boer-gaa-til-ukraine/

[2] neue-progressive-koalitionsregierung-in-spanien

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