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Die Streaming-Termine geben wir vorab bekannt.
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AntiSiko Proteste 2025
FRIEDENSFÄHIG STATT KRIEGSTÜCHTIG!
Die Münchner Sicherheitskonferenz 2025 steht wieder vor der Tür, und das Aktionsbündnis gegen diese NATO-Kriegskonferenz hat ein umfangreiches und vielfältiges Gegenprogramm auf die Beine gestellt.
Auch die Münchner Friedenskonferenz wird wieder stattfinden – trotz der widrigen Umstände und diverser Versuche, durch Raumkündigungen und Raumverbote auch dieses Event zu verhindern.
Wie bereits in den zurückliegenden Jahren werden wir im Vorfeld der MSC und während ihres gesamten Verlaufs mit Gegenveranstaltungen und Protestaktionen deutlich machen, dass Kriegstreiber*innen in unserer schönen Stadt München noch immer nicht erwünscht sind.
Sie, als Presse- und Medienvertreter*innen, werden wir detailliert auf dem Laufenden halten, mit umfangreichen Informationsmaterialien (Positionen, Redner*innen und Reden etc.) und der Vermittlung von Interviewpartner*innen im Vorfeld und natürlich auch während der Proteste.
Auch in diesem Jahr haben wir wieder eine umfangreiche Pressemappe zusammengestellt, die friedenspolitische Positionspapiere, Informationen zu unseren Veranstaltungen und Kurzfassungen von Reden enthalten wird.
Vorab laden wir Sie bereits jetzt zu all unseren Veranstaltungen und Protesten ein.
Bitte merken Sie sich zwei wichtige Termine vor:
1. Unsere Pressekonferenz am 11.2.25 (11:00 Uhr) – dort werden Redner*innen und Aktivist*innen anwesend sein und für Sie als Interviewpartner*innen zur Verfügung stehen.
2. Unsere beliebte Protestaktion vor dem Tagungsort der MSC am 12.2.25 (11:00 Uhr), dem Hotel Bayerischer Hof.
Ort: Promenadeplatz 2-6, D-80333 München
Hier nun weitere Details zum Ablauf unserer
#AntiSIKO Proteste 2025 gegen die NATO-Sicherheitskonferenz in München
Das Motto unserer diesjährigen Proteste lautet: FRIEDENSFÄHIG STATT KRIEGSTÜCHTIG!
(den Aufruf dazu finden Sie anbei!)
Proteste am Sa. 15.02.2025
13:00-14:00
Auftaktkundgebung am Karlsplatz/Stachus
mit Musik- und Redebeiträgen:
1 – Bündnisrede: Mark Ellmann
2 – Palästina – Genozid an der Bevölkerung in Gaza: Rihm Hamdan
3 – Nahost – Syrien – Rojava: Gülistan Tolay
4 – Hafenarbeiter von Genua – Das autonome Hafenarbeiterkollektiv CALP: José Nivoi
5 – Repressionen im Zuge der Militarisierung: RA Mathes Breuer
6 – Stationierung von Mittelstreckenraketen/Berliner Appell: Lühr Henken
Musik: de Ruam (aus Regensburg)
14:00-15:00
Umzingelung der Kriegstreiber in deren Tagungsort (Bayerischer Hof)
DEMONSTRATIONSZUG
Stachus, Ottostraße, Barerstraße, Karolinenplatz, Briennerstraße,
Amalienstraße, Oskar-von-Miller-Ring, Leopoldstraße, Odeonsplatz,
Residenzstraße, Max-Joseph-Platz, Dienerstraße, Marienplatz
parallel:
PROTESTKETTE durch die Fußgängerzone:
Stachus – Neuhauser Str. – Kaufingerstr. – Marienplatz
ebenfalls parallel:
am Marienplatz politisches Musiktheater von StreetOps Music
15:30-16:30
Abschlusskundgebung am Marienplatz mit Musik- und Redebeiträgen:
1 – Aktivismus gegen Produktion und Weiterleitung von
Rüstungsgütern: Ronnie Barkan
2 – Flucht und Krieg: Lisa Pöttinger (Offenes Antikapitalistisches Klimatreffen)
3 – Militarisierung der Jugend: SDAJ München
4 – EU – NATO: Yanis Varoufakis
5 – Soziales rauf – Rüstung runter – Gewerkschaften für den Frieden: Agnes Kottmann
6 – Zivilklausel – Freiheit von Wissenschaft und Forschung: Chris (Academics for Justice)
Musik: TulaTroubles (World/Ska Kollektiv aus München)
23. Münchner Friedenkonferenz
Zeitgleich zu unseren Aktionen findet vom 14. bis 16. Februar die 23. Internationale Münchner Friedenskonferenz statt. Die Mitorganisatorin, Frau Maria Feckl, wird bei unserer Pressekonferenz am 11. Februar ebenfalls anwesend sein und sowohl über den inhaltlichen Ablauf der Friedenskonferenz als auch über die Versuche im Vorfeld berichten, die Durchführung der Friedenskonferenz zu behindern.
Weitere Informationen zur Friedenskonferenz finden Sie hier: Münchner Friedenskonferenz
Live Stream @antisiko auf YouTube
Für den Fall, dass Sie nicht bei all unseren Veranstaltungen und Aktionen persönlich anwesend sein können, haben wir einen offiziellen AntiSiko-YouTube-Kanal neu eingerichtet, auf dem Sie Videoaufzeichnungen und Live-Broadcasts unserer Veranstaltungen und Protestaktionen finden werden. – Hier ist der Link zu unserem Video-Kanal, wir würden uns freuen, wenn Sie ihn abonnieren würden:
https://www.youtube.com/@AntiSiko
Termine für Live-Streams werden wir Ihnen jeweils zeitnah mitteilen.
Jeweils vor wichtigen Terminen werden wir Sie mit aktuellen Pressemitteilungen auf dem Laufenden halten.
Für Presserückfragen stehen wir gerne zur Verfügung. – Sie erreichen mich unter der Mobilfunknummer 0171-6827695.
Heinz Michael Vilsmeier
Pressesprecher AntiSiko-Bündnis
Mit solidarischen Grüßen
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Establishment-Lügen über Edward Snowden entlarvt
Establishment-Lügen über Edward Snowden entlarvt
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Europa wach auf!
IMi-lädt-ein: Perspektiven auf Syrien
Gewinnentwicklung in Deutschland 2024
Mit den ersten, vorläufigen amtlichen Statistiken für 2024 können wir die Darstellung der Gewinneinkommen weiterführen. Die amtliche Statistik benennt diese Position als "Einkommen aus Unternehmenstätigkeit und Vermögen". Das beinhaltet als Sammeltopf alle Einkommen, die nicht (Lohn- und Gehalts-)Einkommen aus abhängiger Beschäftigung sind. Das ist völlig unbefriedigend, fallen darunter doch undifferenziert die nicht ausgeschütteten Konzerngewinne von RWE und BMW und Siemens, die Dividendenzahlungen der Konzerne, alle Arten von Sparer-Einkommen, aber auch die Einkommen und Gewinne von Autohändlern und Handwerkern, von Anwaltskanzleien und Arztpraxen, und, mehr noch, die Einkommen von Selbständigen und Freiberuflern, die häufig (grob in etwa zur Hälfte) Solo-Selbständige ohne Beschäftigte sind, oft in einer prekären wirtschaftlichen Lage: also Einzeltaxifahrer, kleine Fliesenleger, Landwirte mit familiären Mithelfern, Kioskpächter, Künstler bis hin zu quasi-selbständigen Uber- und Lieferando-Fahrern.
Derzeit werden in der Statistik etwa 3,8 Millionen Selbständige gezählt (erwerbstätig, aber nicht Arbeitnehmer). So viele waren es auch Mitte der 1990er Jahre. Von da an stieg ihre Anzahl bis 2010 auf etwa 4,5 Millionen, seither fällt sie. Viele von ihnen, die kleinen (Schein-)Selbständigen, liegen mit ihrem Arbeitsertrag noch unter dem üblichen Lohnniveau, aber ihr Einkommen ist kein Arbeitnehmer-Einkommen und wird deshalb in der Statistik in derselben Rubrik wie die Konzernprofite erfasst.
Dann muss man noch anmerken: Es handelt sich bei dieser amtlichen Statistik nicht um Bilanzdaten, das heißt, die Gewinne sind hier nicht verzerrt durch steuerbegünstigte Abschreibungsmodelle, durch Rückstellungen für spätere mögliche Ausgaben, durch steuerrechtlich erlaubte Bewertungsänderungen oder sonstige Kursänderungen: Kursgewinne von Aktien oder anderen Anlagen sind nicht Einkommen, sondern Änderungen der Vermögenspreise. Im Vergleich zur üblichen Bilanzpolitik handelt es sich hier um Realwirtschaft.
Nach diesen Vorbemerkungen – und der allgemeinen Bemerkung, dass hier wegen notorisch unzureichender statistischer Abdeckung auch eigene Schätzungen einfließen – sehen wir in Grafik 1 ein Anwachsen der Gewinneinkommen, das etliche Kerben aufweist. Das sind die Flautejahre ab 2000, die Welt-Finanzkrise 2008/09, die Corona-Krise 2020 und die aktuelle Flaute 2024. Man sieht, Gewinne sind viel stärker als Löhne und Gehälter krisenabhängig – aber sie erholen sich nach der Krise rapide.
"Die Gewinne von heute sind die Investitionen von morgen und die Arbeitsplätze von übermorgen." Das ist das konzentrierte Standardwissen von Wirtschaftskunde-Lehrern, Uni-Professoren und Bundeskanzlern. Deshalb muss die Gewinnmacherei gefördert und erleichtert werden. Was aber wird tatsächlich aus den Gewinnen (worin auch, nicht zu vergessen, die Arbeitserträge von vier Millionen arbeitenden Selbständigen mit dabei sind)? In den 1990er Jahren – siehe Grafik 1 und Grafik 2 – konnte die zitierte Sichtweise noch eine Spur Plausibilität für sich beanspruchen. Etwa 20 % der Bruttogewinne nahm die Steuer, etwa ein Drittel ging für den individuellen Konsum der Selbständigen drauf (von der Wohnungsmiete des Scheinselbständigen bis zu seiner Yacht). Der Rest wurde tatsächlich überwiegend investiert.
Die Investitionen sind hier Nettoinvestitionen im Inland, und zwar Investitionen in Sachanlagen, nicht in Finanzanlagen. Der größte Teil der Investitionen sind Ersatzinvestitionen: Wiederbeschaffung von verschlissenen Maschinen, Fahrzeugen, Ausstattungen, Fabrikgebäuden. Sie werden finanziert durch die Abschreibungen: in der Preiskalkulation ist neben Löhnen und Material immer auch ein Posten enthalten, der den laufenden Kosten für die Abnutzung der Anlagen entspricht und für ihre Wiederbeschaffung beiseitegelegt wird. Abschreibungserlöse sind Kosten, kein Bestandteil der Gewinne. Ersatzinvestitionen sind hier also nicht enthalten. Aus den Gewinnen werden – jedenfalls statistisch auf das ganze Land hochgerechnet – nur diejenigen Investitionen gezahlt, die neue Kapazitäten schaffen, also Erweiterungsinvestitionen, zusätzliche Maschinen, zusätzliche Fabriken. Das sind die Nettoinvestitionen, nur sie ermöglichen und fördern wirtschaftliches Wachstum.
Nach der Jahrtausendwende, also nach Beendigung der Integration von Ostdeutschland ins Konzerndeutschland, die verbunden war mit großen Investitionen, ändert sich das Bild der Nutzung der Gewinneinkommen massiv. Nach wie vor bleibt zwar, erstaunlich kontinuierlich, dass gut die Hälfte der Bruttoeinkommen an die Steuer und in den Konsum geht. Aber beim verbleibenden Rest sieht man, dass die Nettoinvestitionen drastisch an Bedeutung verloren. Nur ein kleiner Teil der Gewinne macht das, was das obige Zitat verspricht. Und in der aktuellen Krise, ebenso wie schon 2009, stagniert der Umfang des gesamtwirtschaftlichen Sachanlagenbestandes, es gibt keine Nettoinvestition. Wofür auch, wenn die Wirtschaft grad so dahin dümpelt.
Die Unternehmen machen aber dennoch Gewinne, also bleibt ihnen immer mehr anlagesuchendes Einkommen, das sie nicht für Investitionen brauchen. Grafik 3 zeigt das Ausmaß. Seit Anfang der 2000er Jahre bleiben Jahr für Jahr mehr als 200 Mrd. Euro übrig, seit einigen Jahren sogar mehr als 300 Mrd. Euro, wofür es keine Verwendungsmöglichkeit gibt für inländische Sachanlagen. Es sind Finanzströme, die für Finanzanlagen, Spekulationen, Aufkäufe von Konkurrenten, Aufkäufe von eigenen Aktien, irgendwelche Auslandsanlagen genutzt werden können. Grafik 3 zeigt zudem die Netto-Direktinvestitionen ins Ausland als Teil dieser freien Finanzen. Das sind Sachinvestitionen (ohne Finanzanlagen) direkt in ausländische Produktionsmittel, saldiert mit den Sachinvestitionen von ausländischen Konzernen in Deutschland. Interessant 2021 bis 2024: In diesen vier Jahren betrugen sie knapp 300 Mrd. Euro, vermutlich auch ein Resultat der oft diskutierten Abwanderung von Betrieben ins Ausland aufgrund der Energiepreis-Turbulenzen und der US-Gesetzgebung zur massiven Förderung der Verlagerung solcher Betriebe in die USA.
Grafik 3 vermittelt definitiv nicht den Eindruck, dass die deutsche Wirtschaft (gemeint ist mit den beiden Wörtern immer: das deutsche Kapital) Renditeprobleme hat und mit fürsorglicher Wirtschaftspolitik gestützt und hochgepäppelt werden muss. Wobei in diesem Bild die stark zunehmende Ungleichentwicklung innerhalb des Sektors Gewinneinkommen noch gar nicht zum Ausdruck kommt: Der Anteil, den man auf die Arbeitstätigkeit der Selbständigen zurückführen kann, nimmt im Vergleich mit der reinen Kapitalrendite ab (mehr dazu in isw-spezial 35, siehe unten).
Erinnert man sich an einstürzende Brücken, schlechte Bauzustände der Schulen, überlastetes und mies bezahltes Pflegepersonal, den unzureichenden öffentlichen Verkehr, dann verdeutlicht Grafik 3 den Widerspruch zwischen dem riesigen privaten Reichtum und die um sich greifende öffentliche Armut. Latente Wirtschaftskrise, stagnierende Reallöhne, die öffentliche Hand an der Schuldengrenze, aber die Aktienindizes feiern Rekorde um Rekorde. Verständlich: So geht marktkonforme Demokratie.
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Ausführlicher und tiefergehend dazu:
Eine andere Welt ist bereits da
Franz Alt: Ist die CDU noch eine christliche Partei?
Prof. Mearsheimer – Trumps Außenpolitik, Ukraine-Krieg und Waffenruhe im Gazastreifen
Prof. Mearsheimer – Trumps Außenpolitik, Ukraine-Krieg und Waffenruhe im Gazastreifen
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Verband der Autoindustrie will "politische Entfesselung der Wirtschaft"
Die Personalkosten sind nicht das Problem der Autoindustrie und ihre Senkung löst kein Problem, wie am Beispiel Volkswagen deutlich wird.
Volkswagen, Mercedes und Daimler sind keine Sanierungsfälle, sondern global agierende Autohersteller mit hoher Produktion, hohen Verkaufszahlen und mit außerordentlich hohen Gewinnen. Das bestätigt auch der VW-Vorstandschef Blume im Gespräch mit der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung: „Die Rendite der Marke VW ist aktuell nicht besser und nicht schlechter als im Schnitt der vergangenen Jahrzehnte“. (1)
Die 750.000 Beschäftigte in der Auto- und Zulieferindustrie produzieren jährlich gut vier Millionen Fahrzeuge und erarbeiten so ihren Lebensunterhalt. Der globale Umsatz von 560 Mrd. Euro, Löhne – und damit Kaufkraft – in Deutschland von ca. 40 Mrd., Gewinne von gut 50 Mrd. Euro und Gewinnrücklagen von VW, Mercedes und BMW von 170 Milliarden Euro machen die ökonomische Macht dieses Industrieblocks aus. Die Autoindustrie hat wesentlichen Anteil am deutschen Exportüberschuss von 250 Mrd. Euro. Die Betriebe sind gewerkschaftlich gut organisiert, deshalb gibt es relativ gute Löhne, die zugleich Steuern generieren und Kaufkraft darstellen.
Warum also das Gejammere der Autobosse und des VDA? Der Verband der Automobilindustrie prognostiziert ein Minus von 190.000 Arbeitsplätzen: „Keine kleinen Schritte, sondern der große Wurf ist notwendig“, forderte die VDA-Chefin mit Blick auf eine neue Bundesregierung und die „Agenda 20230“ der CDU. Sie wollen weniger Bürokratie, niedrige Energiepreise, eine geringe Steuerbelastung, eine politische „Entfesselung“ der Wirtschaft. Stefan Wolf, der Chef von Gesamtmetall will „in Nullkommanichts“ das Lieferkettengesetz und die Datenschutzgrundverordnung abschaffen, droht ansonsten mit der AfD. (2) Die gesamte Industrie hat in den Erpressermodus umgeschaltet: Die deutschen Hersteller würden den Wettlauf um die Zukunft nicht verlieren, „der deutsche Standort ohne massive Reformen schon“, kündigte VDA-Chefin Müller an. (3)
Die Probleme der Auto- und ZulieferindustrieFür die Autoindustrie gibt es eine besondere Konjunktur: Produktion und Absatz von Autos sind weltweit eingebrochen – immer noch minus 6 Mio. pro Jahr gegenüber 2017. Das betrifft die deutschen Hersteller VW, Mercedes BMW inkl. Töchter, am stärksten die Zulieferer. Ursächlich dafür sind
- eine relative Marktsättigung
- Schwächung der Kaufkraft durch niedrige Lohnabschlüsse und Inflation
- der kaum aufzuholende Rückstand bei Digitalisierung und Elektrifizierung sowie
- die Modellpolitik – es gibt kein kleines, preiswertes Auto aus deutscher Produktion.
- Darüber hinaus ist das deutsche Exportmodell erschöpft. „Der Scheck aus China ist kleiner geworden“, sagen die Manager der Industrie.
Das zusammen ist weit überwiegend die Verantwortung der Industrie selbst, die den Antriebswechsel sehr zögerlich anging und teils immer noch von „Technologieoffenheit“ faselt. Zu einem kleineren Teil ist es die Verantwortung der Regierung(en), die selbst keinen Plan hatte, keine Prioritäten festlegte und sich von Lindner auch diesbezüglich vorführen ließ.
Das Ende der Wachstumsphase der Autoindustrie hat 2018 begonnen, allerdings regional unterschiedlich. Produktion und Absatz von Autos sind außerhalb Chinas eingebrochen. Im Jahr 2024 hat sich selbst in China das Wachstum verlangsamt. Mit der Expansion chinesischer Hersteller wie BYD, Geely, GWM und anderen ging der Absatz deutscher Hersteller in China drastisch zurück, Porsche zum Beispiel minus 28 Prozent. Für 2025 ist keine Trendwende in Sicht.
Mit der falschen Modellpolitik, nur große und teure Fahrzeuge anzubieten, sind die Profite kurzfristig gestiegen, aber gleichzeitig wird die Klimakatastrophe befeuert und die Mobilitätswende blockiert.
Des Pudels Kern: Die Kapitalverwertung ist schlechter geworden, die Profitrate sinkt bei allen Herstellern. Volkswagen zum Beispiel bedauert, nur 3,5 statt 10 Prozent Rendite zu realisieren. Noch im Mai 2024 wurden immerhin 4,5 Mrd. Euro für die Aktionäre ausgeschüttet. Volkswagen und die anderen Hersteller sind mit rund 170 Milliarden Euro Gewinnrücklagen alles andere als ein Sanierungsfall.
Erwerbslosigkeit steigtTatsächlich handelt es sich um eine Krise der Beschäftigung: 75.000 Arbeitsplätze wurden vorwiegend in den großen und kleineren Betrieben der Zulieferindustrie in den zurückliegenden Jahren gestrichen oder verlagert: bei Bosch und Conti, bei ZF und Mahle, bei hunderten kleineren Zulieferern von Autoliv bis Webasto, bei Grammer, Forvia, GKN, Magna, Michelin und Valeo. Für die kleinstädtische Struktur, die es hauptsächlich trifft, sei hier der Hersteller von Dachzubehör Profilrollen-Werkzeugbau GmbH (PWG) in Neuhaus-Schierschnitz in Thüringen mit 300 Beschäftigten genannt. Die Produktion wird nicht beendet, sondern nach China verlagert. Als Gründe nennt PWG hohen Kostendruck seitens der Kunden, also der Autokonzerne, und gestiegene Produktionskosten. Bei der Muttergesellschaft heißt es noch: „Wir verpflichten uns einen positiven Einfluss auf die Gesellschaft, Kunden, Mitarbeiter und das Ökosystem unseres Planeten zu haben.“ Für die betroffenen Familien und für die kleineren Städte und Kommunen ist es eine Katastrophe, wenn der größte Betrieb im Ort abwandert. Die Erwerbslosigkeit steigt, die Kaufkraft und die Steuereinnahmen sinken, die Kommune wird handlungsunfähig und die „Deindustrialisierung“ wird am eigenen Leibe erfahren.
Diese Verlagerungen finden ihren Niederschlag im Anstieg der Erwerbslosigkeit: 8% unbereinigt sind 3,6 Mio. Erwerbslose zu 600.000 offenen Stellen im Dezember 2024. Das ist die Begleitmusik zum Angriff auf die sozialen Rechte der Arbeiterinnen und Arbeiter: Mercedes-Chef Källenius sagt: „Es darf nicht so einfach sein, sich krank zu melden“. Der Patriarch des Porsche-Piëch-Clans lässt mitteilen: „Die Mitbestimmung ist ein Bremsklotz.“ Und der Stern schreibt: Zu lange haben VW-Arbeiter „wie Maden im Speck gelebt.“
Zum Beispiel VolkswagenUm die Profitrate von 3,5 Prozent auf 6,5 Prozent zu erhöhen und die vorher teuer geschaffenen Überkapazitäten wieder abzubauen, kündigt der VW-Vorstand im September 2024 den Tarifvertrag zur Beschäftigungssicherung, die Entlassung von 30.000 Arbeiterinnen und Arbeitern, eine pauschale Senkung der Löhne um 10 Prozent und die Schließung von drei Werken in Deutschland an. Das löst bei den 120.000 Beschäftigten und ihren Familien große Verunsicherung und ebenso große Empörung aus. Aus dieser Empörung wuchs die Bereitschaft, das Erkämpfte zu verteidigen. Es folgten mehrere große Warnstreikaktionen mit der deutlichen Ansage der Streikbereitschaft.
Nach diesen Warnstreiks und zähen Verhandlungen vor Weihnachten 2024, bei denen die IG Metall den „Kompromiss“ als Angebot weitgehend vorweggenommen hat, wurden im Ergebnis Werksschließungen und Entlassungen abgewendet und gleichzeitig schmerzliche Zugeständnisse gemacht: Reduzierung der Ausbildungsplätze von 1.400 auf 600 und Entgeltreduzierung durch Arbeitszeitverlängerung für tausende Beschäftigte von 33 auf 35 Stunden bzw. Einbehalt von 5,5 % als „Beschäftigtenbeitrag“: In Summe mehr als 5.000 Euro brutto pro Beschäftigten und Jahr. Gleichzeitig kündigt das Unternehmen den Abbau von 35.000 Arbeitsplätzen an – überwiegend Verlagerungen aus Verwaltung und Produktion nach Polen, Indien, Türkei, Mexiko und China.
Der Betriebsrat und die IG Metall sind von der irrigen Annahme ausgegangen, Volkswagen sei ein Sanierungsfall und die Arbeiterinnen und Arbeiter müssten jetzt Beiträge leisten, um das Schiff wieder flott zu machen für die Zukunft von Volkswagen. Der IG Metall und dem Betriebsrat ist lange jedoch klar, dass nicht die Tariflöhne das Problem sind (4): „Volkswagen krankt nicht an seinen deutschen Standorten und an den deutschen Personalkosten. Volkswagen krankt daran, dass der Vorstand seinen Job nicht macht“ (5) – sicher auch als Erinnerung an die über 30 Milliarden Euro, die durch den gigantischen Abgasbetrug des Managements in den Sand gesetzt wurden. Weiter sagt Betriebsrastvorsitzende Cavallo: „Ein Menschenleben lang jede Woche aufs Neue Lottomillionär werden – das ist die Summe, die unsere Großaktionäre Porsche und Piëch allein seit 2014 an Dividende erhalten haben.“ (6) Und für die zehn Millionen Euro Jahressalär des Vorstandsvorsitzenden Blume müsste eine Arbeiterin in der Montage bei Volkswagen mehr als 200 Jahre schuften und über die 80 Millionen Euro pro Jahr für die VW-Fußballabteilung VfL wird auch nicht geredet.
Völlig zu Recht haben Betriebsrat und IG Metall aus der Geschichte heraus Eigentumsrechte und aus Krisenerfahrungen heraus Arbeitszeitverkürzung gefordert. Beides findet sich im Verhandlungsergebnis nicht wieder. Stattdessen: Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis 2030, zunächst keine Schließung von Werken, jedoch Lohnsenkung unter Einbeziehung von nicht ausgezahlter Lohnerhöhung plus Streichung von Urlaubsgeld (Boni) von zusammen gut zehn Prozent oder eben 5.000 Euro brutto pro Jahr in den mittleren Entgeltgruppen. Weiter wurde eine Kapazitätsreduzierung von mehr als 700.000 Fahrzeugen pro Jahr und eine entsprechende Personalreduzierung vereinbart. Das Management geht von minus 35.000 Stellen aus. Das könnten aber auch mehr werden, wenn die geplanten Absatzzahlen und die vorgegebene Rendite nicht erreicht werden. Es bleibt mir ein Rätsel, warum die IG Metall sich auf die Senkung der Personalkosten eingelassen hat, obwohl diese doch nicht das Problem sind und also auch die Probleme nicht lösen werden und obwohl es eine große Kampfbereitschaft bei den gewerkschaftlich gut organisierten Arbeiterinnen und Arbeitern gab.
Im oben genannten Interview, das im Zuge einer Öffentlichkeitskampagne des Unternehmens ähnlich in allen Zeitungen der Region erschien, in der Gifhorner Allerzeitung mit der Überschrift „Ab 2026 geht es mit allen Konzernmarken bergauf“, sagt Blume, worum es eigentlich geht. Die Gewerkschaft sollte das und den Interessengegensatz von Kapital und Arbeit kennen, weil es in den gewerkschaftlichen Grundlagenseminaren vermittelt wird und gewerkschaftliche Vertrauensleute auf einem Transparent beim Warnstreik geschrieben haben: „Lieber Vorstand! Statt mit Krise und mit Gier – wenn ihr nicht könnt übernehmen wir.“ Blume sagt geschichtsvergesssen bezüglich der Herkunft des Geldes und des Unternehmens in oberlehrerhaftem Ton: „Wenn jemand investiert, dann möchte er eine Rendite erzielen. Der Markt für Geldanlagen ist groß: Ich kann in Unternehmen investieren, ich kann mein Geld zur Bank bringen und Zinsen bekommen. Als Investor überlege ich mir, wo mein Geld am besten angelegt ist. Wenn ich den Investoren jetzt erzähle, dass wir ihnen die Rendite kürzen, dann droht ein Vertrauensverlust, Investoren könnten sich zurückziehen. Das muss jeder wissen, der scharfe Einschnitte bei Dividenden fordert. Wir brauchen gerade jetzt in dieser Phase eine Verbindlichkeit für Investoren, damit sie weiterhin zu uns stehen.“ An anderer Stelle verteidigt er den milliardenschweren Einstieg von Audi in den Rennzirkus der Formel 1 und lobt die Entwicklung synthetischer Kraftstoffe als Weg, am Verbrennungsmotor festzuhalten. (7)
Gänzlich unverständlich das Schönreden eines Abschlusses, den man als Niederlage bezeichnen muss und die trotzige Ansage von Cavallo im neuen Jahr: „Willkommen in der Automobilindustrie im Jahr 2025. Um uns herum in der Branche werden Standorte dichtgemacht und Beschäftigte betriebsbedingt gekündigt.“ (8) Die Lohnkürzungen finden die Arbeiterinnen und Arbeiter weniger schön, allerdings wäre eine dauerhafte Gehaltskürzung von zehn Prozent die Alternative gewesen, so die Betriebsratschefin – als gäbe es keine andere Alternative, als gäbe es keine Bereitschaft für die sozialen Rechte zu kämpfen. Unverständlich auch, dass sie sich in dieser Situation mit den Größen der SPD zeigt, für diese wirbt und sich als „Niedersächsin des Jahres“ von einem Unternehmerblättchen auszeichnen lässt. (9)
Das Verhandlungsergebnis: Betriebsrat und IG Metall auf „Produktrenditen“ festgelegtEs gibt das Verhandlungsergebnis vom 20.12.2024 und einen neuen Zukunftstarifvertrag vom 1.1.2025.
- Im Verhandlungsergebnis wird zunächst der von der IG Metall gekündigte Entgelttarifvertrag wieder in Kraft gesetzt. Das ist der Verzicht auf eine Entgelterhöhung seitens der Gewerkschaft, außer für die Auszubildenden, deren Vergütung zum 1.3.2025 um 140 Euro je Ausbildungsjahr steigt.
- Im Punkt zwei geht es um die „Beiträge der Beschäftigten“. Vereinbart wurde, eine fiktive Lohnerhöhung von 5,5 Prozent und eine ebenso fiktive Einmalzahlung von 600 Euro „als Beitrag der Beschäftigten“ auszusetzen. Für die Kalenderjahre 2027 bis 2030 besteht Einigkeit, dass die Aussetzung der Erhöhung als Beitrag der Beschäftigten von der Volkswagen AG zum sozialverträglichen Personalabbau, zur Ermöglichung von Arbeitszeitabsenkungen mit Entgeltausgleich sowie im Rahmen der Transformation für Qualifizierungsmaßnahmen genutzt wird. Hiermit wird der geplante Personalabbau bis 2030 sozialverträglich umgesetzt.“ Das Unternehmen plant also einen Personalabbau von 35.000 Personen, und dieser Abbau wird mit nicht ausgezahlten Löhnen der Arbeiterinnen und Arbeiter finanziert. Zu den vorenthaltenen monatlichen Zahlungen kommen noch jährliche Beträge hinzu, nämlich die bis 2030 reduzierte Maizahlung (Ergebnisbeteiligung) und das gleichermaßen reduzierte Urlaubsgeld. Für die unteren Entgeltgruppen wurde eine Ausgleichszahlung vereinbart.
- Im dritten Punkt wurde die Angleichung der Arbeitsbedingungen bzw. der Arbeitszeit vereinbart. Konkret bedeutet dies für tausende Arbeiterinnen und Arbeiter, die vor 2005 eingestellt wurden, eine Arbeitszeitverlängerung von 33 auf 35 Stunden pro Woche nicht mit analoger Entgelterhöhung, sondern einem „Kompensationsbeitrag“ von 600 bzw. 800 Euro im Jahr. Zur Umsetzung dieser Vereinbarung müssen Entgelttarifverträge, Arbeitszeittarifvertrag und Manteltarifvertrag überarbeitet und neu formuliert werden.
- Im Punkt vier wurde ein Zukunftstarifvertrag vereinbart mit Inkrafttreten ab 1.1.2025 und der Ausschluss betriebsbedingter Kündigungen bis einschließlich 2030 (ohne Nachwirkung, da sind sie genau). Der bis dahin gültige „Zukunftstarifvertrag“ mit seitens des Unternehmens nicht eingehaltenen Produktzusagen für die einzelnen Standorte, z.B. den Transporter in Hannover oder der ID.3 in Zwickau, wurde sang- und klanglos „ohne Nachwirkung“ beendet. Die Koppelung von Beschäftigungssicherung und dem Rückfall auf die Regelungen, die vor dem 1.1.1994 galten, wurden ebenso sang- und klanglos beendet. Es würde zu weit führen, das jetzt im Detail zu erläutern – aber da steckt richtig viel Geld dahinter.
- Schließlich wurde im Punkt fünf wurde vereinbart, ein neues „modernes“ Entgeltsystem zum 1.1.2027 in Kraft zu setzen, mit dem, von der Gewerkschaft als „Obergrenze“ bezeichnet, die Personalkosten um sechs Prozent reduziert werden sollen. Das gilt zunächst für dann neu Eingestellte Arbeiterinnen und Arbeiter. Die anderen erhalten eine halbe „Besitzstandswahrung“, bei der 1,5 Prozent künftiger Lohnerhöhungen auf diesen „Besitzstand“ angerechnet werden. Tagespauschalen für höherwertige Tätigkeiten entfallen ersatzlos – die Flexibilität des „Humankapitals“ wird maximal auf alle Standorte des Konzerns ausgedehnt. Dieser drastische Griff in das Portemonnaie der Arbeiterinnen und Arbeiter summiert sich dann mit den oben beschrieben Kürzungen auf weit mehr mehr als 10 Prozent Entgeltreduzierung.
- Ganz zum Schluss des Verhandlungsergebnisses wird mitgeteilt, dass die Anzahl der Ausbildungsplätze von 1.400 „bedarfsgerecht“ auf 600 pro Jahr reduziert werden. Damit ist der historische Tiefstand von nur noch zwei Prozent Ausbildungsplätzen in der VW AG erreicht. Der Jammer um den angeblichen „Fachkräftemangel“ in der Industrie, der immer ein Mangel an Ausbildung durch die Unternehmen war, ist damit vollständig als Propaganda entlarvt.
Im neuen Zukunftstarifvertrag ist in § 2.4 formuliert, dass bei Abweichungen von der geplanten Belegschaftsentwicklung die Betriebsparteien in Gespräche über weitere Maßnahmen zur Zielerreichung eintreten. Alles ist offen, nichts ist sicher.
Dann werden in § 3 wieder „Standortzusagen“ gemacht. Im § 3.1.2 sind die Bedingungen formuliert: „Erforderlich sind Standortvereinbarungen zur Werksbelegung, Planstückzahl, Kompetenzentwicklung, Fabrikkostenziele, Belegschaftsentwicklung und Produktrenditen. Diese enthalten verbindliche Zusagen.“
Im § 4 wird festgelegt, dass alle Produktzusagen im Wettbewerb ausgeschrieben und erst einmal in interner und externer Konkurrenz „gewonnen“ werden müssen. Dabei werden alle Entscheidungen „mit Priorität darauf geprüft, ob sie an den Standorten wettbewerbsfähig dargestellt werden können.“ Das Gewinnen aller Standortvereinbarungen ist die Voraussetzung dafür, dass nicht mehr als die geplanten 35.000 Arbeiterinnen und Arbeiter überflüssig und freigesetzt werden.
Schließlich gibt es eine Revisionsklausel: Bei wesentlichen Änderungen der Grundannahmen oder der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen während der Laufzeit des Tarifvertrages bis zum 31.12.2023 verpflichten sich die Tarifvertragsparteien zu Überprüfungsgesprächen. „Die Tarifvertragsparteien erörtern dabei die notwendigen Maßnahmen unter Einschluss sozialpolitischer Instrumente.“ Nochmals: Alles ist offen, nichts ist sicher.
Kritische Solidarität mit der IG MetallVon Christiane Benner, Erste Vorsitzende der IG Metall, kamen zu Beginn klare Worte: „Die Nachrichten aus Wolfsburg sind dramatisch. Und unsere Reaktion darauf ist deutlich: Die Beschäftigten stehen nicht mit Lohneinbußen oder ihrem Arbeitsplatz dafür ein, dass ihr (das Management) jahrelang die falschen Entscheidungen getroffen habt.“ (10) Das Missmanagement hat in den zurückliegenden Jahren wirklich viele Milliarden gekostet: Mehr als 30 Milliarden Euro alleine für den gigantischen Abgasbetrug, darüber hinaus die teure und unsinnige Planung für eine „Gigafactory“ (Trinity) vor den Toren Wolfsburgs, der Auf- und Abbau der Software-Tochter Cariad, die falsche Produktstrategie, das Risiko bei der Batterieproduktion mit Northvolt und schließlich die teuren Einstiege bei Rivian und Xpeng mit der trügerischen Hoffnung, die Technologieführerschaft wieder zu gewinnen.
Dennoch: Die IG Metall und der Betriebsrat standen bei dieser Auseinandersetzung unter erheblichem Druck des Kapitals. Das Management und vor allem der Porsche-Piëch-Clan meinten es sehr ernst damit, die Produktion umfangreich dorthin zu verlagern, wo höhere Profite erzielt werden können. Sie wollen sich mit der Rendite von 3,5 Prozent nicht zufrieden geben. Dazu erpressen sie die Regierungen in Bund und Land. Dazu wollen sie die Mitbestimmung des Betriebsrates schleifen und den Einfluss der Gewerkschaft zurückdrängen. Die etwas unklaren Verhältnisse seitens der IG Metall im Aufsichtsrat von Volkswagen, Jörg Hofmann sitzt dort noch immer drin, werden vom Management geschickt ausgenutzt.
Wenn man sich auf die Logik des Kapitals einlässt, dass Wachstum und maximale Profite Voraussetzung für alles andere sind, dann hat man sich schon dem Diktat des Kapitals unterworfen. Stolz verkündet VW-Chef Blume im oben genannten Interview mit der HAZ: „Das Ergebnis der Tarifverhandlungen liegt genau im Zielkorridor, um die Marke VW robust für die Herausforderungen der Zukunft aufzustellen.“ Die Beendigung der Produktion im Werk in Dresden, die unsichere Perspektive für das Werk in Osnabrück und die größeren Lasten, die im Werk Zwickau zu tragen sind, liegen dann wohl „genau im Zielkorridor“. Klaus Lang kritisiert das als „verheerende Ostvergessenheit“ auch der Politik: „Ein Manko des Kompromisses besteht darin, dass die VW-Standorte im Osten einen größeren Teil der Last zu tragen haben.“ (11)
Die besondere Mitbestimmung auf Grundlage des Volkswagengesetzes – das zu erläutern würde den Rahmen dieses Textes sprengen – hat nicht gewirkt bzw. reicht nicht aus bei solch erpresserischen Vorgehen des Kapitals. Das reicht vor allem deshalb nicht aus, weil das Land Niedersachsen sich mehr dem Unternehmensinteresse verpflichtet fühlt als den Interessen des Landes und den Interessen der Menschen im Betrieb und in den Kommunen. Die Landesregierung nutzt ihren Anteil am stimmberechtigten Kapital von Volkswagen und ihre zwei Mandate im Aufsichtsrat nicht, um strategische Entscheidungen zu beeinflussen. Ganz anders der Porsche-Piëch-Clan, der sich die Mehrheit ergaunert hat und diese brutal zur Vermehrung des eigenen Reichtums nutzt.
Wenn man sich, wie die Regierung und leider auch die IG Metall, auf die Logik und das Diktat des Kapitals einlässt, kommen Zukunftsbilder wie Wirtschaftsdemokratie, Arbeitszeitverkürzung statt Überstunden und Personalabbau oder eine Konversion der Produktion gar nicht erst zum Vorschein.
Die doppelte Katastrophe vor dem KollapsImmer mehr Autos können angesichts der Klimakatastrophe, der Verstopfung der Städte und der begrenzten Ressourcen nicht die Lösung sein. Helfen würde die Auflösung des Widerspruchs, dass einerseits in der Auto- und Zulieferindustrie wegen der Überkapazitäten Personalabbau und Werksschließungen anstehen, andererseits die Schienenfahrzeughersteller wegen zu geringer Kapazitäten mit der Lieferung von Triebwagen und Waggons nicht hinterherkommen. Dabei liegt die Lösung auf der Hand: Die Autoindustrie muss nicht weiter subventioniert werden (auch nicht durch Lohnverzicht), stattdessen muss kräftig in den ÖPNV investiert und die Kapazitäten für den Schienenfahrzeug- und Busbau müssen ausgebaut werden. Solche Konversion ist möglich, wie an den leider negativen Beispielen des schnellen Aufbaues von Rüstungsschmieden ablesbar ist. Tatsächlich gibt es Spekulationen darüber, dass Rheinmetall und andere Waffenproduzenten sich die Fabriken von Ford in Saarlouis, Conti in Gifhorn und Volkswagen in Osnabrück mit großem Interesse anschauen. Aber der Bedarf an anderen Produkten ist groß. Wärmepumpen statt Autoteile, Solarkollektoren statt Reifen, smarte Busse statt Panzer, Straßenbahnzüge statt SUV – das ist doch mindestens so schnell machbar wie die Produktion von Kriegsgerät. Die Konversion der Mobilitätsindustrie ist voraussetzungsvoll – es braucht einen gesellschaftlichen Konsens, politischen Willen und viel Geld für den Umbau. Mit der Schuldenbremse funktioniert das allerdings nicht und unter dem Diktat des Kapitals funktioniert es ebenfalls nicht. Der § 2 in der Satzung der IG Metall, gestützt auf die Artikel 14 und 15 unseres Grundgesetzes, ist doch mehr als eine ferne Erinnerung an die allgemein kapitalismuskritische Lage nach der Befreiung vom Faschismus: „Erringung und Sicherung des Mitbestimmungsrechtes der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen im Betrieb und Unternehmen und im gesamtwirtschaftlichen Bereich durch Errichtung von Wirtschafts- und Sozialräten; Überführung von Schlüsselindustrien und anderen markt- und wirtschaftsbeherrschenden Unternehmungen in Gemeineigentum.“ (12)
Um einen gesellschaftlichen Konsens zur Mobilitätswende zu erreichen, muss sich die Gesellschaft, müssen sich die relevanten Akteure von der Fixierung auf die Autoindustrie lösen. Die Krise mit Massenentlassungen und Werksschließungen macht die Perspektivlosigkeit dieser Fixierung deutlich. Die Aufgabe besteht darin, die Autoindustrie zu schrumpfen und gleichzeitig die Industrien auszubauen, die für den tatsächlichen gesellschaftlichen Bedarf und gegen die Klimakatastrophe produzieren. Strategische Industriepolitik auf Basis einer bedarfsorientierten Investitionsplanung wäre nötig für gute Arbeit und ein gutes Leben für alle. Wichtige Instrumente sind dabei Wirtschaftsdemokratie, Beteiligung der Arbeiterinnen und Arbeiter an den Entscheidungen und eine kollektive Arbeitszeitverkürzung in Richtung einer Drei- oder Vier-Tage-Woche, der kurzen Vollzeit für alle und Zeit für reproduktive Tätigkeiten. Es ist eine gesellschaftliche Aufgabe, für Beschäftigte in der Autoindustrie, deren Arbeitsplätze durch den notwendigen Umbau wegfallen, neue Arbeitsplätze zur Verfügung zu stellen. Der Übergang zu neuen Arbeitsplätzen muss durch einen Rechtsanspruch auf bezahlte Umschulung und soziale Garantien abgesichert werden. Das zusammen bedeutet eine Abkopplung vom Wachstumszwang, einen Ausstieg aus der globalen Konkurrenz, in der Menschen und Länder gegeneinander in Stellung gebracht werden.
Bertolt Brecht: Lob der Dialektik
Das Unrecht geht heute einher mit sicherem Schritt.
Die Unterdrücker richten sich ein auf zehntausend Jahre.
Die Gewalt versichert: So, wie es ist, bleibt es.
Keine Stimme ertönt außer der Stimme der Herrschenden.
Und auf den Märkten sagt die Ausbeutung laut:
Jetzt beginne ich erst.
Aber von den Unterdrückten sagen viele jetzt:
Was wir wollen, geht niemals.
Wer noch lebt, sage nicht: niemals!
Das Sichere ist nicht sicher.
So, wie es ist, bleibt es nicht.
Wenn die Herrschenden gesprochen haben,
Werden die Beherrschten sprechen.
Wer wagt zu sagen: niemals?
An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt? An uns.
An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird?
Ebenfalls an uns.
Wer niedergeschlagen wird, der erhebe sich!
Wer verloren ist, kämpfe!
Wer seine Lage erkannt hat, wie soll der aufzuhalten sein?
Denn die Besiegten von heute sind die Sieger von morgen,
Und aus Niemals wird: Heute noch!
_________________
Quellen
1 HAZ-Gespräch mit Oliver Blume, 22. Januar 2025
4 https://www.igmetall.de/tarif/tarifloehne-sind-nicht-das-problem
5 https://www.igmetall.de/im-betrieb/vw-sparkurs-standortschliessungen-und-stellenabbau-drohen
6 BR-Vorsitzender Daniel Cavallo, https://www.igmetall.de/metallzeitung-epaper/januar-februar-2025/#8
10 https://www.igmetall.de/im-betrieb/vw-sparkurs-standortschliessungen-und-stellenabbau-drohen
11 Express – Zeitung für sozialistische Betriebs- und Gewerkschaftsarbeit 1-2025, https://www.express-afp.info/
Sauerland-Bücher: Antifaschismus – Frieden – Gerechtigkeit
Trumps Ukraine-Plan geleakt & Israels Agenda zum Waffenstillstand | Col. Wilkerson
Trumps Ukraine-Plan geleakt & Israels Agenda zum Waffenstillstand | Col. Wilkerson.
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CDU/CSU-Anträge: Rechtswidrig, populistisch, europafeindlich und demokratiegefährdend
Rentenversicherung in China: Rentenalter erhöht. Aber Absicherung im Alter nur für eine Minderheit
Falls sie überhaupt davon Notiz genommen haben, dürften sich jetzige und künftige Rentner in Deutschland über die gerade in China verkündete Rentenreform gewundert haben. Dort hat die Regierung, der Staatsrat beschlossen, dass das gesetzliche Rentenalter ab 2025 von derzeit 55 Jahren für angestellte Frauen (50 für Arbeiterinnen) und 60 für Männer schrittweise auf 63 Jahre angehoben wird. Auch nach der Anhebung des Rentenalters, der ersten Reform seit fast 70 Jahren, ist China mit einer ähnlichen Lebenserwartung wie in Westeuropa in puncto Rentenalter immer noch ein Arbeitnehmerparadies. Das gilt zumindest für die meisten Beschäftigten in den Städten.
Aber es gibt krasse Unterschiede zwischen den Beschäftigten, die als Stadtbewohner registriert sind, und den etwa 300 Millionen Arbeitsmigranten oder Wanderarbeitern, die schon viele Jahre in den Städten arbeiten und leben, aber offiziell immer noch Landbewohner sind Schließlich lebt ein Drittel der Bevölkerung oder ca. 450 Millionen Menschen immer noch auf dem Land. Ein Beispiel für die Unterschiede zwischen Stadt und Land bzw. mit städtischem oder ländlichem Hukou, also der Registrierung als Stadtbewohner bzw. als Landbewohner: Über 60% der Frauen mit städtischem Hukou gehen mit 50 bzw. 55 Jahren in Rente. Von den Frauen, die formal auf dem Land registriert sind, dagegen nur 30%. Hauptgrund dafür sind die unterschiedlichen Rentenansprüche ("Challenges and concerns surrounding China's retirement age reform”, China Labour Bulletin, 12.7.24, unter: clb.org.hk).
Einige Arbeiter schlugen nach der Ankündigung der Regierungsentscheidung in den sozialen Medien vor, das Rentenalter für Angestellte gleich auf 80 (!) Jahre zu erhöhen. Für Arbeiter dagegen sollte es generell auf 50 abgesenkt werden. Denn ein Arbeiter über 45 würde nur noch schwer einen Job finden, bei dem der Arbeitgeber auch für die Rentenversicherung zahlt. Arbeiter besonders im prekären Jobs sind gegen die Anhebung des Rentenalters, weil sie länger arbeiten und mehr in die Rentenversicherung einzahlen müssen. Sie befürchten, dass ihre Rentenansprüche nicht sicher sind.
Von Maos Barfußärzten und der “eisernen Reisschüssel” zur MarktwirtschaftZu Zeiten Maos bis Ende der 70er Jahre gab es für Arbeiter, Angestellte und Staatsbeamte in den Städten die sogenannte “eiserne Reisschüssel” mit lebenslanger Beschäftigung und garantierten Renten. Sie mussten keine Sozialabgaben zahlen und gingen mit Erreichung des Rentenalters in Rente, die auch die medizinische Versorgung umfasste.
Auf dem Land war nach der Kollektivierung der Landwirtschaft in den 50er Jahren die kooperative medizinische Versorgung ein Grundpfeiler der sozialen Sicherung: Sie kombinierte kollektive Ressourcen und Beiträge der Landbevölkerung für eine medizinische Grundversorgung und erreichte Ende der 1970er Jahre eine umfangreiche Abdeckung. Das System der »Fünf Garantien« leistete eine soziale Grundversorgung für alle Landbewohner, damit sie nicht durch das soziale Netz fielen. Die »Fünf Garantien« beinhalteten die Versorgung mit Nahrungsmitteln, Kleidung, Unterkunft, die medizinische Versorgung und die Kosten für eine Beerdigung. Die kollektiven Strukturen der Landwirtschaft hatten eine wichtige Schutzfunktion und erleichterten die Bereitstellung von öffentlichen Gütern. Der Staat und die öffentliche Verwaltung spielten in diesem subsidiär organisierten System nur eine begrenzte Rolle.
Die Ende der 70er Jahre begonnenen Wirtschaftsreformen von Deng Xiaoping – die Einführung der Marktwirtschaft, die Zulassung von Privatunternehmen und die Öffnung für ausländisches Kapital, die Privatisierung der Landwirtschaft und die Lohnarbeit auf Basis von Arbeitsverträgen – erschütterten die Grundlagen der bisherigen Systeme der sozialen Sicherung.
In den Städten, der Machtbasis der Kommunistischen Partei, ließ die Regierung die soziale Sicherung nicht einfach zusammenbrechen. Ihre Institutionen bestanden fort, aber funktionierten immer schlechter. Die Versicherung der Arbeiter erfasste nur den öffentlichen Sektor. Mit dem Aufstieg der Privatwirtschaft führte das zu sinkendem Versicherungsschutz der städtischen Bevölkerung. Denn Beschäftigte in Privatunternehmen waren in der Regel nicht versichert, was diesen einen erheblichen Kostenvorteil gegenüber dem Staatssektor verschaffte. Staatsunternehmen und genossenschaftliche Unternehmen beklagten zudem die ungleiche Verteilung der Kosten der sozialen Sicherung, weil es kein überbetriebliches Pooling gab: Schon lange existierende Firmen mit älteren Belegschaften hatten höhere Aufwendungen für Renten und medizinische Versorgung als jüngere Unternehmen. (Thomas Heberer/Armin Müller: “Chinas gesellschaftliche Transformation“, Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung, 2017, abrufbar unter: fes.org)
In den 1990er Jahren erfüllten auch immer weniger staatliche Unternehmen die zugesagten Versicherungsleistungen. Unter dem Diktat des Marktes und mit betriebswirtschaftlichen Kennzahlen wurde Chinas Staatssektor mit harter Hand saniert. Unzählige Staatsbetriebe wurden geschlossen, andere wurden fusioniert mit dem Ziel, auf dem Weltmarkt konkurrenzfähige Konzerne zu entwickeln. Ca. 40 (!) Millionen Beschäftigte im Staatssektor wurden freigesetzt. Damals gab es in China keine Arbeitslosenversicherung und kein System der Sozialhilfe.
U.a. mit Anleihen bei europäischen Systemen der Sozialversicherung und mit verschiedenen regionalen Experimenten entwickelte die chinesische Regierung dann bis zur Jahrtausendwende ein von Arbeitgebern und Arbeitnehmern finanziertes Sozialversicherungssystem, das in erster Linie Arbeiter und Angestellte mit Arbeitsverträgen in den Städten erfasste. Neben der Rentenversicherung umfasst die Sozialversicherung auch die Krankenversicherung, die Arbeitslosenversicherung, den Schutz bei Invalidität und Unfällen. Die Rentenfonds werden bis heute meist auf Provinzebene verwaltet.
Dieses System erreichte allerdings bei weitem nicht alle Einwohner, die als Städter registriert sind. Die Implementierung konzentrierte sich zunächst auf den öffentlichen Sektor, während private Unternehmen bei der Einführung zögerlicher waren. Die vielen Millionen Arbeitsmigranten, die nach der Privatisierung der Landwirtschaft und nach der Aufhebung der strikten Zuzugskontrollen in die Städte strömten, waren nur teilweise in die Sozialversicherung integriert. Sie hatten oft Schwierigkeiten, die ihnen zustehenden Leistungen auch wirklich zu bekommen.
Heute gehen die meisten städtischen Beschäftigten mit Erreichung des Rentenalters auch in Rente. Viele nehmen auch die Frühverrentung in Anspruch – entweder aus gesundheitlichen Gründen oder aufgrund gefährlicher Arbeitsbedingungen (was nach verschiedenen Studien sehr lax ausgelegt wird). Auch im Rahmen von Personalabbau-Programmen der Staatsunternehmen wurde eine Frühverrentung angeboten.
Die durchschnittliche Rente lag 2023 für Chinesen, die als Stadtbewohner registriert sind, bei monatlich 3.300 RMB. Das ist auskömmlich angesichts der Tatsache, dass die meisten Wohneigentum haben. Beschäftigte staatlicher Institutionen erhalten deutlich höhere Renten – über 7.000 RMB monatlich.
Auf dem Land nur geringe steuerfinanzierte Basisrente, aber KrankenversicherungAuf dem Land wurde mit der Privatisierung, mit dem System der sogenannten Haushaltsverantwortung, die kollektive Landwirtschaft aufgegeben. Familien bewirtschaften heute die ihnen zugeteilten Parzellen, die formell weiter im Kollektivbesitz sind. Die Privatisierung verlieh der landwirtschaftlichen Produktion einen gewaltigen Schub, setzte gleichzeitig aber viele Millionen Arbeitskräfte frei. Die Privatisierung senkte auch die Fähigkeit ländlicher Regierungs- und Parteiorgane, für die soziale Sicherung zu sorgen. Mit dem Ausbleiben finanzieller und politischer Unterstützung durch die höheren Staatsebenen brach das System der medizinischen Versorgung auf breiter Front zusammen. Denn das System der »Fünf Garantien« war stark von der Lage der kommunalen Haushalte in Dörfern und Gemeinden abhängig. Die Familie wurde wieder der Garant der sozialen Sicherung, was zunächst durch steigende ländliche Einkommen gestützt wurde.
Aber in den 1990er Jahren wurde immer deutlicher, dass die Familien damit überfordert waren. Viele Alte in den Dörfern waren vom Altersarmut bedroht. Krankheit war die häufigste Ursache der Verarmung ländlicher Haushalte.
Der Aufbau neuer Versicherungssysteme auf dem Land wurde zunächst unter der Maßgabe finanzieller Subsidiarität betrieben, also was sich die Kommunen und Dörfer leisten konnten. Das war aber kein Konzept, um die zunehmende Verarmung der Landgebiete zu stoppen. Es waren Chinas Bauern, die durch ihre Arbeit, ihr Mehrprodukt die Grundlagen für den neuen Reichtum in den Küstenregionen, für das Entstehen einer neuen riesigen Mittelschicht und für Chinas Millionäre und Milliardäre geschaffen hatten. Eindrucksvoll ist die Darstellung der Lage der Bauern in dem Buch von Chen Guidi und Wu Chuntao: “Zur Lage der chinesischen Bauern “ (Frankfurt 2006).
Das erste große Programm war die neue kooperative Krankenversicherung, deren Implementierung 2003 begann und bis 2008 in allen Landkreisen Chinas erfolgt war. Offizielles Ziel war die Bekämpfung krankheitsbedingter Armut. Vor allem sollten finanzielle Schocks aufgrund schwerer Erkrankungen und von Krankenhausaufenthalten abgefedert werden. Durch einen ländlichen Hukou, die Bescheinigung, Bewohner in einem bestimmten Dorf zu sein, war die Mitgliedschaft in der kooperativen Krankenversicherung gegeben.
Der Aufbau einer ländlichen Rentenversicherung startete 2009. Die Rentenversicherung für die Landgebiete besteht zum einen aus einer Basisrente, die vor allem aus Steuern finanziert wird, und aus individuellen Rentensparkonten. Auf die Rentensparkonten werden individuelle Beiträge, kollektive Unterstützungszahlungen sowie Zuschüsse der Lokalregierungen eingezahlt. Die ländliche Rentenversicherung war zunächst als Ergänzung zur Absicherung durch Familie, die Bewirtschaftung des kollektiven Bodens und die Sozialhilfe gedacht. Das Mindestniveau der Basisrente wurde 2009 bei monatlich 55 RMB festgelegt, umgerechnet etwa 8 €, weit unter den Lebenshaltungskosten auch auf dem Land. 2023 lag die Durchschnittsrente auf dem Land bei 173 RMB monatlich. Den ländlichen Versicherungssystemen folgten jeweils städtische Varianten. Die sollen die von der Sozialversicherung für Arbeitnehmer nicht erfassten Stadtbewohner abdecken, also Familienmitglieder ebenso wie Beschäftigte im privaten oder informellen Sektor.
Es gibt also ein landesweites System einer sehr niedrigen Basisrente, das nicht nur die Menschen auf den Dörfern umfasst. Die Basisrente gilt auch für die Beschäftigten im informellen im privaten Sektor und auch für die Arbeitsmigranten, sofern sie keinen Anspruch auf die viel höhere städtische Rente haben.
Wanderarbeiter: ohne Arbeitsvertrag kein Anspruch auf gesetzliche RenteDie meisten Arbeitsmigranten sind froh, wenn sie einen Arbeitsvertrag haben und in Betrieben arbeiten, die in das Sozialversicherungssystem einzahlen. Denn dann haben sie nach 15 Jahren Zahlungen in die Rentenkasse einen Rentenanspruch bei Erreichung des gesetzlichen Rentenalters. Aber sie haben wenig Informationen darüber, wie die Arbeitnehmer- und Arbeitgeberbeiträge kalkuliert sind, welche Rente sie erhalten und wie sie ihre künftige Rente maximieren können. Die meisten zahlen nur den Mindestbeitrag. Da es in der Regel keine Tarifverhandlungen auf Unternehmens- oder Betriebsebene gibt, können auch keine höheren Arbeitgeberbeiträge ausgehandelt werden.
Nach Daten des Ministeriums für soziale Sicherheit von 2017 waren Arbeitsmigranten nicht angemessen in der städtischen Rentenversicherung repräsentiert. Weniger als ein Viertel der Arbeitsmigranten landesweit zahlten selbst und über ihre Arbeitgeber Beiträge in die städtische Rentenversicherung ein, die ein viel höheres Leistungsniveau hat als die Basis-Rentenversicherung.
Denn die meisten Arbeitsmigranten haben keinen Arbeitsvertrag. Das bedeutet, dass die Arbeitgeber nicht zu ihrer Rentenversicherung beitragen müssen und dass ihre Arbeitsjahre nicht zählen für die mindestens 15 Jahre Beitragszahlung, damit ein Anspruch auf die gesetzliche Rente besteht. Nach Daten von 2017 des Nationalen Statistikbüros (seitdem gibt es keine Daten mehr) hatten überhaupt nur 35% der Arbeitsmigranten einen Arbeitsvertrag.
Im Bausektor ist das Problem besonders akut. Bis zur Immobilienkrise, die seit 2021 auf der Volkswirtschaft lastet, war der Bausektor ein wesentlicher Treiber für den Arbeitsmarkt, gerade auch für ungelernte und angelernte Arbeiter. Das ist jetzt vorbei. Informelle Arbeit ist weit verbreitet, die meisten Arbeiter haben keine Arbeitsverträge. Viele müssen sich als Tagelöhner verdienen, die morgens an den Ausfallstraßen auf die LKWs der Baufirmen warten und verzweifelt nach Arbeit suchen. Die Unternehmer können die Löhne drücken und sparen sich die Sozialabgaben. Diese prekären und informellen Jobs haben keinerlei gesetzlichen Schutz. Viele Arbeitsmigranten arbeiten über das gesetzliche Rentenalter hinaus, weil sie nur minimale Rentenansprüche haben. 2020 lag der durchschnittliche Rentenanspruch bei 173 RMB pro Monat, während die Beschäftigten in den Städten durchschnittlich 3.300 RMB pro Monat als Rente kassierten.
Auch die Beschäftigten in Chinas wachsenden Dienstleistungssektor, besonders in der Plattform-Ökonomie, werden vom gegenwärtigen System der Sozialversicherung praktisch nicht erfasst. Nach Schätzungen soll es inzwischen bis zu 200 Millionen Arbeitnehmer in diesem Sektor geben. Vergleichbar den Wanderarbeitern arbeiten diese flexiblen Beschäftigten meist ohne Arbeitsvertrag. Sofern sie einen Arbeitsvertrag haben, zahlen die Arbeitgeber nicht in die Rentenkasse ein. Nach Daten der International Labour Organisation ILO halbierte sich von 2018 bis 2021 die Zahl der Beschäftigten der Lieferdienste mit Arbeitsvertrag auf nur noch 20%, während die Zahl der Lieferkuriere ohne jeden Vertrag auf 42% angestiegen war. Auch nach einer Studie über die soziale Absicherung der Plattform-Arbeiter in den Städten Peking, Chengdu und Hangzhou waren nur 20% über den Arbeitgeber rentenversichert.
Altersarmut programmiert?Aufgrund der enormen Unterschiede bei den Rentenansprüchen ist klar, dass viele Arbeiter und Angestellte in den Städten weit über das Rentenalter von jetzt 60 Jahren (für Männer) hinaus arbeiten müssen. Sie erhalten zwar eine Rente, aber die ist minimal.
Aber weil sie über das Rentenalter hinaus arbeiten, können sie nach dem Gesetz keine Arbeitsverträge mehr abschließen. Diese Widersprüche in der Gesetzgebung sind gut für die Arbeitgeber: Ohne Arbeitsvertrag sind sie nicht verpflichtet, Sozialversicherungsabgaben zu zahlen. Die Betroffenen müssen mit Dienstleistungsverträgen auf Baustellen, als Sicherheitskräfte oder als Putzkräfte arbeiten. 2024 haben verschiedene chinesische Städte die Altersgrenze für Taxifahrer auf 65 angehoben. Noch zwei Jahre vorher sollten Taxifahrerinnen in Sichuan schon ihre Lizenz verlieren, wenn sie 50 wurden. Jedenfalls können diese älteren Taxifahrer*innen keine Arbeitsverträge mehr abschließen, weil sie das Rentenalter erreicht haben. Das gleiche Problem hatten die älteren Putzkräfte in der U-Bahn von Shenyang: Sie konnten nicht mehr in die Rentenversicherung einzahlen, wenn sie 50 oder älter waren. Die U-Bahn-Gesellschaft erklärte, man wolle Rentenbeiträge zahlen, dürfe es nach dem Gesetz aber nicht.
Auch die gegenwärtig schwierige Wirtschaftslage in China beeinflusst die Rentenzahlungen und damit die künftigen Rentenansprüche. Das China Labour Bulletin mit Sitz in Hongkong berichtet immer wieder von Fällen besonders aus dem Perlfluss-Delta, der größten Fabrik-Konzentration weltweit. Firmen zahlen jahrelang keine Rentenbeiträge – manchmal mit stillschweigender Duldung der zuständigen Regierungsbehörden. Erst bei der Fabrikschließung und Verlagerung z.B. nach Indonesien kommt der massive Sozialbetrug heraus. Als die betroffenen Beschäftigten das lokale Arbeitsamt der Stadtregierung kontaktierten, mussten sie feststellen, dass die nationalen Gesetze zur Sozialversicherung auf der lokalen Ebene nicht umgesetzt werden. Bei einer anderen Fabrikschließung im Perlfluss-Delta wurden die Beschäftigten vor die Alternative gestellt, entweder auf die noch ausstehenden Löhne zu verzichten oder auf die Arbeitgeberbeiträge zur Rentenversicherung.
Angesichts der aktuell schwierigen Wirtschaftslage in China kürzen viele Beschäftigte selbst ihre Beiträge zur Rentenversicherung und zahlen nur noch den Mindestbeitrag. Oder sie zahlen nur so lange Beiträge, bis sie nach 15 Jahren Beitragszahlung die Mindestrente erreicht haben. In der Privatwirtschaft ist die Beitragszahlung auch bei abhängig Beschäftigten Privatsache, wird also nicht vom Arbeitgeber erledigt. Viele Selbständige oder z.B. Lieferkuriere der Plattform-Ökonomie zahlen überhaupt keine Beiträge mehr zur Sozialversicherung oder nur noch für die Basis-Krankenversicherung. Sie überlegen, wieder Beiträge zur Sozialversicherung zu zahlen, wenn sie es sich leisten können. Das bedeutet, dass weitere Millionen Beschäftigte in den Städten gar keine oder nur eine winzige Rente bekommen werden, während die meisten Städter gut abgesichert in die Rente gehen.
Wirksame Alterssicherung derzeit nur für eine MinderheitEine effektive, staatlich garantierte Alterssicherung bleibt einer Minderheit in China vorbehalten. Gesellschaftlich wirkt dieses System damit eher regressiv als progressiv, es erhöht die soziale Ungleichheit. Die Expansion der sozialen Sicherungssysteme seit über 20 Jahren hat zwar dafür gesorgt, dass der allergrößte Teil der Bevölkerung zumindest eine kleine Absicherung für das Alter und gegen die Folgen von Krankheit, Unfällen etc. hat. Doch die Absicherung ist in ihrem Umfang beschränkt. Ein effektives Sozialsystem aufzubauen, ist eine der zentralen Herausforderungen für die Transformation des chinesischen Wirtschaftssystems und für die gesellschaftliche Entwicklung der kommenden Jahrzehnte.
Allein das Rentenalter zu erhöhen, löst nicht die Probleme der Rentenversicherung. Aufgrund ihrer schwierigen wirtschaftlichen Lage sind hunderte Millionen Chinesen in den Städten und auf dem Land derzeit gezwungen, auch nach dem Eintritt in das Rentenalter weiterzuarbeiten. Ob das gesellschaftlich erwünscht und notwendig ist, ist die eine Frage. Die andere ist offensichtlich, wie das Rentensystem – trotz der volkswirtschaftlichen Beschränkungen, die noch kein allgemein höheres Rentenniveau ermöglichen – unter Einbeziehung der Beschäftigten und der Gewerkschaften so gestaltet werden kann, dass es transparenter und egalitärer wird.
Derzeit wird von der chinesischen Regierung nach US-amerikanischen Modell auch eine staatlich geförderte kapitalgedeckte Rente als sogenannte dritte Säule der Rentenversicherung propagiert. Sie sei besonders geeignet für kleine Unternehmen und Selbstständige. Die erste Säule umfasst die Rentenversicherung für die Stadtbewohner und die steuerfinanzierte Basisrente für die Landgebiete. Die zweite Säule ist eine von Arbeitgebern (und Arbeitnehmern) finanzierte Betriebsrente.
Aber wie Chinas früherer Finanzminister Lou Jiwei in einer Rede kürzlich zugeben musste, haben Experimente in reichen Küstenprovinzen mit Finanzprodukten für kapitalgedeckte Renten noch nicht den von der Regierung erwünschten Zuspruch gefunden. Das mag auch daran liegen, dass die versprochenen Vorteile bei der Steuer irrelevant sind, weil die meisten Chinesen ohnehin keine oder kaum Einkommensteuer zahlen. Seit Ende 2024 wird das System landesweit eingeführt. Immerhin sollen inzwischen 60 Millionen Chinesen in eine kapitalgedeckte Rente investieren. Der Markt ist so riesig, dass auch die Allianz dabei ist.
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