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Die Federal Reserve scheitert

ISW München - Sa, 03/08/2024 - 06:37

Die US-Notenbank  (FED) verzichtete Ende Juli auf eine Senkung ihres Leitzinses von dem derzeitigen Höchststand von 5,25-5,5 %. 
Dies geschah, obwohl sie feststellte, dass sich die US-Wirtschaft abkühlte, die Arbeitslosigkeit zu steigen begann und die Wirtschaftstätigkeit sich abschwächte.



Das Problem für die Fed bestand wie immer darin, einerseits die Kreditkosten hochzuhalten, um die Inflation einzudämmen, und andererseits dem Risiko entgegenzuwirken, dass die hohen Kreditkosten dazu führen, dass die Haushalte ihre Ausgaben kürzen und die Unternehmen ihre Investitionen und die Beschäftigung zurückfahren.

Die Fed hat wie andere Zentralbanken in den großen Volkswirtschaften ein willkürliches (und ziemlich sinnloses) Inflationsziel von 2 % pro Jahr; im Gegensatz zu anderen Zentralbanken hat sie jedoch ein "doppeltes Mandat", nämlich zu versuchen, die Beschäftigung und das Wirtschaftswachstum zu erhalten und gleichzeitig die Inflation zu senken. 
Kann die Fed dieses doppelte Mandat erfüllen?
Die Fed behauptet gerne, dass sie es schaffen wird; auch unter den führenden Wirtschaftswissenschaftlern herrscht Einigkeit darüber, dass sie dieses "Goldlöckchen-Szenario" von niedriger Inflation und Arbeitslosigkeit bei gleichzeitig mäßig solidem Wirtschaftswachstum erreichen wird.

Aber wenn das doppelte Mandat erreicht wird, wird das nicht an der Zinspolitik der Fed liegen.  Wie ich bereits mehrfach dargelegt habe, steuert die Geldpolitik angeblich die "Gesamtnachfrage" in einer Volkswirtschaft, indem sie die Kreditaufnahme für Ausgaben (sei es für Konsum oder Investitionen) teurer oder billiger macht.  Doch die Erfahrung mit dem jüngsten Inflationsschub seit dem Ende der Pandemiekrise im Jahr 2020 ist eindeutig:

 Die Inflation stieg aufgrund der geschwächten und blockierten Lieferketten und der langsamen Erholung der verarbeitenden Industrie an, nicht aufgrund einer "übermäßigen Nachfrage", die entweder durch eine staatliche Ausgabenwut oder "übermäßige" Lohnerhöhungen oder beides verursacht wurde.
 
Und die Inflation begann zu sinken, sobald die Energie- und Nahrungsmittelknappheit und die Preise nachließen, die Blockaden in den globalen Lieferketten abgebaut wurden und die Produktion wieder anlief. 
Die Geldpolitik hatte mit diesen Bewegungen wenig zu tun.

Und entgegen den Hoffnungen und Erwartungen des Fed-Vorsitzenden Jay Powell und aller Mainstream-Ökonomen gibt es in der US-Wirtschaft Tendenzen, die darauf hindeuten, dass das doppelte Mandat wahrscheinlich nicht erreicht werden wird. 
Erstens bleibt die Inflation "hartnäckig", d. h. sie liegt deutlich über der angestrebten Jahresrate von 2 %.  Die Fed misst die US-Inflation gerne anhand des Preisindexes für die persönlichen Konsumausgaben (PCE).  Dabei handelt es sich um ein kompliziertes Maß, das die Produktionspreise sowie die Energie- und Lebensmittelpreise ausschließt - kaum ein genaues Maß für den Preisanstieg bei der Mehrheit der Amerikaner!
Dennoch liegt der PCE-Kernpreisindex derzeit bei 2,6 % und damit unter dem Höchstwert von 5,6 % im Jahr 2022, aber immer noch deutlich über 2 % und der Rate für 2019.

 

Die Gesamtinflationsrate der Verbraucherpreise ist viel höher als die Messung der Fed. 
Sie liegt derzeit bei 3,0 % und damit unter dem Höchstwert von 9 % im Jahr 2002, aber immer noch einen vollen Prozentpunkt über dem illusorischen Ziel der Fed und doppelt so hoch wie die Rate im Jahr 2019.

 

 

Und wie zu sehen ist, scheint der Verbraucherpreisindex bei 3 % zu verharren, ohne dass es trotz der optimistischen Äußerungen der Mainstream-Ökonomen Anzeichen für einen weiteren Rückgang gibt.  Die Gründe dafür liegen für mich auf der Hand.  Erstens ist die Inflation, wie ich schon früher und weiter oben dargelegt habe, nicht auf eine "übermäßige Nachfrage" zurückzuführen, sondern auf ein schwaches Angebot, d. h. ein geringes Produktivitätswachstum und hohe Rohstoffpreise.  Zweitens sind die Preise vieler Produkte in der US-Wirtschaft in den letzten zwei Jahren stark gestiegen, was sich anscheinend nicht in den offiziellen Preisangaben niederschlägt.

Dazu gehören insbesondere die stark gestiegenen Wohnkosten, Kranken- und Kfz-Versicherungen.  In einem kürzlich erschienenen FT-Artikel wird eingeräumt: "Beide sind zum Teil ein Produkt der pandemischen Angebotsschocks - verringerte Bautätigkeit und ein Mangel an Fahrzeugteilen -, die immer noch durch die Lieferkette sickern. In der Tat sind die teureren Kfz-Versicherungen jetzt ein Produkt des früheren Kostendrucks bei Fahrzeugen. Die Nachfrage ist nicht das zentrale Problem; hohe Tarife können nur wenig ausrichten."

 

Es gibt noch ein weiteres Maß für die Inflation in der US-Wirtschaft, den so genannten "Sticky Price Consumer Price Index" (SCPI), der auf der Grundlage einer Untergruppe von Waren und Dienstleistungen berechnet wird, die im VPI enthalten sind und deren Preise sich relativ selten ändern, so dass sie von Nachfrageänderungen kaum betroffen sind.  Dieser Index zeigt erneut eine viel höhere Inflationsrate an, die derzeit bei 4,2 % im Jahresvergleich liegt und damit dreimal so hoch ist wie Anfang 2021.

US-Inflation bei "hartnäckigen" Preisen

Dieses Maß deutet darauf hin, dass die Inflation in der Wirtschaft verankert ist und die Unternehmen jede Gelegenheit nutzen, um die Preise zu erhöhen, aber keine Gelegenheit, sie zu senken.  Vergessen Sie nicht, dass die amerikanischen Haushalte in den letzten drei Jahren einen durchschnittlichen Preisanstieg von 20 % bei den von ihnen gekauften Waren und Dienstleistungen hinnehmen mussten - die derzeitige Verlangsamung der Inflation bedeutet also nichts anderes, als dass die Preise zwar immer noch enorm steigen, aber nicht mehr so schnell. Diese Preisinflation hat die Realeinkommen der meisten Amerikaner in den letzten Jahren aufgefressen, so dass sich der Lebensstandard verschlechtert hat, auch wenn alle eine Arbeit haben (meist eine schlecht bezahlte im Dienstleistungsbereich).

Im Gegensatz zu dem, was die Fed sagt, ist der "Krieg gegen die Inflation" also noch nicht gewonnen.  Infolgedessen hat die Fed ihren Leitzins noch immer nicht gesenkt.  Der hohe Leitzins der Fed sorgt jedoch dafür, dass die Kreditzinsen hoch bleiben, was sich auf die Gewinne vor allem kleiner Unternehmen auswirkt, die häufig Kredite aufnehmen müssen, um zu investieren und Arbeitsplätze zu schaffen, sowie auf die Kreditkarten- und Hypothekenzinsen der Haushalte.

Dies wirft die Frage auf, ob die US-Wirtschaft wirklich vorankommt und somit einen Abschwung vermeiden kann, der durch den Druck auf die Gewinne aufgrund der hohen Zinssätze verursacht wird.  Die jüngste Vorausschätzung des realen BIP-Wachstums in den USA für das zweite Quartal dieses Jahres, das von 1,4 % im ersten Quartal auf 2,8 % im Jahresvergleich gestiegen ist, wurde viel beachtet.  Doch diese Schlagzeile hat viele Schwachstellen.

Erstens handelt es sich um eine "annualisierte" Rate, was bedeutet, dass der vierteljährliche Anstieg des realen BIP im zweiten Quartal in Wirklichkeit nur 0,7 % betrug.  Zweitens enthält die Gesamtrate wichtige Beiträge aus den folgenden Bereichen: Gesundheitsdienstleistungen (0,45 Prozentpunkte), Vorräte (0,82 Prozentpunkte) und Staatsausgaben (0,53 Prozentpunkte).  Die Gesundheitsdienstleistungen sind eigentlich ein Maß für die steigenden Kosten der Krankenversicherung und nicht für eine bessere Gesundheitsversorgung, und diese Kosten sind in den letzten drei Jahren in die Höhe geschnellt.  Unter Vorräten versteht man Bestände an unverkauften Waren, mit anderen Worten: Produktion ohne Verkauf; und die Staatsausgaben dienten hauptsächlich der Rüstungsproduktion, was kaum einen produktiven Beitrag darstellt.

Wenn man all diese Komponenten ausklammert und die so genannten "realen Endverkäufe an private inländische Käufer" betrachtet, ein besseres Maß für die US-Wirtschaftstätigkeit, dann gab es keine Verbesserung gegenüber dem schwachen ersten Quartal.  Tatsächlich lag das Wachstum der realen Endverkäufe in der ersten Hälfte dieses Jahres bei Null, verglichen mit rund 2 % im gesamten Jahr 2023.

Und die Verkäufe an die Verbraucher waren besser als das Wachstum des realen persönlichen Einkommens. 
Im Durchschnitt verzeichnen die amerikanischen Haushalte nach zwei Jahren des Rückgangs der Realeinkommen jetzt nur einen sehr geringen Anstieg.  Das real verfügbare persönliche Einkommen (das ist das Einkommen, das den Menschen nach Abzug von Inflation und Steuern zur Verfügung steht) stieg auf Jahresbasis nur um 1 % und damit langsamer als im ersten Quartal.

Kein Wunder, dass die Stimmung der US-Verbraucher auf den niedrigsten Stand seit acht Monaten gefallen ist. 
Der von der University of Michigan ermittelte Index der Verbraucherstimmung erreichte im Juli einen Wert von 66,4 und damit den niedrigsten Stand seit November. Die etablierten Wirtschaftswissenschaftler, die davon ausgehen, dass die Verbraucherausgaben und -einkommen boomen, sind darüber verwundert und sprechen von einer "Vibecession".  Die amerikanischen Haushalte scheinen nicht zu erkennen, dass es ihnen sehr gut geht!  Aber "die hohen Preise drücken weiterhin auf die Stimmung, vor allem bei denjenigen, die über ein geringeres Einkommen verfügen", so Joanne Hsu, die Leiterin der Umfrage in Michigan. Das ist die Verbraucherfront. 

An der Produktionsfront sieht es nicht viel besser aus.  Die Saison der Unternehmensgewinne in den USA hat begonnen, und es gab durchweg schlechte Nachrichten, insbesondere von den Mega-Tech- und Social-Media-Unternehmen, die den US-Aktienmarkt dominieren und den Großteil der Gewinne im Unternehmenssektor einfahren.

Vier der so genannten "Magnificent Seven", die in den letzten neun Monaten die US-Börsenrallye angetrieben haben, https://thenextrecession.wordpress.com/2024/04/07/from-the-magnificent-seven-to-the-desperate-hundred/

beendeten die Woche mit Kursverlusten von mehr als 10 Prozent gegenüber den jüngsten Höchstständen im "Korrekturbereich".  Zwei weitere - Microsoft und Amazon - stehen kurz vor den zweistelligen Kursverlusten, die eine Korrektur definieren.  Von den glorreichen Sieben zu den gebrochenen Fünf!

Big Tech hat sich voll auf die zu erwartenden riesigen Gewinne aus der KI festgelegt.  Sie haben Investitionen in noch nie dagewesenem Umfang getätigt und sind damit zum Haupttreiber der Unternehmensinvestitionen in der US-Wirtschaft geworden.  Microsoft hat erklärt, dass "wir in diesem Jahr einen erheblichen Anstieg der Investitionsausgaben erwarten" und dass "die kurzfristige KI-Nachfrage unsere verfügbaren Kapazitäten ein wenig übersteigt". Amazon sagt, die starke Nachfrage nach Cloud-Diensten und KI bedeute, dass das Unternehmen seine Investitionsausgaben "deutlich erhöhen" werde. Meta sagt, dass KI sowohl in diesem Jahr als auch bis 2025 zu höheren Investitionen führen wird. Allerdings werden Zweifel an der schnellen Realisierung höherer Gewinne durch KI laut, und wenn Big Tech beginnt, seine Ausgaben zu kürzen, wird sich dies auch auf die Wirtschaft der Unternehmen auswirken.  Es wird vermehrt von einem "Tail Risk" für den Aktienmarkt gesprochen.

Kommt noch mehr dazu?

 

Auch die Aktienkurse des Zustelldienstes UPS, der oft als Indikator für die Wirtschaft im Allgemeinen gilt, fielen um 12 %, nachdem UPS seine Prognosen für den Rest des Jahres zurückgenommen hatte.  Seit dem Ende der Pandemie gab es einen enormen Anstieg der Investitionen in Transportausrüstung, um den Anstieg der weltweiten Produktion zu bewältigen.  Diese Entwicklung scheint sich jedoch ihrem Ende zu nähern.

 

 

Zur Beschäftigung

Was die Beschäftigung anbelangt, so zeichnet sich auch hier das Gesamtbild eines schwächeren Beschäftigungswachstums und einer steigenden Arbeitslosigkeit ab.  Die ADP-Daten zeigen, dass die Zahl der Beschäftigten in kleinen Unternehmen mit 20 bis 49 Mitarbeitern im Jahresvergleich um 88.000 abgenommen hat. Und die Tendenz ist bei allen Unternehmen außer den sehr großen negativ.

Die Dynamik der Wirtschaftstätigkeit schwächt sich ab.

 

 

Tatsache ist, dass die US-Wirtschaft unter den führenden G7-Volkswirtschaften zwar am besten abschneidet, aber nicht in Fahrt kommt. https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5260-eine-sanfte-landung-oder-ein-faules-ei-a-soft-landing-or-curates-egg


Dennoch ist die Situation in Europa und Japan noch viel schlimmer - darauf werde ich in einem späteren Beitrag zurückkommen.  Im Vereinigten Königreich ist die Lage so schlecht, dass die Bank of England beschlossen hat, ihren Leitzins jetzt zu senken.  Die Gesamtinflation im Vereinigten Königreich ist drastisch auf 2 % gesunken, aber nur, weil die britische Wirtschaft stagniert.

 

Zusammenfassend bleibt festzuhalten: 
Die US-Notenbank wird mit ziemlicher Sicherheit auf ihrer September-Sitzung mit der Senkung ihres Leitzinses beginnen -  genau das hat sie angedeutet. 
Sie hat auch keine andere Wahl, wenn sie eine Stagnation oder gar Rezession in der Wirtschaft vermeiden will, wie es die Bank of England bereits tut.

Die Fed wird also damit leben müssen, dass sie ihr Inflationsziel von 2 % nicht erreicht. 

Und die amerikanischen Haushalte werden mit einer noch höheren Inflation in den Geschäften und bei wichtigen Dienstleistungen konfrontiert werden.

Zeugenaussagen israelischer Soldaten aus Gaza

acTVism - Fr, 02/08/2024 - 10:13

Zeugenaussagen israelischer Soldaten aus Gaza.

Der Beitrag Zeugenaussagen israelischer Soldaten aus Gaza erschien zuerst auf acTVism.

Auf dem Fahrrad ins Inferno

Lebenshaus-Newsletter - Fr, 02/08/2024 - 08:54
Der Tag, an dem Hiroshima verschwand – Der erschütternde Augenzeugenbericht des Militärarztes Shuntaro Hida. Von Helmut Donat.... Michael Schmid http://www.lebenshaus-alb.de

Diplomatie statt Waffen

ISW München - Fr, 02/08/2024 - 08:36

Neue Bemühungen um Waffenstillstand in der Ukraine:
Selenskyj zieht „Diplomatie statt Waffen“ in Betracht;
Beijing verhandelt mit Kiew;
Finnlands Präsident wünscht Gespräche.
Berlin unternimmt zur Kriegsbeendigung nichts.



Ohne jegliches Zutun der Bundesregierung zeichnen sich vorsichtige Bemühungen um ein Ende des Krieges in der Ukraine und um eine mögliche Friedenslösung ab.

So hat etwa der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj in einem Interview mit französischen Medien erklärt, er bestehe nicht mehr darauf, die territoriale Integrität der Ukraine „mit Waffen“ zu erkämpfen; denkbar seien stattdessen auch diplomatische Schritte. Selenskyj wünscht zudem die Teilnahme russischer Delegierter an einem Friedensgipfel; auch eine Vermittlung durch China schließt er nicht aus.
Zugleich lädt Kiew nach mehrtägigen, als produktiv bezeichneten Gesprächen von Außenminister Dmytro Kuleba in der Volksrepublik nun Chinas Außenminister Wang Yi zu einer Fortsetzung der Verhandlungen in die ukrainische Hauptstadt ein.
Beijing hat sich bislang Gesprächen, die es lediglich zum Ziel hatten, Russland zu isolieren, anstatt nach einer Friedenslösung zu suchen – so etwa der Ukraine-Gipfel in der Schweiz –, konsequent verweigert.
Als erster Hardliner aus dem Westen hat sich auch Finnlands Präsident Alexander Stubb für Verhandlungen ausgesprochen. Hintergrund sind die für Kiew miserablen Kriegsperspektiven.

Frontlage: „Viele Probleme auf einmal“

Die Lage an der Front verschlechtert sich laut Berichten für die ukrainischen Streitkräfte zusehends. Demnach hat Russland in der vergangenen Woche in Donezk seine umfassendste Offensive in diesem Jahr gestartet, ist zuletzt vergleichsweise rasch vorgerückt und droht wichtige ukrainische Versorgungslinien abzuschneiden.

Für die ukrainischen Truppen, urteilt Gustav Gressel, Militärexperte des European Council on Foreign Relations (ECFR), „kommen jetzt viele Probleme auf einmal zusammen: abgekämpfte Einheiten, hohe Verluste von qualifiziertem Personal vor allem im Frühjahr, fehlende Munition, fehlendes Material (vor allem gepanzerte Fahrzeuge), Verwundbarkeit gegenüber russischen Gleitbombenangriffen, kaum Möglichkeiten, russische Aufklärungsdrohnen abzufangen“.[1] „Frisch mobilisierte Soldaten“ seien außerdem „in neue Brigaden“ abkommandiert und nicht in bestehende Brigaden integriert worden; für sie fehle es „am geeigneten Führungspersonal“. Ob die vielgepriesenen Kampfjets F-16 überhaupt „in der Nähe der Front“ operieren könnten, um Angriffe mit Gleitbomben zu verhindern, sei unter anderem wegen der geringen Reichweite ihres Radars ungewiss. Zu hierzulande so beliebten Berichten über „Schwächen der russischen Armee“ äußert Gressel, sie täuschten darüber hinweg, dass die Ukraine „ähnliche Probleme“ habe.

Zum Gebietsverzicht bereit

Gressel weist zudem darauf hin, dass der Krieg „auch abseits der Front ... zunehmend die Moral, Ressourcen und Infrastruktur der Ukraine“ strapaziert.[2]

In der Tat sprachen sich im Juli im Rahmen einer Umfrage in der ukrainischen Bevölkerung 44 Prozent dafür aus, in Friedensverhandlungen mit Russland einzutreten. 

Im Mai 2023 hatten dies kaum 23 Prozent getan.[3] Eine weitere Umfrage ergab, dass der Anteil derjenigen, die zum Erreichen von Frieden zur Preisgabe von Territorien bereit wären, von rund 9 Prozent im Februar 2023 auf nun 32 Prozent gestiegen war.
Der Anteil derjenigen, die jeglichen Gebietsverzicht dezidiert ablehnten, war von rund 74 Prozent im Dezember 2023 auf nur noch 55 Prozent gefallen.[4]
Hintergrund sind unter anderem die wachsenden Belastungen durch massive Zerstörungen der Infrastruktur. Auf politischer Ebene kommt starke Unklarheit darüber hinzu, wie ein etwaiger US-Präsident Donald Trump sich gegenüber Kiew verhielte.

Wie BRD und DDR

Vor diesem Hintergrund mehren sich die Zeichen, die Ukraine könne sich für Verhandlungen über einen Waffenstillstand und eine etwaige Friedenslösung öffnen.

Nachdem der Versuch gescheitert ist, auf einem vorgeblichen „Friedensgipfel“ in der Schweiz den Globalen Süden gegen Russland in Stellung zu bringen (german-foreign-policy.com berichtete [5]), hat Präsident Wolodymyr Selenskyj vor rund zehn Tagen mitgeteilt, er schließe Gespräche mit Russlands Präsident Wladimir Putin nicht mehr aus [6]. In einem am Mittwoch erschienenen Interview mit französischen Medien äußerte Selenskyj nun explizit, er wünsche eine Präsenz russischer Delegierter auf einem nächsten „Friedensgipfel“.[7]
Selenskyj teilte zudem mit, Kiew bestehe weiterhin auf der territorialen Integrität der Ukraine; diese müsse man aber nicht unbedingt „mit Waffen“ erkämpfen – denkbar seien auch diplomatische Schritte. Damit nähert sich Selenskyj der bereits im vergangenen Jahr diskutierten Option an, die Frontlinie einzufrieren und zu einem praktischen Nebeneinander mit Russland zu finden, ohne die Annexion ukrainischer Territorien in aller Form anzuerkennen.[8]
Man könne die Territorien vielleicht auf ähnliche Weise wiedergewinnen wie einst die BRD das Territorium der DDR, heißt es meistens dazu.

China als Vermittler

Selenskyj schließt zudem eine Vermittlung durch China nicht aus.

Zwar ziehe er es vor, wenn Beijing nicht zwischen Kiew und Moskau vermittle, sondern stattdessen seinen Einfluss auf Russland nutze, um es zur Beendigung des Krieges und zum Abzug seiner Streitkräfte zu zwingen, teilte Selenskyj mit. Eine offene Ablehnung chinesischer Bemühungen, den Krieg durch einen Abgleich zwischen den beiden Seiten zu beenden, unterließ er allerdings.[9]
Das ist deshalb von Bedeutung, weil einschlägige Gespräche kürzlich begonnen haben und jetzt möglicherweise fortgesetzt werden. In der vergangenen Woche hielt sich der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba zum ersten Mal seit Kriegsbeginn zu Gesprächen in Beijing auf, die sich insgesamt über einige Tage zogen und als durchaus produktiv eingestuft wurden. Kuleba bestand lediglich auf der Souveränität und auf der territorialen Integrität der Ukraine; diese freilich waren schon Bestandteil des chinesischen Zwölf-Punkte-Plans vom Februar 2023, den Kiew damals in ersten Reaktionen begrüßt hatte.[10]
 Am Dienstag teilte die ukrainische Regierung mit, sie habe Chinas Außenminister Wang Yi zu weiteren Gesprächen nach Kiew eingeladen; Wang habe sich offen dafür gezeigt.
Man schließe selbst ein Treffen zwischen Selenskyj und Chinas Präsident Xi Jinping nicht mehr aus.[11]

„Abzug keine Vorbedingung“

Selbst im Westen gibt es vorsichtige Hinweise auf ein Einlenken. Dies ergibt sich aus Äußerungen von Finnlands Präsident Alexander Stubb, der mit Blick auf den Ukraine-Krieg bisher eher als Hardliner auftrat. Im Mai hatte er noch erklärt, „der einzige Weg zum Frieden“ führe „über das Schlachtfeld“.[12] Am Wochenende urteilte er nun aber in einem Interview mit der französischen Abendzeitung Le Monde, man sei „an einem Punkt angekommen, an dem Verhandlungen beginnen müssen“.[13] Einen Abzug der russischen Streitkräfte, der auch in Berlin unablässig als Voraussetzung für Verhandlungen gefordert wird, könne man nicht „als Vorbedingung betrachten“, äußerte Stubb nun. Klar sei, dass Selenskyj bezüglich der von Russland annektierten Gebiete eine Entscheidung treffen müsse. Darüber hinaus seien Sicherheitsgarantien westlicher Staaten für die Ukraine erforderlich. Diese liegen mittlerweile zahlreich vor, haben jedoch aus Kiewer Sicht durchweg den Nachteil, dass sie für den Fall eines erneuten russischen Angriffs keine feste Verteidigungszusage geben, sondern lediglich versprechen, innerhalb kürzester Frist zu Gesprächen zusammenzukommen und Kiew auf ähnliche Weise zu unterstützen wie im aktuellen Krieg. Das gilt auch für die deutsche Sicherheitsgarantie (german-foreign-policy.com berichtete [14]). Selbstverständlich benötige die Ukraine auch Wiederaufbauhilfen, konstatierte Stubb. Man darf vermuten, dass Kuleba dies bei seinem Besuch in Beijing ebenfalls besprach.

Deutschland? Fehlanzeige.

Beobachter weisen darauf hin, dass die Gespräche über einen etwaigen Waffenstillstand sich allenfalls in einem frühen Stadium befinden und die Erfolgsaussichten völlig ungewiss sind. Zumindest indirekt sind inzwischen allerdings auch europäische Politiker involviert; so tauschte sich – nach dem kürzlichen Besuch von Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán in Beijing [15] – zu Wochenbeginn Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni im Gespräch mit Chinas Präsident Xi Jinping über den Ukraine-Krieg aus.
Sie sei der Auffassung, Beijing könne „ein Schlüsselakteur“ bei dem Versuch werden, „Elemente eines gerechten Friedens“ für die Ukraine zu identifizieren, teilte Meloni nach dem Gespräch mit.[16]
Von etwaigen Bemühungen deutscher Regierungspolitiker, Wege hin zu einem Waffenstillstand zu finden, ist nichts bekannt.

 

[1], [2] Tobias Mayer: Militärexperte über die Lage im Ukrainekrieg: „Friedensverhandlungen sind pure Spekulation von Biertischdiplomaten“. tagesspiegel.de 30.07.2024.

[3] Nate Ostiller: 44% of Ukrainians believe it’s time to start official peace talks with Russia, survey finds. kyivindependent.com 15.07.2024.

[4] Brendan Cole: Ukrainian Support for Ceding Territory Surges. newsweek.com 23.07.2024.

[5] S. dazu Ziele klar verfehlt

[6] Ella Strübbe: Kreml lobt Selenskyj. tagesspiegel.de 22.07.2024. S. auch Streit um Viktor Orban

[7] Thomas d’Istria: Volodymyr Zelensky : renoncer à des territoires ukrainiens est « une question très, très difficile ». lemonde.fr 31.07.2024.

[8] S. dazu Der Korea-Krieg als Modell und Der Übergang zur Diplomatie

[9] Thomas d’Istria: Volodymyr Zelensky : renoncer à des territoires ukrainiens est « une question très, très difficile ». lemonde.fr 31.07.2024.

[10] S. dazu Auf der SEite der Diplomatie (III)

[11] Dan Peleschuk: Kyiv hails dialogue with Beijing, hints at potential Zelenskiy-Xi meeting. reuters.com 30.07.2024.

[12] „Gerade führt der einzige Weg zum Frieden über das Schlachtfeld“. Frankfurter Allgemeine Zeitung 10.05.2024.

[13] Philippe Ricard: Alexander Stubb, president finlandais, à propos de la guerre en Ukraine : « Nous arrivons à un point où les négociations doivent commencer ». lemonde.fr 27.07.2024.

[14] S. dazu Die Dominanz im Mittel- und Osteuropa

[15] S. dazu Streit um Viktor Orban

[16] Riyaz ul Khaliq, Giada Zampano: China can become ‘key player’ to help identify peace in Ukraine, says Italian premier. aa.com.tr 30.07.2024.

 

2024/02/12 session 2Case studies on permanent neutrality

No to NATO - Mo, 05/02/2024 - 18:34
https://bit.ly/NeutralityRegistration Session 2: Case studies on permanent neutrality Content Session 2 Case studies on permanent neutrality – how do states practice permanent neutrality and what are the threats? . Opening Preliminary and review of concepts from first session b. Part 1: How do states practise permanent neutrality and what are the threats? i. Case studies: ➢ Ireland ➢ Austria ➢ Finland c. Q&A and reminders for the next session Demonstrate the practices of neutrality in different countries – Examine the … Continue reading →

2024/02/16-18 München + livestream, Germany Wohin treibt Europa?

No to NATO - Mo, 05/02/2024 - 18:16
Freitag, 16.02.2024  19:00-22:00 Uhr Freiheitshalle München https://friedenskonferenz.info/programm-2024/ Anmeldung für online auf der Startseite (weiter unten)

Israeli government poisons the region with firefighting foams containing PFAS

No to NATO - So, 04/02/2024 - 15:48
Israel is also a world leader in the production of deadly brominated flame retardants. By Pat Elder January 27, 2024 An obscure 2022 report by the Israeli Ministry of Environmental Protection on PFAS provides shocking data on levels of PFAS contamination in the groundwater near oil installations in Haifa, Ashdod, and Kiryat Haim. https://www.militarypoisons.org/latest-news/israeli-government-poisons-its-own-people-and-the-region-with-firefighting-foams-containing-pfas

Poisoning Gaza

No to NATO - Sa, 03/02/2024 - 22:52
By Pat Elder January 31, 2024 Joshua Frank’s article, Making Gaza Unlivable ought to be read by everyone. Frank is the managing editor of CounterPunch. He describes the collapsing infrastructure and dire circumstances of Gaza in this January 12 story: “Like the Allied forces of World War II, Israel is killing indiscriminately. … https://www.militarypoisons.org/latest-news/poisoning-gaza

International Court of Justice Rules That Israel Must Stop Killing Palestinians

No to NATO - Sa, 03/02/2024 - 20:13
The International Court of Justice has ruled that Israel must cease its warmaking in Gaza — cease committing and inciting genocidal acts — and that the case charging Israel with genocide must proceed.   DETAILS OF THE RULING: By 15-2: Israel shall take all measures within its power to prevent all acts within the scope of Genocide Convention article 2 15-2: Israel must immediately ensure that its military does not commit acts within the scope of GC.2 16-1: Direct and … Continue reading →

2024/03/04-04/14 WBW online courseExciting new course on War and the Environment

No to NATO - Sa, 03/02/2024 - 18:20
War and the Environment Online Course Starts March 4: Register today! https://worldbeyondwar.org/war-and-the-environment-2024/  

2024/02/22 zoom 18h CET Webinar: EU-Militarisierung und Globale NATO

No to NATO - Fr, 02/02/2024 - 22:34
Webinar: EU-Militarisierung und Globale NATO Im Juni wird das EU-Parlament neu gewählt. Die Militarisierung der EU hat sich in den letzten Jahren durch die direkte Finanzierung aus dem EU-Haushalt und über Nebenhaushalte erheblich zugenommen. Damit hat auch die Entwicklung der EU-Rüstungsindustrie eine neue Dimension erreicht. All dies erfolgt zwar eigenständig, aber in enger Kooperation mit Unterordnung unter die Strategie und Infrastruktur der NATO. Damit haben auch die Interventionen der EU in Kriege und Konflikte zugenommen. Was sind die Kernelemente dieser … Continue reading →

2024/04/26-28 European Common Space for Alternatives

No to NATO - Fr, 02/02/2024 - 22:20
SAVE THE DATE // Join us in Marseille from the 26th-28th of April 2024 Info call (6 Feb, 5pm CET) on the European Common Space for Alternatives For a social, feminist, antiracist, ecological, peaceful and democratic Europe To face the rise of the far right we need to build inclusive societies With the increasing popularity of far right extremists, wars raging and the upcoming climate catastrophe. Luckily, we are here. So let’s band together to propose alternative solutions. The European … Continue reading →

2024/03/01-31 USAIsraeli Apartheid Week

No to NATO - Fr, 02/02/2024 - 22:09
https://bdsmovement.net/tags/israeli-apartheid-week

  Speakers are: Ann is a retired

No to NATO - Do, 01/02/2024 - 21:30
  Speakers are: Ann is a retired US Army Colonel and a US diplomat who resigned in 2003 in opposition to the US war on Iraq. As a US diplomat she had served in US Embassies in Nicaragua, Grenada, Somalia, Uzbekistan, Kyrgyzstan, Sierra Leone, Micronesia, Afghanistan and Mongolia. She is a member of Code Pink and UNAC, ICC-member of No-to-NATO network. Kristine Karch is Co-chair “No to war – NO to NATO” international network, board member of INES, founding member … Continue reading →

Übersetzung der Klage von Südafrika gegen Israel

No to NATO - Do, 01/02/2024 - 20:21
Die Übersetzung mittels deepl hat jetzt eine Gruppe überprüft, sie steht online. Danke, sie bekannt zu machen. https://www.sand-im-getriebe.org/media/pages/artikel/thema-israel-palastina/5fe7f23936-1706049646/klage-von-sudafrika-gegen-israel-vor-dem-igh-29-12-2023.pdf Bei dem Zusammentragen der Korrekturen habe ich gedacht, dass eigentlich ganze Passagen – die öfter schwer erträglich sind – öffentlich vorgelesen werden sollten. Als ständige Anklage. Erschütternd ist es auch zu lesen, dass vor bald 15 Jahren eben fast das Gleiche schon geschrieben wurde. wie geht es weiter? IGH: Legal Consequences arising from the Policies and Practices of Israel in the Occupied … Continue reading →

2024/02/11 webinar 11 am EST South Africa v Israel – The International Coalition Against Genocide

No to NATO - Di, 30/01/2024 - 17:21
The International Coalition Against Genocide February 11, 2024, 11 AM EST Click here to register As the world watches the bombings of homes and hospitals, killing mostly children and women, the murder of healthcare and aid workers and media, and the denial of basic necessities to Gazans, civil society has risen in solidarity with Palestine with major demonstrations, efforts to blockade weapons and other supplies to Israel and legal cases to stop the genocide and hold individuals accountable. One expression … Continue reading →

2024/02/02 UNAC webinar 12 noon EST War and Climate Change

No to NATO - Di, 30/01/2024 - 16:44
War and Climate Change A UNAC webinar February 2, 2024, 12 noon EST Click here to register Speakers: Tamara Lorincz – Canadian voice of women for Peace & WILPF Pippa Bartolotti – UNAC & Global Women United for Peace Against NATO Lisa Savage – Maine Natural Guard & Global Network Against Weapons & Nuclear Power in Space As wars proliferate, and the planet becomes more polluted and less safe, C02 in the atmosphere is now the highest it has been … Continue reading →

2024/03/09 webinarSAVE THE DATE ! • GWUAN – Westasia (Middle-East) webinar

No to NATO - Mo, 29/01/2024 - 08:47
in cooperation with no-to-nato.org Save the date, content and exact time will be  announced later, depending on the speakers.

2024/01/28 zoom 18h CETOn­line-Tref­fen Ak­tions­be­ra­tung Stead­fast De­fen­der

No to NATO - Do, 25/01/2024 - 21:36
Steadfast Defender wirft seine Schatten voraus. Zur gegenseitigen Information, Vernetzung und Vorbereitung von Aktivitäten laden wir euch recht herzlich für Freitag, 26. Januar 2024, 18 Uhr zu einem onlinetreffen ein. Zugangsdaten unten. Da die Hauptaktivitäten erst im Mai sein werden, bleibt noch etwas Zeit. Einladung bitte weiterleiten. friedliche Grüße Reiner Braun und Torsten Schleip Join Zoom Meeting https://us02web.zoom.us/j/83424115173?pwd=S21nMTRvc0tIVzBSR1pIb0I5dzF0Zz09 Artikel Bernhard Trautvetter: Das Endzeit-Manöver der NATO: Steadfast Defender 2024 Teilmanöver: Grand North 24                05. bis 14. März                             Deutschland Norwegen Grand Center … Continue reading →

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