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AUSDRUCK (Dezember 2025)
Weltungleichheitsbericht 2026: Die Schere zwischen Arm und Reich vergrößert sich
Der „Weltungleichheitsreport 2026“ (World Inequality Report, erschienen 2025) ist ein von ForscherInnen um Thomas Piketty, Lucas Chancel und weiteren, regelmäßig erstellter Bericht, der die globale Entwicklung von Einkommens- und Vermögensungleichheit auf der Grundlage umfangreicher historischer und aktueller Daten analysiert. Es handelt sich nicht um ein einzelnes Dokument, sondern bezieht sich auf wichtige Berichte, die Ende 2024/Anfang 2025 veröffentlicht wurden. Der Bericht zeigt, dass die globale ökonomische Ungleichheit weiterhin stark zunimmt, sowohl bei Einkommen als auch bei Vermögen. Die wichtigsten empirischen Befunde lassen sich in mehrere Kernbereiche unterteilen: die Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung, regionale Unterschiede, die Rolle von Kapitalrenditen. Erstmalig sind Angaben von Einkommensentwicklung und Klima- und Geschlechterungleichheit mit einbezogen.
Empirische Befunde des Reports: Entwicklung der EinkommenDie zentralen Daten des Reports 2025 bestätigen eine beispiellose Konzentration: Das oberste Dezil, d. h. die obersten 10 %, die Reichsten einer Gesellschaft, ein wichtiges Maß für die Einkommens- und Vermögensungleichheit, hält weltweit über 75% des Vermögens; das oberste 1 % umfasst nahezu 50% der Einkommen. Trotz eines leichten Rückgangs der weltweiten Einkommensungleichheit zwischen Ländern hat sich die Konzentration von Einkommen und vor allem Vermögen innerhalb vieler Staaten verschärft. Seit rund vier Jahrzehnten wächst der Einkommensanteil der obersten 1 bis 10 %. Die Einkommen der globalen Spitzengruppen ergeben sich zunehmend aus Kapitalerträgen, was die Kopplung von Einkommens- und Vermögensungleichheit verstärkt. Der Bericht betont, dass vor allem die reichsten 1 % einen unverhältnismäßig großen Teil des Zuwachses an Einkommen und vor allem Vermögen seit der Jahrtausendwende abschöpfen, während die untere Hälfte der Weltbevölkerung nur einen sehr geringen Anteil erhält. So ist beispielsweise In den USA der Anteil des obersten 1% von 10% auf über 20% angestiegen, während der Einkommensanteil der unteren 50% von 21% im Jahr 1980 auf 13% im Jahr 2025 gefallen ist. Ähnliche Entwicklungen sind in Europa, Asien und Lateinamerika zu beobachten, wobei die Geschwindigkeit der Zunahme regional variiert.
Das folgende Schaubild zeigt den Anteil der obersten 1% je Nationaleinkommen:
Entwicklung der VermögensverteilungDie Vermögenskonzentration ist extrem: Die reichsten 10% der Weltbevölkerung besitzen 76% des globalen Vermögens. Die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung verfügt über weniger als 5% des globalen Vermögens; in keinem Land ist dieser Anteil höher. Die obersten 0,1% der Vermögensbesitzer sollen ihren Anteil von rund 20% im Jahr 2022 auf über 30% bis zum Jahr 2100 ausbauen, was auf hohe Kapitalrenditen und bereits bestehende Vermögensberge zurückzuführen ist.
Die Konzentration von Reichtum und Macht vor allem in den Händen weniger Monopole und Konzerne hat sich weiter verschärft. Eine kleine Zahl von immer größeren Konzernen übt außergewöhnlichen Einfluss auf Wirtschaft und Politik aus, drückt Löhne, übervorteilt Verbraucher und privatisiert öffentliche Güter. Die Weltbevölkerung in ärmlichen und fragilen Ländern wächst stetig, wobei allein in Subsahara-Afrika bis 2030 etwa die Hälfte der globalen Bevölkerung in extremer Armut leben wird.
Die Hauptursache für die wachsende Ungleichheit ist laut Thomas Piketty die ungleiche Verteilung von Kapital. Die Rendite aus Kapital übersteigt regelmäßig das Wachstum der gesamtwirtschaftlichen Einkommen, was bedeutet, dass Vermögen schneller wächst als die Arbeitseinkommen. Dies führt der Berichts-Analyse zufolge dazu, dass die Schere zwischen Vermögenden und Normalbevölkerung immer weiter auseinandergeht. Besonders die reichsten 10 % profitieren von diesem Trend: Sie erhalten 52 % des weltweiten Einkommens, während die ärmste Hälfte nur 8 % erhält. Die Studie betont, dass die Ungleichheit zwischen Ländern seit der Jahrtausendwende leicht zurückgegangen ist, während die Ungleichheit innerhalb der Länder weiter steigt. Besonders in Regionen wie Lateinamerika und dem Nahen Osten sind die Unterschiede extrem: Dort erhalten die reichsten 10 Prozent bis zu 55 bis 58 Prozent des Nationaleinkommens, während die ärmsten 50 Prozent nur 9 bis 10 Prozent erhalten. Thomas Piketty zeigt, dass diese Entwicklungen keine naturgegebenen Gesetze sind, sondern das Ergebnis politischer Entscheidungen, wie Steuersysteme, Bildungspolitik und die Machtverhältnisse im Kapitalismus.
Eine Erklärung zur sich verändernden VermögensstrukturThomas Piketty prognostiziert, dass sich die Vermögensanteile der Top 0,1%, der mittleren 40% und der unteren 50% von heute 43% auf etwa 68% im Jahr 2100 erhöhen, während der Anteil der Top 10% ohne die Top 0,1% von 57% auf 32% sinkt. Dies deutet auf eine De-Konzentration des Vermögens hin, also eine Verringerung der Konzentration im oberen Mittelfeld. Eine ergänzende Recherche ergibt, dass die prognostizierte De-Konzentration im Vermögen kein Zeichen für eine Angleichung ist, sondern ein Beleg für eine Verschiebung der Ungleichheit: Das Vermögen wandert von der breiten Oberschicht zu den Superreichen und zur Mitte/Unten, was die gesamte Vermögensstruktur verändert.
Die De-Konzentration bedeutet demnach, dass sich das Vermögen nicht mehr so stark bei der oberen Mittelschicht (Top 10% ohne Top 0,1%) ballt, sondern zunehmend bei den Superreichen (Top 0,1%), der Mitte und den unteren Schichten konzentriert. Dieser Trend entsteht, weil die Vermögen der Superreichen durch Kapitalrenditen viel schneller wachsen als die Vermögen der breiten Bevölkerung. Gleichzeitig profitieren die mittleren und unteren Schichten – etwa durch Umverteilung, steigende Vermögen oder politische Maßnahmen – relativ stärker als die oberen 10% ohne die Top 0,1%. Thomas Piketty erklärt diese Entwicklung mit seiner "Weltformel" r > g: Die Rendite auf Vermögen (r) ist höher als das Wirtschaftswachstum (g), wodurch sich die Vermögen der Superreichen exponentiell vermehren. Dies führt dazu, dass die Vermögenskonzentration bei den Superreichen immer stärker zunimmt, während die breite Oberschicht (Top 10% ohne Top 0,1%) relativ an Bedeutung verliert. Die De-Konzentration ist also eine Folge der extremen Wachstumsraten bei den Allerreichsten und einer relativen Angleichung zwischen Mitte und unten.
Regionale Unterschiede der EinkommensentwicklungFür das Jahr 2023 zeigt die World Inequality Database, dass die Einkommensungleichheit zwischen den Regionen erheblich variiert. In Europa besitzen die obersten 10% etwa 37% des Gesamteinkommens, im Nahen Osten vergleichsweise sogar 61%. In Ländern wie Brasilien verdienen die oberen 10 % bis zu 29-mal mehr als die unteren 50 %, in Frankreich ist das Verhältnis 7 zu 1. Die Entwicklung ist in Schwellenländern besonders dynamisch, da dort die Deregulierung der Märkte und die Öffnung für globale Kapitalströme die Ungleichheit verstärkt haben. Zwischenstaatlich ist ein gewisser Aufholprozess großer Schwellenländer – etwa in Ostasien – erkennbar, was zur Abnahme der globalen Einkommensungleichheit zwischen Ländern beiträgt. Allerdings bleiben insbesondere Subsahara-Afrika und Teile Südasiens deutlich zurück, sodass die Einkommensschere im Weltsystem strukturell bestehen bleibt und künftige Verringerungen der Ungleichheit stark von der Entwicklung dieser Regionen abhängen. Im folgenden Schaubild sind die Anteile am Nationaleinkommen nach 6 Weltregionen und nach Einkommensgruppen dargestellt.
KlimaungleichheitNeu im Fokus des Weltungleichheitsberichts 2025 steht die Verbindung mit Klimaungleichheit. Der Bericht widmet erstmals ein eigenes Kapitel der Ungleichheit der CO2-Emissionen. Dem Climate Inequality-Report ist zu entnehmen, dass die ärmere Hälfte der Weltbevölkerung nur 12% der Emissionen verursacht, trägt aber voraussichtlich 75% der relativen Einkommensverluste durch Klimaschäden. Der UN-Global Multidimensional Poverty Index (MPI) 2025 zeigt, dass weltweit 1,1 Milliarden Menschen (18,3% der untersuchten Bevölkerung) in akuter multidimensionaler Armut leben, wobei die Betroffenen vor allem in Subsahara-Afrika (49,2%) und Südasien (34,1%) konzentriert sind. Die Armut ist dabei nicht nur einkommensbasiert, sondern umfasst Defizite in Bildung, Gesundheit und Lebensstandard wie fehlende Zugänge zu sauberer Kochenergie, sanitären Einrichtungen, Elektrizität oder angemessener Ernährung. Parallel dazu weist der globale Index für mehrdimensionale Armut 2025 darauf hin, dass die in multidimensionaler Armut Lebenden erheblichen Klimarisiken ausgesetzt sind, was die sozial‑ökologische Dimension von Ungleichheit weiter verschärft.
Der Weltungleichheitsbericht macht sichtbar, wie extrem sich Einkommen und Vermögen seit 1980 zugunsten des obersten Prozents verschoben haben; aus marxistischer Sicht bestätigt er damit empirisch zentrale Thesen über Klassenspaltung, Kapitalakkumulation und die strukturelle Tendenz zur Polarisierung im Kapitalismus. Problematisch ist aus marxistischer Perspektive jedoch, dass der Bericht Ungleichheit vor allem als Verteilungsproblem behandelt und mit steuer- und regulierungspolitischen Reformvorschlägen im Rahmen des bestehenden Systems beantworten will, statt die kapitalistische Produktionsweise selbst in Frage zu stellen.
GeschlechterungleichheitDer Bericht widmet erstmals auch ein eigenes Kapitel der Ungleichheit zwischen den Geschlechtern. Frauen leisten weltweit einen entscheidenden Beitrag zu bezahlter wie unbezahlter Arbeit, erhalten dafür aber deutlich geringere wirtschaftliche Anerkennung. Unter Berücksichtigung der Hausarbeit arbeiten Frauen oft länger als Männer, erzielen jedoch weniger Einkommen, besitzen weniger Vermögen und bekleiden seltener Führungspositionen. Selbst steigende Bildungs- und Erwerbsquoten haben die Einkommenslücke kaum verringert. Frauen erzielen heute etwa 35 Prozent des globalen Arbeitseinkommens; in einem geschlechtergerechten System wären es 50 Prozent. In vielen Regionen zeigen sich niedrigere Erwerbsquoten und geringere Stundenlöhne, gepaart mit einem hohen Anteil an prekären, schlechter bezahlten Tätigkeiten; eine Folge der zumeist vorherrschenden kapitalistischen Produktionsstrukturen. Dem Weltungleichheitsbericht zu Folge hat sich global betrachtet die formale Wochenarbeitszeit grob auf etwa 30 bis 40 Stunden eingependelt, Regionale Unterschiede bleiben jedoch groß, nachdem in vielen Ländern des globalen Südens die tatsächlichen Wochenarbeitszeiten deutlich über denen Europas liegen. Die formalen Arbeitszeiten verschleiern, dass Frauen täglich deutlich mehr unbezahlte Sorge- und Hausarbeit leisten und dadurch im Jahresverlauf um Wochen bis Monate mehr arbeiten als Männer. Prognosen zeigen, dass Frauen auch 2050 noch spürbar mehr unbezahlte Arbeit leisten werden, sofern sich die sozial-ökonomischen Rahmenbedingungen und geschlechtsspezifische Normen nicht grundlegend ändern. Die Daten des Berichts zeigen auf, dass eine Gleichheit bei Bildung und Arbeitsmarktzugang zwischen den Geschlechtern nicht besteht.
„Die Welt ist noch weit davon entfernt, die Gleichstellung der Geschlechter zu erreichen.“ Thomas Piketty
Die nicht erreichte Gleichstellung ist Ausdruck tief verankerter sozialer und ökonomischer Strukturen. Unbezahlte Arbeit bleibt weitgehend außerhalb der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen und entzieht sich damit der politischen Steuerung, obwohl sie zentrale gesellschaftliche Funktionen erfüllt.
Forderungen der AutorenDie Kernthese von Thomas Piketty lautet: Ohne gezielte politische Maßnahmen – insbesondere eine stärkere Steuerprogression, ein internationales Finanzregister und Investitionen in Bildung – wird die globale Ungleichheit weiterhin dramatisch zunehmen. Der Bericht fordert politische Maßnahmen, um die Ungleichheit zu begrenzen: Dazu gehören ein hoher Spitzensteuersatz, ein internationales Finanzregister zur Transparenz von Vermögen, Investitionen in Bildung und eine gerechtere Besteuerung von Kapital. Piketty betont, dass die wachsende Ungleichheit die Demokratie gefährdet und soziale Stabilität untergräbt. Nur durch gezielte Umverteilung und politische Reformen könne eine gerechtere, nachhaltigere Gesellschaft entstehen.
Der Weltungleichheitsreport 2025 bilanziert globale Einkommens- und Vermögensverteilung anhand umfassender Daten der World Inequality Database (WID). Ergänzt durch den Climate Inequality Report 2025 desselben Labors, verknüpft er ökonomische mit klimapolitischen Ungleichheiten. Theoretisch bestimmt der Report Ungleichheit als eine ungleich Verteilungsthematik: Das ungleiche Verhältnis von den obersten 10% gegenüber den unteren 50%“ scheint eine marxistische Klassenanalyse von Kapital vs. Lohnarbeit mit einem entsprechendem Klassenstandpunkt für politische Konsequenzen zu umgehen. Stattdessen gehen die Autoren davon aus, dass progressive Steuersysteme die Ungleichheit wirksam reduzieren könnten. Allerdings ist in diesem Kontext darauf hinzuweisen, dass die Steuerprogression in den reichen Ländern und vielen Schwellenländern seit Beginn der Phase des neoliberalen Kapitalismus (1970) eine gegenteilige Entwicklung nahmen, indem progressive Erbschaftssteuern ausblieben und ein reformistischer Ausbau von Sozialstaats– Maßnahmen, die den Kapitalismus „effizienter und gerechter“ machen sollten, theoretisch blieben und die soziale Ungleichheitsentwicklung nicht aufgehalten haben.
Doch welche gesellschaftliche Funktion erfüllt dieser Report? Aus marxistischer Perspektive stellt sich die Frage nicht nur nach deskriptiver Genauigkeit seiner Daten – die zweifellos imposant sind –, sondern primär nach ihrer strategischen Implikation: Dient der Weltungleichheitsreport 2025 der Stabilisierung eines regulierten, „grünen“ Kapitalismus, indem er extreme Ungleichheiten als korrigierbares Verteilungsdefizit darstellt? Oder eröffnen seine empirischen Befunde Spielräume für eine Analyse jenseits kapitalistischer Vergesellschaftung, die auf Vergesellschaftung der Produktionsmittel abzielt?
Der Weltungleichheitsreport 2025 positioniert sich als eine kritische Kompetenz im Lager eines „regulierten, grünen Kapitalismus“: Er kritisiert extreme Ungleichheit, stellt aber Privateigentum an Produktionsmitteln, Konkurrenz und Profitlogik nicht zur Disposition.
Die dokumentierte Konzentration folgt der Dynamik von Mehrwertaneignung, fallender Profitrate und Überakkumulation, die der Report nicht thematisiert. Besonders anzumerken ist der neu hinzugekommene Bezug zur Klimaentwicklung. Die Krise resultiert nicht primär aus individuellem Fehlverhalten einzelner Emittenten, sondern aus fossiler Kapitalverwertung – Energieinfrastruktur, Rohstoffrendite, Finanzialisierung von „grünen“ Assets. Die Finanzialisierung von „grünen“ Assets beschreibt den Prozess, bei dem nachhaltige Vermögenswerte wie ökologische Investitionen, grüne Anleihen oder nachhaltig finanzierte Projekte zunehmend als Finanzprodukte gehandelt und in das Finanzsystem integriert werden. Damit werden Umweltziele mit Kapitalströmen verknüpft, um gezielt in Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu investieren und gleichzeitig finanzielle Renditen zu erzielen. Der Report schlägt Bepreisung (CO₂-Steuern) und Kompensation vor, was den Kapitalismus lediglich „vergrünt“, ohne die Eigentumsfrage zu stellen.
Ein FazitDer Bericht ist ein enorm wichtiges Programm, dass außergewöhnlich viele international erhobene Daten methodisch sauber aufbereitet. Anzuzweifeln ist jedoch, ob der Report der redlichen Wissenschaftler das Wesen der Ungleichheit adäquat erfasst: Ungleichheit ist nach meinem Verständnis kein Verteilungsfehler, sondern notwendiges Resultat kapitalistischer Produktionsverhältnisse: Mehrwertaneignung, fallende Profitrate und Überakkumulation, die der Report nicht thematisiert. Und somit wird die wachsende Ungleichheit nicht als systemimmanentes Ergebnis des Kapitalismus, eher als individualisiertes Ergebnis des existierenden Wirtschaftssystems gesehen. Die Ausbeutung von Arbeit durch Kapital führt systematisch zu einer Konzentration von Reichtum und Macht in den Händen der besitzenden und herrschenden Klasse. Die kapitalistische Produktionsweise produziert massive Ungleichheit, Reichtum in den Händen weniger, Armut für eine zunehmende Mehrheit. Reformansätze, wofür der Weltungleichheitsbericht plädiert, wie etwa höhere Steuern oder Regulierung von Konzernen greifen zu kurz, weil sie die grundlegenden Klassenverhältnisse nicht verändern.
Die empirisch belegte Vermögenskonzentration rechtfertigt die Vergesellschaftung zentraler Sektoren: Energie, Finanzwesen, Plattformen, Industrie (z. B. Auto-, Tech-Konzerne). Emissionsdaten fordern demokratisch geplante Investitionen: Öffentliche Energie- und Verkehrswende statt einem marktbasiertem Green New Deal.
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Quellen:
https://wid.world/news-article/world-inequality-report-2026-coming-out-soon/?ref=surplusmagazin.de
World Inequality Lab: World Inequality Report 2022
World Inequality Database, Report 2025: https://wid.world/
Oxfam: „Takers not Makers“ – Weltungleichheitsbericht 2025, deutschsprachige Adaption „Milliardärsmacht beschränken, Demokratie schützen“.
https://wid.world/www-site/uploads/2025/10/Climate_Inequality_Report_2025_Final.pdf
Surplusmagazin: Pikettys Weltungleichheitsbericht, 2025.
UNDP: Global Multidimensional Poverty Index 2025: https://hdr.undp.org/content/2025-global-multidimensional-poverty-index-mpi#/indicies/MPI
World Bank: Poverty and Inequality Update – Fall 2025.
2030 Agenda: World Inequality Report 2022.
Spiegel: Was im neuen Report von Thomas Piketty steht, 2025
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COP30 in Belém: Fossile Lobby setzt sich durch. Es braucht eine grundsätzlich andere Verhandlungs-Methode.
Nach den Klimakonferenzen der letzten beiden Jahre in den Ölstaaten Aserbaidschan (Baku 2024, COP 29) und in den Vereinigten Arabischen Emiraten (Dubai 2023, COP 28) (1) und davor in Ägypten (Sharm El-Sheikh 2022, COP 27) (2) bin ich schon froh, dass die Weltklimakonferenz COP 30 diesmal zumindest in einem Land wie Brasilien stattfand, dessen Präsident, Luiz Inácio Lula da Silva, immerhin mehr Ambitionen hatte, ein vernünftiges Ergebnis für die weltweite Klimapolitik zu erzielen als absurderweise Ölscheichs, deren obszöner Reichtum genau darauf gründet, dass fossile Rohstoffe gefördert und weltweit verkauft und verfeuert werden.
Lula da Silva hat gleich zu Beginn der Konferenz davon gesprochen, dass dies eine „Konferenz der Wahrheit“ werde. Leider müssen wir nun, am Ende der Konferenz feststellen, dass die Wahrheit der internationalen Klimapolitik darin besteht, dass trotz der höheren Dringlichkeit durch weitere in 2024 gestiegene Treibhausgas-Emissionen noch nicht einmal eine minimale Einigung in wesentlichen Punkten einer internationalen Klimapolitik gegen den drohenden Klimawandel erreicht wurde.
Keine „Road-Map“ zur Konkretisierung des Ausstiegs aus Kohle, Öl und GasObwohl Lula da Silva schon zu Beginn der Konferenz seine ganze persönliche Autorität in die Waagschale gelegt hatte und eine solche Roadmap vorgeschlagen und darum geworben hatte, dass es einer solchen Konkretisierung und Bekräftigung des Ausstiegs aus Kohle, Öl und Gas bedürfe und obwohl 14 Tage lang darum gerungen und diskutiert wurde, gab es am Ende noch nicht einmal eine verbale Erwähnung der Worte Kohle, Öl und Gas als Hauptverantwortliche des vom Menschen verursachten Treibhauseffektes in der Atmosphäre und damit der bedrohlich sich permanent verschlimmernden globalen Klimaerwärmung.
Etliche Staaten engagierten sich nicht genug dafür und andere Staaten, vor allem die Golfstaaten, an erster Stelle Saudi-Arabien, kämpften mit ganzer Kraft dagegen. Immerhin gehörte Deutschland zu den Staaten, die sich für Lulas Plan einsetzten. Auch Umweltminister Carsten Schneider (SPD) war lt. SZ enttäuscht. Er stellte fest: „Wir waren konfrontiert mit einer sehr stark auftretenden Petroindustrie“. (3) Dass sich jedoch auch schon Mitglieder der Ampel-Regierung vor Ölscheichs verbeugt haben (s. Robert Habeck am 21.3.2021 vor Katars Handelsminister Scheich Mohammed bin Hamad Al Thani) (4) zeigt die Widersprüchlichkeit auch von grüner Partei und SPD in heutigen Zeiten.
Die fossile Industrie war nicht nur anwesend, sondern überproportional präsent, bestens organisiert und gezielt darauf vorbereitet, klare Formulierungen zu verhindern, die langfristig ihre Geschäftsmodelle infrage stellen könnten. Gleichzeitig waren viele Delegationen aus besonders bedrohten Regionen – Inselstaaten, afrikanischen Ländern, Teilen Asiens – finanziell und logistisch deutlich schwächer aufgestellt.
Der Klimagipfel in Belém war also kein Schritt in Richtung fossilfreie Zukunft, sondern ein deutliches Zeichen dafür, wie hart die Auseinandersetzung um die Klimazukunft geworden ist. Die fossile Lobby hat diesen Gipfel mitbestimmt – aber das darf sich nicht in die Zukunft fortsetzen.
Auch die bei vielen COPs schon aufgeworfenen Finanzierungsfragen wurden lange diskutiert, aber fast nichts wurde sinnvoll entschieden.Die schon 2009 in Kopenhagen von den reichen Industrieländern versprochenen 100 Mrd. Dollar/Jahr ab 2020 für einen Klimafonds zur Bekämpfung des Klimawandels auch im globalen Süden sind bis heute bei weitem nicht eingelöst. So ist das Vertrauen zwischen dem globalen Süden in Versprechungen des globalen Nordens schon seit längerem gründlich verspielt.
Bei der COP29 in Baku im Jahr 2024 wurden wieder einmal Versprechungen von den reichen Ländern gemacht: Bis 2035 kündigten sie an, die Hilfen auf 300 Mrd Dollar/Jahr anwachsen zu lassen, allerdings auch wieder nicht nur öffentliche Mittel als Zuschüsse, sondern überwiegend Kredite, insbesondere auch private.
In der Finanzdiskussion in Belem wurde vor allem auch das Thema Hilfsgelder für Anpassungsmaßnahmen angesprochen. Also Hilfen für ärmere Staaten um sich überhaupt etwas besser auf Überschwemmungen, Dürren, steigende Meeresspiegel oder Extremwetter-Katastrophen vorbereiten und evtl. daran anpassen zu können.
Die merkwürdige „Einigung“ sah so aus, dass sich die Mittel dafür verdreifachen sollen, es wurde aber nicht gesagt in welchem Zeitraum und in Bezug auf welche Basissumme diese Aussage gilt. Außerdem sollen die Gelder aus dem selben Finanzrahmen kommen, der in Baku für Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels versprochen wurde. Das Geld wurde also nicht aufgestockt, sondern nur anders verteilt, d.h. wenn mehr Geld in Anpassungsmaßnahmen fließen soll, dann gibt es weniger für den Umstieg auf klimafreundliche Technologien. Dies sind keine vernünftigen Beschlüsse, sondern lediglich ein Verschieben von einem Unterthema zu einem anderen.
Notwendigkeit einer grundsätzlich neuen Methodik bei zukünftigen internationalen KlimaverhandlungenAus dem eben gesagten folgt, dass es inzwischen unabdingbar notwendig ist, zu einer grundsätzlich neuen Methodik bei zukünftigen internationalen Klimaverhandlungen zu kommen, um die Klimakrise noch zu bewältigen.
Die ergebnisnegierenden und oft relativ unverbindlichen Diskussionen bei den bisherigen COPs müssen beendet werden und durch mehr verbindliche Beschlüsse in Richtung Bekämpfung des Klimawandels und Verbesserung der Adaptation ersetzt werden, am Ende auch mit Strafbewehrung bei Nichteinhalten der Beschlüsse. Die z.T. sogar direkt kontraproduktiven Diskussionen von eindeutig fossilistischen Lobbyisten müssen verboten werden.
Eine derartige Forderung wurde im isw schon vor vier Jahren, nach der Klimakonferenz COP26 von Glasgow erhoben. (5) Inzwischen hat sich aber die Situation des Klimawandels derart weiter verschlimmert, andererseits haben ausgesprochene Leugner bzw. Skeptiker des menschengemachten Klimawandels ganze Regierungen von großen Staaten übernommen, so dass die fossilistische Ideologie auf großer Front auf dem Vormarsch ist und ein regelrechtes „Roll Back“ veranstalten kann.
Die oft allgemeinen und unverbindlichen Diskussionen müssen ersetzt werden durch konkrete Vereinbarungen auf der Grundlage von transparenten Berechnungen für Finanztransfers von Staaten, die ihr zustehendes CO2-Budget schon seit Jahren überzogen haben.
Um solche Berechnungen gerecht durchzuführen, liegen alle Fakten transparent auf dem Tisch:
- Zum einen aus der Klima-Wissenschaft: Das sich für den ganzen Planeten ergebende CO2-Restbudget ab 1990, das noch vereinbar war mit dem 1,5°C-Ziel von Paris (Das Jahr 1990 ist hier bewusst gesetzt, weil in diesem Jahr der 1. IPCC-Bericht erschienen ist. Er sagt, dass die drohende Erd-Erwärmung eindeutig auf anthropogene Ursachen zurückgeht).
- Zum anderen die bekannten CO2-Emissionen der einzelnen Staaten seit 1990 bis zum Jahr der Überschreitung des jedem einzelnen Staat zustehenden CO2-Budgets durch ihre konkreten, jeweiligen CO2-Emissionen.
Ab diesem leicht zu ermittelnden Zeitpunkt emittiert jeder dieser Staaten jede Tonne CO2 komplett auf Kosten all der großen Mehrzahl der anderen Staaten, die ihr CO2-Budget noch nicht ausgeschöpft haben. D.h. solche Staaten sollten als Klimaschuldner geführt werden. Ihre Klimaschulden in Gigatonnen (Gt) CO2 sind mit einem gemeinsam zu vereinbarenden internationalen CO2-Ausgleichspreis sofort direkt umrechenbar in Klimaschulden in Dollar.
Bis heute werden bei den Klima-Konferenzen solche verbindlichen Berechnungen durch die reichen kapitalistischen Industrie-Länder und durch die Ölstaaten schon im Ansatz abgeblockt und komplett verhindert.
Leider verhalten sich auch die ärmeren Staaten des globalen Südens viel zu oft zu ängstlich, zu ruhig und unorganisiert, um solche Diskussionen und faktenbasierte Finanzberechnungsmethoden auf die Tagesordnung zu setzen und um überhaupt eine andere Art bzw. Methode der Konferenzen mit mehr Verbindlichkeit und Mehrheitsentscheidungen durchzusetzen.
Es wäre also nötig, diese Fakten gemäß der Wissenschaft anzuerkennen. Es sollte aber dann nicht nur bei wortreichen blumigen Erklärungen bleiben, indem z.B. die Überziehungsländer großmütig zugeben, in der Vergangenheit gesündigt zu haben, nun aber Verantwortung durch freiwillige milde finanzielle Gaben bei evtl. Klimakatastrophen und Hilfsaktionen übernehmen wollen und ihre Finanzmärkte mit den internationalen Finanzinstituten und Versicherungen ermuntern wollen, nun in „grüne“ Geschäfte einzusteigen.
Übrigens war die Zahl der Lobbyisten der globalen fossilen und Finanz-Industrie wieder die stärkste Gruppe auf der COP30, stärker als die größte Regierungsdelegation (außer Brasilien selbst).
Es sollte also eine Methode vereinbart werden, wie sich aus diesen Klimafakten transparent nachvollziehbare Berechnungen von Klimaschulden ergeben. Nach der Vereinbarung eines internationalen -Ausgleichspreises (z.B. 60 Dollar pro t CO2) sollten solche transparent nachvollziehbaren Reparationszahlungen wie sonstige Schulden völkerrechtlich verbindlich geregelt werden. D.h. die Zahlungen wären dann in Zukunft keine kleine, freiwillige milde Gabe, sondern eine aus der vergangenen und immer noch laufenden Überziehung des CO2-Budgets resultierende verbindliche Klima-Schuld-Verpflichtung. (6)
Für diese Zahlungen wäre ein UN-Klimafonds zu schaffen, der in demokratischer, völkerrechtlich korrekter und transparenter Weise über die Verteilung der Finanzen an arme Länder des globalen Südens für konkrete Transformations-, Anpassungs- und Reparatur-Projekte (Loss and Damage) wacht.
Die bis 2020 berechneten Daten sehen folgendermaßen aus:
- So hätten die USA eine bis 2020 akkumulierte Klimaschuld von insgesamt ca. 7 Bill. Dollar und eine jährliche Klimaschuld von ca. 270 Mrd. Dollar zu begleichen.
- Die entsprechenden Werte für Deutschland lauten: seit 2005 bis 2020 akkumuliert: ca. 790 Mrd. Dollar und jährlich ca. 38 Mrd. Dollar.
- Insgesamt in Summe für alle Schuldnerländer würde das Volumen eines solcherart gefüllten Klima-Reparations-Fonds akkumuliert ca. 16 Bill. Dollar und jährlich ca. 900 Mrd. Dollar umfassen.
Ein anderer Kritikpunkt an der Methode der Klimaverhandlungen ist das Prinzip der Freiwilligkeit und Unverbindlichkeit. Angesichts der Klima-Notstandsituation auf der Erde sollte es nicht mehr zulässig sein, dass nach dem Einstimmigkeitsprinzip ein Staat einen vernünftigen Mehrheitsbeschluss blockieren kann. Inzwischen sollte es darum gehen, dass effektive Klima-Maßnahmen mit Mehrheit global durchgesetzt und nicht durch einige wenige Staaten (z.B. die Ölstaaten) blockiert werden können.
Die COP30 ist ein Spiegel der globalen Kräfteverhältnisse: Die Welt steuert auf eine sehr gefährliche Erwärmung zu – und gleichzeitig schafft es die sog. “Staatengemeinschaft“ nicht, die Industrie zur Verantwortung zu ziehen, die historisch und aktuell am stärksten zur Krise beiträgt.
Das Ergebnis in Belém zeigt, wie dringend sofort neue Governance-Strukturen, klare Regeln für Lobby-Transparenz/-Beschränkung und stärkere Stimmen der Zivilgesellschaft sind. Am Ende ist wohl nur nach der Überwindung des globalen kapitalistischen Systems eine wirkliche Lösung des Klimaproblems und generell der Umweltkrise zu erreichen.
Regenwaldfonds, Tropical Forests Forever Facility (TFFF), wurde von Präsident Lula vorgeschlagen und gefördert.Die Tropical Forests Forever Facility (TFFF) soll den Schutz von Wäldern in ein dauerhaftes “Geschäftsmodell“ überführen: Länder, die ihre Wälder erhalten, sollen dafür bezahlt werden. Länder, deren Wälder verschwinden, sollen in den Fonds Strafe zahlen.
Für diesen Fonds sollen lt. Brasiliens Wunsch am Ende rund 125 Milliarden Dollar Gesamtkapital zusammenkommen – aus öffentlichen wie privaten Geldern, die am Finanzmarkt angelegt werden. Der Fonds soll mit 25 Milliarden Dollar starten. Einige Länder, u.a. Brasilien, Indonesien und Norwegen, auch Deutschland, haben bislang fast sieben Milliarden Euro für den Fonds zugesagt. Dieses Geld dient als Sicherheit. Es soll mögliche Verluste abfangen und Vertrauen schaffen. Auf dieser Grundlage will Brasilien weitere 100 Milliarden Dollar von privaten Investoren gewinnen, zum Beispiel von Pensionsfonds, Banken oder großen Unternehmen. Auch Strafzahlungen von Staaten sollen in den Fonds einfließen, Zahlungen sollen daraus finanziert werden; zur Kontrolle sollen Satellitenbilder eingesetzt werden.
Die Weltbank soll als Treuhänderin fungieren und das vorläufige Sekretariat des Fonds beherbergen. Für viele tropische Länder wäre der Fonds eine neue Einnahmequelle. Gerade die sehr waldreichen Länder Brasilien, Indonesien und die Demokratische Republik Kongo könnten zumindest theoretisch jeweils Hunderte Millionen Dollar jährlich aus dem Fonds erhalten, wenn sie die Waldzerstörung vollständig stoppen.
Teilnahmeberechtigt sollen 74 Länder in Afrika, Asien und Südamerika sein, die gemeinsam über eine Milliarde Hektar tropischer und subtropischer Wälder umfassen. Nur Länder mit einer Entwaldungsrate von unter 0,5 Prozent sollen profitieren. Außerdem müssen sie 20 Prozent der Mittel an indigene und traditionelle Gemeinschaften weitergeben – jene Gruppen, die nachweislich den geringsten Anteil an der Abholzung haben.
Ein zentrales Versprechen des TFFF lautet: Geld für den Waldschutz darf nicht am Ende doch in fossile Projekte fließen. Doch genau das muss der Fonds erst noch absichern. Zwar soll es eine sogenannte „Exclusion List“ geben – eine Liste von Branchen und Firmen, in die nicht investiert werden darf, etwa Kohle, Öl, Gas oder Unternehmen, die direkt zur Abholzung beitragen. Aber bislang existierten nur Grundsätze, keine detaillierten Ausschlussregeln.
Kritische Aspekte kommen z.B. von der Global Forest Coalition (GFC), einem internationalen Bündnis von Umweltorganisationen, indigenen Gruppen und Basisinitiativen: Wälder könnten zu “Finanzprodukten“ gemacht werden, die nach Rendite statt nach ökologischen Zielen bewertet werden. Der Fonds biete außerdem indigenen Völkern und lokalen Gemeinschaften nur eine symbolische Rolle, während Regierungen und Finanzinstitutionen die Kontrolle behalten würden. Die GFC fordert stattdessen direkte Finanzhilfen für indigene Gemeinschaften, verbindliche Schutzmechanismen und ein Ende der „Finanzialisierung der Natur“. Positive Stimmen betonen die Chance, dass durch den Fonds die Abholzung ernsthaft beenden werden kann.
Weitere Bemerkugen zur Klimakonferenz:Einen konkreten allgemeinen «Waldaktionsplan», um die Zerstörung von Wald einzudämmen, beschloss die Konferenz nicht. Es wurde lediglich an einen früheren Beschluss erinnert, die Entwaldung bis 2030 zu stoppen.
Immerhin wurde im Rahmen der regionalen „Kongobecken-Waldpartnerschaft“ der "Belém Call to Action for the Congo Basin Forests" verabschiedet. Darin verpflichten sich die Länder des Kongowaldbeckens, gemeinsam mit internationalen Partnern (auch Deutschland) bis 2030 eine Umkehr der Entwaldungstrends ihrer Region sicherzustellen.
Korea, der Staat mit dem siebtgrößten Kohlekraftwerkspark der Welt, ist auf der COP30 der Powering Past Coal Alliance (PPCA) beigetreten und hat verkündet, zwei Drittel der bestehenden Kohlekraftwerke bis 2040 stillzulegen und für die übrigen im kommenden Jahr einen Ausstiegsfahrplan festzulegen.
Weltweit nimmt die Bepreisung von klimaschädlichem CO2 zu. So gibt es inzwischen mindestens 38 Länder mit Emissionshandelssystemen, weitere 20 Länder bereiten deren Einführung vor. Brasilien kündigte die Gründung einer "Open Coalition for Compliance Carbon Markets" an und unterstreicht damit die Rolle von CO2-Bepreisung als ein Instrument für die globale Dekarbonisierung.
China ist für ca. 30% der globalen fossilen CO2-Emissionen verantwortlich, liegt jedoch beim Pro-Kopf-Verbrauch an fossilen CO2-Emissionen etwa gleichauf mit Japan bei ca. 8 t CO2/Jahr pro Kopf und bei ca. 58% des Wertes der USA, aber über dem Wert der EU. Die absoluten CO2-Emissionen stagnieren immerhin seit 18 Monaten oder fallen. 2025 könnte das erste Jahr sein, in dem die CO2-Emissionen zurückgehen, trotz Wirtschaftswachstum und steigender Stromnachfrage. Der Präsident der COP30, André Corrêa do Lago lobte China für seine Fortschritte im Bereich grüner Technologien: "China entwickelt Lösungen, die für alle gelten, nicht nur für China". Chinas Investitionen in Solar- und Windkraft treiben die Energiewende weltweit an.
Ein genereller Kritikpunkt – wie bei jeder COP-Klimakonferenz bisher: Das Militär wurde wie immer aus der Konferenz ausgeklammert.Immerhin hat Präsident Lula das Thema Militarisierung bei der Eröffnung angesprochen: "Wenn wir doppelt so viel für Waffen ausgeben wie für Klimaschutzmaßnahmen, ebnen wir den Weg für die Klimaapokalypse." Aber in der Konferenz wurde das Thema wie immer nicht behandelt. Dabei stehen sich natürlich Rüstung und Klimaschutz im doppelten Sinn diametral gegenüber:
- Zum einen sind die Militärausgaben – sie erreichten in 2024 weltweit den absurden Wert von 2,7 Bill. Dollar – selbst schon eine irrsinnige Verschwendung, die natürlich an jeder anderen Stelle fehlt. Wenn diese Unsummen in Beziehung gesetzt werden zu den o.g. Geldern, die für den Klimaschutz oder Anpassung diskutiert werden, dann erkennt man, dass für Rüstung unglaublich viel mehr Geld ausgegeben wird als für den Kampf gegen die globale Umweltzerstörung und Klimaerwärmung.
- Zum anderen zerstört Militär nicht nur im Krieg direkt menschliches Leben und die Natur und das Klima, sondern es zerstört auch im sog. „Frieden“ bei Übungen und beim Bau der Waffen und Anlagen das Klima durch seine permanenten Treibhausgasemissionen. Nach groben Schätzungen betragen die gesamten Klima-Emissionen durch das Militär ca. 5-6% aller Treibhausgas-Emissionen auf der Erde.
Anders als bei vorherigen COP-Konferenzen in autoritären Staaten wie Aserbaidschan, Vereinigte Arabische Emirate oder Ägypten regte sich draußen im Zentrum der Millionenstadt Belem viel Protest. Ein Höhepunkt war ein mehrtägiger « Peoples Summit » mit 24.000 Teilnehmern aus über 800 zivilgesellschaftlichen und indigenen Organisationen hauptsächlich aus Brasilien und Lateinamerika auf dem Gelände der UFPA-Uni. (7) Es wurde eine Abschlusserklärung (8) verabschiedet, in der eine viel konsequentere Klimapolitik, Landrechte, historische Reparationszahlungen und eine größere Beteiligung der Zivilgesellschaft und indigener Gruppen bei der offiziellen COP gefordert wurden. Neben dem Kampf für eine gerechte Transformation wurde auch der Kampf gegen rechte Gruppierungen verankert, die sich als Leugner des anthropogenen Klimawandels und Gegner der Demokratie gezeigt haben.
Ein weiterer Höhepunkt war zur Halbzeit der Konferenz ein riesiger, bunter “Marsch fürs Klima“ von Siebzigtausend für mehr effektiven Klimaschutz. Unterschiedliche Karavanen der brasilianischen Bewegungen kamen zu Wasser und auf dem Landweg nach Belém. Indigene und andere Aktivisten belagerten im Kampf um mehr Mitsprache und Landrechte mehrfach das Gelände der Konferenz, einmal stürmten sie sogar die Eingangshalle der eigentlich stark gesicherten COP-Zeltstadt.
Zentrale Themen beim Summit waren die internationale Solidarität gegen Ungleichheit und Umweltrassismus sowie der Kampf gegen Straffreiheit von Unternehmen und falsche Klimalösungen, die eher Lebensgrundlagen zerstören, statt sie zu erhalten. Das Recht auf Nahrung, die Ernährungssouveränität und die aktive Einbeziehung der Betroffenen in die Lösungsfindung sollten zentrale Hebel für wirksamen Klimaschutz und die globalen Nachhaltigkeitsziele sein.
Ein ungezügelter Kapitalismus und die Kommerzialisierung der Natur stehen einer wirksamen Lösung der Klimakrise unversöhnlich gegenüber.
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Quellen:
(1) H. Selinger, 1-2024: Absurdistan: Die Weltklimakonferenz COP28 in der Ölhauptstadt Dubai unter der Leitung eines Öl-Managers. Ein ergänzender Kommentar: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/5188-absurdistan-die-weltklimakonferenz-cop28-in-der-oelhauptstadt-dubai-unter-der-leitung-eines-oel-managers-ein-ergaenzender-kommentar?highlight=WyJzZWxpbmdlciJd
(2) H. Selinger, 12-2022: Klimagipfel COP27 in Sharm El-Sheikh: internationale Klimapolitik braucht prinzipielle Neuausrichtung: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/4970-69klimagipfel-cop27-in-sharm-el-sheikh-internationale-klimapolitik-braucht-prinzipielle-neuausrichtung?highlight=WyJzZWxpbmdlciJd
(3) Süddeutsche Zeitung (SZ) v. 24.11.2025, S. 7
(4) Handelsblatt v. 21.3.2022
(5) H. Selinger 11-2021 „Verlauf von Glasgow-Konferenz zeigt: Völlig andere Art Klimakonferenz nötig für Bewältigung der Klimakrise“: https://www.isw-muenchen.de/online-publikationen/texte-artikel/4304-3verlauf-von-glasgow-konferenz-zeigt-voellig-andere-art-klimakonferenz-noetig-fuer-bewaeltigung-der-klimakrise
(6) H.Selinger 2015 Transform! Europe Paying climate debts for global climate justice: https://transform-network.net/blog/article/paying-climate-debts-for-global-climate-justice






