SIKO Gegenaktionen München

Februar 2008

Rede von Oruc Dapar (YEK-KOM) am Samstag

Êdî Bese- Es Reicht!

Wieder einmal werden zahlreiche Regierungsvertreter in München zusammen kommen, um über ihre militärischen Strategien und Sicherheitspolitik zu sprechen. Wie in den Vorjahren wird diese Konferenz auch für die Rüstungslobbyisten eine Plattform, auf der sie ihre neuesten Errungenschaften und High-tech-Waffen präsentieren. Repräsentanten von EU und NATO werden gemeinsam neue Kriegseinsätze, Militärstrategien und Rüstungsgeschäfte planen.

Weitere Themenschwerpunkte dieser Konferenz sind der ungehinderte Zugang zu Rohstoffen und zu den Märkten der Welt, um für die eigenen wirtschaftlichspolitischen Interessen eine Basis zu schaffen. Mit militärischen Mitteln sollen die Interessen der Herrschenden abgesichert werden. So verwundert es nicht, dass unter dem Vorwand der “Terrorbekämpfung” Kriege geführt, Menschen vertrieben und größte Zerstörungen angerichtet werden. Durch die Kriege der NATO-Staaten und ihrer Verbündeten wird jede demokratische Entwicklungen zunichte gemacht.

Im vermeintlichen “Kampf gegen den Terror” wurden und werden permanent Gesetze verschärft, die tief in die elementaren Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger eingreifen. Datenspeicherungen, Telefonüberwachungen, Überwachungen von öffentlichen Plätzen, Privatwohnungen und Vereinen tragen aber nicht zu einem Mehr an Sicherheit bei, sondern liefern die Menschen zunehmend staatlicher Willkür, Kriminalisierung, Repression und Kontrolle aus. Gleichzeitig dienen diese Instrumentarien einer globalen Abschottung der Aussengrenzen der EU und anderer Staaten. Statt Fluchtursachen zu bekämpfen, entstehen durch NATO-geführte Kriege ständig neue Konfliktherde, die Menschen dazu zwingt, ihre Heimat zu verlassen. Die staatliche Aggression und eine fremdenfeindliche Politik richtet sich in der Folge dann gegen diese Flüchtlinge und Migranten. Sie werden ein zweites Mal zu Opfern gemacht. Die Spitze der Menschenverachtung sind massenhafte Abschiebungen in die zerstörten Krisen- und Kriegsgebiete.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

Wir empfinden es als eine ungeheure Brüskierung, dass diese Konferenz, die unter dem Motto “Frieden durch Dialog” stattfindet, ausgerechnet vom türkischen Ministerpräsidenten Erdogan eröffnet wird. Von ihm, der mitverantwortlich ist für die massiven Bombardierungen kurdischer Dörfer im Nordirak und Tötung dutzender kurdischer Guerillakämpfer durch die türkische Armee und Sicherheitskräfte. Der ebenso mitverantwortlich ist für die seit Monaten andauernden antikurdischen Hetzkampagnen in der Türkei, der Verbotsdrohungen gegenüber der pro- kurdischen Partei der demokratischen Gesellschaft (DTP), der Angriffe auf Parteibüros, Zeitungsredaktionen und zivilgesellschaftliche Organisationen. Gleichzeitig wird das Leben von Herrn Öcalan durch die menschenunwürdige Isolationshaft auf der Gefängnisinsel ernsthaft in Gefahr gebracht. Für diese Haltung wird dem türkischen Ministerpräsidenten hier in München nun ein Forum geboten. Unter dem Stichwort “Anti-Terror-Kampf” sucht die Türkei Verbündete und glaubt, auf diese Weise einen seit Jahrzehnten existierenden politischen Konflikt lösen zu können. So wird sie diese Konferenz nutzen wollen für ihr militärisches Vorgehen gegen Kurden und ihre Institutionen und sich dafür weiterhin die Unterstützung der NATO-Staaten, der EU und insbesondere der USA zu sichern.

Seit Jahren unternimmt die kurdische Seite alles, um die Konflikte zu einer vernünftigen Lösung zu führen: Einseitige Waffenstillstände, Verhandlungsangebote, Vermittlungsversuche, auch das Angebot der Guerilla, kontrolliert die Waffen abzugeben – alles scheiterte bisher an der unnachgiebigen Haltung der türkischen Regierung und des Militärs.

Diese Haltung wird hier durch die Vertreter der Türkei sowie den Ministerpräsidenten Erdogan zum Ausdruck kommen. Sie werden versuchen, ihre Schlüsselrolle, die sie in den Zeiten des Kalten Krieges inne hatte, wieder zu erlangen. Eine zentrale Rolle im Mittleren und Nahen Osten zu spielen – dafür wird sich die Türkei in München stark machen und Unterstützung einfordern.

Sehr geehrte Damen und Herren,
Liebe Freundinnen und Freunde,

hiergegen und gegen die Vernichtungs- und Ausbeutungskonzepte der neuen Weltordnung müssen wir unseren entschiedenen Widerstand setzen. Die Welt darf nicht länger von Kriegsgewinnlern und Profitinteressen beherrscht werden. Es muss ein neues demokratisches, ökologisches und ökonomisches Gleichgewicht geschaffen werden, das den Völkern dieser Erde ein gerechtes, freies und menschenwürdiges Leben möglich macht. Hier sind die zivilen Organisationen – also wir alle - gefordert, sich noch stärker zu verbünden, um der die Existenz der Menschen bedrohenden Kriegs- und Expansionspolitik ein Ende zu bereiten.

Deshalb sagen wir: „Êdî bese – es reicht“.

Schließen wir uns zusammen, handeln wir solidarisch

  • für ein freies und selbst bestimmendes Leben aller Menschen
  • für Meinungsfreiheit und Menschenrechte
  • für eine soziale Umverteilung von oben nach unten
  • für einen Frieden in Kurdistan und Freiheit für Abdullah Öcalan!

Rede Bahman Nirumand - Freitag 8.2.2008

Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

heute Abend wird die Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik eröffnet. Die Veranstalter bekennen scheinbar ganz ehrlich und unschuldig: „Wir haben immer mehr Konflikte, aber immer weniger Strategien.“ Sie sprechen von Machtverschiebungen und stellen fest, dass die Ordnung der Welt aus den Fugen geraten ist.

Soweit, so richtig. In der Tat existiert die alte Ordnung, in der die US-amerikanische Supermacht und einige westeuropäische Staaten alles unter Kontrolle hatten, nicht mehr. Das Zentrum der Welt verschiebt sich. Neue Mächte sind im Vormarsch.

Es ist aber kaum zu erwarten, dass die Teilnehmer der Konferenz die Tatsachen zur Kenntnis nehmen und nach den Ursachen der zunehmenden Konflikte und der allgemeinen Unordnung fragen.

Berauscht von dem Glauben an der Macht der Waffen, werden sie, wie seit eh und je, neue Gewaltstrategien entwickeln und neue Militäreinsätze planen, um den lukrativen Waffenmarkt auszuweiten und die Energiequellen, Rohstoffe und billige Arbeitskräfte unter ihre Kontrolle zu bringen.

Sollten sie aber wider Erwarten tatsächlich sich grundsätzlich um neue Strategien bemühen, dann müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit des Kolonialismus längst vorbei ist, dass man mit Gewalt nur Chaos stiften kann, dass die Menschen, auch in den zurückgehaltenen Ländern bewusster geworden sind und sich gegen Unterjochung zur Wehr setzen, auch wenn dieser Widerstand oft den Makel der Verzweiflung trägt.

Die Teilnehmer der Konferenz müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Rolle, die die USA nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Berliner Mauer als alleinige Supermacht gespielt und sich dabei in allen Teilen der Welt nach Belieben ausgetobt haben, allmählich ausgespielt ist, und dass andere Mächte wie Russland China oder auch Indien, nicht weniger aggressiv ihren Anteil an dem großen Kuchen fordern.

Die Teilnehmer der Konferenz sollten weiterhin zur Kenntnis nehmen, dass die Supermacht USA und in weitem Maße auch Europa ihr Ansehen und Glaubwürdigkeit in weiten Teilen der Welt eingebüßt haben. Lange Zeit hindurch hat sich der Westen als Bannerträger der Demokratie und der Menschenrechte präsentiert. Diesen Anspruch hat er längst verloren.

Denn die Menschen in anderen Teilen der Welt sind doch nicht taub und blind. Sie sehen, wie unter dem Deckmantel der Demokratie, trotz ständigen Bekenntnissen zu Menschenrechten alles Undenkbare und Unvorstellbare möglich und erlaubt ist.

Es ist erlaubt, dass der Präsident eines demokratisch verfassten Staates unzählige Male sein eigenes Volk und die ganze Welt offen und schamlos belügt und trotzdem im Amt bleibt, auch dann, wenn er diese Lügen zum Vorwand nimmt, um einen Krieg vom Zaum zu brechen, bei dem Hunderttausende Zivilisten getötet und verletzt und Millionen zur Flucht gezwungen wurden. Es ist den selbsternannten Demokraten und Verfechtern der Menschenrechte erlaubt, das Völkerrecht zu brechen, Länder zu besetzen, Menschen zu entführen und brutal zu foltern. Es ist erlaubt, zu Militärdiktaturen wie zu der in Pakistan und zu Despoten wie zu denen in Saudi-Arabien freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten, ihnen für zig Milliarden Waffen zu liefern, um eigene ökonomische und militärstrategische Interessen durchzusetzen.

Es ist erlaubt, vierzig Jahre lang sämtliche UNO-Beschlüsse zu ignorieren, ein Land besetzt zu halten und es durch den Ausbau von immer mehr Siedlungen, Militärstützpunkten, Checkpoints und Mauern so zu okkupieren, dass jede Hoffnung auf einen autonomen Staat begraben werden muss. Es ist erlaubt, Teile dieses Landes zur militärischen Sperrzone zu erklären, anderthalb Millionen Menschen von der Außenwelt auszugrenzen und sie aushungern zu lassen.

Ist es möglich, trotz dieser Beispiele, denen man endlos weitere hinzufügen könnte, immer noch zu glauben, dass der Westen es mit der Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte ernst meint?

Der Irak sollte zum Vorbild eines demokratischen Staates im Nahen Osten werden. Der blutrünstige Despot Saddam Hussein wurde zwar gestürzt, aber seit fünf Jahren ist im Irak niemand seines Lebens sicher. Das Land liegt in Trümmern, Mord und Terror hören nicht auf. Allein in den letzten zwei Wochen wurden mehr als hundert Menschen getötet. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Eine nationale Einheit der mehr denn je verfeindeten Volksgruppen ist schier unmöglich und eine Teilung des Landes würde zu mehreren Kriegen führen.

Auch Afghanistan sollte zu einem Musterstaat mit blühenden Landschaften werden. Seit sieben Jahren steht das Land unter Besatzung. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck ist ehrlich genug und gesteht, dass deutsche Soldaten deutsche Interessen am Hindukusch vertreten. Andere Nato-Staaten tun das auch, obwohl sie es vielleicht nicht offen zugeben. Wer aber vertritt die Interessen Afghanistans? Sicherlich nicht die korrupte Regierung Karsai und auch nicht das Parlament, in dem die Killer von einst und heutige Bosse der Drogenmafia sitzen. Angeblich waren die Besatzer gekommen, um das Land aufzubauen und den Menschen Sicherheit zu gewähren. Es muss erlaubt sein, zu fragen, wo all die Milliarden geblieben sind, die für die Entwicklung des Landes bereitgestellt wurden. Sicher, die Regierung ist korrupt, aber nicht einmal ein Viertel der Gelder ist überhaupt nach Afghanistan gelangt. Und die Sicherheit? Der Terror ist um das Mehrfache gestiegen und die Taliban sind im Vormarsch. Man könnte auch die Frage stellen, woher all die Waffen kommen, mit denen die Terroristen und die Taliban ihren Kampf führen. Verfügt etwa Al Kaida über Waffenfabriken? Und wer organisiert den Drogenexport bis nach Europa und in die USA? Sind das alles afghanische Warlords?

Die Militärregierung in Pakistan, die zu den bevorzugten Schützlingen der USA gehört und mit Waffen im Wert von Milliarden und großzügiger Entwicklungshilfe, auch aus Deutschland, versorgt wird, ist längst nicht mehr Herr der Lag im eigenen Land. Weite Teile des Landes stehen unter der Kontrolle der Islamisten, die zudem durch weitreichende Verbindungen über großen Einfluss in der Armee und im Geheimdienst verfügen. Gäbe es freie Wahlen in Pakistan, wäre nicht ausgeschlossen, dass Islamisten den Sieg davon tragen und auf legalem Weg in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen würden.

Iran steht nach wie vor im Visier der USA. Washington möchte zwar unbedingt verhindern, dass Iran in den Besitz von Nuklearwaffen gelangt, aber das eigentliche Ziel ist ein Regimewechsel und die Kontrolle über die Region, in der die größten Gas- und Ölquellen lagern. Sonst hätte man damals unter dem kompromissbereiten Reformpräsidenten Chatami zu einer Lösung gelangen können. Die USA blockierten die Verhandlungen und verhalfen damit den Radikalislamisten zur Macht. Ja noch mehr, Sanktionen und Kriegsdrohungen waren die besten Steilvorlagen für das mörderische Regime von Ahmadinedschad, dem außenpolitische Krisen höchst willkommen sind, um von der Unfähigkeit seiner Regierung abzulenken, das eigene Volk noch mehr zu knechten und in der islamischen Welt die Rolle des Helden zu spielen.

Nein, liebe Freundinnen und Freunde,

die Strategie der Gewalt löst keine Probleme, sie erzeugt immer mehr Gegengewalt. Das sollten sich die um Sicherheit der Welt besorgten Damen und Herren, die hier in München zusammengekommen sind, hinter die Ohren schreiben. Sanktionen und Kriegsdrohungen werden das Regime in Teheran nicht in die Knie zwingen. Die zu Polizisten und Soldaten ausgebildeten Afghanen, die scharenweise zu den Taliban überlaufen, werden nicht in den Schoß der Besatzer zurückkehren, wenn man noch mehr Tornados und Truppen nach Afghanistan schickt. Die Selbstmordattentate der Palästinenser, die durch keinen Vorwand zu rechtfertigen sind, weil Mord einfach Mord ist, werden nicht aufhören, wenn man dem palästinensischen Volk durch immer weiteren Ausbau von Siedlungen die Hoffnung auf einen eigenen Staat raubt und die Menschen weiterhin wie Gefangene behandelt. Nein, Gewalt erzeugt Gegengewalt.

Was wir brauchen, ist eine Strategie des Friedens, eine Strategie gegen Armut, Hunger und Seuchenkrankheiten, eine Strategie die frei ist von der Arroganz der Macht, eine Strategie die tatsächlich die Menschenrechte und Gleichberechtigung der Völker akzeptiert. Diese Strategie werden wir nur dann durchsetzen können, wenn die internationale Friedensbewegung stark genug ist, um die, die hier in München hinter verschlossenen Türen tagen, dazu zu zwingen, statt Lippenbekenntnisse tatsächlich als Demokraten und Verteidiger der Menschenrechte zu handeln und sich dem Willen der Völker nach Frieden und Freiheit zu beugen.

Rede von Ulla Jelpke bei der Protestkundgebung 9.2.2008

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Im Mai 1968 beschloß die damalige Große Koalition aus Unionsparteien und SPD die Einführung der Notstandsgesetze. Diese Notstandsgesetze gaben dem Staat außerordentliche Vollmachten im Fall von Kriegen und inneren Unruhen. Sie schränkten die demokratischen Grundrechte in einem solchen Fall massiv ein. Die Einführung einer solchen Bürgerkriegsverfassung war eine Ursache für die Bildung der Außerparlamentarische Opposition - der APO - von 1968.

Heute – 40 Jahre später – erleben wir eine erneute Attacke auf die demokratischen Grundrechte. Im Namen des „Krieges gegen den Terrorismus“ wird der Rechtsstaat zum präventiven Überwachungsstaat umgebaut. Am Ende dieser Regierungsperiode werden wir in einem anderen Staat leben – wenn wir die Große Koalition in ihrem Amoklauf gegen die Grundrechte nicht stoppen.

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Krieg nach außen – Repression nach innen – das sind zwei Seiten der selben Medaille.

Besonders deutlich sehen wir dies alljährlich im Februar hier in München während der NATO-Sicherheitskonferenz. Während Kriegsstrategen und Rüstungsprofiteure über laufende und zukünftige völkerrechtswidrige Kriege beraten, wird München zur demokratiefreien Zone für Kriegsgegner. Polizeiuniformen, Blaulichter und Sperrgitter beherrschen die Innenstadt. Soldaten üben das Hausrecht im Tagungshotel Bayerischer Hof aus. Demonstrationen werden verboten oder mit fadenscheinigen Argumenten nur außer Sichtweite der Kriegstreiber gestattet. In den vergangenen Jahren gab es zur Sicherheitskonferenz immer wieder Razzien in linken Zentren und zahlreiche Festnahmen von Demonstrierenden.

Bezeichnend war die Äußerung des Konferenzorganisators Horst Teltschik vor einem Jahr: Es sei die Tragik der Demokratie, dass hier jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.

Teltschik sprach hier nur deutlicher aus, was Politiker wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auch meinen. Denn an der Spitze der laufenden Attacken gegen das Grundgesetz steht t der oberste Verfassungshüter. Öffentlich denkt Schäuble über extralegale Hinrichtungen von Terrorverdächtigen nach. Er will unter Folter zustande gekommene Aussagen nutzen und heißt das US-Gefangenenlager Guantanamo gut.

Für Schäuble und die Bundesregierung ist jeder Bürger und jede Bürgerin ein potentiell verdächtiges Sicherheitsrisiko. Mit dem im letzten Jahr beschlossenen Vorratsdatenspeicherungsgesetz bleiben alle Verbindungsdaten von Telefon und Internet für ein halbes Jahr gespeichert und stehen dem Zugriff von Polizei und Geheimdiensten zur Verfügung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist damit abgeschafft.

Mit dem in Kürze kommenden BKA-Gesetz sollen die geheime Online-Durchsuchungen von Computern ermöglicht werden. Erlaubt wird auch das Abhören bislang geschützter Berufsgruppen wie Journalisten und Ärzte. Auf der Strecke bleiben dabei Patientengeheimnisse, das Zeugnisverweigerungsrecht, ein wirksamer Informantenschutz und die Pressefreiheit sowie die Privatsspähre der Bürgerinnen und Bürger.

Es hat nichts mit dem Kampf gegen den Terror zu tun, wenn der Datenschutz verletzt wird. Es dient nicht unserer Sicherheit, wenn der Staat sich in die ganz privaten Dinge der Bürgerinnen und Bürger einmischt! Im Gegenteil: wenn wir uns gegen diese Entwicklung nicht wehren, dann werden wir Freiheit und Sicherheit verlieren

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Eine Lehre aus dem Terrorapparat der Geheimen Staatspolizei unter dem Faschismus war das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei in der Bundesrepublik. Mit dem Terror-Abwehrzentrum und der Terrordatei, in denen die Erkenntnisse von Polizei, Verfassungsschutz und zahlreichen Bundesbehörden zusammenlaufen, wurde diese Lehre aus dem Faschismus über Bord geschmissen. Ein riesiger, demokratisch unkontrollierter Datenkoloss wurde geschaffen. Praktisch jeder kann durch Zufall selber einer Terrordatei laden. So, wie ein Berliner Sozialwissenschaftler nur deswegen als angeblicher Terrorist inhaftiert wurde, weil einige Begriffe seiner wissenschaftlichen Untersuchungen auch in den Bekennerbriefen eine militanten gruppe auftauchten und dieser Sozialwissenschaftler manchmal bei Besprechungen sein Handy ausschaltete.

Es ist offenbar nicht schwer, Terrorist zu werden. Zumindest sieht Generalbundesanwältin Monika Harms das so. Denn im vergangenen Jahr schwang die Generalbundesanwältin wieder willkürlich die Terrorismuskeule des Paragraphen 129a gegen Kritikerinnen und Kritiker der herrschenden Politik. Betroffen waren vor allem Antimilitaristen und Globalisierungskritiker sowie türkische und kurdische Linke.

Doch die Generalbundesanwältin erhielt mehrere schallende Ohrfeigen vom Bundesgerichtshof. Die Razzien gegen Globalisierungskritiker im Vorfeld des G8-Gipfels waren ebenso illegal wie die Einstufung von Brandanschlägen auf parkende Bundeswehrfahrzeuge als Terrorismus. Doch auch davor gelangten 90 Prozent der 129a-Ermittlungsverfahren niemals zu einer Anklage geschweige denn zu einer Verurteilung wegen Terrorismus. Schließlich liegt der Sinn des Paragraphen 129a in der Kriminalisierung und Einschüchterung oppositioneller Bewegungen sowie der umfassenden Datensammlung vor allem über linke Strukturen und Aktivisten.

Solange die Paragraphen 129, 129a und der neue 129b gegen ausländische terroristische Vereinigungen existieren, werden sie auch Anwendung finden. Spätere Rügen durch den Bundesgerichtshof ändern daran nichts. Die Konsequenz muss sein: Abschaffung der Terrorparagraphen!

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Während immer mehr deutsche Truppen zu Kriegseinsätzen ins Ausland geschickt werden, will die Bundesregierung die Soldaten auch im Inland einsetzen. Dies ist bislang durch das Grundgesetz verboten. Aus gutem Grund: Soldaten im Inland bedeuteten in der deutschen Geschichte stets Unterdrückung von Demokratie und Freiheit.

Eine neue Dimension der inneren Militarisierung erlebten wir bereits während des G8-Gipfels vergangenen Sommer in Heiligendamm. Spähpanzer haben die Verkehrsströme nach Demonstranten ausgeforscht. Tornados der Luftwaffe sind mehrfach über die Protestcamps gerast und haben dabei Hunderte von Bildern geschossen. Mit erlaubter „Amtshilfe“ für die Polizei hat das nichts mehr zu tun. Das war in meinen Augen ein klar verfassungswidriger Bundeswehreinsatz.

Verfassungswidrig war auch die Änderung des Luftsicherheitsgesetzes, das es der Bundeswehr erlaubten sollte, entführte Flugzeuge abzuschießen. Das Bundesverfassungsgericht hat hier deutlich gemacht, dass die Würde des Menschen unantastbar bleiben muss. Nun will Bundesinnenminister Schäuble mit einer Grundgesetzänderung solche Bundeswehreinsätze doch noch ermöglichen. Aber Menschenwürde gehört zum Garantiebestand des Grundgesetzes. Da hilft der Regierung also keine Verfassungsänderung. Wer trotzdem ein Flugzeug-Abschussgesetz einführen will, zeigt damit ganz deutlich, wie wenig er vom Grundgesetz und dem Grundrecht auf Leben und Menschenwürde hält. Das gilt auch für Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, der schon jetzt Piloten für solche Abschüsse bereithält. Ihr seht – die Verfassungsfeinde sitzen im Bundeskabinett.

Um es noch mal deutlich zu sagen: Unsere Sicherheit wird weder am Hindukusch verteidigt, noch mit mehr Olivgrün auf deutschen Straßen.

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Man muss sich bei dieser ganzen Entwicklung fragen, was die Herrschenden eigentlich bezwecken. Es scheint ja im Moment überhaupt keine Notwendigkeit zu geben, die Opposition quasi unter Kriegsrechtsbedingungen zu stellen. Es gibt niemanden im Land, den die Herrschenden ernsthaft als „Gefährder“ einstufen müssten, es gibt nicht die Spur einer ernsthaft systemüberwindenden Opposition.

Aber gab es denn einen „richtigen“ Grund für die Einführung der Notstandsgesetze in den 1960er Jahren? Die Regierenden zögern nicht, die Basis ihrer Herrschaft zu verbreitern, wenn sie die Gelegenheit dazu sehen.

Das ist aus Herrschaftssicht, nur allzu verständlich. Wer will ausschließen, dass es auch in Deutschland in Zukunft größere soziale Kämpfe geben wird, in denen der Kapitalismus an sich in Frage gestellt wird? Die neoliberale Politik und die kommende Wirtschaftskrise erzwingen dies geradezu. Die Herrschenden denken bei der Vorbereitung der präventiven Konterrevolution weiter als viele der Beherrschten.

Im Unterschied zu 1968 haben wir heute mit der LINKEN eine Fraktion im Bundestag, die konsequent gegen die Angriffe der Großen Koalition auf das Grundgesetz eintritt. Eine Fraktion, die den Bundeswehreinsatz im Inland ebenso ablehnt, wie denjenigen am Hindukusch. Aber das Parlament kann nur eine Tribüne für unseren Widerstand sein. Im Bundestag alleine werden wir den Weg in den Überwachungsstaat nicht stoppen können. Notwendig ist eine neue außerparlamentarische Opposition zur Verteidigung unserer Grundrechte.

Kundgebungsrede von Claus Schreer am 9.2.2008

Proteste gegen die NATO-"Sicherheitskonferenz" 2008
Kundgebundsrede Claus Schreer am Samstag, 9. Februar
Bei den NATO-Strategen, die zu dieser Zeit im Bayerischen Hof versammelt sind, geht es nicht um Sicherheit

  • nicht um die Sicherheit für die Menschen auf diesem Globus
  • nicht um die Sicherheit der Menschen in Asien und Afrika
  • nicht um die Sicherheit Amerikas oder Europas
  • und auch nicht um unsere Sicherheit.

Es geht um Krieg
Es ist ein Dialog unter Kriegsexperten. Sie treffen Absprachen über die Arbeitsteilung in ihren Kriegseinsätzen. Absprachen darüber, wer die Verurteilten festnimmt, wer sie foltert und wer sie erschießt.
Die Verurteilten, die Verdammten dieser Erde, das sind alle Völker, die sich den imperialen Machtansprüchen der Großmächte und ihrer kapitalistischen Herrschaft nicht fügen.

Gestern stand in den Zeitungen wieder einmal die Ankündigung, dass die Polizei gegen gewaltbereite Störer und Straftäter konsequent einschreiten wird. Wir fragen uns: Warum stehen die Polizeihundertschaften dann hier auf dem Marienplatz? Warum marschiert die Polizei nicht direkt in den Bayerischen Hof?
Dort – aber nicht hier – würde die Polizei heute die Gewalttäter antreffen, gegen die sie einschreiten müsste. Dort tagen die Verantwortlichen für Folter und Kriegsverbrechen, und dort tagen diejenigen, die dazu Beihilfe leisten. Dort versammeln sich die Top-Manager der weltweit größten Rüstungskonzerne, die mit Massenmord ihre Profite steigern. Dort sind die Gewalttäter und Staatsterroristen versammelt, die schon lange hinter Schloss und Riegel gehören. Notorische Kriegsverbrecher, die völkerrechtswidrige Angriffskriege planen und dabei Hunderttausende Menschen umbringen lassen.
Ich will hier noch einmal die gestern vorgetragene Frage des britischen Literaturnobelpreisträgers Harold Pinter aufgreifen: Wie viele Menschen darf man eigentlich töten, bis man sich den Titel Massenmörder und Kriegsverbrecher verdient? Sind Hunderttausende nicht genug?
Und ich will die Frage anschließen: Sind die in den NATO-Kriegen getöteten Menschen in Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak nicht genug, um auch hierzulande festgenommen zu werden?
Ginge es nach dem Grundgesetz, dann dürfte die heute im Bayerischen Hof tagende Kriegskonferenz gar nicht stattfinden, die Vorbereitung von Angriffskriegen ist nämlich verfassungswidrig, ist vom Grundgesetz verboten und – ebenso wie jede Kriegspropaganda – ein Straftatbestand.
Vielleicht nicht alle, aber eine ganze Reihe der Teilnehmer an der Sicherheitskonferenz sind nicht nur gewaltbereit, sondern berufsmäßige Massenmörder, die auf der Stelle verhaftet werden müssten und vor den internationalen Strafgerichtshof gehören.

Seit 2002, als es erstmals in München zu Massenprotesten gegen sie Siko kam, versucht H. Teltschik seiner Militärtagung einen friedenspolitischen Tarnanstrich zu verpassen. Gebetsmühlenartig beteuert er seitdem, im Bayerischen Hof gehe es ausschließlich um die friedliche Lösung von Konflikten, um Frieden durch Dialog.
Man muss schon mit Blindheit geschlagen sein, um auf dieses Märchen reinzufallen, die NATO sei eine Vereinigung zur Verbreitung von Demokratie und Menschenrechten – quasi der verlängerte Arm von Amnesty International. Aber so naiv sind nur noch ganz wenige. Wir jedenfalls nicht.
Die NATO-Minister und NATO-Militärs haben weder Völkerverständigung noch die Herstellung friedlicher Verhältnisse im Sinn. Das ist nicht ihr Job – ihr Job ist der Krieg. Ihr Job ist die militärische Absicherung der Profit- und Machtinteressen der kapitalistischen Staaten. Ihr Job ist es, den Zugriff und die Kontrolle der Rohstoffe und Energieressourcen notfalls mit Krieg durchzusetzen. Ihr Job ist die militärische Absicherung des Reichtums einer kleinen privilegierten Minderheit gegen den Rest der Welt. Ihre sog. Friedensmissionen sind Vorherrschaftskriege. Ihre Friedensmissionen hinterlassen Trümmerhaufen und Leichenberge.
Der Gipfel der Friedensheuchelei ist jedoch die alljährliche Verleihung der sog. Friedensmedaille an einen der Günstlinge dieser Kriegsmaffia.Vor zwei Jahren wurde US-Senator John McCain, einer der schärfsten Einpeitscher für den Angriff auf den Irak, ausgezeichnet. Im vergangenen Jahr wurde die Friedensmedaille an Javier Solana verliehen, der 1999 als NATO-Generalsekretär den Angriffskrieg gegen Jugoslawien leitete, der sich 2003 als Architekt der Präventivkriegsstrategie der EU hervorgetan hat und seitdem die Militarisierung Europas vorantreibt.

Die Heuchelei mit der Friedensmedaille entlarvt sich selbst. Diese Medaille ist im wahrsten Sinne des Wortes ein Kriegsverdienstorden. Mit diesem Kriegsverdienstorden wurde heute Vormittag ein kanadischer Soldat ausgezeichnet, und zwar stellvertretend für alle Soldaten der NATO, die an den völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen in Afghanistan und anderswo beteiligt sind. Oder, wie Horst Teltschik es formulierte, "stellvertretend für alle Soldaten, die im Rahmen der NATO international Friedensdienst leisten".
Auf dem Kriegsverdienstorden eingraviert steht: "Frieden durch Dialog", die Kriege der NATO werden zum Friedensdienst umgelogen.
Um Frieden durch Dialog zu stiften, schickt Militärminister Jung jetzt eine zusätzliche Bundeswehr-Kampftruppe nach Afghanistan. Dieser Dialog wird mit schweren Waffen geführt, und das Angebot für den Dialog lautet: Wer nicht für uns ist – ist gegen uns, und wer gegen uns ist – ist Terrorist.

Die Bundeswehr versinkt immer tiefer im Morast des von der US-Regierung begonnenen Krieges in Afghanistan. Mit den Tornadoeinsätzen und der Entsendung zusätzlicher Kampftruppen beteiligt sich die Bundesregierung an der Eskalation dieses völkerrechtswidrigen Krieges, der mit Lügen begonnen wurde und mit immer neuen Lügen gerechtfertigt wird: der Lüge vom Wiederaufbau und der selbstlosen Hilfe, der Lüge vom Schutz der Bevölkerung und vom Schutz der Hilfsorganisationen. Nichts davon ist wahr – auch nicht das Märchen von der Verteidigung.

Die von Ex-Verteidigungsminister Struck verkündete Botschaft an das verunsicherte Volk "Deutschland werde am Hindukusch verteidigt" ist eine faustdicke Lüge.
Deutschland wird nicht am Hindukusch verteidigt – jedenfalls nicht, wenn damit die Menschen hier im Lande gemeint sind.
- Bedrohen die Taliban etwa unsere Renten oder unsere Arbeitsplätze?
- Verteidigt die Bundeswehr gar unsere soziale Sicherheit?
Die Bedrohungen, gegen die wir uns verteidigen müssen, kommen ganz wo anders her. Bedroht sind wir durch die Politik der Berliner Regierung, die immer mehr Menschen in die Armut treibt
Bedroht werden wir durch die Betriebsschließungen und Massenentlassungen der Konzerne und von einer Politik die sich nicht der Bevölkerung, sondern den Interessen des Kapitals verpflichtet fühlt.
- Auch Demokratie und Freiheitsrechte werden am Hindukusch weder verteidigt noch von dort aus bedroht.
Es sind nicht die Taliban, sondern es sind Schäuble und Beckstein, die die demokratischen Grundrecht aushöhlen, sie beschneiden oder völlig beseitigen wollen.
Nichts – Rein gar nichts wird am Hindukusch verteidigt
Die angebliche Verteidigung ist ein Angriff. Die Bundeswehr und die Truppen der NATO schießen den Weg frei für die Freiheit der Kapitalinvestoren, für die Erschließung von Absatzmärkten und für den Zugriff auf die Rohstoffe der Region.
Heute machen wir den Kriegsplanern, den Kriegstrommlern und Kriegsprofiteuren im Bayerischen Hof unmissverständlich klar: Ihr seid die größte Bedrohung für die Menschheit. Euch sagen wir den Kampf an und ihr könnt sicher sein, wir werden immer mehr.

No justice – No peace
Ohne Gerechtigkeit gibt es keinen Frieden
Diejenigen, die die Ungerechtigkeit, die Ausbeutung und Unterdrückung verewigen wollen – sie können das immer nur mit Gewalt durchsetzen. Der Krieg ist Bestandteil ihrer Herrschaftsabsicherung. Aber Gewalt erzeugt Gegengewalt.
Immer weniger Menschen in allen Ländern der Erde sind bereit, sich mit den weltweiten Ungerechtigkeiten der Herrschenden abzufinden. Sie wehren sich.
Denen, die heute so übermächtig erscheinen, sagen wir: Eure dicken Bankkonten und Aktienpakete werden euch nicht retten, und eure Waffenarsenale werden nicht ausreichen, euch zu schützen.
Der Widerstand wird weltweit zunehmen, und eure Macht- und Herrschaftsansprüche werden daran scheitern.
No justice – no peace.

Schichtwechsel

SIKO 2008Nach der JUBELDEMO werden die Schilder wieder "normaler" ...

"Schichtwechsel" von "Krieg ist Geil" zum Gegenteil!


SIKO 2008Ankunft Marienplatz etwas früh


SIKO 2008Aufbau bei bestem Wetter ...

Auswertungstreffen "danach"

Zeit: 
19.02.2008 - 19:30

Aktionsbündnis -
Auswertungstreffen im EineWeltHaus

- übliche Zeit, üblicher Platz.

(Nach den Aktionen 1 Woche aussetzen ;-)

Die Pressematerialien ...

Stichworte: 

Krieg mit "Human Rights"

Eine verdienstvolle Würdigung der "Human Rights Watch" bei Indymedia:
http://de.indymedia.org/2008/02/207547.shtml

Menschenrechtsorganisationen, dies sich für Kriege instrumentalisieren lassen - ds gibt es nicht nur in USA

Bei der NATO-"Sicherheitskonferenz" eine besonders aparte Note :-(

Beobachtergruppe: Pressemitteilung 10.2.2008

PRESSEMITTEILUNG

der Beobachtergruppe zur Münchner Sicherheitskonferenz (10.02.08)

Sehr geehrte Damen und Herren,

erfreulich war in diesem Jahr die im Vergleich zu den Vorjahren geringe Zahl von Festnahmen - laut Polizei bis zum Ende der Gegenveranstaltungen 17, insgesamt 32 (drei Gewahrsamnahmen). Auch hat die Polizei in diesem Jahr wohl darauf verzichtet, während der Demonstration den "Schwarzen", oder in der Selbstbezeichnung: "Internationalistischen Block" besonders zu provozieren (in der Vergangenheit üblich: durch Festnahme Einzelner aus dem Block heraus, Wegnehmen von Transparenten, Teilen des Blocks nach dem "Leberwurst-Prinzip": vorn und hinten zubinden, in die Mitte hineinstechen). Auf den Einsatz von Elektroschockgeräten (Teasern, laut BILD-München erwogen), Schlagstöcken und Pfefferspray wurde anscheinend verzichtet, das USK blieb im Hintergrund. Von Behinderungen bei der Anfahrt (Aufhalten von Bussen, Festnahmen am Bahnhof) ist uns bislang nichts bekannt. Auch scheint es in diesem Jahr nicht die fast schon gewohnten wahllosen massenhaften Festnahmen nach Ende der Veranstaltung gegeben zu haben. Die in diesem Jahr beobachteten Festnahmen wurden ohne exzessive Gewalt durchgeführt. Ein Erfolg unserer anhaltenden Kritik? Wie auch die neue Erfahrung, daß in diesem Jahr Polizeibeamte ansprechbar waren?

Freilich wurden Personen bei Kontrollen unnötig lange: bis zu 45 Minuten aufgehalten, manche wurden bis zu fünfmal durchsucht (ein Foto einer zum dritten Mal durchsuchten Ordnerin findet sich hier und hier). Zu Beginn der Kundgebung am Odeonsplatz wurden Personen am Verlassen der Kundgebung gehindert, bis eine Bundestagsabgeordnete der Partei Die Linke erfolgreich intervenierte. Nach wie vor treffen die Kontrollen und Durchsuchungen häufiger Punks als zivil Gekleidete, was nach wie vor diskriminierend und irrational ist; auch ist die Einstufung von Nietengürteln als eine Art von Waffen nicht selbsterklärend. 70 Feststellungen der Personalien scheinen viel, wenn es um das grundgesetzlich geschützte Recht auf Versammlungsfreiheit geht; Ausweiskontrollen wurden standardmäßig beim Zugang zur Auftaktkundgebung beobachtet.
Überhaupt ist das Bedürfnis der Polizei nach Datenerhebung rechtlich sehr problematisch: nach Auskunft unserer BeobachterInnen ist das ständige und flächendeckende rechtswidrige Abfilmen der Kundgebungs- und DemonstrationsteilnehmerInnen im Vergleich zum Vorjahr noch intensiviert und technisch perfektioniert worden.
Erneut fand der Lautsprecherwagen des Internationalistischen Blocks die besondere Aufmerksamkeit der Polizei, die nach Ende der Abschlußkundgebung die Personalien der Anwesenden überprüfte, sich damit jedoch begnügte und alle drei Lautsprecherwagen unbehelligt abfahren ließ - ein Kontrast zu den Vorjahren:
Ein Teilnehmer: "Während vor drei Jahren noch der FAU-Lautsprecherwagen brutal mit Knüppel und Pfefferspray gestürmt wurde, während vor zwei Jahren noch alle Fahrzeuge mehrfach durchsucht wurden, während letztes Jahr die Lagerhalle durchgehend observiert wurde, war diesmal eine deutliche Zurückhaltung der Polizei zu spüren.
Es wurde allerdings der Bühnen-LKW am Samstag Mittag auf den Weg zum Marienplatz kontrolliert, aber nur kurz, da der Polizei klargemacht wurde, daß sie mit dem Aufhalten des Wagens die Kundgebung behindern würde."

Erneut war der massive Polizeieinsatz völlig unverhältnismäßig: die PM der Polizei schreibt einzig von ungefährlichen pyrotechnischen Gegenständen, ließ die Demonstration aber nur im (rechtlich nicht zulässigen) "Wanderkessel" vorankommen, zum ersten Mal sogar von vorne durch vor dem Fronttransparent rückwärts laufende Polizisten gegen die restliche Bevölkerung abgetrennt.
Eine Beobachterin, die den Umsturz der DDR miterlebt hatte, wundert sich im nachhinein über die in der DDR vergleichsweise minimale Polizeipräsenz, ging es doch damals tatsächlich um den Bestand der Republik: "Nach der Demonstration heute (Samstag, LR) abend, die erfreulich ruhig verlaufen ist, möchte ich als geübte Montagsdemonstrantin - die "echten" meine ich vom Herbst '89 - noch ein paar persönliche Gedanken loswerden. Denn es gab zwei Dinge, die mich heute (Samstag, LR) Abend sehr erstaunt haben.
Zum einen schätze ich mal, daß das Aufgebot an Polizei heute abend größer war als jenes, das die DDR vor knapp 18 1/2 Jahren in Magdeburg gegen tatsächlich staatsfeindliche Demonstrationen (anders kann man es letztlich nicht nennen), aufzubieten hatte. Gut, damals hielt sich Polizei (und Militär?) in Seitenstraßen versteckt - im Vorübergehen konnte man sie sehen - und man interessierte sich nicht wirklich dafür, wieviele dort tatsächlich stehen. Heute abend
standen die Einsatzwagen zwar auch in den Seitenstraßen, aber die Polizei war so präsent, daß sie das Bild des Marienplatzes fast bestimmte."
Ironisch fährt sie fort: "Was mich dann aber so richtig erstaunt hat, war die Tatsache, daß sich die Polizisten den Demonstranten anschlossen und zusammen mit Autonomen, Attacis, Friedensaktivisten, Antirassisten und anderen Demokraten durch die Münchner Innenstadt zogen und dabei sogar einen schützenden Ring um die bürgerlichen Demonstranten bildeten, damit auch ja niemand deren Recht zur freien Meinungsäußerung gefährden könne... Das hat mich dann direkt wieder ausgesöhnt mit diesem Staat, in den mich meine Demonstrierfreudigkeit vor über 18 Jahren gebracht hat."

Aufschlußreich ist, daß die Polizei dieselbe Zahl von 300 - 400 "gewaltbereiten Demonstranten" in ihrer Gefahrenprognose angab, wie sie sie dann im "Schwarzen" Block wiederfand. Sie scheint also davon auszugehen, daß jedeR Einzelne im Internationalistischen Block "gewaltbereit" sei? Welche Belege gibt es dafür? Ist ein Verhältnis von zehn einzusetzenden Polizisten (3.700 waren im Einsatz) auf eineN "gewaltbereiten" Demonstranten/in verhältnismäßig? Wenn diese "Gewaltbereitschaft" sich darin zeigt, daß Zeitungsständer umgeworfen und Feuerwerkskörper abgebrannt wurden, was ist da verhältnismäßig? Der Preis der Münchner "Deeskalation durch Stärke" ist eine Szenerie, die an einen Polizeistaat erinnert, so daß nicht nur durch polizeiliche Einzelmaßnahmen, sondern durch das Gesamtbild jene 70 % der MitbürgerInnen, die gegen den Afghanistan-Krieg sind, sich davon abgehalten fühlen, das auch durch Teilnahme an einer angemeldeten, genehmigten und friedlichen Demonstration zum Ausdruck zu bringen. Würde sich das in einem anderen Staat abspielen, würde man von Unterdrückung der Opposition sprechen. Von einem freiheitlichen demokratischen Rechtsstaat ist anderes zu erwarten.

Mit freundlichen Grüßen,

Luise Rauschmayer
für die Beobachtergruppe zur Münchner Sicherheitskonferenz

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siehe auch: vorherige PM, Komitee für Grundrechte und Demokratie

Welcoming NATO

Zeit: 
02.04.2008 - 12:00 bis 05.04.2008 - 11:45

Bukarest 2008

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