SIKO Gegenaktionen München

Añadir nuevo comentario

Redebeitrag Eugen Drewermann

Verschriftlichung Redebeitrag Eugen Drewermann auf der Abschlußkundgebung 18.2.2017 Marienplatz



Download PDF
nach den Videos übertragen von einem Team des Münchner Friedensbündnises




Eugen Drewermann Marienplatz 18.2.2017

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde des Friedens!

Von ganzem Herzen danke ich Ihnen für die Bereitschaft, erneut gegenüber der alljährlichen sogenannten Sicherheitskonferenz von Wolfgang Ischinger ein gegenbesetzendes Zeichen hier auf dem Marienplatz zu äußern. Im letzten Jahr noch konnte der Ex-Diplomat erklären, es herrsche in Deutschland eine Interventions-Müdigkeit nach all den Ereignissen in Afghanistan, in Syrien, in Mali… Aber diese Interventions-Müdigkeit sei schlimmer als die möglichen Folgen der Intervention.

Ich frage mich: Wie viele Schlafzimmer eigentlich hat der Bayrische Hof, sich derart absurden Wunsch-Träumen hinzugeben? Was Sie, Herr Ischinger, produzieren, ist nicht Sicherheit. Das hat damit gar nichts zu tun! Wohl aber mit Kapitalinteressen und Kriegsgewinnlertum. Wohl aber mit Mord und Machtausdehnung. Wohl aber mit dem Okkupantentum ganzer Regionen zum Zwecke des sicheren Zugriffs auf Ressourcen und auf Arbeitssklaven.

Und wir erklären, dass wir diesen ständigen Bruch der Nichteinmischungsrechte in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten – erklärt 1648 bereits am Ende des Westfälischen Friedens in Münster und in Osnabrück – nicht länger gewillt sind hinzunehmen!

Hören wir nur, was Herr Mattis gestern noch erklärt hat: "Die NATO steht für Stabilität". Und Trumps Vorgänger Obama konnte erklären „Man geht nicht in fremde Länder“ und meinte damit Putins Russland. Wer hatte nötig, nach Vietnam zu gehen und mehr als zwei Millionen Menschen zu töten? Wer benötigt 1991 unter Bush dem Älteren mit fünfzehn anderen Staaten den Irak zu überfallen? Anschließend Somalia zu destabilisieren? Den Balkan in ein Kriegsgebiet zu verwandeln, aus dem die NATO selber ihre Südflanke arrondieren konnte. Hunderttausende von Serben zu ermorden. Deutsche Bomber nach 50 Jahren zum ersten mal über Belgrad. Und immer weiter so. 2001 Afghanistan: „Wir verteidigen unsere Sicherheit am Hindukusch“ – Hunderttausende von Toten. 2003 nächster Überfall im Irak. Und immer, immer weiter. Der Übergriff auf Libyen, jetzt in Mali. Dies alles stabilisiert keinen Staat! Aber man hat inzwischen sieben Islamische Staaten bis in den Ruin bombardiert! Nicht stabilisiert hat man sie, sondern ruiniert!

Dafür steht die NATO! Sie ist keine Sicherheitsarmee, ist ganz im Gegenteil die schlimmste Kriegsmaschinerie in aggressiver Absicht, die die Menschheit je gesehen hat.

Eben deswegen fordern wir als allererstes den Austritt Deutschlands aus der NATO! Wir haben keinen Grund mehr, die Lüge mitzumachen, diese Armee hätte jemals „dem Frieden dienen“ wollen.

1949, als die NATO gegründet wurde, richtete man gleichzeitig die Untergrundarmee Gladio in den Europäischen Staaten Frankreich, Griechenland, der Türkei, in Großbritannien, auch in Deutschland, vor allem in Italien ein. '89 endlich kam die Sache ans Licht. Was man wollte, war die Herrschaft über Gesamt-Europa im Sinne der Amerikaner.
Wir haben kein längeres Interesse daran, die Weltmachtideen der USA als Friedensbotschaft hinzunehmen und mitzuunterstützen.

Den Offenbarungseid leistete diese Militärmaschinerie 1989 mit dem Zusammenbruch des Sowjet-Imperiums und der Auflösung des Warschauer Paktes. Es war damals Gorbatschow, der das Angebot machte, auch die NATO zu beseitigen und Gesamt-Europa vom Ural bis zum Atlantik zu entmilitarisieren. Wie sähe die Welt aus, wenn die NATO wirklich Friedensabsichten gehabt hätte und auf diesen Plan eingegangen wäre!

Man versprach Gorbatschow, es würde sich die NATO nicht einen Zentimeter nach Osten ausdehnen. Herr Genscher konnte erklären, dass sogar das Gebiet der alten DDR nicht militärisch genutzt werden würde. Wie aber kommt man dann dahin, mitzuerleben, wie 1991 pünktlich die NATO-Ost-Ausdehnung zum fertigen Programm von Bush dem Älteren und von Helmut Kohl dem Gehorsamen erklärt wurde?

Inzwischen haben wir 13 Staaten, die die West- und Süd-Grenzen wie ein Krake gegen Russland absichern. Wir haben Raketen unmittelbar an der russischen Grenze in Polen und im Baltikum. Sie sind dabei, Militärmanöver in der Ostsee zu starten und in Bälde womöglich auch im Schwarzen Meer. Sie wollen keinen Frieden mit Russland. Sie wollen die Ausdehnung der NATO. Sie haben inzwischen „nötig“, Georgien mit bei einem Anakonda-Manöver an der Westgrenze Russlands mit einzubeziehen, als wäre es bereits ein NATO Staat. Und Schritt für Schritt soll das so weitergehen? Hier, 2007, konnte Putin davor warnen, in einen Kalten Krieg zurückzufallen. Den hat man gewollt. Den haben wir jetzt. Und mitzuverantworten hat ihn diese Konferenz unter Leitung von Herrn Wolfgang Ischinger. Wir können nur sagen: Endlich Schluss damit!

Wir hören sie erklären, dass Russland gefährlich sei.

Nehmen wir nur die Rüstungen: 600 Milliarden Dollar verplempern die USA allein für Militär. 300 Milliarden die NATO-Staaten, die assoziiert sind.

Russland gibt 80 Milliarden, in Dollar gerechnet, für‘s Militär aus. Das ist ungeheuer viel! Aber nicht ein Zehntel dessen, was der Westen an Rüstungsmitteln – um Russland, China, den Pazifik militärisch und hegemonial kontrollieren zu können – verschwendet.

Wer also bedroht da wen? Und vor wem müssten wir mehr Angst haben?

Die Raketen in Polen dienen der Gewinnung der Erstschlagkapazität bei einem atomaren Angriff, das Traumziel der Reagan-Ära aus dem Star-Wars-Programm. Zum ersten Mal sollen Atomkriege wieder führbar werden. Und wir sind dabei, die Atomwaffen zu erneuern. Also können wir hier in Deutschland nur erklären: Raus mit den amerikanischen Atomwaffen in Büchel! Keinerlei Pläne zur Beteiligung der Bundesrepublik an atomarer Aufrüstung!

Schließung der Drohnen-Abschuss-Bühne in Ramstein! Wir wollen uns nicht länger beteiligen an den tausendfachen Morden, illegal, außergerichtlich, in 10.000 km Entfernung, auf Verdacht hin. Tausende von Toten, die wir hier in Deutschland alleine durch die Einrichtung des größten amerikanischen Militärstützpunktes in Deutschland, in Ramstein, mitzuverantworten haben. Das alles schafft nicht Sicherheit, ganz im Gegenteil, es vermehrt die Furcht, es destabilisiert die Welt, es dient nicht dem Frieden.

Was wir lernen können bei alledem ist dass Herr Matthis völlig unrecht hat.

Denn er erklärt die NATO ist deswegen nötig, weil wir außer Russland die beiden Hauptziele weiterverfolgen müssen, Kampf gegen den Terrorismus und womöglich Ausweitung oder Einstieg in den Cyberkrieg.

2001, um ein Beispiel zu geben, hatte Al Quaida beim Angriff auf die TwinTowers, ungefähr eine Anzahl von 1.000 Mitgliedern, geschult und trainiert von den Amerikanern gegen die Sowjetunion in Afghanistan.
Heute, etwa 15 Jahre danach, verfügen der IS und andere Terrorarmeen über eine Soll-Stärke von mindestens 30.000 Mann! So erfolgreich war der amerikanische „AntiTerrorKrieg“.

Vollkommen richtig hat einer ihrer eigenen Soldaten im Jahr 2003, Joshua Key in dem Buch „Ich bin ein Deserteur“ einmal gesagt, wie man sich aufgeführt hat im Irak: „Wir bekämpfen hier keine Terroristen – Wir sind selber Terroristen. Und die Folge haben wir!“ Mandela konnte sagen, auf einen getöteten Terroristen kommen zehn weitere, neue Terroristen.
Man hat den Verdacht, dass die Amerikaner genau das wollen, damit sie in alle Ewigkeit eine Rechtfertigung haben für ihre Militärpolitik – überall auf Erden!

Allein die Zahlenbilanz der Toten, die auf Kosten der furchtbaren Aktionen von Terroristen gehen, im Vergleich zu dem, was der Anti - Terrorkampf an Menschenleben bisher gefressen hat, verschlägt einem den Atem. Wenn Sie im Irak etwa auf zwei Millionen Tote kommen nach 1991, dem Waffen-Embargo, dem 2. Irakkrieg, sind Sie ungefähr bei der richtigen Schätzzahl. Wenn Sie auf ein paar Hunderttausend Tote in Afghanistan kommen – das alles die Folge amerikanischer Politik – im Vergleich dazu ist das was die Terroristen machen quantitativ zumindest im Verhältnis von Eins zu fast Hundert zu buchen gegenüber den Verbrechen, die wir meinen, in Richtung der Menschlichkeit vollführen zu müssen.

Sie dehnen nicht die Humanität aus, sie dehnen die Lüge aus, Kriege führen zu können in humanitärer Absicht. Wir sagen: Kriege sind niemals human, Sie sind das Morden auf Befehl und technisiert mit höchsten Waffen.

Gerade erklärt Frau von der Leyen, dass Folter in Europa unmöglich sei und den Rechtsvorstellungen der EU widerspreche. Aber was war denn, Frau von der Leyen, als die Amerikaner nötig hatten, ihre Folterpraktiken outzusourcen? Man folterte in Polen, man folterte in Rumänien, die Deutschen schöpften ab. Wie die Folterergebnisse in Damaskus, als Assad noch unser Freund war. All das wußten wir. Was ist mit Guantanamo? Natürlich führt das Foltern dazu und die CIA hat sogar den Bericht, den man angefordert hat im Senat, so lange verzögert und herumgeschwärzt, bis wir am Ende von Herrn Bush erfahren konnten, die Folterpraktiker waren gute Patrioten, natürlich keine Verbrecher. Sie werden unter Trump so weitermachen. Es sei denn, wir erklären wirklich, wir wollen den ganzen militärischen Apparat inklusive aller seiner Folgen nicht länger mehr in Deutschland dulden.

Und fragen wir uns noch, was die Cyberkriege angeht. Gegen die ganze Welt führt die NSA einen einzigen Cyberkrieg, schöpft sämtliche Informationen ab, läßt den CIA machen, was er will und dann kann Frau Merkel vorgestern erklären, von alledem nichts gewußt zu haben.
Seit 1949, seit der Adenauerregierung ist eingeschrieben in die deutschen Gesetze in Bezug zu den Amerikanern, dass man abhören kann, was immer man will. Damals noch unter primitiven Verhältnissen. Das hat sich nie geändert. Wieso wir hier auf dem Marienplatz wußten vor ungefähr 5 Jahren von dem Programm von Echelon. Wieso nicht unsere Frau Kanzlerin? Nur, weil sie es nicht wissen will, weil Ausspähen unter Freunden ja garnicht geht, aber wir so befreundet sind, dass wir garnicht merken, wie wir ausgespäht werden? Lassen wir die Heuchelei!
Vor allem sagen wir: Ein Ende mit der Forderung nach höheren Kosten für die Rüstung.

Wenn Frau von der Leyen erklärt, wir haben inzwischen ein faires Angleichen an die amerikanischen Praktiken zu leisten, von denen wir so viel Frieden in all den Jahrzehnten empfangen haben müssen wir simpel sagen, wir haben überhaupt keinen Grund, dem Wahnsinn der amerikanischen Macht- und Rüstungspolitik zu folgen. Wir sollten uns dem endlich verweigern.

Inzwischen hören wir sogar Herrn Oettinger sagen, wir sollten aufhören, in Deutschland der kleine Bruder der USA zu sein. Da irrt Herr Oettinger!
Kirchenpräsident in Hessen-Nassau, Martin Niemöller in den 50er-Jahren konnte sagen, die Bundesrepublik ist ein Kind, das man in Washington gezeugt und im Vatikan getauft hat. Wenn wir endlich erwachsen werden, könnten wir den Amerikanern sagen, es gibt nur einen Weg zum Frieden, das ist: mit dem Frieden endlich anzufangen und mit den Kriegen aufzuhören.

Deswegen sagen wir nicht nur: Schluss mit Ramstein, Schluss mit den Projektionen der Erhöhung der Rüstungsaufgaben bis zu 2% des Brutto-Sozialprodukts! Ein Ende von Ramstein. Raus aus der NATO. Wir sagen gleichzeitig: Abschaffung der ganzen Bundeswehr entsprechend dem Plan von Gorbatschow aus dem Jahre 1989. Ich will mir nicht mehr länger anhören, wie Frau von der Leyen - Ex-Familienministerin - erklärt, dass Soldat zu sein genauso viel wäre, wie irgend einen bürgerlicher Beruf auszuüben. Dass man ihre Agenten in unsere Schulen schickt und den Schülern beibringt, welche großen Aufstiegs-Chancen man doch bei der Bundeswehr habe; wie sogar der Urlaub schön geregelt wird. Frau von der Leyen: Das Töten von Menschen ist niemals ein normaler Zivilberuf! Soldaten sind Mörder, Tucholsky hat recht!

Es ist möglich, dass an der Metzger-Theke manche Kunden sich nicht fragen, wie die Wurst, die man ihnen über die Theke schiebt, erzeugt wurde in den Massenanstalten der Tierquälerei. - Wie diese Art von Sicherheit produziert wird, werden wir nicht vergessen und Ihnen auf die Finger schauen. Mord bleibt Mord, das Töten von Menschen wird niemals Menschlichkeit. Und dann schauen Sie sich die Dressur aller Soldaten auf allen Kasernenhöfen der Welt an - Erich Maria Remarque konnte das 12 Jahre nach dem sogenannten 1. Weltkrieg bereits sagen: 6 Wochen Ausbildung haben genügt, dass wir herum robben im Schlamm vor jedem Postbeamten von damals wenn er nur die richtigen Epauletten trägt. Es ist nicht einfach ein Missgriff, dass immer wieder sadistische Praktiken in der Bundeswehr auftauchen; allein das ganze Training, die Augen geradeaus, links schwenkt Marsch! So trainiert man jeden Geist zwischen den Schläfen aus den Köpfen der Menschen. Gehorsam soll da das Prinzip sein, blinder Gehorsam. Ein 'Bürger in Uniform' existiert nicht, weil er zu gehorchen hat. Nicht seinem Gewissen, sondern dem Drill-Sergant, dem Brüll-Affen im Nacken. Das ist nicht Menschlichkeit, das ist Training des Rückfalls in die Barbarei.

Anschließend braucht man riesige Konfetti-Paraden, um die Schuldgefühle wegen tausender von Toten in den Jubelorgien zwischen Washington, New York City und Los Angeles wie 1991 bei dem "Desert Storm" unter Busch dem Älteren im Irak abzufeiern.

Wir wollen diese ganze Heuchelei nicht länger mit erleben. Also sagen wir: Nein zum Krieg, zur Kriegsvorbereitung, zur Kriegswilligkeit, die unsere Medien herbeireden. Wir verweigern uns einer Politik, welche sich die Option des Krieges immer noch offen lässt.

Die uns Regierenden regieren uns mit Angst. Aber wir haben die Chance, indem wir NEIN sagen und gar nicht erst hingehen zur Bundeswehr, denen Angst zu machen, dass sie den Rückhalt in der Bevölkerung verlieren.
Sagen wir es drüben auf amerikanisch - ich höre sprechen, dass der Frieden heute noch nicht möglich sei, "the peace is still impossible". Impossible wird dekliniert als erstes mit "I am possible".

Und solange wir hier sind, wird der Friede möglich sein. Und wir werden hier solange sein, bis d i e da verschwinden, und noch ein bisschen länger, damit sie niemals wiederkommen.

Ich danke Ihnen sehr.


Durch die Umstände der Kundgebung stand Drewermann unter Zeitdruck, hat relativ schnell gesprochen und wohl auch gekürzt. Und doch ein bemerkenswertes Dokument der aktuell notwendigen Positionen!