SIKO Gegenaktionen München

PM Buskontrolle zur Siko 2014 teilweise rechtswidrig

Pressemitteilung 11.2.2016
Rechtsanwalt Wolfram Treiber

Klage gegen die Buskontrolle auf der Fahrt zur Protestaktion gegen die Münchner Sicherheitskonferenz 2014 vor dem Verwaltungsgericht München teilweise erfolgreich.

Am 1.2.2014 wurden Antimilitarist_innen und Friedensaktiv_innen über 2,5 Stunden in einem Innenhof der Autobahnwache der bayrischen Polizei ohne jeglichen Anlass kontrolliert, erkennungsdienstlich behandelt und de facto an der Teilnahme an der Demonstration gegen die Sicherheitskonferenz gehindert, da sie erst gegen Ende der Demo dazu stoßen konnten, und somit ihres Demonstrationsrechts beraubt. Offizielle Begründung: Ein Jahr zuvor hätten Versammlungsteilnehmer aus Stuttgart bei den Protesten gegen die SIKO 2013 Bengalos angezündet, die man dadurch angeblich identifizieren wollte. (Die deswegen danach eingeleiteten Ermittlungsverfahren wurden jedoch allesamt eingestellt.).

Eine Businsassin schildert den Vorfall wie folgt:

"Wir fuhren auf den Hof, wo schon die Polizisten in voller Montur auf uns warteten. Hinter uns schob sich langsam das Stahltor zu. (...). Ohne Vorankündigung und ohne die Möglichkeit zu erfahren was das Ansinnen der Polizeikräfte ist, und auf welcher Rechtsgrundlage die Maßnahme durchgeführt wird, stürmte das USK den Bus und filmte von Beginn an das Geschehen. TeilnehmerInnen die im Mittelgang in der Nähe der Bustür standen und erst mal wissen wollten was der Grunde der Maßnahme ist und welche Maßnahme ergriffen werde soll, wurden allein deshalb wegen angeblichem "Widerstand gegen Vollstreckungsbeamte" aus dem Bus geführt."

Insgesamt wurden 4 Strafbefehle wegen Widerstand erlassen. Der angebliche "Widerstand" wurde dann hinterher als Begründung angeführt, warum alle (!) Businsassen abgefilmt, ED-Portraitaufnahmen gemacht und alle BusinsassInnen namentlich erfasst wurden. Nachdem die Angeklagten Rechtsmittel eingelegt hatten wurden die Verfahren hinterher eingestellt oder endeten mit Freispruch. Während das mit Belastungstendenz zusammengeschnittene Polizeivideo allenfalls einen diesbezüglichen Anfangsverdacht begründen konnte, ergab sich aus dem auf Antrag des Strafverteidigers hinzugezogenen ungeschnittenen Polizeivideo eindeutig, dass keinerlei Widerstand vorlag.

Nach Auffassung von Businsassen wurde die Buskontrolle durchgeführt, um die polizeiliche Datei von Kriegsgegner_innen inklusive Bildmaterial zu aktualisieren und zu vervollständigen. Da dies jedoch offensichtlich rechtswidrig wäre, war hier die offizielle Begründung, dass es bei der Busdurchsuchung ja möglicherweise zu Straftaten gekommen sei und man nur so etwaige "Straftäter_innen" feststellen könne. Selbst wenn man sogar dieser an den Haaren herbeigezogenen offiziellen Begründung folgen sollte erschließt sich nach wie vor nicht, warum dann z.B. die 62-jährige Klägerin, die als Gewerkschafterin seit Jahren in der Friedensbewegung aktiv ist, und gegen die keinerlei Strafvorwürfe vorliegen, erkennungsdienstlich behandelt und in Gewahrsam genommen wurde...

Solche Polizeimaßnahmen, die unzulässig ins Recht auf Versammlungsfreiheit eingreifen, sind geeignet Menschen davon abzuhalten, ihre verfassungsmäßigen Rechte wahrzunehmen und schrecken vor der Teilnahme an Versammlungen ab.

Das Verwaltungsgericht München hat nunmehr festgestellt, dass die Buskontrolle rechtswidrig war, soweit den Betroffenen von den Polizeikräften nicht mitgeteilt wurde, dass sie nach Abschluss der ED-Maßnahme den Polizeihof verlassen können. Der als Zeuge geladene Einsatzleiter hatte doch allen Ernstes behauptet, alle hätten ja nach Abschluss der Kontrolle den Polizeihof verlassen können. Tatsächlich wurden alle Betroffenen aber nach Abschluss der Durchsuchung und Anfertigung von ED-Portraitmaßnahmen von Polizeikräften in ein Karree aus Polizeitransportern gebracht, welches sie nicht verlassen durften und dort bewacht. Selbst ein Klogang musste beantragt werden und war nur unter Bewachung und Absicherung der Klotür durch die eingesetzte Beamten möglich...

Eine Feststellung, dass der Gewahrsam rechtswidrig war, konnte beim Verwaltungsgericht nicht beantragt werden, da dies nach dem bayrischen Polizeiaufgabengesetz im Gegensatz zur Rechtslage in anderen Bundesländern innerhalb von 1 Monat nach der Kontrolle beim Amtsgericht hätte überprüft werden müssen.

Das Verfahren wegen der ED-Portraitaufnahmen wurde abgetrennt und ans Amtsgericht München verwiesen, da das Verwaltungsgericht der Auffassung war, dass die ED-Aufnahmen aus repressiven Gründen gefertigt worden seien. Es spricht jedoch viel dafür, dass die ED-Portraitaufnahmen aus präventiven Gründen gefertigt wurden, um die Staatsschutz- und ähnliche Polizeidateien mit Antimilitarist_innen zu aktualisieren, ein ähnliches Procedere, wie wir es von den vielen Polizeikesseln bzw. Massengewahrsamnahmen gegen Antifaschist_innen oder bei Blockupy kennen, von denen viele anschließend von der Verwaltungsgerichten für rechtswidrig erklärt wurden.

Die Entscheidung des Amtsgerichts bezüglich der Rechtswidrigkeit der ED-Portraitaufnahmen steht somit noch aus.

Das Verwaltungsgericht hat in seiner Urteilsbegründung den klägerischen Vortrag aufgegriffen und klargestellt, dass auch Polizeikontrollen im Vorfeld einer Versammlung so durchgeführt werden müssen, dass die Teilnahme an der Versammlung damit nicht gefährdet wird. Außerdem wurde nochmals klar gestellt, dass die TeilnehmerInnen einer Versammlung auch auf der Anreise und Abreise unter dem Schutz der Versammlungsfreiheit stehen und dass in diese nicht durch Polizeirechtliche Maßnahmen eingegriffen werden darf, ohne dass es dafür eine Eingriffsgrundlage gibt. Auch dann muss aber in jedem Fall das hohe Schutzgut der Versammlungsfreiheit als kollektive Meinungsfreiheit beachtet werden.

Insgesamt war dies ein erfreulicher Teilerfolg, der zumindest deutlich macht, dass die Polizeikontrolle des USK in dieser Form nicht in Ordnung war und rechtswidrig dazu beigetragen hat, dass die Businsass_innen nicht rechtzeitig zu Versammlung kamen und somit an der Wahrnehmung ihres Versammlungsrecht gehindert wurden.

Den Hinweis des Anwalts der Klägerin, dass Buskontrollen im Vorfeld von Versammlungen in anderen Bundesländern idR nicht so konfrontativ durch die Polizeieinsatzkräfte durchgeführt werden, konterte die Richterin mit der Bemerkung, "wir seien hier eben in Bayern...."

Für Rückfragen steht RA Wolfram Treiber - Tel.: 0721 35455910 zur Verfügung