SIKO Gegenaktionen München

Todo(s)

Grußwort Ernesto Cardenal (Nicaragua)

Poet und Befreiungstheologe aus Nicaragua, wurde 1979 sandinistischer Kulturminister und 1985 vom Vatikan, wegen seiner politischen Tätigkeit in der Sandinistischen Befreiungsfront, als Priester suspendiert. Er ist auch heute noch, mit 83 Jahren, politisch und kulturell aktiv und engagiert in seinem Land. Sein Lebenslauf ist ein Spiegelbild des Ringens der lateinamerikanischen Länder um Unabhängigkeit und soziale Gerechtigkeit.

Es tut mir sehr leid, dass ich bei eurer Kundgebung nicht persönlich anwesend sein kann, denn mein Aufenthalt in München ist so kurz. Aber im Geiste bin ich dabei und schliesse mich eurem Protest an, dem Protest mutiger Aktivistinnen und Aktivisten gegen den Krieg und für die Verteidigung der Menschheit. Es ist eine Versammlung, bei der sich die Gerechtigkeit und der Friede küssen, wie es ein Psalm der Bibel sagt.
Und ich möchte auch folgende Worte zu den meinen machen, die kürzlich der Großmufti von Damaskus in Straßburg gesagt hat: "Es gibt keinen Heiligen Krieg, was heilig ist, ist der Friede."

Ernesto Cardenal

Ernesto Cardenal (Nicaragua)

MENSAJE PARA EL MITIN
en el Viernes 8.2. y Sabato 9.2. 2008 en Munich encontra de la Conferencia de Seguridad de la OTAN :

Lamento no poder estar físicamente presente en el mítin de ustedes por ser tan breve mi pasada por Munich, pero espiritualmente lo estoy, y me uno a la protesta de los valientes activistas en contra de la guerra y en defensa de la humanidad, mítin en el que la justicia y la paz se besan como dice el salmo de la Biblia. Y también hago mías las palabras recientes en Estasburgo del Gran Mufti de Damasco que ha dicho: "No hay Guerra Santa, la que santa es la paz.

Ernesto Cardenal

Prozess gegen die SIKO-Versammlungsleitung 2007

Am 12. Februar fand vor dem Amtsgericht München der Prozess gegen die Versammlungsleiterin (Babette M.), der Internationalen Demonstration gegen die Kriegstagung 2007, statt.

Kurz vor Prozessbeginn wurde vor dem Gerichtsgebäude eine Kundgebung abgehalten.

Etwa 30 Leute brachten ihre Solidarität mit der Angeklagten lautstark zum Ausdruck. In 2 Redebeiträgen wurde deutlich gemacht, dass das Recht auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit, vor allem in Bayern, immer stärker beschnitten wird und dieser Prozess u.a. dazu benutzt werden soll, VersammlungsleiterInnen zukünftig als verlängerten Arm der Polizei zu missbrauchen.

"Der Versammlungsleitung wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, einen Verstoß gegen die Auflage, Seitentransparente zu tragen und Lautsprecher nur für Ansprachen und Darbietungen, die im Zusammenhang mit dem Versammlungsthema stehen sowie für Ordnungsdurchsagen zu nutzen, nicht verhindert zu haben. Hierdurch soll sie selbst gegen eine Auflage des Bescheides verstoßen haben." (Anklageschrift)

Da der Sitzungssaal - mit Absicht? - viel zu klein bemessen war mussten viele der potentiellen ZuhörerInnen draußen bleiben. Gleich zu Beginn der Verhandlung machte Amtsrichter Müller klar, wer hier der Chef im Saal ist. Den Leuten, die keinen Sitzplatz mehr ergattert hatten, drohte er unmissverständlich an, sie raus werfen zu lassen falls sie nicht sofort den Saal verlassen. Den Vorschlag in einen größeren Saal auszuweichen wies er, ohne eine weitere Diskussion zuzulassen, rüde von sich.

Nachdem Staatsanwalt Lutz die Anklage verlesen hatte und die sonstigen gerichtspezifischen Formalitäten abgehakt waren, setzte die Angeklagte an, eine politische Erklärung abzugeben. Der erste Satz war noch nicht über ihre Lippen gegangen, als Richter Müller ihr das Wort abschnitt. Hier könne man "nicht jeden Schmarrn" vortragen, geiferte er und "abseitige Erklärungen" hätten vor Gericht nichts verloren. Nach einem Disput mit der Verteidigerin, Angelika Lex, sah er sich jedoch gezwungen der Angeklagten wieder das Wort zu erteilen.

Babette M. machte in ihrer Prozesserklärung (im Anhang) deutlich, dass Protest und Widerstand gegen die so genannte Sicherheitskonferenz eindeutig legitim sind. Sie wies weiter darauf hin, dass es nicht Aufgabe der Versammlungsleitung sein kann, Polizeiaufgaben zu übernehmen. Ihre einzige Aussage zum juristischen Prozedere bestand darin, das sie mehrmals Ordnungsdurchsagen, bezüglich des Auflagenbescheides, vom Lautsprecherwagen getätigt habe.

Anschließend hatte der zweite Herr Müller seinen Auftritt. Namens gleich mit dem Richter, ob verwandt oder verschwägert wurde nicht geklärt, war Kriminalhauptkommissar (KHK) Müller 2007 Verbindungsbeamter zwischen Versammlungsleitung und Einsatzführung der Polizei. Er war als einziger Zeuge geladen und durfte das einzige Beweismittel, ein Video der Polizei von der Anti-SIKO-Demo 2007, süffisant kommentieren. Dies obwohl Rechtsanwältin Lex sich ausdrücklich dagegen verwehrt hatte. Richter Müller schmetterte diesen Einwand einfach ab. Bei der Vorführung des Videos waren die ZuhörerInnen zudem außen vor, akustisch war zwar Einiges mit zu bekommen, auf den Bildschirm hatten jedoch nur die Prozessbeteiligten Sicht. - Eine weitere Ausgrenzung der Öffentlichkeit an diesem Tage.

Das angeblich strafbare Verhalten der Angeklagten bestand laut KHK Müller u.a. darin, dass sie "halbherzige Durchsagen" gemacht habe, z.B. "Ich soll für die Polizei durchsagen, dass die Seitentransparente zu entfernen sind". Außerdem habe sie die "Haßtiraden gegen die Polizei", welche vom Lausprecher des Internationalistischen Blocks (IB) gekommen seien, nicht unterbunden. Die Moderation des IB-Lautis scheint ihm eh seit Jahren ein Dorn im Auge zu sein. Der Moderator sei bekannt als "Einpeitscher und Aufheizer", so Müller, auch die Moderatorin sei nicht besser. "No justice-no peace, fight the police;Verpißt Euch, Haut ab," habe sie gerufen. Dies seien keine "themenspezifische Äußerungen" und somit von Frau M. auch zu unterbinden gewesen. - Das die Ansagen der Moderation lediglich Reaktionen auf die Knüppel- und Gaseinsätze der Sondereinsatzkommandos gegen die DemonstrantInnen waren, wurde von ihm jedoch mit keinem Wort erwähnt

Als Realsatire zu werten war dann noch Müllers Versuch in die Psyche der
DemonstrantInnen vorzudringen indem er behauptete, auswärtige DemonstrationsteilnehmerInnen würden von der Versammlungsleitung instrumentalisiert. O-Ton Müller:"Arme Würstl von auswärts!" - Gewohnt als Befehlsempfänger zu funktionieren erscheint es ihm offensichtlich als logisch, dass Menschen nur fremdbestimmt handeln.

Nachdem KHK Müller vom Gericht entlassen wurde, forderte Staatsanwalt Lutz, die Angeklagte zu 50 Tagessätzen a 40 Euro zu verurteilen. Ansonsten war von diesem Herren nicht viel zu hören.

Rechtanwältin Lex ging in ihrem Plädoyer erstmal darauf ein, dass jedes Jahr zu SIKO-Zeiten massive Eingriffe der staatlichen Organe auf das Versammlungsrecht stattfinden. Sie wies weiter darauf hin, dass die Versammlungsleitung definitiv nicht als Hilfspolizist zu verstehen sei. "Sie hat weder rechtlich noch tatsächlich die Kompetenz polizeiliche Auflagen durchzusetzen," so Lex weiter, dafür seien die ca. 4000 PolizistInnen vor Ort zuständig. "Hätte die Angeklagte höchstpersönlich die Seitentransparente wegreißen sollen? Hätte sie 7000 Rucksäcke durchsuchen sollen, um zu verhindern, dass womöglich eine Glasflasche geworfen wird?" karikierte sie die lebensfremden Ansichten des Gerichts. Abschließend erklärte Frau Lex, unter Zitierung von Passagen des Versammlungsgesetzes, dass sich ihre Mandantin in keinster Weise strafbar gemacht habe und forderte einen Freispruch.

Bereits zu Beginn der Verhandlung, spätestens nachdem Babette M. auf ihrer Erklärung beharrte, war für alle ZuhörerInnen greifbar, dass von dem Richter nichts Gutes zu erwarten war. Für seine Überlegungen, vor Verkündigung des Urteils, benötigte er deshalb auch nur einige Minuten: 40 Tagessätze a 40 Euro. Die Begründung seines Urteilsspruchs kann nur als skandalös bezeichnet werden. Die Angeklagte habe durch ihre Körpersprache in der Verhandlung, ähnlich wie auf der Demonstration 2007, eine "unangenehme und hetzerische" Stimmung ausgestrahlt. Einen Seitenhieb auf den Moderator des IB-Lautis konnte er sich auch nicht verkneifen. Dieser hätte "Menschenverachtende Haßtiraden" abgelassen, so Müller.

Der Unmut über Müllers niveaulose Äußerungen führten im Zuhörerraum zu deutlichen Unmutsäußerungen während des Urteilsspruchs und einer Überreaktion des Amtsrichters. Justizbeamte marschierten auf, um die 2 "Störenfriede" zu entfernen, außerdem wurden Beide mit einem Ordnungsgeld von 30 Euro, alternativ 1 Tag Haft, ab gestraft.

Es war bereits im Vorfeld klar, dass dies kein "normaler" Prozess werden wird, sondern von staatlicher Seite als Vehikel missbraucht werden soll, Grundrechte wie Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit weiterhin abzubauen. Eine ausführlichere politische Einschätzung
und ein weiterer solidarischer und praktischer Umgang mit diesem Präzedenzfall bedarf noch einer intensiven Auseinandersetzung.

Nur soviel, es wurde bereits Widerspruch gegen dieses Urteil eingelegt. Wir werden Euch weiter auf dem Laufenden halten, wir bedanken uns für die breite Solidarität und hoffen auf Eure weitere Unterstützung.

Auf der Anklagebank saß nur Eine, doch gemeint sind wir ALLE!

Wir dürfen nicht zulassen, dass sich die staatlichen Organe durchsetzen! Ein langwieriger Gang durch die gerichtlichen Instanzen, verbunden mit erheblichen Anwalts- und
Prozesskosten, liegt vor uns. Auf der Anklagebank sitzt zwar weiterhin Babette, der staatliche Angriff richtet sich jedoch gegen uns alle. Diesen gemeinsam abzuwehren, sowohl auf juristischer wie auf politischer Ebene, kostet natürlich auch viel Geld, deshalb bitten wir Euch um Spenden auf folgendes Konto:

Martin Löwenberg
Kto.-Nr. 28 26 48 02
BLZ: 700 100 80
Postbank München
Kennwort: Prozess SIKO 07


München, 13. Februar 2008

AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DIE NATO-"SICHERHEITSKONFERENZ"



Prozesserklärung




Jedes Jahr treffen sich Vertreter und Vertreterinnen von Militär, Politik und Wirtschaft in München um dort im luxuriösen Ambiente des Bayrischen Hofs ungestört die Pläne für Militäreinsätze der nächsten Jahre auszuarbeiten. Diese Leute nennen sich selbst gerne „strategic community“, ein Begriff, der vorgaukelt, es handle sich bei dem Treffen um eine Gemeinschaft, die hier ein bisschen vorausplant, was ja eigentlich niemanden stören sollte. Unerwähnt bleibt nur, was hier eigentlich geplant und organisiert wird.

Es sind die Angriffskriege, die hier vorbereitet werden, die Kämpfe um Macht und Rohstoffe, um wirtschaftliche Vormacht und um das Recht auf Ausbeutung. Hier am runden Tisch wird ausgelotet, wie weit man gehen kann, ohne andere vor den Kopf zu stoßen, hier werden die Deals abgewickelt, deren Auswirkungen das Leben Hunderttausender kosten. Hier wird im wörtlichsten Sinne menschenverachtende Politik geplant.

Und das Ganze ist noch nicht einmal eine Veranstaltung, die irgendein politisches Mandat vorweisen könnte. Nein, es ist eine Veranstaltung der Privatwirtschaft in einer unheiligen Allianz mit der Bundeswehr.

Auf eine kleine Anfrage der Linkspartei gab die Bundesregierung an, die Münchner Sicherheitskonferenz werde durch 420 Bundeswehrsoldaten “unterstützt”, wobei 120 davon sogar das Hausrecht beim Veranstaltungsort ausüben. Die hierfür anfallenden Kosten beziffert die Bundesregierung auf 500.00 Euro, hinzu kommen weitere Hilfsleistungen vom Presse- und Informationsamt in Höhe von 341.000 Euro, so dass das Treffen der Kriegsstrategen mit insgesamt 841.000 Euro aus der Staatskasse finanziert wird!
Der Öffentlichkeit wird das Ganze dann noch als Einsatz für Frieden und Sicherheit verkauft. Orwells Vision vom Neusprech Krieg ist Frieden ist hier längst bittere Realität geworden.

Und gegen dieses Treffen internationaler Kriegsverbrecher richtet sich seit vielen Jahren unser Protest. Jedes Jahr kommen viele tausend Menschen um hier ihrer Ablehnung gegen diese Kriegskonferenz Ausdruck zu verleihen. Und jedes Jahr stoßen sie auf das selbe Bild. Die Staatsmacht versucht mit allen ihr zur Verfgung stehenden Mitteln die Proteste zu ver- oder zumindestens zu behindern. Die jährliche Demonstration wird mit der Regelmäßigkeit eines Uhrwerks angegriffen bzw. schikaniert. Von außen ist die Demonstration nur als wandernder Polizeikessel wahrnehmbar. Permanente Schikanen seitens der Einsatzleitung und vor allem seitens der Spezialeinheiten, die ohnehin meist tun und lassen was sie wollen. Vor und nach der Demonstration werden politisch aktive Menschen verfolgt und mit Repression berzogen. In schöner Regelmäßigkeit wird das Convergence Center von der Polizei gestürmt, obwohl die Stürmung des jeweils vorherigen Jahrs gerichtlich als unrechtmäßig festgestellt wurde.

Letztes Jahr wurde eine Beobachtergruppe eingesetzt, die die Polizeibergriffe dokumentieren sollte. Sie stellte fest, dass Provokationen und Gewalt von den Einsatzkräften und hier insbesondere von den USK-Einheiten ausgingen nicht von den Demonstrationsteilnehmern. Jeder Versuch, während der Übergriffe Beamte zur Rechenschaft zu ziehen scheiterte stets daran, dass der jeweilige Einsatzleiter immer genau dann nicht anwesend war, wenn er gebraucht worden wäre. Nachdem die eingesetzten Kampfmaschinen stets nicht identifizierbar sind, können sie auch im Nachhinein nicht mehr belangt werden.

Ein Beispiel vom letzten Jahr mag das veranschaulichen. Während eines der zahlreichen Angriffe auf den Demonstrationszug kletterten mehrere USK Beamte in voller Kampfmontur über parkende Autos. Die Autos wurden beschädigt, was bei der Hartplastikpanzerung der angreifenden Einheiten kein Wunder war. Ein Beamter wurde dabei beobachtet, wie er einen Zettel an die Windschutzscheibe eines beschädigten Fahrzeugs befestigte, auf dem stand, dass das Fahrzeug durch einen Polizeieinsatz beschdigt wurde. Wenige Sekunden später entfernte ein anderer Beamter diesen Zettel wieder. Der Versuch der Demonstrationsteilnehmer, daraufhin den Einsatzleiter zu verständigen scheiterte an seiner Abwesenheit. Später war im Pressebericht der bayrischen Polizei zu lesen: Namentlich noch nicht bekannte Demonstranten hatten in der Sonnenstraße mehrere geparkte Fahrzeuge beschädigt.

Dieser Vorfall ist photographisch dokumentiert, trotzdem steht der Vorwurf gegen die Demonstration im Raum nicht gegen die Einsatzkräfte. Und im folgenden Jahr wird dann der Polizeieinsatz damit begründet, dass letztes Jahr Autos beschädigt wurden. Es könnte einen zum Lachen bringen, wäre es nicht so bitter ernst.

Die Durchführung der Demonstration ist also jedes Jahr wieder eine Herausforderung, ein Versuch, eines der höchsten Rechtsgüter der Bundesrepublik gegen eine Armee nicht identifizierbarer Kampfmaschinen zu verteidigen, gegen Willkür und Lüge, gegen Knüppeleinsätze und Festnahmen.
Und nicht zuletzt gegen die Gesetzesverstöße der Gesetzeshüter selbst. Seit Jahren wird die Einsatzleitung darauf hingewiesen, dass das Abfilmen der Demonstration kein Grundrecht der bayrischen Polizei ist. Im Versammlungsgesetz (12a Absatz 1) steht dazu eindeutig:

Die Polizei darf Bild- und Tonaufnahmen von Teilnehmern bei oder im Zusammenhang mit öffentlichen Versammlungen nur anfertigen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass von ihnen erhebliche Gefahren für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgehen.

Tatsächlich wird aber jedes Jahr von Anfang an die gesamte Demonstration sowie Auftakt- und Abschlusskundgebung lückenlos gefilmt. Mehrere Fahrzeuge der Polizei mit Videokameras an langen Stangen stehen bereits auf dem Marienplatz, bevor überhaupt Teilnehmer anwesend sind.

In einer solchen Situation erscheint es geradezu lächerlich, wenn von der Versammlungsleitung erwartet wird, Polizeiaufgaben zu übernehmen. Ist es doch eher ihre Aufgabe, das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit gegen eine übermchtige Armada uniformierter Gewalttäter durchzusetzen.

FRIEDEN AUS ÜBERZEUGUNG

Zur Verleihung des ersten Jahrespreises "FRIEDEN AUS ÜBERZEUGUNG", an Chris Capps-Schubert
(München, 9. Februar 2008)



Die "44. Münchner Konferenz für Sicherheitspolitik" (früher Wehrkundetagung) ist mal wieder vorbei. Nachdem sie ein Wochenende lang im öffentlichen Rampenlicht gestanden waren, gehen die Kriegsminister, Rüstungsmanager und Militärstrategen wieder ihren täglichen, tödlichen Geschäften nach. Auch die Demonstrantinnen und Demonstranten sind wieder abgereist, hoffentlich mit einem guten Gefühl und dem festen Willen, im nächsten Jahr wieder zu kommen. Das Aktionsbündnis gegen die NATO-"Sicherheitskonferenz" atmet nach den organisatorischen Anstrengungen erstmal auf, die Nachbereitung der Aktivitäten gegen die Kriegskonferenz steht jedoch noch an.

Einige AktivistInnen des Bündnisses bemühen sich bereits um eine inhaltliche Aufarbeitung, denn auch für die Protestbewegung stehen am SIKO-Wochenende die eigenen Aktionen, speziell die Internationale Demonstration, im Blickpunkt. Dabei kommen die Menschen nicht nur hierher, um ihren Protest und Widerstand gegen Krieg, Folter und Terror auf die Straße zu tragen. Auch die politischen Inhalte der Redebeiträge spielen eine entscheidende Rolle für die TeilnehmerInnen der Kundgebungen. Kritik an den herrschenden Zuständen reduziert sich dabei nicht auf die "aktuellen" Kriege, wie im Irak und in Afghanistan. Im Fadenkreuz der Antikriegsbewegung steht vor allem auch das kapitalistische System. Ein System, für welches Krieg lediglich ein profitables Geschäft ist, das im Namen der Rendite Arbeitsplätze vernichtet, das zuerst weltweit Fluchtursachen erzeugt und dann die Flüchtlinge mit allen erdenklichen Mitteln bekämpft.

"I have a dream" so Martin Luther King 1963, in seiner wohl bekanntesten Rede. Auch wir träumen von einer besseren Welt. Von einer Welt ohne Krieg, Hunger und Armut, von einem gleichberechtigten Miteinander und nicht einem "Jeder gegen Jeden". Die Schritte dorthin sind mühsam, es sind kleine Schritte und sie strapazieren unsere Geduld, aber sie gehen in die einzig wahre Richtung.

Die Verleihung des ersten Jahrespreises "FRIEDEN AUS ÜBERZEUGUNG", auf der Kundgebung am 9. Februar, an den U.S.-Army-Deserteur, Chris Capps-Schubert, war solch ein kleiner Schritt. Chris hatte bereits einen Kriegseinsatz im Irak hinter sich, bevor er zu der Überzeugung gelangte, sich an keinem weiteren völkerrechtswidrigen Angriffskrieg mehr zu beteiligen. Seiner bevor stehenden Kommandierung nach Afghanistan entzog er sich 2007 durch Desertion. Für die Initiative einen Friedenspreis zu verleihen, zeichnet das Munich American Peace Committee (MAPC) verantwortlich, welches denselben auch stiftete.

Es waren die beeindruckendsten und ergreifendsten Momente dieses Tages, als Vietnam-Veteran Stephen Summers die Laudatio hielt und Richard Forward, vom MAPC, die Urkunde überreichte. "Für seine Überzeugung, dass ein Soldat einen illegalen Angriffskrieg und eine Besetzung eines fremden Landes nur ablehnen kann, in dem er den Waffengebrauch und die Beteiligung am militärischen System verweigert. Und für seine aktive Verbreitung dieser Überzeugungen, um andere Soldaten auch dazu zu bringen, das Militär zu verlassen und für den Frieden zu kämpfen," sei Chris Capps-Schubert ausgezeichnet worden, so Forward.

Tosender Beifall brandete über den Marienplatz, als der sichtlich gerührte Preisträger sich bedankte: "Euch Allen hier auf dieser Protestkundgebung: Ich möchte Euch danken, nicht nur für die Verleihung dieses Preises an mich, sondern auch dafür, dass Ihr die Arroganz dieser Führer bloßstellt und ihr entgegentretet, die gewöhnlich Entscheidungen treffen, welche das Leben derjenigen zerstören, die gewiss keine Bedrohung der Sicherheit ihrer Länder sind. ... Die Art von "Sicherheitspolitik" welche mein Land, die Vereinigten Staaten, in den letzten Jahren verfolgte, hat einen Großteil der muslimischen Bevölkerung der Welt empört, und mehr Verzweiflung über Irak und Afghanistan gebracht ... und sie hat mein Land in jene dunklen Zeitalter zurückgeworfen, als die Folter eine akzeptierte Form der Befragung war. ... Tausende von Soldaten haben die gleiche Entscheidung getroffen wie ich: Die Entscheidung, nicht denjenigen zu gehorchen, die sie als Regierungseigentum betrachten. ... und dann gibt es Leute wie Ihr, die auf die Straße gegangen sind, um ihre Empörung über diese zerstörerische Politik zu zeigen. Es wird uns alle erfordern und alle unsere Anstrengungen, um dieser Politik ein Ende zu setzen und unsere Führer dafür zur Rechenschaft zu ziehen."

Der Friedenspreis an den Deserteur Chris Capps-Schubert war die passende Antwort der Antikriegsbewegung auf die jährliche Verleihung der sogenannten "Friedensplakette" durch den Veranstalter der NATO-Kriegstagung, Horst Teltschik. In diesem Jahr wurde ein kanadischer Soldat – stellvertretend für alle Soldaten, die an den völkerrechtswidrigen Kriegseinsätzen der NATO beteiligt sind - ausgezeichnet. Diese Plakette hat genau so wenig mit Frieden zu tun, wie das scheinheilige Motto des Kriegsratschlags: "Frieden durch Dialog". - Die Medaille ist im wahrsten Sinne des Wortes ein KRIEGSVERDIENST-ORDEN. NATO-Generalsekretär Jaap de Hoop Scheffer höchstpersönlich heftete dem kanadischen Soldaten den Orden an die Brust und ehrte damit die NATO-Aggressionstruppen.

Dieses groteske Schauspiel wurde bisher, im Rahmen eines Empfanges der Bayerischen Staatsregierung, in der Münchner Residenz aufgeführt. In diesem Jahr fand die Verleihung - völlig unspektakulär - bereits Samstag vormittags, im Bayerischen Hof, statt. Offensichtlich war selbst Herr Teltschik zur Erkenntnis gelangt, dass es in der Öffentlichkeit nur als peinlich und unglaubwürdig wahrgenommen worden wäre, hätte er die Verleihung seines "Blutordens" an die große Glocke gehängt.

Abschließend ein Auszug aus der Erklärung des MAPC, in der Albert Einstein zitiert wurde: "Es hat niemals einen guten Krieg und niemals einen schlechten Frieden gegeben. Ich bin nicht nur Pazifist, ich bin militanter Pazifist. Ich will für den Frieden kämpfen. Nichts wird Kriege abschaffen, wenn nicht die Menschen selbst den Kriegsdienst verweigern. Um große Ideale wird immer zunächst von einer aggressiven Minderheit gekämpft..."


PS: Biographie von Chris Capps-Schubert (MAPC) (in English)

Chris Capps-Schubert meldete sich im Frühjahr 2004 zur Armeereserve der USA von seinem Heimatort, Hackettstown, New Jersey, aus. Er absolvierte die Grundausbildung in Fort Jackson, South Carolina, wo er unter den Besten seines Lehrgangs war, und besuchte dann die Fernmeldeschule der Armee in Fort Gordon, Georgia, die er mit Auszeichnung abschloss. Er kehrte dann als Mitglied der 305. Fernmeldekompanie des 392. Fernmeldebataillions der Armeereserve nach Hause; kurz darauf meldete er sich freiwillig zum aktiven Dienst in Deutschland. Bald nach seiner Ankunft in Deutschland, wo er der
Kompanie C des 440. Fernmeldebataillions zugeteilt worden war, wurde Chris Capps-Schubert nach Camp Victory in Bagdad verlegt, wo er vom November 2005 bis Ende September 2006 diente.

Um nicht kurz nach seiner Rückkehr aus dem Irak dem 44. Fernmeldebataillion in Mannheim zugewiesen, und mit diesem wieder in den Kampfeinsatz zu gehen, ist Capps-Schubert im Februar 2007 nicht aus dem Urlaub zurückgekehrt, und blieb über 60 Tage lang unerlaubt von der Truppe entfernt ["Absent Without Leave" = AWOL], ehe er sich in Fort Sill, Oklahoma, selber stellte, und "Nicht Ehrenhaft" entlassen wurde. Heute wohnt Chris Capps-Schubert mit seiner Ehefrau Meike in Hanau und ist in der Organisation "Iraq Veterans Against the War" (IVAW), als regionaler IVAW-Koordinator für Europa aktiv. Seit seiner Rückkehr nach Deutschland berät und unterstützt er andere US-Militärangehörige, welche die US-Army verlassen wollen oder bereits fahnenflüchtig sind.

Er arbeit eng mit Organisationen wie dem Military Counseling Network, Connection EV und dem DFG-VK, sowie regionalen Anti-Base Bewegungen in Deutschland und Italien zusammen.

München, 14. Februar 2008

Manfred Mularzyk

AKTIONSBÜNDNIS GEGEN DIE NATO-"SICHERHEITSKONFERENZ"

Biography Chris Capps-Schubert

Chris Capps-Schubert enlisted in the US Army Reserves in the spring of 2004 from his home in Hackettstown, New Jersey. He attended basic training in Ft. Jackson, South Carolina, and graduated among the top of the class there, before attending the US Army Signal School in Ft. Gordon, Georgia, and graduating with honors. He returned home as part of the 305th Signal Company 392nd Signal Battalion in the US Army Reserves, and shortly thereafter volunteered to join the ranks of the active-duty Army in Germany. Shortly after arriving in Germany and being assigned to C Company, 440th Signal Battalion Chris Capps-Schubert was deployed to Camp Victory, Baghdad and served there from November 2005 to late September 2006.

Rather than be sent to 44th Signal Battalion in Mannheim and redeploying with them shortly after getting back from Iraq, Chris Capps-Schubert did not return from his leave in February 2007, and remained AWOL for over 60 days before turning himself in at Ft. Sill, Oklahoma, to receive an Other Than Honorable Discharge. Today, Chris Capps-Schubert resides with his wife in Hanau, Germany and is active in the organization Iraq Veterans Against the War, being the regional coordinator for Europe, and counselling GI who want to get out of the military, or have already deserte

Fight capitalist war!

Ein Rückblick auf die Demonstration gegen das Treffen der Siko 2008 am 9.Februar in München

per E-Mail von P.

Um 7.50Uhr fuhren wir los, zu dritt mit dem Schönen-Wochenend-Ticket nach München. Ich war nicht aufgeregt, es war ja nicht meine erste Demonstration. Allerdings war die Situation angespannt, da die Wut gegenüber der NATO sich immer weiter schürte, je näher wir unserem Ziel kamen.

Etwa um 13Uhr kamen wir in München am Hauptbahnhof an. Nur vereinzelt konnte man Gleichgesinnte ent- bzw. aufdecken. Wir machten uns sofort auf den Weg zum Marienplatz, denn da sollte um 16Uhr die Kundgebung beginnen. Um dahin zu gelangen mussten wir allerdings erst mal durch eine der vielen Münchner Einkaufspassagen. Diese Passage war der Inbegriff des Kapitalismus. Eine Fast-Food-Kette reihte sich an die andere und wurde nur durch Bekleidungsgeschäfte des üppigeren Geldbeutels unterbrochen. Auch fühlten wir uns innerhalb der Münchner Society ziemlich fremd, denn uns fehlten die Parfum-Wolken sowie die Pelzstola ganz zuschweigen von unserer Armani Sonnenbrille. Diese hatten wir an diesem wechselhaften und kühlen Tag auch lieber „zuhause“ gelassen.

Als wir am Marienplatz ankamen hörten wir nur ein „test, test,1,2,3“ aus einem Mikrofon hallen. Der Platz war belebt von konsumfreudigen Münchnern. Der einzige Anhaltspunkt, dass hier an diesem Platz noch eine bedeutende Kundgebung stattfinden würde, war das Polizistenaufgebot. Eine Masse von grün gekleideten Männern und Frauen „beschmückte“ den Platz.
Dann begannen wir den Platz zu erkunden. Schnell wurde uns bewusst, was sich hier in wenigen Stunden abspielen würde. Die ersten Absperrzäune um uns einzugrenzen wurden hergetragen, die Helme wurden schon mal in die Hand genommen, das Tränengas in feuerlöschergroße Behälter auf dem Rücken verstaut, die Einsatzkräfte koordiniert und die Kamerawägen kamen. Wenn man hochschaute konnte man auch schon unsere „Freunde und Helfer“ am Rathaus und in den anderen Gebäuden um den Platz herum mit Video- und Fotokameras sowie Ferngläsern erspähen. Wir sahen in die Straßen die zum Marienplatz führten und uns erschlug eine Welle von Polizeiwägen jeglicher Farben und Formen. Ich erkannte, dass nicht nur wir die „Sicherheitskräfte“ misstrauisch beäugten, sondern auch die Sicherheitskräfte uns. Wir waren in unserer Jeans und unserer Winterjacke wohl ziemlich auffällig, weil wir sie beobachteten, statt mit gesenktem Kopf vorbeizulaufen.

Wir liefen wieder zurück zum Platz. Sie waren schnell, denn schon standen die Zäune und die ersten Durchsuchungen von Rucksäcken wurden gemacht. Es war 15 Uhr.
Langsam aber sicher wurde ich nervös, denn es war zu ruhig- die Ruhe vor dem Sturm. Die Kamerateams kamen und unsere Freunde von der Bundeswehr machten einen auf „Verständiger“. Sie lächelten in die Kameras und verhielten sich ruhig. Doch kaum waren diese weg fingen sie an mit ihrer Provokation, die an diesem Tag wohl nicht mehr enden sollte. Mit eher belustigenden ständigen Formationsänderungen, einzelnen wahllosen Durchsuchungen und anderen Methoden auf sich Aufmerksam zu machen, wie zum Beispiel dem durch die Menge laufen ohne irgendwelche Menschen im Weg zu sehen.
Kurz vor 16Uhr begann die Kundgebung. Wir stimmten uns ein mit einem schönen Lied, das hieß :“die Polizei, Polizei, die ist auch dabei....“und dem Aufruf an die zahlreich vertretenen aber nicht gerade sehr originell und glaubwürdig gekleideten Zivilpolizisten und „Freunde vom Verfassungsschutz“ uns in Ruhe demonstrieren zu lassen und bitte den Platz zu verlassen.

Die Bedeutung dieses Aufrufes wurde mir erst bewusst, als wir eine Gruppe um uns herum stehen hatten. Allerdings fanden wir diese eher unterhaltsam. Nach einigen leicht neckischen Sprüchen unsererseits gingen sie irgendwann lieber andere Demonstranten observieren, denn einer von ihnen erlitt fast einen Kieferbruch durchs Zähneknirschen und die Andere konnte sich auch bald nicht mehr halten.
Auf dieser Kundgebung entdeckten der Verfassungsschutz und die Staatsgewalt auch meine Model-Allüren. Nachdem mein Gesicht dann direkt zum zweiten mal fotografiert wurde, während meine zwei Begleiter, die meiner Meinung nach weitaus gefährlicher aussahen als ich, nicht beachtet wurden, bekam ich schon fast narzisstische Höhenflüge.
Von den Kameraaufnahmen und den heimlichen Observationen vom Rathausbalkon, den Türmen und sonstigen Fenstern wage ich kaum zusprechen, wir Demonstranten mussten eine Aura haben- magisch.

Nach der Kundgebung, die zwei Stunden lang andauerte, formierten wir uns zur Demonstration. Wir versuchten uns einzuhacken, damit sie nicht Einzelne rausreißen können, allerdings war dies eher schwierig.
Die Stimmung wurde schlechter. Die Polizei formierte sich mit, und zwar kesselte sie uns erst von den Seiten ein. Ein Rauskommen aus dieser Demonstration war selbst nicht mehr möglich wenn man gewollt hätte. Die ersten „haut ab“ Rufe aus dem schwarzen Block ertönten, ich konnte sie verstehen. Wäre der nette Mann in dunkelgrün mit dem Dobermann-Blick nicht direkt links neben mir gelaufen, ich hätte es auch gerufen.
Eine Reihe von Bundeswehrsoldaten bildete sich vor der Demonstration. Ein weiterer „Beweis“ ihrer totalitären Macht uns gegenüber? Sie liefen mit aufgesetzten Helmen, dem Körper zum Demonstrationszug gewandt und der rechten Hand am Knüppel rückwärts vor dem Zug. Aus dem ersten Wagen ertönten durch die Lautsprecher die Parolen die uns aufheizten: „No-justice-no peace! Fight the police! No justice-no peace!fight the police! No-justice-no peace! Fight the police! No justice-no peace!fight the police!”. Allerdings heizten wir so die Soldaten auf, ein ständiges hin und her.
Es war schon nach 19Uhr und wir mussten, da wir 5 Stunden Zugfahrt noch vor uns hatten, leider die Demonstration verlassen. An der Ecke Schrammerstraße-Theatinerstraße ließ man uns drei raus. Aber auch nur uns drei. Direkt nach uns wollten auch weitere Demonstranten den Zug an der Stelle verlassen, wurden allerdings daran gehindert. Später erfuhren wir, dass es auch weiterhin am Abend einige Probleme zwischen Staats(all)macht und Demonstranten gab, weil sie keinen rausließen.
Weiteren Berichten zufolge soll es nachdem wir leider in Richtung Bahnhof laufen mussten nicht zur Eskalation gekommen sein. Allerdings wurde eine Gruppe schwarz eingekleideter Jugendlicher festgenommen aufgrund dessen, dass sie gerannt sind- zu auffällig fand man dieses Verhalten. Am Odeonsplatz gelang es einem Demonstranten einen Feuerwerkskörper auf das Dach der Residenz zu werfen. Das daraufhin nicht kollektiv auf alle Demonstranten eingeschlagen wurde, wundert mich.

Am Hauptbahnhof stärkten wir uns kurz, die Brötchen warteten ja immerhin schon seit 6Uhr morgens aufgegessen zu werden und amüsierten uns an dem Aufgebot an Sicherheitskräften. Man könnte meinen, sie wären jetzt alle am Odeonsplatz, wie viele Polizisten und Bundeswehrsoldaten gibt es denn noch? Und- die weitaus wichtigere Frage: Wo kamen die überhaupt alle her? Diese Frage konnte ich leider nicht mehr beantworten, da von den Soldaten leider keine Antwort gekommen wäre- sie sind ja nur ein ausführendes Organ, deren Spitze, die NATO, sich während unserer Gegenaktivität zum gemütlichen Plausch über die nächsten Einsätze, Kriege, Millionen von Menschenleben und welche Firma denn nun zu welchem Prozentsatz welche Waffe liefern darf um eben diese Menschenleben auszulöschen traf.

Rede von RA Michael A. Hofmann, Mitglied im Vorstand des RAV e.V.

Liebe Freundinnen und Freunde der Freiheit, der Grund- und Menschrechte!

Ich spreche hier als Mitglied des RAV und danke den Veranstaltern dafür, daß uns, den Anwältinnen und Anwälten, die wir uns aktiv für den Erhalt der Demokratie, der Menschenrechte und der Freiheiten einsetzen, Gelegenheit gegeben wird, heute aus unserer Sicht ein paar Anmerkungen zur Problematik polizeilicher Repression – nicht nur bei Demonstrationen - zu machen.

Meine Fragen lauten:
Heißt es heute wieder einmal „Null Toleranz“ für die Versammlungsfreiheit?
Werden Grundrechte in Deutschland wieder einmal durch die Polizei verletzt??

Die beste Antwort, wie es eigentlich anders sein soll, gibt – wie soft von der Polizei missachtet - das BVerfG in seiner Brockdorf-Entscheidung bereits aus dem Jahre 1985. Ich zitiere:

„Wer damit rechnet, dass etwa die Teilnahme an einer Versammlung oder einer Bürgerinitiative behördlich registriert wird und dass ihm dadurch Risiken entstehen können, wird möglicherweise auf eine Ausübung seiner entsprechenden Grundrechte (Art 8, 9 GG) verzichten. Dies würde nicht nur die individuellen Entfaltungschancen des Einzelnen beeinträchtigen, sondern auch das Gemeinwohl, weil Selbstbestimmung eine elementare Funktionsbedingung eines auf Handlungsfähigkeit und Mitwirkungsfähigkeit seiner Bürger begründeten freiheitlichen demokratischen Gemeinwesens ist.“ Zitat Ende.

Vor über 24 Jahren, am 15. Dezember 1983, gab das Bundesverfassungsgericht der Politik diesen Satz als unabdingbare, bis heute gültige Leitlinie auf.

Und wie halten sich die Sicherheitsbehörden bis heute daran?

Nur ein Beispiel aus der jüngsten Zeit - der Befund über die letzte Demo in Hamburg am 15. Dezember 2007 zeigt:

Auf ca. 3.000 Demonstranten kamen 2.500 Polizisten.

Zum Auftakt und während des Versuchs, der angemeldeten Route zu folgen, filmten alle 30 Meter Beamte mit der Videokamera.

Die Demonstrationsmenge war ab dem Auftakt am Kulturzentrum der „Roten Flora“ von einer erdrückenden Macht grün und schwarz martialisch ausgerüsteter Polizei eingekesselt.

Und dies, obwohl nach der ständigen Rechtssprechung des Bundesverfassungsgerichts der so genannte Polizeikessel gegen das Grundgesetz verstößt!

Letztes Jahr hier in München kamen auf ca. 3.000 friedliche Demonstrantinnen und Demonstranten ca. 3.500 martialisch aufgerüstete, zum Teil vermummte, keine Namenschilder tragende Polizeibeamte. Dieses Wochenende dürfte das Zahlenverhältnis nicht viel anders sein.

Nicht die Demonstrationsteilnehmer, sondern der polizeiliche Einsatzleiter am Kessel gibt die Marschroute vor, bestimmt, ob und wann sich der Zug in Bewegung setzt, wer in den rechtswidrigen Kessel hinein- bzw. nicht wieder heraus darf. Das ist repressive Macht über ein Recht, das den Demonstranten, nicht aber den Polizisten zusteht. Macht, die von Gerichten immer wieder als unzulässig beurteilt wird, allerdings ohne praktische Konsequenzen, denn die Exekutive hält sich nicht an die Vorgaben der Judikative.

Statt einzuschränken, muss die Polizei die Ausübung der Grundrechte schützen!

Was passiert denn schon auf den Demonstrationen?

Die überwiegend sehr jungen Menschen wandten und wenden sich mit ihren Demonstrationen – zu Recht - immer wieder gegen die inzwischen allgegenwärtige polizeiliche und geheimdienstliche Überwachung und gegen eine sog. Politik der Sicherheit, die Grundrechte täglich missachtet.

Sie wenden sich – zu Recht - gegen die strafrechtliche Verfolgung linker politischer Opposition mit den Mitteln angeblicher Terrorabwehr und dem § 129 a StGB.

Das ist ihr gutes Recht. Gleichwohl werden sie von der Polizei massiv daran gehindert und eingeschüchtert.

Selbst vor Anwältinnen und Anwälten wird keine Rücksicht genommen: In Heiligendamm prügelten Polizisten auf einen meiner Kollegen ein, obwohl er mit einer gelben Signalweste mit dem Aufdruck „Legal Team“ – also „anwaltlicher Notdienst“ bekleidet war, als er einem Demonstranten, der soeben misshandelt wurde, zu Hilfe eilen wollte.

Anwältinnen und Anwälten wurde in Rostock in den Gefangenensammelstellen der Zugang zu den Gefangenen verwehrt.

Die Kooperation zwischen dem Anwaltlichen Notdienst, der im wesentlichen vom RAV zusammen mit den EA’s organisiert wurde, und den Verantwortlichen der Polizei wurde von letzterer trotz intensiver anwaltlicher Bemühungen beendet.

Stattdessen übernahm die Polizei faktisch in den Gesa’s das Hausrecht, obwohl diese dem Amtsgericht Rostock – und damit dessen Direktor – unterstellt waren. Die Justiz spielte dieses Machtspiel der Polizei mit und unterlag letztendlich der Exekutive – verkehrte Welt!

Und die Gefangenen wurden in Drahtkäfige gesperrt, wie Hühner in Käfighaltung, ohne Sichtschutz, mit ständigem Neonlicht, Toilettenbesuche mussten erbeten werden und konnten nur durch polizeiliche Aufsicht durchgeführt werden.

Von über 1.200 Ingewahrsamsnahmen blieben am Ende nicht einmal 100 vorläufig rechtmäßige übrig. 1.100 wurden von den Richtern sofort als rechtswidrig eingestuft und die Gefangenen sollten sofort freigelassen werden, was die Polizei aber nicht sofort umsetzte. Freiheitsberaubung im Amt?

Warum achten Polizei und Sicherheitsbehörden nicht Entscheidungen von Gerichten, die polizeiliche Maßnahmen immer wieder als das einstufen, was sie sehr häufig in diesem Zusammenhang sind? Nämlich rechtswidrig, nämlich verfassungswidrig?

Sei es etwa in Heiligendamm, als das BVerfG dieser polizeilichen Sicherheitspolitik ins Stammbuch schrieb, daß der Zaun und sämtliche polizeiliche Maßnahmen zur Verhinderung von Demonstrationsrechten unmittelbar am Ort des Anstoßes, nämlich in unmittelbarer, direkter Nähe zum Konferenzort und nicht Kilometer weit weg, gegen das Grundgesetz verstoßen haben, also verfassungswidrig waren.

Sei es etwa der Bundesgerichtshof, der die Hausdurchsuchungen der Bundesanwaltschaft im Vorfeld des G-8-Gipfels ebenfalls als rechtswidrig bezeichnete, weil sie, die BA, dazu keine Zuständigkeit hatte. Die Generalbundesanwältin Harms, vorher immerhin Richterin am BGH, Spitzenjuristin, hätte nur in diejenigen Gesetze sehen müssen, die sie selbst anwendet, um erkennen zu können und zu müssen, daß sie rechtswidrig handelte.

Ich appelliere daher an die verantwortlichen Einsatzleiter:
Nehmen Sie endlich die Urteile der Gerichte zur Kenntnis!
Setzen Sie endlich deren Inhalte zum Schutz der Grundrechte um!
Befehlen Sie ihren Untergebenen: achtet die Rechte derjenigen, die ihre Grundrechte ausüben.

Es gibt also allen und immer wieder ausreichend Grund, so wie auch heute, hier auf dem Marienplatz, auf die Straße zu gehen:

Rasterfahndung,
großer Lauschangriff,
Luftsicherheitsgesetz,
Feindstrafrecht,
Terrorismushysterie,
zentrale Schülerdatei,
Anti-Terror-Datei;
Online-Durchsuchung
Bundestrojaner;
Relativierung der Unschuldsvermutung,
Telekommunikationsüberwachung,
BKA-Gesetzentwurf mit der fast unbegrenzten Befugnis zur präventiven heimlichen Ermittlung,
Zollfahndungsgesetz mit Einsatz als Polizeieinheit und Geheimdienstfunktion mit verdachtsunabhängiger Überwachung,
Leitlinien zur Zentralisierung von Polizei, Militär und Geheimdiensten,
Zentralisierung der Melderegister,
Zensus 2011.

Ist das noch Demokratie?

Ist das noch der Rahmen, in dem sich Grund- und Menschenrechte, die Freiheit entfalten können?

Die Wahrnehmung des Rechts auf freie Demonstration wurde und wird immer wieder von der Polizei verhindert.

Versammelte Menschenmengen, die nichts anderes tun, als ihr verfassungsmäßig geschütztes Grundrecht auszuüben, werden immer wieder von mehreren Reihen uniformierter Polizei angeführt und in einem „Wanderkessel“ eskortiert, aus dem es keinen freien Zu- und Abgang gibt. Als weitere Drohkulisse dienen oft auf die friedliche Versammlung gerichtete Wasserwerfer.

Wir, die Anwältinnen und Anwälte für Demokratie und Menschenrechte im RAV kommen daher zu folgendem Schluss:

Ein solches – repressives - Verhalten der Polizei verkehrt sich ins Gegenteil: anstatt die Ausübung dieser Grundrechte zu schützen, wie es etwa Art. 1 GG der Exekutive und damit auch ausdrücklich der Polizei aufgibt, wird diese Ausübung eingeschränkt, oft gar unmöglich gemacht.

Polizeiliche Maßnahmen wie in Heiligendamm, in Hamburg im vergangenen Dezember oder hier in München bei allen Kundgebungen gegen die Sicherheitskonferenz waren und werden eine unverhältnismäßige, demokratiefeindliche Demonstration von Staatsmacht sein, die bei Bürgerinnen und Bürgern zu Gefühlen von Ohnmacht und Sprachlosigkeit führen muss.

Diese repressiven Maßnahmen haben nichts mehr mit dem zu tun, was das Bundesverfassungsgericht 1985 in seiner Brockdorf-Entscheidung zur gesellschaftlichen Bedeutung von Versammlungen festgeschrieben hat - nämlich ein „Stück ursprünglich-ungebändigter unmittelbarer Demokratie“ zu sein, das geeignet ist, „den politischen Betrieb vor Erstarrung in geschäftiger Routine zu bewahren".

Politiker und polizeiliche Spitzenbeamte, die immer wieder einen solche massive Verfassungsverletzungen zu verantworten haben, sind eine unmittelbare gegenwärtige Gefahr für das Gemeinwohl und den Rechtsstaat, der es entgegenzutreten gilt und dessen sofortige Ablösung ein notwendiges und richtiges Signal wäre. Nicht Beförderung, sondern Entlassung aus dem Dienst ist die richtige Maßnahme.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit und wünsche Ihnen alles Gute und viel Erfolg.

RA Michael A. Hofmann, Mitglied im Vorstand des RAV e.V.

Rede von Ulla Jelpke bei der Protestkundgebung 9.2.2008

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Im Mai 1968 beschloß die damalige Große Koalition aus Unionsparteien und SPD die Einführung der Notstandsgesetze. Diese Notstandsgesetze gaben dem Staat außerordentliche Vollmachten im Fall von Kriegen und inneren Unruhen. Sie schränkten die demokratischen Grundrechte in einem solchen Fall massiv ein. Die Einführung einer solchen Bürgerkriegsverfassung war eine Ursache für die Bildung der Außerparlamentarische Opposition - der APO - von 1968.

Heute – 40 Jahre später – erleben wir eine erneute Attacke auf die demokratischen Grundrechte. Im Namen des „Krieges gegen den Terrorismus“ wird der Rechtsstaat zum präventiven Überwachungsstaat umgebaut. Am Ende dieser Regierungsperiode werden wir in einem anderen Staat leben – wenn wir die Große Koalition in ihrem Amoklauf gegen die Grundrechte nicht stoppen.

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Krieg nach außen – Repression nach innen – das sind zwei Seiten der selben Medaille.

Besonders deutlich sehen wir dies alljährlich im Februar hier in München während der NATO-Sicherheitskonferenz. Während Kriegsstrategen und Rüstungsprofiteure über laufende und zukünftige völkerrechtswidrige Kriege beraten, wird München zur demokratiefreien Zone für Kriegsgegner. Polizeiuniformen, Blaulichter und Sperrgitter beherrschen die Innenstadt. Soldaten üben das Hausrecht im Tagungshotel Bayerischer Hof aus. Demonstrationen werden verboten oder mit fadenscheinigen Argumenten nur außer Sichtweite der Kriegstreiber gestattet. In den vergangenen Jahren gab es zur Sicherheitskonferenz immer wieder Razzien in linken Zentren und zahlreiche Festnahmen von Demonstrierenden.

Bezeichnend war die Äußerung des Konferenzorganisators Horst Teltschik vor einem Jahr: Es sei die Tragik der Demokratie, dass hier jeder seine Meinung öffentlich vertreten darf. In Diktaturen würde so etwas nicht passieren.

Teltschik sprach hier nur deutlicher aus, was Politiker wie Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble auch meinen. Denn an der Spitze der laufenden Attacken gegen das Grundgesetz steht t der oberste Verfassungshüter. Öffentlich denkt Schäuble über extralegale Hinrichtungen von Terrorverdächtigen nach. Er will unter Folter zustande gekommene Aussagen nutzen und heißt das US-Gefangenenlager Guantanamo gut.

Für Schäuble und die Bundesregierung ist jeder Bürger und jede Bürgerin ein potentiell verdächtiges Sicherheitsrisiko. Mit dem im letzten Jahr beschlossenen Vorratsdatenspeicherungsgesetz bleiben alle Verbindungsdaten von Telefon und Internet für ein halbes Jahr gespeichert und stehen dem Zugriff von Polizei und Geheimdiensten zur Verfügung. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ist damit abgeschafft.

Mit dem in Kürze kommenden BKA-Gesetz sollen die geheime Online-Durchsuchungen von Computern ermöglicht werden. Erlaubt wird auch das Abhören bislang geschützter Berufsgruppen wie Journalisten und Ärzte. Auf der Strecke bleiben dabei Patientengeheimnisse, das Zeugnisverweigerungsrecht, ein wirksamer Informantenschutz und die Pressefreiheit sowie die Privatsspähre der Bürgerinnen und Bürger.

Es hat nichts mit dem Kampf gegen den Terror zu tun, wenn der Datenschutz verletzt wird. Es dient nicht unserer Sicherheit, wenn der Staat sich in die ganz privaten Dinge der Bürgerinnen und Bürger einmischt! Im Gegenteil: wenn wir uns gegen diese Entwicklung nicht wehren, dann werden wir Freiheit und Sicherheit verlieren

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Eine Lehre aus dem Terrorapparat der Geheimen Staatspolizei unter dem Faschismus war das Trennungsgebot von Geheimdiensten und Polizei in der Bundesrepublik. Mit dem Terror-Abwehrzentrum und der Terrordatei, in denen die Erkenntnisse von Polizei, Verfassungsschutz und zahlreichen Bundesbehörden zusammenlaufen, wurde diese Lehre aus dem Faschismus über Bord geschmissen. Ein riesiger, demokratisch unkontrollierter Datenkoloss wurde geschaffen. Praktisch jeder kann durch Zufall selber einer Terrordatei laden. So, wie ein Berliner Sozialwissenschaftler nur deswegen als angeblicher Terrorist inhaftiert wurde, weil einige Begriffe seiner wissenschaftlichen Untersuchungen auch in den Bekennerbriefen eine militanten gruppe auftauchten und dieser Sozialwissenschaftler manchmal bei Besprechungen sein Handy ausschaltete.

Es ist offenbar nicht schwer, Terrorist zu werden. Zumindest sieht Generalbundesanwältin Monika Harms das so. Denn im vergangenen Jahr schwang die Generalbundesanwältin wieder willkürlich die Terrorismuskeule des Paragraphen 129a gegen Kritikerinnen und Kritiker der herrschenden Politik. Betroffen waren vor allem Antimilitaristen und Globalisierungskritiker sowie türkische und kurdische Linke.

Doch die Generalbundesanwältin erhielt mehrere schallende Ohrfeigen vom Bundesgerichtshof. Die Razzien gegen Globalisierungskritiker im Vorfeld des G8-Gipfels waren ebenso illegal wie die Einstufung von Brandanschlägen auf parkende Bundeswehrfahrzeuge als Terrorismus. Doch auch davor gelangten 90 Prozent der 129a-Ermittlungsverfahren niemals zu einer Anklage geschweige denn zu einer Verurteilung wegen Terrorismus. Schließlich liegt der Sinn des Paragraphen 129a in der Kriminalisierung und Einschüchterung oppositioneller Bewegungen sowie der umfassenden Datensammlung vor allem über linke Strukturen und Aktivisten.

Solange die Paragraphen 129, 129a und der neue 129b gegen ausländische terroristische Vereinigungen existieren, werden sie auch Anwendung finden. Spätere Rügen durch den Bundesgerichtshof ändern daran nichts. Die Konsequenz muss sein: Abschaffung der Terrorparagraphen!

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Während immer mehr deutsche Truppen zu Kriegseinsätzen ins Ausland geschickt werden, will die Bundesregierung die Soldaten auch im Inland einsetzen. Dies ist bislang durch das Grundgesetz verboten. Aus gutem Grund: Soldaten im Inland bedeuteten in der deutschen Geschichte stets Unterdrückung von Demokratie und Freiheit.

Eine neue Dimension der inneren Militarisierung erlebten wir bereits während des G8-Gipfels vergangenen Sommer in Heiligendamm. Spähpanzer haben die Verkehrsströme nach Demonstranten ausgeforscht. Tornados der Luftwaffe sind mehrfach über die Protestcamps gerast und haben dabei Hunderte von Bildern geschossen. Mit erlaubter „Amtshilfe“ für die Polizei hat das nichts mehr zu tun. Das war in meinen Augen ein klar verfassungswidriger Bundeswehreinsatz.

Verfassungswidrig war auch die Änderung des Luftsicherheitsgesetzes, das es der Bundeswehr erlaubten sollte, entführte Flugzeuge abzuschießen. Das Bundesverfassungsgericht hat hier deutlich gemacht, dass die Würde des Menschen unantastbar bleiben muss. Nun will Bundesinnenminister Schäuble mit einer Grundgesetzänderung solche Bundeswehreinsätze doch noch ermöglichen. Aber Menschenwürde gehört zum Garantiebestand des Grundgesetzes. Da hilft der Regierung also keine Verfassungsänderung. Wer trotzdem ein Flugzeug-Abschussgesetz einführen will, zeigt damit ganz deutlich, wie wenig er vom Grundgesetz und dem Grundrecht auf Leben und Menschenwürde hält. Das gilt auch für Verteidigungsminister Franz-Josef Jung, der schon jetzt Piloten für solche Abschüsse bereithält. Ihr seht – die Verfassungsfeinde sitzen im Bundeskabinett.

Um es noch mal deutlich zu sagen: Unsere Sicherheit wird weder am Hindukusch verteidigt, noch mit mehr Olivgrün auf deutschen Straßen.

Liebe Kriegsgegnerinnen und Kriegsgegner,

Man muss sich bei dieser ganzen Entwicklung fragen, was die Herrschenden eigentlich bezwecken. Es scheint ja im Moment überhaupt keine Notwendigkeit zu geben, die Opposition quasi unter Kriegsrechtsbedingungen zu stellen. Es gibt niemanden im Land, den die Herrschenden ernsthaft als „Gefährder“ einstufen müssten, es gibt nicht die Spur einer ernsthaft systemüberwindenden Opposition.

Aber gab es denn einen „richtigen“ Grund für die Einführung der Notstandsgesetze in den 1960er Jahren? Die Regierenden zögern nicht, die Basis ihrer Herrschaft zu verbreitern, wenn sie die Gelegenheit dazu sehen.

Das ist aus Herrschaftssicht, nur allzu verständlich. Wer will ausschließen, dass es auch in Deutschland in Zukunft größere soziale Kämpfe geben wird, in denen der Kapitalismus an sich in Frage gestellt wird? Die neoliberale Politik und die kommende Wirtschaftskrise erzwingen dies geradezu. Die Herrschenden denken bei der Vorbereitung der präventiven Konterrevolution weiter als viele der Beherrschten.

Im Unterschied zu 1968 haben wir heute mit der LINKEN eine Fraktion im Bundestag, die konsequent gegen die Angriffe der Großen Koalition auf das Grundgesetz eintritt. Eine Fraktion, die den Bundeswehreinsatz im Inland ebenso ablehnt, wie denjenigen am Hindukusch. Aber das Parlament kann nur eine Tribüne für unseren Widerstand sein. Im Bundestag alleine werden wir den Weg in den Überwachungsstaat nicht stoppen können. Notwendig ist eine neue außerparlamentarische Opposition zur Verteidigung unserer Grundrechte.

Rede Bahman Nirumand - Freitag 8.2.2008

Meine Damen und Herren,
liebe Freundinnen und Freunde,

heute Abend wird die Münchener Konferenz für Sicherheitspolitik eröffnet. Die Veranstalter bekennen scheinbar ganz ehrlich und unschuldig: „Wir haben immer mehr Konflikte, aber immer weniger Strategien.“ Sie sprechen von Machtverschiebungen und stellen fest, dass die Ordnung der Welt aus den Fugen geraten ist.

Soweit, so richtig. In der Tat existiert die alte Ordnung, in der die US-amerikanische Supermacht und einige westeuropäische Staaten alles unter Kontrolle hatten, nicht mehr. Das Zentrum der Welt verschiebt sich. Neue Mächte sind im Vormarsch.

Es ist aber kaum zu erwarten, dass die Teilnehmer der Konferenz die Tatsachen zur Kenntnis nehmen und nach den Ursachen der zunehmenden Konflikte und der allgemeinen Unordnung fragen.

Berauscht von dem Glauben an der Macht der Waffen, werden sie, wie seit eh und je, neue Gewaltstrategien entwickeln und neue Militäreinsätze planen, um den lukrativen Waffenmarkt auszuweiten und die Energiequellen, Rohstoffe und billige Arbeitskräfte unter ihre Kontrolle zu bringen.

Sollten sie aber wider Erwarten tatsächlich sich grundsätzlich um neue Strategien bemühen, dann müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass die Zeit des Kolonialismus längst vorbei ist, dass man mit Gewalt nur Chaos stiften kann, dass die Menschen, auch in den zurückgehaltenen Ländern bewusster geworden sind und sich gegen Unterjochung zur Wehr setzen, auch wenn dieser Widerstand oft den Makel der Verzweiflung trägt.

Die Teilnehmer der Konferenz müssen zur Kenntnis nehmen, dass die Rolle, die die USA nach dem Zerfall der Sowjetunion und der Berliner Mauer als alleinige Supermacht gespielt und sich dabei in allen Teilen der Welt nach Belieben ausgetobt haben, allmählich ausgespielt ist, und dass andere Mächte wie Russland China oder auch Indien, nicht weniger aggressiv ihren Anteil an dem großen Kuchen fordern.

Die Teilnehmer der Konferenz sollten weiterhin zur Kenntnis nehmen, dass die Supermacht USA und in weitem Maße auch Europa ihr Ansehen und Glaubwürdigkeit in weiten Teilen der Welt eingebüßt haben. Lange Zeit hindurch hat sich der Westen als Bannerträger der Demokratie und der Menschenrechte präsentiert. Diesen Anspruch hat er längst verloren.

Denn die Menschen in anderen Teilen der Welt sind doch nicht taub und blind. Sie sehen, wie unter dem Deckmantel der Demokratie, trotz ständigen Bekenntnissen zu Menschenrechten alles Undenkbare und Unvorstellbare möglich und erlaubt ist.

Es ist erlaubt, dass der Präsident eines demokratisch verfassten Staates unzählige Male sein eigenes Volk und die ganze Welt offen und schamlos belügt und trotzdem im Amt bleibt, auch dann, wenn er diese Lügen zum Vorwand nimmt, um einen Krieg vom Zaum zu brechen, bei dem Hunderttausende Zivilisten getötet und verletzt und Millionen zur Flucht gezwungen wurden. Es ist den selbsternannten Demokraten und Verfechtern der Menschenrechte erlaubt, das Völkerrecht zu brechen, Länder zu besetzen, Menschen zu entführen und brutal zu foltern. Es ist erlaubt, zu Militärdiktaturen wie zu der in Pakistan und zu Despoten wie zu denen in Saudi-Arabien freundschaftliche Beziehungen zu unterhalten, ihnen für zig Milliarden Waffen zu liefern, um eigene ökonomische und militärstrategische Interessen durchzusetzen.

Es ist erlaubt, vierzig Jahre lang sämtliche UNO-Beschlüsse zu ignorieren, ein Land besetzt zu halten und es durch den Ausbau von immer mehr Siedlungen, Militärstützpunkten, Checkpoints und Mauern so zu okkupieren, dass jede Hoffnung auf einen autonomen Staat begraben werden muss. Es ist erlaubt, Teile dieses Landes zur militärischen Sperrzone zu erklären, anderthalb Millionen Menschen von der Außenwelt auszugrenzen und sie aushungern zu lassen.

Ist es möglich, trotz dieser Beispiele, denen man endlos weitere hinzufügen könnte, immer noch zu glauben, dass der Westen es mit der Demokratie und der Einhaltung der Menschenrechte ernst meint?

Der Irak sollte zum Vorbild eines demokratischen Staates im Nahen Osten werden. Der blutrünstige Despot Saddam Hussein wurde zwar gestürzt, aber seit fünf Jahren ist im Irak niemand seines Lebens sicher. Das Land liegt in Trümmern, Mord und Terror hören nicht auf. Allein in den letzten zwei Wochen wurden mehr als hundert Menschen getötet. Ein Ausweg ist nicht in Sicht. Eine nationale Einheit der mehr denn je verfeindeten Volksgruppen ist schier unmöglich und eine Teilung des Landes würde zu mehreren Kriegen führen.

Auch Afghanistan sollte zu einem Musterstaat mit blühenden Landschaften werden. Seit sieben Jahren steht das Land unter Besatzung. Der ehemalige Verteidigungsminister Peter Struck ist ehrlich genug und gesteht, dass deutsche Soldaten deutsche Interessen am Hindukusch vertreten. Andere Nato-Staaten tun das auch, obwohl sie es vielleicht nicht offen zugeben. Wer aber vertritt die Interessen Afghanistans? Sicherlich nicht die korrupte Regierung Karsai und auch nicht das Parlament, in dem die Killer von einst und heutige Bosse der Drogenmafia sitzen. Angeblich waren die Besatzer gekommen, um das Land aufzubauen und den Menschen Sicherheit zu gewähren. Es muss erlaubt sein, zu fragen, wo all die Milliarden geblieben sind, die für die Entwicklung des Landes bereitgestellt wurden. Sicher, die Regierung ist korrupt, aber nicht einmal ein Viertel der Gelder ist überhaupt nach Afghanistan gelangt. Und die Sicherheit? Der Terror ist um das Mehrfache gestiegen und die Taliban sind im Vormarsch. Man könnte auch die Frage stellen, woher all die Waffen kommen, mit denen die Terroristen und die Taliban ihren Kampf führen. Verfügt etwa Al Kaida über Waffenfabriken? Und wer organisiert den Drogenexport bis nach Europa und in die USA? Sind das alles afghanische Warlords?

Die Militärregierung in Pakistan, die zu den bevorzugten Schützlingen der USA gehört und mit Waffen im Wert von Milliarden und großzügiger Entwicklungshilfe, auch aus Deutschland, versorgt wird, ist längst nicht mehr Herr der Lag im eigenen Land. Weite Teile des Landes stehen unter der Kontrolle der Islamisten, die zudem durch weitreichende Verbindungen über großen Einfluss in der Armee und im Geheimdienst verfügen. Gäbe es freie Wahlen in Pakistan, wäre nicht ausgeschlossen, dass Islamisten den Sieg davon tragen und auf legalem Weg in den Besitz von Nuklearwaffen gelangen würden.

Iran steht nach wie vor im Visier der USA. Washington möchte zwar unbedingt verhindern, dass Iran in den Besitz von Nuklearwaffen gelangt, aber das eigentliche Ziel ist ein Regimewechsel und die Kontrolle über die Region, in der die größten Gas- und Ölquellen lagern. Sonst hätte man damals unter dem kompromissbereiten Reformpräsidenten Chatami zu einer Lösung gelangen können. Die USA blockierten die Verhandlungen und verhalfen damit den Radikalislamisten zur Macht. Ja noch mehr, Sanktionen und Kriegsdrohungen waren die besten Steilvorlagen für das mörderische Regime von Ahmadinedschad, dem außenpolitische Krisen höchst willkommen sind, um von der Unfähigkeit seiner Regierung abzulenken, das eigene Volk noch mehr zu knechten und in der islamischen Welt die Rolle des Helden zu spielen.

Nein, liebe Freundinnen und Freunde,

die Strategie der Gewalt löst keine Probleme, sie erzeugt immer mehr Gegengewalt. Das sollten sich die um Sicherheit der Welt besorgten Damen und Herren, die hier in München zusammengekommen sind, hinter die Ohren schreiben. Sanktionen und Kriegsdrohungen werden das Regime in Teheran nicht in die Knie zwingen. Die zu Polizisten und Soldaten ausgebildeten Afghanen, die scharenweise zu den Taliban überlaufen, werden nicht in den Schoß der Besatzer zurückkehren, wenn man noch mehr Tornados und Truppen nach Afghanistan schickt. Die Selbstmordattentate der Palästinenser, die durch keinen Vorwand zu rechtfertigen sind, weil Mord einfach Mord ist, werden nicht aufhören, wenn man dem palästinensischen Volk durch immer weiteren Ausbau von Siedlungen die Hoffnung auf einen eigenen Staat raubt und die Menschen weiterhin wie Gefangene behandelt. Nein, Gewalt erzeugt Gegengewalt.

Was wir brauchen, ist eine Strategie des Friedens, eine Strategie gegen Armut, Hunger und Seuchenkrankheiten, eine Strategie die frei ist von der Arroganz der Macht, eine Strategie die tatsächlich die Menschenrechte und Gleichberechtigung der Völker akzeptiert. Diese Strategie werden wir nur dann durchsetzen können, wenn die internationale Friedensbewegung stark genug ist, um die, die hier in München hinter verschlossenen Türen tagen, dazu zu zwingen, statt Lippenbekenntnisse tatsächlich als Demokraten und Verteidiger der Menschenrechte zu handeln und sich dem Willen der Völker nach Frieden und Freiheit zu beugen.

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