SIKO Gegenaktionen München

Afghanistan: Das Märchen vom Truppenabzug

In diesen Tagen wurde im Bundestag das neue Mandat über die Verlängerung des Bundeswehr-Einsatzes beschlossen. Der Beschlussantrag der Bundesregierung sieht vor, dass im kommenden Jahr „bis zu 4.900 Soldatinnen und Soldaten mit entsprechender Ausrüstung eingesetzt“ werden. Das ist im Vergleich zu heute eine Truppenreduzierung von gerade einmal 100 Soldatinnen und Soldaten. Derzeit sind 4.987 Bundeswehrsoldaten im Einsatz. Nicht im Beschlussteil, sondern in der Begründung des Antrags erwägt die Bundesregierung bis 2013 eine weitere Reduzierung auf 4.400 Soldaten, allerdings nur „soweit die Lage dies erlaubt“. Deutschlands Kriegsminister erklärte inzwischen, dass der Abzugstermin 2014 „sachlich falsch“ sei. Auch in Zukunft müssten „afghanische Militär-Operationen mit ausgewählten Hochwertfähigkeiten der Bundeswehr unterstützt werden“. Außerdem, die geplante Ausbildung der afghanischen Streitkräfte „machen bei uns nicht die Sanitäter, sondern natürlich Infanteristen. Und das sind kampffähige Truppen“. Während der Afghanische Präsident Karzai immer wieder beteuert, er werde weiter daran arbeiten, Reformen voranzutreiben, versicherten die Regierungen der NATO-Staaten auf der Bonner Afghanistan-Konferenz Anfang Dezember, dass auch nach dem offiziell verkündeten Abzugstermin 2014 die militärische Dauerpräsenz der NATO – wenn auch mit geringerem Personal – mindestens bis 2024 fortgesetzt werde. Erst auf dem NATO-Gipfel im Mai 2012 soll ein gemeinsames Konzept beschlossen werden, wie die afghanischen Sicherheitskräfte nachhaltig aufgestellt, ausgebildet, ausgestattet und finanziert werden können. Die afghanischen Sicherheitskräfte sollen deshalb bis Ende 2012 auf eine Stärke von insgesamt 352.000 Mann aufgerüstet werden. Klar ist aber schon jetzt, dass sich diese riesige Armee niemals über den afghanischen Staatshaushalt finanzieren lässt. Der afghanische Finanzminister rechnete auf der Konferenz in Bonn vor, dass für die afghanischen Sicherheitskräfte Kosten von zusätzlich sechs Milliarden Euro jährlich entstehen. Die derzeitigen Staatsausgaben Afghanistans liegen bei 1.3 Milliarden Euro. Sie werden zu 90 % von den westlichen Ländern finanziert.

Bilanz nach 10 Jahren Krieg ...

In Afghanistan herrscht heute weder Demokratie noch Sicherheit. Nach Angaben der unabhängigen Menschenrechtsorganisation „Afghanistan Rights Monitor“ (ARM) in Kabul sind im Jahr 2010 mehr als 2.400 Zivilisten getötet und rund 3.300 verletzt worden. Das sind so viele wie noch nie seit Kriegsbeginn 2001. Auch der vom Westen versprochene Wohlstand ist bisher bei der Bevölkerung nicht angekommen. Nach 10 Jahren NATO-Krieg und Besatzung leiden heute acht Millionen Menschen in Afghanistan an Hunger und Unterernährung, die durchschnittliche Lebenserwartung ist auf 46 Jahre gesunken. Der einzige blühende Wirtschaftszweig ist – mit 90 Prozent der Weltproduktion – der Opiumhandel. Afghanistan ist inzwischen zum Drogenzentrum der Welt geworden. Seit 2001 ist dessen Opium-Produktion um 4400% ange-stiegen, und nach dem letzten Bericht der UN-Drogenbehörde vom Oktober noch einmal um 61 Prozent seit 2010. Die wichtigsten Ministerien in der afghanischen Regierung sind unter regionalen Warlords und der Drogenmafia aufgeteilt. Trotz unzähliger Beteuerungen Karzais, die Korruption im Land bekämpfen zu wollen, steht Afghanistan in der von „Transparency International“ veröffentlichten Weltrangliste korrupter Staaten weiterhin auf dem vorletzten Platz.

… kein Ende in Sicht

Während die Regierungen der NATO-Staaten vom „Ab-zug“ und der Übergabe der „Verantwortung an die afghanische Regierung“ reden, eskalieren sie den Krieg. Die von „Wikileaks“ veröffentlichten US-Geheimdokumente belegen die rücksichtslosen NATO-Bombardements, die Tötung von Zivilisten an Kontrollposten und bei Häuserdurchsuchungen, den Einsatz unbemannter Kampfdrohnen, bei denen jedes Mal zahllose Menschen ermordet werden, und die systematische Vertuschung dieser Verbrechen. Dies alles geschieht mit Billigung Deutschlands und unter aktiver Beteiligung der Bundeswehr. Dagegen gehen wir auf die Straße.