SIKO Gegenaktionen München

Redebeitrag Malalai Joya

Rede von Malalai Joya

auf der Abschlusskundgebung der Demonstration gegen die NATO-Kriegstagung
am 4. 02. 2012 auf dem Marienlatz



Ich möchte mich bei den OrganisatorInnen bedanken, dass ich hier von dieser Stelle aus im Namen des Leid geprüften afghanischen Volkes, insbesondere im Namen seiner unglücklichen Frauen, zu euch sprechen kann.

Ich grüße alle fortschrittlichen Antikriegskräfte in Deutschland, die sich solidarisch an die Seite meines trauernden Volkes stellen. Wenn also die deutsche Regierung ein enger Freund der Feinde unseres Volkes ist und die seit über zehn Jahren andauernde, fatale Besatzungspolitik der USA und der NATO stützt, so bin ich glücklich, dass die KriegsgenerInnen und die den Frieden liebenden Menschen in Deutschland in Solidarität zu uns stehen, was uns Mut und Entschlossenheit gibt, für Gerechtigkeit und wahre Demokratie in unserem Land zu kämpfen.

Erst vor wenigen Wochen ist die 2. Bonner Afghanistan Konferenz hier in Deutschland abgehalten worden, auf der sich eine Handvoll korrupter afghanischer Amtsinhaber, von der USA und dem Westen bezahlte Politiker, versammelten, um Afghanistan an seine Herren zu verkaufen. Alle Entscheidungen, die auf solchen Konferenzen gefällt werden, sind gegen den Willen des afghanischen Volkes getroffen worden und diese Teilnehmer sind nicht die legitimen Vertreter von Afghanistan. Diese Konferenz war ein Versuch, für die USA die Voraussetzungen für die Legitimation einer dauerhaften militärischen Präsenz in Afghanistan zu schaffen
Solange das US-Militär in Afghanistan ist, haben wir keine Unabhängigkeit. In einem Land, das keine Unabhängigkeit besitzt, von Demokratie, Menschenrechten und sozialer Gerechtigkeit zu sprechen, ist ein schlechter Scherz.

Auf der Ersten Afghanistan Konferenz in Bonn lieferten sie Afghanistan den Kriminellen, Plünderern und schlimmsten Feinden von Demokratie und Gerechtigkeit aus. Die Konferenz war der Beginn eines neuen großen Spiels des Westens in Afghanistan, das fatale Folgen für unser Land hatte. Aber auf der zweiten Konferenz in Bonn legten sie Afghanistan in die Ketten der Sklaverei.

Nach zehn Jahren Krieg und Besatzung in meinem Land und der Tötung von Zehntausenden meiner unschuldigen Landsleute gibt nun die USA zu, dass die Taliban nicht ihre Feinde sind! Das ist wahr, denn, wie ich schon in der Vergangenheit gesagt habe, sind die Taliban und andere Terroristengruppen alle Produkte des Weißen Hauses und sie sind ausschließlich die Feinde des afghanischen Volkes und nicht die ihrer Herren. Alle fundamentalistischen Terroristenbanden von Mullah Omer zu Hekmatyar und Osama, und jene, die an der Macht sind wie Mohaqiq, Khalili, Fahim, Dustom, Qanooni, Abdulah, Amrullah Saleh, Sayyaf etc. wurden geschaffen, bewaffnet, versorgt und in Machtpositionen gebracht durch die USA und andere westliche Regierungen während des Kalten Krieges, und die USA stützt sich immer noch auf diese Gruppen, die für Dollar und Macht sich versklaven lassen und Verrat begehen.

Die Folgen der 10 jährigen Besatzung waren mehr Blutvergießen, mehr Verbrechen, mehr Verstöße gegen Frauen- und Menschenrechte, was die Sorgen für unser Volk vergrößerte . Während dieser blutigen Jahre wurde Zehntausende unschuldige ZivilistInnen durch die Besatzungskräfte und die Terroristengruppen getötet. Aber die USA und die NATO verfolgen nur ihre eigenen strategischen, militärischen, ökonomischen und regionalen Interessen und bringen meine leidende Nation in Bedrängnis, weil sie ihre Ziele erreichen wollen.

Die Situation der Frauen wird mit jedem Tag schlechter. Entführungen, Vergewaltigungen, Selbstverbrennungen, Säureattacken, häusliche Gewalt nimmt unaufhörlich zu. Nach UNIFAM (der Frauenorganisation der UN) ist es der gefährlichste Ort, an dem eine Frau leben kann. Den afghanischen Frauen zu helfen ist nur ein Teil der Propaganda-Kampagne der westlichen Mächte, um ihre Präsenz in Afghanistan zu rechtfertigen, aber in Wirklichkeit hat das Wohlergehen der afghanischen Frauen keine Bedeutung für sie.

Laut offizieller Statistiken sind über 65 Milliarden US Dollar ausländischer Finanzhilfe in den Wiederaufbau des Landes geflossen, aber den Großteil der Hilfe haben sich die Warlords, die Drogenhändler, nationale und internationale NGOs (Nichtregierungsorganisationen) unter den Nagel gerissen. Was die Korruption betrifft, steht Afghanistan an zweiter Stelle weltweit und das Regime ist das korrupteste in unserer Geschichte.

In diesen zehn Jahren haben die US Marionetten Afghanistan in das Drogenzentrum der Welt verwandelt. Seit 2001 hat die Opiumproduktion in meinem Land über 4400 Prozent zugenommen. Es gehörte zur Strategie der USA, Afghanistan auf Drogenproduktion zu spezialisieren, weil sie jedes Jahr Hunderte Milliarden Dollar aus der afghanischen Opiumindustrie ziehen, während das Leben unserer armen Bevölkerung zerstört wird. Ich glaube, dass Opium gefährlicher ist als Al Quaida und der Terrorismus und gefährlicher als der Krieg, der tötet und das Leben der Menschen ruiniert. Über zwei Millionen der 30 Millionen Afghanen sind Drogen abhängig und viele von ihnen sind Frauen und Kinder.

Die USA und die NATO sagen uns, dass sie Afghanistan Mitte 2014 verlassen werden, aber das ist eine Lüge, und sie hintergehen ihre eigene Bevölkerung. Wir wissen, dass die USA und ihre Verbündeten wegen ihrer eigenen Interessen hier sind. Wenn sie die afghanische Armee und die Polizei aufrüsten, nur, ums sie als Kanonenfutter zu benutzen, um die Opfer unter ihren Soldaten zu verringern. Sie wollen Afghanistan zu einer Militär- und Geheimdienstbasis machen. Das genügt, um die Heuchelei der US-Regierung zu zeigen.

Die westlichen Regierungen betrügen nicht nur das afghanische Volk, sondern auch ihr eigenes. Sie vergeuden das Geld ihrer Steuerzahler und das Blut ihrer Soldaten in einem Krieg, der nur die Interessen der multinationalen Konzerne und eine Handvoll Vertreter einer korrupten afghanischen Marionettenregierung schützt.

Ich glaube, dass die einzige Lösung für Afghanistan nur der Rückzug der Truppen sein kann, weil ihre Präsenz den Kampf für Gerechtigkeit erschwert, da durch sie die reaktionären, brutalen, zerstörerischen Kräfte an der Macht gehalten werden und so eine wirkliche Demokratisierung behindert wird.

Einige sagen, dass die Taliban wieder an die Macht kommen könnten und ein Bürgerkrieg ausbrechen könnte, aber mein Volk, obwohl es verletzt, hoffnungslos und kriegsmüde ist, wird unerschütterlich bis zum Ende gegen die Warlords und Taliban kämpfen, weil sie sie hassen. Die Geschichte zeugt davon, dass sich Völker nur selbst befreien können, Demokratie und Gerechtigkeit kann nicht durch eine ausländische Macht aufgezwungen werden, zudem von den USA, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in unzähligen Ländern den Sturz demokratischer Regierungen betrieben und Diktatoren und Mörder zur Macht verholfen hat.

Ich hoffe, dass eines Tages auch Afghanistan ruhmreiche Aufstände gegen fundamentalistische Diktatoren und ihre Beschützer erleben wird wie in den Ländern des mittleren Ostens. Im Moment sehen wir bereits kleine Aufstände in Kunnar, Takhar, Nangarha, Paktia, Logar, Farah, Heart, Ghazni, den Provinzen von Helmand. Sie sind für uns alle eine große Hoffnung.

Zum Schluss möchte ich alle für den Frieden kämpfenden, Gerechtigkeit suchenden, demokratischen Organisation, Gruppen, Parteien und Individuen dazu aufrufen sich mit fortschrittlichen und demokratisch gesinnten Kräften, die eure Unterstützung und Solidarität brauchen, zusammenzuschließen. Deshalb lautet meine Botschaft an euch, mein Volk vor allem auf dem Gebiet der Bildung zu unterstützen, denn Bildung ist der Schlüssel zur Emanzipation.